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III. Die gleichgeschlechtliche Liebe

Die Liebe ist in ihren vielfältigen uns bekannten Aeusserungsformen ein hochbedeutender Faktor von eminenter praktischer Tragweite im Leben nicht weniger Sterblicher. In Form der geschlechtlichen Zuneigung, die sich wesentlich im »Unterbewusstsein« abspielt, durchwebt sie die ganze Schöpfung vom niedersten Tier und der Pflanze an aufwärts und bildet eine organische Grundlage für die Einheitlichkeit der gesamten Schöpfung. In Form der Mutterliebe für ihr Kind, der man ebenfalls die Kraft einer Leidenschaft beimessen kann, äussert sie sich als aufopfernde Fürsorge für die kommende Generation. Bei der Verbindung von Mann und Weib bildet sie die eigentliche Schöpferin der menschlichen Gesellschaft. Angesichts dieser Tatsachen fällt es schwer zu glauben, dass ihre homosexuelle Form, mit der wir uns hier zu beschäftigen haben, so ganz ohne jede tiefere Bedeutung sein sollte, ohne einen sozialen Nutzen und Zweck, der in der Tat umso deutlicher hervortreten wird, je tiefer wir in dieses Kapitel eindringen.

Manchem mag es vielleicht ein wenig erzwungen vorkommen, dass wir die letztgenannte Form der Liebe mit den übrigen auf eine analoge Stufe der Bedeutung stellen. Solche Leute laufen aber Gefahr, die homosexuelle (oder homogenische) Das wissenschaftlich gebräuchliche Wort »Homosexuell« ist eigentlich eine Zwitterbildung. Der Ausdruck »Homogenic« wurde (im Original) vorgezogen, weil seine beiden Wurzeln griechisch sind, nämlich homos, gleich, und genos, Geschlecht. ( Anm. d. Uebersetzers: Da der Ausdruck »homogen« sich im Deutschen schon in einem bestimmten anderen Sinne eingebürgert hat, so liesse sich das englische »Homogenic« vielleicht zweckmässig durch eine Wortbildung wie »Homogenisch« wiedergeben.) Liebe zu verkennen, deren tiefinnere, den ganzen Menschen durchdringende und manchmal völlig hinreissende Gewalt sie gewiss in die Reihe der grossen menschlichen Leidenschaften stellt. Dass man sie so leicht in der angegebenen Weise verkennt, kann nur dem Mangel ausreichender Kenntnis der Tatsachen zugeschrieben werden. Darum ist es hier wohl am Platze, zunächst möglichst kurz eine Uebersicht der auf unseren Gegenstand bezüglichen Tatsachen auf dem Gebiete der Weltgeschichte, der Literatur und Kunst zu entwickeln, ehe wir auf weitere Betrachtungen eingehen. Gewiss, wenn ein furchtloses Auftreten gegenüber jeder Gefahr, wenn ein geduldiges Ertragen von Leiden und Schmerzen um eines geliebten Wesens willen, wenn jedes erdenkliche Opfer, wenn unwandelbare Treue und lebenslängliche Hingabe als Beweise gelten dürfen für das Bestehen und die Kraft (und fügen wir hinzu, für die gesunde Natur) einer Liebe, – dann sind solche Beweise in endloser Zahl erbracht worden für derartige Beziehungen, wie sie nicht nur zwischen Männern, sondern auch zwischen Frauen bestanden haben von Anbeginn. Die Ueberlieferungen von ritterlicher Liebe, die Heldentaten verliebter Edler für ihre Damen, die Geschichte von Hero und Leander und manche andere, werden leicht erreicht, wenn nicht übertroffen, von den Erzählungen über griechische Waffenkameraden und Tyrannentöter – wie Cratinus und Aristodemus, die sich gemeinsam als freiwillige Opfer darboten zur Befreiung von Athen; von Chariton und Melanippus, »Athenaeus« XIII, c. 78. die es unternahmen, Phalaris zu ermorden, den Tyrannen von Agrigent; oder von Cleomachus, der auf gleiche Weise, als man ihn vor der Schlacht zwischen den Chalkidiern und Eretriern bat, die letzteren anzugreifen, »zuvor den Jüngling, den er liebte, und der ihm zur Seite stand, fragte, ob er geneigt sei, dem Kampfe zuzuschauen. Und als jener sich dazu bereit erklärte, und den Cleomachus zärtlich küsste, und ihm seinen Helm aufsetzte, da stellte sich Cleomachus voll stolzer Freude an die Spitze der tapfersten unter den Thessaliern und stürzte sich mit solcher Wucht auf die Reiterei des Feindes, dass er ihre Reihen in Verwirrung brachte und sie auseinandersprengte. Die Eretrische Kavallerie jagte in wilder Flucht davon, und die Chalkidier errangen einen glänzenden Sieg«. Vergl. Plutarch, »Eroticus«, § XVII.

