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Vierzehntes Kapitel.
Die Musterung

Sobald der Graf sichere Kunde empfangen hatte, daß Solyman's Zug zunächst Sigeth gelte, ließ er die Bäume in der Nähe der Stadt und in den Gärten umhauen, die Zäune abbrennen, die Stadtthore mit Erde und Steinen vermauern und verbot bei Lebensstrafe, sich ohne seine Erlaubniß aus der Stadt zu entfernen.

Am 1. August 1566 erschien der Begler Beg von Rumili mit 90,000 Mann und 300 Kanonen auf dem nördlich von Sigeth gelegenen Hügel. Am 5. August kam Solyman selbst mit der Hauptmacht von mehr als 100,000 Mann und lagerte sich vor der Festung. Ein dreimaliges furchtbares Geschrei im Lager: Allah! Allah! Allah!, das Schmettern der Trompeten und Zinken, sowie der Donner des groben und kleinen Geschützes und das Knallen der Flinten kündigte die Ankunft des Großsultans an.

Zriny, um ihn auch seinerseits würdig zu empfangen, hatte den Thurm mit glänzendem Blech ausschlagen, die Bollwerke mit rothem Tuch behängen lassen, und über dem Thore hatte er ein großes vergoldetes Kreuz aufgerichtet. Den Geschützesdonner im türkischen Lager erwiederte er mit einem Schuß aus der großen Kanone, und auf das Allahgeschrei des feindlichen Heeres antwortete die Besatzung mit dem Ruf: Jesus! Jesus! Jesus!

Während er so seinen Feind bewillkommnete und der Höflichkeit genug that, hatte er mittlerer Weile befohlen, daß die ganze Besatzung sich im inneren Schloßhof versammle.

Die Besatzung bestand, die Bürger abgerechnet, der großen Mehrzahl nach aus kriegsgewohnten Männern, aber die sichere Aussicht, entweder siegen oder sterben zu müssen, hatte auch die Kampfeslustigsten zu einem gewissen Ernst gestimmt. Niemand traute es dem Grafen zu, daß er die Festung übergeben werde, Niemand aber auch zweifelte, daß Solyman, nachdem er einmal in eigner Person und mit einem solchen Heer herangezogen war, das Aeußerste aufbieten werde, seinen Schwur zu erfüllen. In dieser Stimmung wartete das versammelte Volk auf die Ankunft des Grafen.

An der Pforte, die aus dem Schloß in den Hof führte, standen die Edelleute, dann kamen die ungarischen Kriegsleute, dann die Einwohner der Stadt und der dem Grafen zugehörigen Dörfer, in der Mitte des Hofes, etwas abgesondert von den Uebrigen, stand das Fähnlein der deutschen Landsknechte.

Der Gerber hatte seinen jungen Freunden zu lieb einen etwas erhöhten Ort bestiegen, von wo aus er ihnen das versammelte Volk zeigen konnte. Er nannte ihnen die einzelnen Edelleute, die besondre Freunde des Grafen waren, oder durch ihre Kriegsthaten sich ausgezeichnet hatten, lobte das ungarische Kriegsvolk wegen seiner feurigen Tapferkeit, tadelte hie und da etwas an den Bürgern, die sich zum Theil freilich nicht besonders kriegerisch ausnahmen, und endlich wandte er seine Aufmerksamkeit den Landsknechten zu, die in der Mitte des Hofs standen.