Die Annalen der Geschichte aller Nationen bieten uns ähnliche Begebenheiten, – wenn sich auch wohl zu keiner Zeit jene ideale, begeisterungsfähige, heroische Liebe wiederfindet, die wir bei den nachhomerischen Griechen antreffen. Es ist wohl bekannt von den Polynesischen Insulanern, – die im allgemeinen ein sanftmütiges und liebevolles Naturell zeigen, das wohl mehr von den Ueberlieferungen einer höheren Kultur herrührt als es ihre jetzige ist, – dass sie höchst romantische Freundschaften zu unterhalten pflegten und noch pflegen. So sagt Herman Melville in »Omoo« (K. 39): »Die wirklich merkwürdige Art, in der die Polynesier Busenfreundschaften zu schliessen pflegen, ist beachtenswert ... In den Annalen der Insel (Tahiti) findet man Beispiele von aussergewöhnlichen Freundschaften, die selbst die Geschichte von Damon und Pythias übertreffen. In der Tat noch weit wundervoller. Auch wo es die grösste Aufopferung erforderte, – manchmal selbst die Hingabe des Lebens, – verbanden sie sich häufig auf den ersten Blick mit einem Fremden, der von einer anderen Insel kam.« So unbedingt achtete man derartige Beziehungen, dass Melville erklärt (in seiner »Typee«, Kap. 18), wenn zwei Männer von feindlichen Stämmen oder Inseln sich auf diese Weise einander angelobten, jeder von ihnen unbehelligt das feindliche Gebiet betreten durfte, ohne irgend welche Belästigung oder Schaden für sich befürchten zu müssen. Die leidenschaftliche Natur solcher Verhältnisse wird in folgender Stelle aus »Omoo« angedeutet: – – »Sind sie auch bei gewöhnlichen Liebesangelegenheiten nur wenig zur Eifersucht geneigt: bei ihren Freundschaften dulden die Tahitianer keinen Nebenbuhler«.

Auch bei wilden Stämmen, die auf einer noch tieferen Entwicklungsstufe stehen als diese, und denen man gewöhnlich vorwirft, dass ihre Liebe nur von rein tierischen Trieben geleitet sei, findet man die ersten Aeusserungen eines tiefen Kameradschaftsgefühles. So bei den Balondas Vergl. »Naturgeschichte des Menschen« von J. G. Wood. Band: »Afrika«, p. 419. und anderen afrikanischen Stämmen, wo regelrechte Zeremonien des Verlöbnisses zwischen Freunden stattfinden. Dabei lässt jeder einige Tropfen von seinem Blute in den Trank des anderen fliessen; dann tauschen sie ihre Namen aus Vergl. auch Livingstones »Expedition nach dem Zambesi«. Murray 1865, p. 148.) und beschenken sich gegenseitig mit dem Kostbarsten, das sie besitzen. Leider jedoch sind diese und andere derartige Sitten dank der Stumpfheit der europäischen gemeinen Auffassung nur wenig erforscht worden und haben bei weitem nicht die ihnen gebührende Beachtung gefunden.

Bei den poetischen und literarischen Aeusserungen der zivilisierteren Völker über diesen Gegenstand fällt uns vornehmlich die überraschende Höhe und Tiefe dieser Gefühlskundgebungen auf. Von dem ergreifenden Klagelied Davids auf seinen Freund, dessen Liebe grösser war als die der Frauen, weiter zu den gewaltigen Bildern der Homerischen Ilias, in der die heroische Freundschaft des Achilleus zu seinem geliebten Patroklus den eigentlichen Grundgedanken bildet, bis zu den Schöpfungen des grossen griechischen Zeitalters, – den herrlichen Oden des Pindar, die da glühen von dem reinen Feuer der Leidenschaft, – jenen erhabenen Elegien des Theognis, in denen er seinen geliebten Kurnus weise berät, ferner den süssen Schäferliedern des Theokrit, der leidenschaftlichen Lyrik einer Sappho, endlich den sinnlichen Verzückungen des Anakreon. Einigen von den Dramen des Aeschylus und Sophokles – beispielsweise den Myrmidonen des ersteren, und vom anderen den Lieblingen des Achilleus, scheint dieser Gegenstand zugrunde gelegen zu haben. Leider sind diese zwei Stücke bis auf einige Zitate verloren gegangen. Und manche der Prosadialoge Platos gaben ohne Zweifel solchen Empfindungen Ausdruck.

In der Literatur des Römischen Zeitalters, dessen materialistischer Geist den feineren Regungen der homogenischen Liebe nur schwer zugänglich war, und der bei Geistern wie Catullus und Martial zumeist nur Ausdrücke für die niedrigen Seiten ihres Wesens findet, zeigt sich uns doch im Vergil ein edler und bedeutender Vertreter dieser Art. Sein zweites Hirtenlied trägt das Gepräge einer tief inneren Leidenschaft; und nach verschiedenen Angaben Mantegazza und Lombroso. Vgl. Albert Moll, »Konträre Sexualempfindung«, 2. Aufl., p. 36. hat er darin unter dem Namen des Alexis seine eigene Liebe zu dem jugendlichen Alexander unsterblich gemacht. Man darf bei dieser Gelegenheit des weiteren nicht die grosse Fülle der Persischen Literatur übersehen, die Dichter Sadi, Hafiz, Jami und viele andere, deren Namen und Werke alle Zeiten überdauern, und deren wundersame Liebeslieder (»Bitter und süss ist der Trennungskuss von Freundeslippen«) in besonderem Masse, ja grösstenteils an Personen ihres eigenen Geschlechtes gerichtet sind. Allerdings wird diese Tatsache bei den Uebersetzungen vielfach durch scheinheilige Fälschung absichtlich verschleiert.