»Da sieh!« sagte er, »Konrad, das sind deine Leute! Von Morgen an wirst du unter ihnen dienen, denn mit der Gerberei wird's zur Zeit noch gute Weile haben. Klaus Lindenhardt ist zufrieden mit dir: er sagt, der Adam habe dich die Handgriffe ziemlich gut gelehrt, und was das Marschiren betrifft, so brauchtest du das jetzt in der Festung noch nicht nothwendig zu können. Sieh doch, was es für stattliche Leute sind! Da stehn sie wie aus Eisen gegossen. Ich glaube, es dürften jetzt alle sechzig Kanonen der Festung losgeschossen werden, und es würde keiner auch nur mit einem Auge zwinkern. Der Ungar ist ein wackrer Soldat, aber ein Springinsfeld: er muß sich bewegen können, er muß ein Pferd unter sich und unter dem Pferd die weite Haide haben – er ist, so zu sagen, nach der türkischen Art. Diese Knechte aber sind gelernte Kriegsleute, bei denen alles nach der Schnur und nach dem Takt geht, und wenn siebzehn unter zwanzig von ihnen schon auf dem Boden liegen, werden die drei andern stehen bleiben und mit der Hellebarte oder dem Degen noch so kaltblütig drauf los handthieren, als wenn sie auf dem Exercierplatz wären. Ungarische Reiter und deutsche Landsknechte müßte einer haben, dann, sag' ich, kann er die Welt erobern. Nun wonach schaust du so mit aufgerecktem Hals, Konrad, nach dem Lindenhardt? Dort, mein' ich, seh' ich ihn stehen.«

»Nein, nach dem großen Burschen, der neben ihm steht. Wenn mir recht ist, so hat er Handschellen an und ist ohne Degen. Ich meine, ich sollte ihn kennen.«

»Es ist der Landsknecht«, sagte Joseph, »der beim blauen Peter mit dem Kroaten Händel gehabt hat. Ich kenne ihn an der Schramme über seinem rechten Auge.«

»Der Ludwig?« sagte der Gerber, »nun was hat denn der angestellt? Er ist ein guter Kamerad, aber ein Hitzkopf, gewiß hat er wieder einen Streit angefangen. He, Gevatter Schreiber!« rief er einem vorübergehenden Ungarn zu, der seiner Kleidung nach zu dem Dienstpersonal des Grafen gehörte, »könnt ihr mir nicht sagen, was hat denn der Ludwig Müller gethan, daß sie ihm Handschellen angelegt haben?«

»Der Junäk Landsknecht. dort?« sagte der Angeredete grämlich, »das ist einer von euren deutschen Raufbolden, der hat gestern Abend wider seinen Hauptmann vom Leder gezogen.«

»Vom Leder gezogen wider seinen Hauptmann? jetzt, wo der Feind vor den Thoren steht?« sagte Balthasar erschrocken. »Gott sei ihm gnädig, aber wenn das wahr ist, geb' ich ihm keinen Groschen für sein Leben. Ich kenne den Grafen.«

»Habt Recht«, sagte der Schreiber, »wollt' auch sehen, wo das hinaus wollte, wenn das rohe Volk den Degen wider seine Hauptleute ziehen dürfte. Seht ihr nicht die Bahre dort stehen? Wird wohl noch diesen Morgen durch die Spieße müssen.«

»Schrecklich, schrecklich!« rief Konrad entsetzt, »das kann kein Ernst sein.«

Ehe aber der Gerber ihm eine Antwort geben konnte, kündete eine Bewegung unter den Versammelten, und dann ein dreimaliges Eljen die Ankunft des Grafen an.

Er trat mit einem kleinen Gefolge im vollen Waffenschmuck aus der Schloßpforte und ging langsam, die Versammlung mit ernstem, feierlichem Blick musternd, bis in die Mitte des Hofs, wo die Landsknechte sich aufgestellt hatten. Einige Schritte hinter ihm folgten vier Mann von seiner Leibwache und führten an einem Strick einen gefangenen Türken mit sich, dessen von der Todesangst verzerrtes Gesicht nicht darnach aussah, als ob er sich viel Gutes erwarte.