In der mittelalterlichen Periode Europas finden wir nach Lage der Dinge nur wenige literarische Anhaltspunkte. An ihrem Ausgange jedoch begegnet uns die fesselnde Erzählung von Amis und Amile (dreizehntes Jahrhundert), die von W. Pater in der Bibliotheca Elzeviriana W. Pater's »Renaissance«, p. 8-16. aufgefunden wurde. Indessen muss es als eine historische Wahrheit gelten, dass in dieser Periode die vorherrschende Form der Leidenschaften unzweifelhaft mehr dem Ideale einer ritterlichen Liebe zustrebte, als der Zuneigung zum gleichen Geschlechte. Aber mit dem Aufblühen der Renaissance in Italien und dem Zeitalter der Elisabeth in England kommt die letztere Form wieder zur Erscheinung und äussert sich in einem Ueberschwalle dichterischer Erzeugnisse, Unter den Prosa-Schriftstellern aus dieser Zeit ist nicht zu übersehen Montaigne, dessen Behandlungsweise des Gegenstandes sich durch Wärme und Unzweideutigkeit auszeichnet. Man vergl. Hazlitt's »Montaigne«, K. XXVII. die wohl in den herrlichen Sonetten Michel Angelos und Shakespeares gipfeln. Von Michel Angelo, dessen reine Schönheit des Ausdrucks den begeisterten Bewunderer in die höchsten Regionen versetzt als eine direkte Offenbarung des Göttlichen in menschlicher Form; Man verzeihe mir hier die Wiedergabe des 54. Sonetts, nach J. A. Symond's Uebertragung des Originals von Michel Angelo:

Dein schönes Antlitz lehrt mich, liebster Meister,
Was Sterblichen zu nennen kaum vergönnet:
Die Seele, noch in Erdenbanden haftend,
Dein hehrer Flug hat sie zu Gott geleitet.
Mag auch das Pack, die eitlen, niedren Horden,
Es nennen, wie's ihr roher Sinn gebietet,
So soll die Glut doch meiner Huldigungen
Voll Lieb' und Treue, reinstem Glück uns dienen.
Sieh! Alles, was uns liebenswert hienieden
Ist dies der Seele, die es recht ergriffen;
Der Himmelswonnen Quell, dem wir entsprangen:
Des Schöpfers Erstlingsgabe und Gedenken
Beseelt uns. So erhebt mich treue Liebe
Zu Gott. Bin ich nur Dein, gern will ich sterben.
und von Shakespeare, dessen Worte der Leidenschaft und dessen liebeglühender Sinn für Freundschaft lange genug einseitige Erklärer in peinliche Verlegenheit gebracht hat. Neben einer Reihe weniger bedeutender Autoren ist in der Folge wohl noch Winkelman Vergl. eine interessante Notiz in W. Pater's »Renaissance«. in Deutschland zu berücksichtigen. In der neuesten Zeit stehen, – ungeachtet der Tatsache, dass die Leidenschaft vielfach sehr missverstanden und falsch ausgelegt worden ist, – in erster Reihe die Namen von Tennyson, dessen »in Memoriam« wohl eine seiner schönsten Schöpfungen ist, und derjenige Walt Whitmans, dessen schwungvolle Gedichte auf die Freundesliebe nur seinen hingebungsvollen Bemühungen um seinen im amerikanischen Bürgerkriege verwundeten Bruder an die Seite gestellt werden können.

Es verdient Beachtung, dass wir einige der allerbedeutendsten Namen der gesamten Literatur an dieser Stelle zu erwähnen hatten; und dass ihre Aeusserungen über diesen Gegenstand an Schönheit, Gewalt und Menschengefühl allem, was jemals zum Preise der anderen, gewöhnlicher vorkommenden Liebe geschrieben worden ist, würdig zur Seite stehen, oder gar ihm überlegen erscheinen.

Wenden wir uns zu den übrigen Schöpfungen der Kunst, und vergleichen einmal, in welcher Weise sich der menschliche Sinn für Liebe und Schönheit kundgibt bei der Gestaltung männlicher, beziehungsweise weiblicher Körperformen, so begegnen wir ganz analogen Verhältnissen. Die Betrachtung der ganzen griechischen Bildhauerkunst zeigt in hohem Masse einen leidenschaftlichen Sinn für männliche Schönheit. Während die Statuen von Männern und Jünglingen aus der Hand männlicher Bildhauer gewiss beträchtlich überwiegen, sowohl in Anbetracht der Zahl als mit Bezug auf die liebevolle Hingabe in der Ausführung, fällt es nach den Angaben von J. A. Symonds in seinem »Leben des Michel Angelo« bei den weiblichen Statuen besonders auf, dass in diesem Falle ein gemeiner oder unbändiger Ausdruck durchaus nicht selten ist, während sich von den ersteren kaum zwei oder drei aufzählen lassen, von denen man dasselbe behaupten könnte. Da nun die Kraft der männlichen Leidenschaft im Leben der Griechen zur Genüge bekannt ist, spricht diese eine Tatsache jedenfalls stark für einen entwickelten Sinn für körperliches Ebenmass, der zum Charakter dieser Leidenschaft gehört, – auf jeden Fall in der Blütezeit dieser Kunst.

In Michel Angelo sehen wir einen Künstler, der mit Pinsel und Meissel buchstäblich tausende von menschlichen Formen nachbildete; aber mit der besonderen Eigentümlichkeit, dass, während Dutzende und Aberdutzende seiner männlichen Figuren auf den ersten Blick von einem romantischen Gefühle durchdrungen und beseelt erscheinen, – man das gleiche kaum von einer einzigen der von ihm geschaffenen weiblichen Gestalten sagen könnte. Letztere stellen gewöhnlich die Frau in ihrer Rolle als Mutter, oder in leidendem Zustande, oder als Prophetin, auch als Dichterin, dar, sowie in hochbetagtem Alter, oder mit irgend einem Ausdrucke von Härte oder auch von Weichheit, aber niemals in einer Weise, die sich irgendwie mit einem wärmeren Liebesgefühle vereinbaren liesse. Dagegen ist die Keuschheit und Würde von Michel Angelos männlichen Figuren unbestreitbar. Sie sind beredte Zeugen seines hohen, edlen Sinnes, von dem uns bereits seine Sonette ein Beispiel gaben. Zur Ergänzung dieser Beispiele von Freundschaftsliebe in der Weltgeschichte vergl. man noch: Joläus, eine Anthologie von E. Carpenter. (Sonnenschein, London, 2/6 net.) Desgleichen: »Lieblingsminne und Freundesliebe in der Weltliteratur, von Elisar von Kupffer. (Adolf Brand, Berlin 1900.)