»Es ist der Hund, der Mahmud Aga«, flüsterten die Umstehenden, »der in dem Dorf draußen die Männer und Weiber niedersäbeln und die Kinder spießen ließ, nachdem er zuvor allen Einwohnern freien Abzug zugeschworen hatte.«

Der Graf war in die Mitte des Hofes getreten, grüßte die Anwesenden und sprach, nachdem eine allgemeine Stille entstanden war, laut, langsam und nachdrücklich also Diese Rede des Grafen so wie die später folgende ist, wenige Auslassungen abgerechnet, wörtlich wieder gegeben.:

»Meine Brüder, die ihr in dem Dienst Kaiserlicher Majestät seid, unsres allergnädigsten Herrn, ihr redlichen und ritterlichen Kriegsleute, ihr seht alle, wie der türkische Kaiser das Land mit Krieg überzogen hat und liegt uns mit gewaltiger Macht auf dem Nacken. Deswegen thut es noth, daß wir bereit seien und mit unerschrockenem Herzen unsern Feind und den Feind des ganzen christlichen Volks und Namens erwarten. Er hat aus großer Hoffart und Verwegenheit, auf seine Macht und den großen Haufen seines ungläubigen Volkes sich verlassend, wider uns das Schwert gezogen. Wir aber setzen unsre Hoffnung und Hülfe auf den allmächtigen Gott, der uns gar wohl erhalten, sie aber leicht stürzen und verderben kann. Deswegen wollen wir seine Ankunft getrost erwarten, und seine große Macht und die Menge seines Volks soll uns nicht erschrecken, denn wir zweifeln nicht, der allmächtige und barmherzige Gott werde, wenn wir ihn mit Ernst anrufen, uns helfen und mildiglich uns zur Seite stehen. Vor allen Dingen aber müssen wir uns befleißigen, daß wir selber einmüthig und treu unter einander dastehn, daß keine Feindschaft zwischen uns Raum habe, kein Groll und Haß unter uns genährt werde, daß nicht eines Hand wider den andern sei, sondern alles Eifers haben wir dahin zu trachten, daß bei uns allen Alles ehrbarlich zugehe, daß wir mit größter Einigkeit und Freundlichkeit bei einander fest halten, so lange dies dem allmächtigen Gott gefallen wird. Deswegen, lieben Brüder, halte ich es für die höchste Nothwendigkeit, daß wir vor allen Dingen durch einen heiligen Eid uns feierlich zusammenschwören. Wir wollen zuerst Gott den Eid thun, dann unsrer Obrigkeit und dann diesem bedrängten Land Treue und Standhaftigkeit geloben.

Zuerst will ich schwören, dann sollt ihr dasselbe thun, damit weder ich gegen euch, noch ihr gegen mich irgend eine Veranlassung zum Mißtrauen haben könnt. So höret also nun meinen Eid:

Ich Nikolaus, Graf von Zriny, gelobe Gott dem Allmächtigen, sodann dem Kaiser, als meinem Herrn und höchster Obrigkeit, und diesem unglücklichen Land, endlich auch euch Soldaten und redlichen Männern, sowie ihr hier versammelt seid, so wahr mir Gott der Vater und der Sohn und der heilige Geist, die heilige Dreifaltigkeit und der einige Gott, helfe, daß ich euch zu keiner Zeit verlassen, sondern mit euch siegen und sterben und alles Glück und Unglück, wie es trifft, treulich mit euch tragen will. – Nun aber ist's billig, daß ihr denselben Eid thut, zwei Finger in die Höhe hebt und Gott zum Zeugen eures Gelöbnisses annehmt. Es wird also jeder einzelne von euch hernach seinem Hauptmann unter der Pforte den Eid thun, und ich werde genau zusehen, daß jeder von euch den Eid dem Schreiber mit lauter Stimme und aufgehobenen zwei Fingern nachspreche, und werde gegen jeden, der etwa dies zu thun oder zu sprechen sich weigern wird, aufs Strengste einschreiten, denn ein solcher wird gewiß nicht im Sinne haben, mit uns bis aufs Ende auszuhalten und ist nicht für einen ehrlichen Mann, sondern für einen Verräther zu achten, und ich werde deswegen von Stund an ihn greifen lassen. Das aber nun sei euer Eid:

Wir alle, Bürger und Reiter und Knechte und Miethssoldaten im Dienste des Kaisers, schwören dem allmächtigen Gott, hernach unserer christlichen Obrigkeit und diesem Land und geloben unserm Obersten, dem Grafen Nikolaus von Zriny, daß wir, wie es treuen und gehorsamen Kriegsleuten geziemt, ihm jeden schuldigen Dienst leisten und, wie er mit uns, auch wir mit ihm leben und sterben wollen.