Diese kurze Skizze reicht wohl schon aus, um dem Leser eine gewisse Vorstellung zu geben von der Stellung, welche die besonderen Gefühle, von denen wir hier sprechen, im Leben einnehmen. Sie wird nicht verfehlen, ihm den Eindruck zu hinterlassen, – wenn er den bedeutenden Persönlichkeiten, die wir anführten, Beachtung schenken will, – dass es diesen Gefühlen nicht an Würde und Bestand fehlt, zumal es sich dabei um einige der grössten Männer der Welt handelt. Auf der anderen Seite lässt sich die Tatsache nicht wohl übersehen, dass zugleich mit dieser Betrachtungsweise noch eine entgegengesetzte Auffassung vielfach Anhänger fand, – in Europa insbesondere neuerdings, – die diesen Zuneigungsgefühlen mit Widerwillen und Missgunst entgegentrat. Das trifft z. B. auf Tennysons In Memoriam zu, bei dessen Veröffentlichung der Dichter gehörig von der Times heruntergemacht wurde. Es mag angebracht sein, hier mit einigen Worten auf diesen Gesichtspunkt einzugehen.

Die Ursache braucht man nicht weit zu suchen. Wer selbst nicht viel Sinn hat für diese Art Freundschaften, – wer sozusagen ein Uneingeweihter ist, und ihre Gemütstiefe und ihr romantisches Wesen weder zu begreifen noch zu würdigen weiss, der hat nichtsdestoweniger meist von gewissen Misständen und Ausschreitungen dabei gehört, denn diese letzteren fallen im öffentlichen Leben vor allem auf. Sie haben von der Liederlichkeit eines Nero oder Tiberius gehört; sie haben die Skandale vor den Gerichtshöfen verfolgt; sie haben vielleicht dies und jenes erfahren von der Unzucht, die man in öffentlichen Schulen und Kasernen antrifft; und sie folgern daraus ganz zwanglos, dass solche Vorkommnisse, solche Ausschweifungen und sinnlichen Gelüste dem Kult der Freundschaftsliebe zugrunde lägen und sogar ihr eigentlicher Zweck seien. Es fällt ihnen schwer, sich dabei irgendwelche tieferen und innigeren Beziehungen vorzustellen. Solchen Leuten erscheint überhaupt jede Art von körperlicher Intimität (wenigstens zwischen Männern) an sich verwerflich. Sie haben keinen Sinn für den Unterschied zwischen den einfachsten und naivsten Gefühlsausdrücken und der schwersten Verfehlung wider menschliches Recht und Anstandsgefühl. Sie begreifen nicht, dass eine innige Herzensneigung etwas anderes ist, als ein gemeines fleischliches Begehren. Sie sehen gewisse Uebel, die wohl vorkommen und auch vorgekommen sind, und sie meinen aus einfältiger Ueberzeugung, dass deshalb jedes Mittel recht sei, um einer Wiederholung derartiger Vorkommnisse entgegenzuwirken. Aber sie verkennen dabei die tieferen Liebesgefühle, die, wenn sie vorhanden sind, notwendig irgend einen rechtmässigen Ausdruck fordern. Solche Beurteiler haben in der Tat in sich nicht den Schlüssel für die wirkliche Sachlage und kommen dadurch zu der übereilten Folgerung, dass die gleichgeschlechtliche Liebe keine anderen Motive habe, als die gemeine Sinnlichkeit, oder gar für diese nur ein Schleier oder Deckmantel sei, und verwerfen und verurteilen sie demgemäss.

Und so kommt ein befremdlicher Widerstreit menschlicher Meinungen über diese wichtigen Angelegenheiten zustande; eine verschiedene Auffassung, je nachdem man die Seite wählt, von der man an den Gegenstand herantritt. Auf der einen Seite sehen wir ein Verfluchen und Verdammen, und auf der anderen Seite die erhabene Begeisterung eines Genius wie Plato, – der das Denken der Menschen zu allen Zeiten beherrscht hat, – und der zum Beispiel dem Phaedrus (im Symposium) eine Stelle wie diese Jowett's »Plato«, 2. Aufl., 2. Bd., p. 30. in den Mund legt: »Ich kenne keinen grösseren Segen für einen jungen Mann, der ins Leben hinaustritt, als einen wackeren Liebhaber, und für diesen kein grösseres Glück, als einen geliebten Jüngling. Denn jene Grundsätze, die einen Mann leiten sollten, der ein edles Leben führen will, – jene Grundsätze, sage ich, kann weder Verwandtschaft, noch Ehre, noch Reichtum, noch irgend ein anderes Motiv so dem Gemüte einprägen, wie es die Liebe vermag. Und was ist anderes darunter zu verstehen, als ein entwickeltes Gefühl für Ehre und Schande, ohne das weder Staaten noch Individuen je ein gutes oder grosses Werk vollbringen würden ... Denn welcher Liebende würde es nicht vorziehen, jedem beliebigen anderen Menschen zu begegnen als seinem Geliebten, wenn er, sei es seinen Posten verlässt oder seine Waffen fortwirft? Oder wer würde seinen Geliebten verlassen oder im Stiche lassen in der Stunde der Gefahr? In solchem Falle würde doch der grösste Feigling zum mutigen Helden werden, der es mit den Tapfersten aufnimmt, wenn ihn seine Liebe begeistert. Jene Kühnheit, die, wie Homer sagt, ein Gott dem Helden in die Seele haucht, die erblüht dem Liebenden allein aus seiner Liebe«. Und wiederum im »Phaedrus« lässt Plato den Sokrates sagen: Jowett, 2. Bd., p. 130. »So wie die Verehrer Apollos oder irgend einer anderen Gottheit die Wege ihres Gottes wandeln und eine Liebe suchen, die diesem gleicht, tun sie es auch, wenn sie eine solche gefunden haben, selbst ihrem Gotte gleich, und bringen ihren Geliebten dazu, es ebenso zu machen. Sie führen ihn zum Einklange mit ihres Gottes Bildung und Wesen, so weit sie es vermögen. Denn sie haben nicht die Gefühle von Neid oder Eifersucht gegen ihren Geliebten, sondern sie sind aufs äusserste bestrebt, in ihm alle Vollkommenheiten des Gottes zu erwecken, den sie verehren und dem sie selber ähnlich zu werden trachten. – So edel und segensvoll ist das Bemühen eines hingebungsvollen Liebenden um den Geliebten, den er sich erwählt hat, und mit der Erfüllung dieses Zweckes dringt er in die Geheimnisse der wahren Liebe ein«.

II.

Nach diesen kurzen allgemeinen einleitenden Bemerkungen können wir dazu übergehen, einige neuere wissenschaftliche Untersuchungen zum vorliegenden Gegenstande zu besprechen. In jüngster Zeit – sagen wir etwa seit den letzten dreissig Jahren – hat eine Anzahl befähigter Männer der Wissenschaft, vornehmlich in Deutschland, Frankreich und Italien, sich mit dem speziellen Studium dieser Sache in mehr oder weniger unparteiischer Weise befasst. Zu erwähnen sind unter diesen Dr. Albert Moll, Berlin; R. von Krafft-Ebing, eine der hervorragendsten Autoritäten auf medizinischem Gebiete in Wien, dessen Werk über »Sexuelle Psychopathie« bereits seine zehnte Auflage erlebte; Dr. Paul Moreau (»des Aberrations du sens génésique«); Cesare Lombroso, der Verfasser einer Reihe anthropologischer Werke; M. A. Raffalovich (»Uranisme et unisexualité«); Mantegazza; K. H. Ulrichs; endlich nicht der geringste, Dr. Havelock Ellis, von dessen grosser Arbeit über Sexuelle Psychologie der zweite Band der Behandlung der Umkehrung der geschlechtlichen Triebrichtung Ich unterlasse hier die Anführung einiger späteren Autoren, zum Teil wissenschaftlichen Charakters, die für die Urning-Bewegung eintreten, wie Dr. Hirschfeld, von Römer, Otto Weininger und andere, weil ihre Darstellungen, wenn auch nicht unbedeutend, etwas parteilich gefärbt sind. gewidmet ist. Infolge aller dieser Forschungen haben jene Fragen ein vollständig verändertes Aussehen gegen früher angenommen. Während man bis dahin gemeint hatte, dass alle diese Erscheinungen einen krankhaften Charakter trügen, und wahrscheinlich immer mit Entartungsvorgängen und funktionellen Störungen Hand in Hand gingen, ist man jetzt zu der Erkenntnis gelangt, dass man von dieser Annahme abzugehen sich in dem Masse genötigt sah, wie das Material zuverlässiger Ermittlungen zur Sache sich häufte. Man hat die Angelegenheit aus ganz neuen Gesichtspunkten heraus zu beurteilen und verstehen gelernt; und die Umwandlung tritt namentlich bei den neuesten Autoren deutlich hervor, insbesondere A. Moll und Havelock Ellis.

Es ist hier nicht am Platze, etwas wie eine eingehende Beschreibung dieser verschiedenen Autoren zu unternehmen; ihrer Theorien, oder der ungeheuren Anzahl interessanter Fälle und Beobachtungen, die sie dargeboten haben; aber einige der allgemeinen Schlussfolgerungen, die sich aus ihren Untersuchungen ergeben, müssen hier hervorgehoben werden. In erster Linie haben diese Arbeiten die Tatsache bestätigt, die vorher nur vereinzelt bekannt war, dass der konträre Sexualtrieb, – d.h. die Richtung des Begehrens auf eine Person vom gleichen Geschlechte, – in einer gewaltigen Anzahl von Fällen ganz instinktiv und angeboren ist, sowohl physisch als geistig, und daher aufs innigste mit den eigentlichen Wurzeln des Einzellebens verknüpft ist und praktisch unlösbar verknüpft bleibt. Männer und Frauen mit einer solchen erblichen homosexuellen Anlage hat Ulrichs mit dem Namen Urninge Von Uranos, – weil die himmlische Liebe als Tochter des Uranos galt (vergl. Plato's »Symposium«, Rede des Pausanias). bezeichnet, der sich seither in der Wissenschaft ziemlich allgemein eingeführt hat. Einige Einzelheiten in Bezug auf die Urninge wurden hier schon weiter oben besprochen. Es verdient hier noch betont zu werden, dass man nicht genug Nachdruck legen kann auf die Unterscheidung zwischen diesen angeborenen Verehrern ihrer eigenen Art und jener Klasse von Personen, mit denen sie so oft verwechselt werden, nämlich denen, die lediglich aus fleischlichem Begehren, infolge sexueller Triebüberspannung, oder aus Mangel an Gelegenheit zu einer normalen Befriedigung (wie in Internaten, Kasernen usw.), sich gleichgeschlechtlicher Manipulationen bedienen. Es sind eben diese letzteren, die im öffentlichen Leben vor allem ins Auge springen, und die mit Recht der allgemeinen Verurteilung anheimfallen. Hier wird der Trieb sowohl von den Betreffenden selbst, als auch von denen, die damit zu tun haben, als gemeinsinnlich und ungesund empfunden. Aber in dem anderen Falle liegt das ganze Empfinden so tief und ist so innig verknüpft mit dem seelischen und dem Gemütsleben, dass die betreffende Person sich selbst gar nicht in einem anderen Zustande als diesem vorzustellen vermöchte; ihr selbst zum mindesten erscheint diese Liebe als entschieden gesund und natürlich, und als ein ganz unveräusserlicher Bestandteil ihres Eigenlebens.