Hört überdies, was ich euch zu wissen thun will, für den Fall, daß der Tod über mich käme und aus eurer Mitte mich hinwegrisse; dann bestimme ich meinen Freund Caspar Alapi an meiner Statt zum Befehlshaber und gebiete euch, daß ihr ihm gehorcht, ihm die Ehre erweist, wie mir, und jeden seiner Befehle mit allem Eifer und aller Treue ausführt.

Merkt euch noch folgende Artikel: Wenn ein Reiter oder Fußknecht seinem Hauptmann oder Befehlshaber den Gehorsam weigert oder seinem Befehl auf irgend eine Weise sich widersetzt oder mit Gewalt und gezogenem Degen ihn anzugreifen wagt, der stirbt. Sodann, wenn einer einen türkischen Brief annimmt oder liest, der wird auf der Stelle niedergehauen. Wenn einer ein Schreiben, an einem Pfeil hereingeschossen oder sonst irgendwo gelegt, findet, der hat dasselbe sogleich seinem Hauptmann zuzustellen, und dieser sofort es in's Feuer zu werfen. Und wenn die Posten oder Plätze, wo ein jeder zu bleiben und die Wache zu halten hat, durch die Hauptleute und Befehlshaber ausgetheilt werden, einer aber, er sei von Adel oder sonst wer er wolle, ergriffen wird, daß er ohne Erlaubniß und Wissen seines Hauptmanns oder Befehlshabers von seinem Posten weggegangen ist, der wird ohne allen weitern Prozeß augenblicklich gehängt. Endlich, wenn zwei heimlich mit einander Rath halten und darüber ergriffen werden, die werden beide augenblicks gehängt, und wenn einer von solcher Berathung zufällig hört oder sieht und aus Freundschaft es nicht anzeigen will, der soll unverzüglich gleiche Strafe mit ihnen leiden. Letzlich, wer dem andern eines Hellers werth stiehlt, der stirbt von Stund an am Galgen.«

Als der Graf seine Rede an die ganze Besatzung geendet, wandte er sich noch insbesondere an die Edelleute und Bürger, die in der Neustadt ihre Wohnung hatten, und gebot ihnen, das Stroh unter den Dächern wegnehmen und in die Häuser legen zu lassen, damit die Stadt nötigenfalls leicht in Brand gesetzt werden könne. Dann fuhr er, an die Versammelten sich wendend, fort:

»Damit Jedermann sogleich von vornherein sehe, daß weder Feind noch Freund auf eine Nachsicht zu rechnen, sondern gegen alle die strengste Gerechtigkeit ihren Lauf habe, so befehle ich, daß dieser gefangene Türke, Mahmud Aga, wegen seiner schändlichen Treulosigkeit augenblicklich in's Gefängniß gebracht, enthauptet, und sein Kopf auf die Mauer ausgestellt werde. Diesen Landsknecht aber, Ludwig Müller, der heute frühe den Degen gegen seinen Hauptmann gezogen, übergebe ich seinem Fähnlein, als dem Spießrecht verfallen. Dein Leben ist verwirkt, Gott sei deiner Seele gnädig!«

Abermal war eine lautlose Stille in der Versammlung eingetreten, während der Graf mit seinen Begleitern sich entfernte. Dann schleppte die Leibwache den Türken hinweg, welcher, wie der noch scheußlicher gewordene Ausdruck seines Gesichtes bezeugte, das ihm gesprochene Urtheil wohl verstanden hatte, aber mit jener stumpfen Resignation, die dem Muhamedaner eigen ist, in sein Schicksal sich fügte.


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