In zweiter Linie hat es sich herausgestellt, dass die Anzahl der mit konträren Sexualempfindungen behafteten Personen eine sehr bedeutende ist, – beträchtlich grösser noch als man es allgemein vermutet hatte. Es ist ja sehr schwierig und vielleicht überhaupt ausgeschlossen, ganz einwandfreie Feststellungen hierüber zu erreichen, Ueber die Schätzungen vergl. Anhang. schon aus dem einfachen Grunde, weil das Verhältnis bei verschiedenen Völkern und selbst schon bei verschiedenen Gesellschaftsklassen und auch nach der Ortsbeschaffenheit grosse Unterschiede aufweist. Auch muss man ja mit allen erdenklichen Abstufungen rechnen, von den Fällen, in denen der Trieb ganz ausschliesslich auf dasselbe Geschlecht gerichtet ist, bis zu dem anderen Extrem, wo es für gewöhnlich zum anderen Geschlechte neigt, jedoch gelegentlich, wenn ihm etwas besonders Anziehendes begegnet, seine Richtung ändern kann. Diese letztere Möglichkeit ist wahrscheinlich eine sehr weit verbreitete. Vielleicht besteht sie sogar allgemein.

Zum Dritten hat es sich, nach den Aufzeichnungen und Vergleichungen einer grossen Anzahl von Fällen und »Bekenntnissen«, mit ziemlicher Sicherheit herausgestellt, dass die von gleichgeschlechtlichen Trieben in merklichem Grade befangenen Menschen sich im übrigen von anderen Männern bezw. Frauen in keiner Weise unterscheiden oder irgendwelche sonstige genauer zu bezeichnende körperliche oder seelische Besonderheiten aufweisen. Wenn auch zweifellos eine allgemeine Tendenz des männlichen Urnings zur Annahme weiblicher Eigenschaften und ebenso beim Weibe eine Anlage zu männlichem Wesen besteht. Kein angeborener Zusammenhang mit irgend welcher körperlichen Eigentümlichkeit oder Missbildung liess sich feststellen; ebenso wenig ein solcher mit einer erkennbaren Krankheit von Körper oder Geist. Auch hat man nicht bemerkt, dass etwa solche Menschen zumeist von grobem oder besonders niederem Schlage seien, sondern vielmehr von entgegengesetzter Art; zumeist von sehr feiner, empfindsamer Natur, und wie besonders Krafft-Ebing hervorhebt (»Psychopathia Sexualis«, 7. Aufl., p. 227), »in zahlreichen Fällen von hoher Begabung für schöne Künste, namentlich Musik und Poesie.« Nach Mantegazza »Gli amori degli uomini«. zählen zu ihnen Persönlichkeiten von höchstem literarischem und gesellschaftlichem Rufe. Allerdings betont Krafft-Ebing die meist starke Entwicklung der geschlechtlichen Anlagen bei männlichen Individuen dieser Art, aber gleich darauf fügte er hinzu, dass die gemütliche Seite ihrer Liebe »voll Begeisterung und Ueberschwang« ist, »Psychopathia Sexualis«, 7. Aufl., p. 227. und dass, wenn auch körperliche Beziehungen vorkommen, doch die Vorstellung von jener besonderen Handlungsweise, die ihnen gemeinhin zugeschrieben wird, in den meisten Fällen auf sie abstossend wirkt. Ibidem, pp. 229 u. 258. Vergl. auch Anh.

Das einzige deutliche Kennzeichen, auf dessen Auffindung die wissenschaftliche Behandlung Anspruch erhebt, besteht in einer ausgesprochenen Neigung zu nervösen Zuständen, die sich nicht selten zu Nervenkrankheiten entwickeln. Aber ich werde gleich Gelegenheit haben, zu zeigen, dass man guten Grund hat, anzunehmen, dass die eigentliche Bedeutung dieser Erscheinung übertrieben worden ist.

Zu dem gewöhnlichen Falle, dass ein Mann ausschliesslich eine entschiedene Vorliebe für Personen seines eigenen Geschlechtes zeigt, bemerkt Krafft-Ebing (»Psychopathia Sexualis«, p. 256): »Das Geschlechtsleben dieser Homosexuellen ist mutatis mutandis genau das gleiche wie im Falle der normalen Geschlechtsliebe ... Der Urning liebt, vergöttert seinen männlichen Geliebten, genau wie ein Mann, der ein Weib freit, seine Geliebte anbetet. Ebenso wie dieser ist er zu der grössten Aufopferung fähig, erduldet alle Qualen einer unglücklichen, oftmals unerwiderten Liebe, der Untreue von Seiten seines Geliebten, der Eifersucht und so fort. Nur männliche Formen können seine Neigung fesseln ... der Anblick weiblicher Reize ist für ihn gleichgültig, wenn nicht gar abstossend.« Dann fährt er fort, dass solche Männer ungeachtet ihrer bestehenden Abneigung gegen den Verkehr mit Frauen, zuletzt manchmal heiraten – sei es aus ethischen Gründen, die man wohl antrifft, oder aus sozialen Rücksichten. Aber höchst bedeutsam – als ein Beleg für die Tiefe und Zähigkeit des homogenischen Instinktes »Wie tief die erbliche Umkehrung des Geschlechtstriebes wurzelt, lässt sich aus dem Umstande ermessen, dass die Freudenträume männlicher Urninge ihnen männliche Gestalten erscheinen lassen, diejenigen weiblicher ebenso nur weibliche.« ( Krafft-Ebing, »Psychopathia Sexualis«, 7. Aufl., p. 228.)– und dabei von pathetischer Form, sind die Beschreibungen, die er von derartigen Fällen liefert. Bei manchen konnte eine wirkliche gegenseitige Freundschaft und Achtung der Ehegatten nicht dazu führen, den Widerwillen des einen Teils gegen den geschlechtlichen Verkehr mit dem anderen zu überwinden. Nach jeder solchen Hingabe trat beständig eine körperliche Abgeschlagenheit ein, oder es störte eine dauernde Unterströmung von Liebe zu einer dritten Person des gleichen Geschlechtes unbewusst die Beziehungen. Kurz, trotz alles guten Willens blieb diese Veranlagung eine Quelle der Leiden bis zum Ende.

Ich habe eingangs erwähnt, dass man ursprünglich vermutete, die Homosexualität sei an sich etwas Krankhaftes, und stehe immer mit entschieden ungesunden Verhältnissen in Wechselbeziehung, seien sie körperlicher oder seelischer Art, eine Vermutung, die der wissenschaftlichen Aufklärungsarbeit gegenüber immer unhaltbarer geworden ist. Es ist bemerkenswert, dass die neuesten rein wissenschaftlichen Publizisten am allerwenigsten geneigt sind, noch etwas zu Gunsten der Krankheitstheorie anzuführen. Allerdings hält Krafft-Ebing an der Ansicht fest, dass gewöhnlich irgend ein Nervenleiden, eine Entartung innerhalb der Nervenzentren, oder eine erbliche Tendenz nach dieser Richtung, mit diesem Instinkte ursächlich verknüpft sei. Auf p. 190, ebenso auf p. 227 der VII. Auflage spricht er in etwas vager Manier von »einer erblichen neuropathischen oder psychopathischen Anlage« – neuro-(psycho-)pathische Belastung. Aber ist es nicht eine handgreifliche Widerlegung dieser Meinung, dass man im modernen Leben tatsächlich nur wenige, vielleicht niemanden, findet, den man für unbedingt frei von einer derartigen Belastung erklären könnte! Und dass die Dorischen Griechen, oder die Polynesischen Insulaner, oder die Kelten (vergl. Aristoteles, Pol., II. 7), oder die Normannen, oder die Albanischen Bergbewohner, oder irgend einer jener hervorragend zähkräftigen Stämme, bei denen diese Liebe gedeiht, so sonderlich von nervösen Entartungserscheinungen belästigt sein sollten –, das dürfen wir füglich wohl bezweifeln!

Um auf Moll zurückzukommen, der freilich ebenfalls von einem krankhaften Triebe spricht »Konträre Sexualempfindung«, 2. Aufl., p. 269. (vielleicht nur weil er irgend eine Verpflichtung fühlt, so zu reden), so ist es auffallend, dass er den Boden dieser Verknüpfung mit anderen krankhaften Symptomen sehr bald wieder verlässt und zugibt, dass man dieselbe keineswegs immer beobachten könne. Er sieht sich genötigt, seine Behauptung auf die Meinung zu stützen, dass das Fehlen eines auf Fortpflanzung der Art gerichteten Geschlechtstriebes an sich pathologisch sein müsse, – eine Annahme, die in dieser Fassung offenbar dem wissenschaftlichen Vorurteil entspringt, dass der einzige Gegenstand der Liebe immer nur die Gattung sein müsse Vergl.: »Wenn die Menschen reif zur Liebe werden. und die, wenn man genauer darauf eingehen wollte, den braven Gelehrten in arge Verlegenheit bringen müsste; denn dann müsste ja z. B. jede Arbeitsbiene ein entartetes Geschöpf sein.

Endlich finden wir, dass Havelock Ellis, einer der neuesten bedeutenderen Schriftsteller über diesen Gegenstand, im VI. Kapitel seiner »Sexual Inversion« der Meinung entgegentritt, dass diese Gefühle immer krankhaft seien; er schlägt vor, diese Neigungen vielmehr als eine Anomalie denn als eine Krankheit zu bezeichnen. In der 2. Auflage, p. 186 Verlag von F. A. Davis, Philadelphia 1901. sagt er: »So begegnen wir bei dieser Triebumkehr einer Erscheinung, die man sehr wohl als eine »Spielart« oder neue Form bezeichnen dürfte, eine jener organischen Umbildungen, die wir in der ganzen belebten Natur, im Pflanzen- wie im Tierreiche überall wiederfinden«. Otto Weininger geht noch weiter und bezeichnet die Homosexualität als eine ganz natürliche Zwischenform (Geschlecht und Charakter, K. IV.) Vergl. auch Anhang

Mag man mit Bezug auf die Theorie der nervösen Entartung auch zugeben, dass diese Triebumkehr sich nicht selten in Verbindung mit einem besonders nervösen Temperamente vorfindet, so muss man doch bedenken, dass ihr zufälliges Zusammentreffen mit nervösen Beschwerden oder Krankheiten eine selbständige Sache für sich ist. Solche Leiden sind im allgemeinen wohl mehr als eine Folge denn als Ursache der Homosexualität anzusehen. Für Unbeteiligte ohne persönliche Erfahrungen in diesen Angelegenheiten ist es natürlich schwer, sich vorzustellen, welch' ausserordentlichen Beanspruchungen das Nervensystem solcher Menschen von Kindheit auf bis zur Mannheit ausgesetzt ist – und ebenso vom Mädchen bis zur Frau –, wie da ihre tiefsten und mächtigsten Triebe unter dem Banne der gesellschaftlichen Vorurteile leiden müssen, die sie beständig verfolgen. Wie sie, schon ehe sie sich selbst über ihr besonderes Naturell klar werden, immerfort darauf gestossen werden, dass ein unerklärliches Etwas in ihnen besteht, das sie von dem Mitgefühle und dem Verständnisse ihrer Nächsten abschneidet. Und wie sie allmählich zu der Erkenntnis kommen, dass sie nie ihrem innigsten Liebessehnen Ausdruck geben dürfen, ohne sich der Beschuldigung von Verfehlungen auszusetzen, die man als fluchwürdige Verbrechen brandmarkt »Wenn ich mir auch vor meinem eigenen Gewissen keinen Vorwurf zu machen habe, und das Urteil der Welt über uns entschieden zurückweisen muss, habe ich darunter doch unsäglich zu leiden. Ich habe doch wahrhaftig niemanden Unrecht getan, und ich halte meine Liebe in ihrer edlen Wirkung für nicht minder heilig als jene der normal angelegten Menschen. Aber unter dem Unstern, der uns weder Duldung noch Verständnis gewährt, leide ich manchmal mehr, als die Kraft eines Menschen ertragen kann.« (Auszug aus einem von Krafft-Ebing mitgeteilten Briefe.). Dass Menschen unter diesem beständigen Drucke, zumal wenn sie von vornherein schon nervös veranlagt sind, durch die Verhältnisse selbst zu Nervenzerrüttungen und geistigen Störungen getrieben werden können, das liegt wohl auf der Hand. Und wenn so etwas auch häufiger bei der Klasse der homogenisch Liebenden vorkommt als bei anderen gewöhnlichen Sterblichen, so haben wir in den hier angedeuteten sozialen Verhältnissen gewiss eine ausreichende Erklärung für diese Tatsache.

In Verbindung damit darf man auch nicht vergessen, dass der Arzt bei seiner Forschung im allgemeinen solche Fälle herauszufinden bestrebt ist, die sich als Krankheitsäusserungen darstellen, und den gesunden Erscheinungen weniger Beachtung schenkt, da er ja beruflich in erster Linie mit jenen zu tun hat. Auch werden solche Untersuchungen meistens in einer modernen Grosstadt angestellt, so dass es nicht verwunderlich ist, wenn die Schlussfolgerungen eine Färbung von Krankheitsberichten zeigen. So stellte Dr. Moll seine Beobachtungen hauptsächlich unter Führung der Berliner Kriminalpolizei an (deren Bekanntschaft mit dem Gegenstande sich natürlich auf dessen am wenigsten erfreuliche Seiten beschränkt), und es ist nur zu verwundern, dass sein Gutachten dennoch so entschieden günstig ausfällt. Krafft-Ebing sagt mit Recht in seinem Vorworte: »Es ist das traurige Vorrecht der medizinischen Wissenschaft, und besonders der Psychiatrie, immer nur die Kehrseite des Lebens zu betrachten, immer nur die menschliche Schwachheit und Erbärmlichkeit.«

Folgen wir nun der Richtung, in der sich die Wissenschaft bei dieser Angelegenheit stetig vorwärtsbewegt hat, so ist es unschwer zu erkennen, dass das Beiwort »krankhaft« jedenfalls in kurzem bei der Beschreibung des homogenischen Naturells in Fortfall kommen muss, das heisst, allgemein mit Bezug auf die Liebesgefühle gegen Personen desselben Geschlechts. Gewiss bekennen wir freimütig, dass die Leidenschaft auch zu Ausschreitungen führen kann, – genau wie bei der gewöhnlichen Form der geschlechtlichen Liebe, sobald die bloss sinnliche Begierde zur Manie ausartet. Aber so verfehlt es wäre, den Wert der Ehe nach den Dingen zu beurteilen, die bei den Ehescheidungsklagen zutage treten, so ungeheuerlich wäre es, die Wahrheit und Schönheit der in Betracht stehenden Liebesgefühle nach jenen Beispielen ermessen zu wollen, die gewöhnlich am auffälligsten dem modernen Publikum vor Augen geführt werden. Nach allem, was wir gezeigt haben, kommen wir zu dem Schlusse, dass in der grossen Masse der Fälle dieser Instinkt sich in durchaus normaler und gesunder Weise äussert, so dass man denselben mit vollem Rechte als eine wohlbezeichnete Abart der Geschlechtsliebe aufzustellen hat. Das berührt natürlich nicht die Möglichkeit, dass der Instinkt sich unter Umständen in krankhafter und ausschweifender Form betätigen kann, – denn das kann man leicht für jede Art von Instinkten nachweisen. Es handelt sich hier nur darum, ob er zu einer gesunden und erspriesslichen Wirkung befähigt ist. Und hierfür liegt unseres Erachtens an bündigen Beweisen die reichste Fülle vor.

Jedenfalls hat das Vorgehen der Wissenschaft praktisch so viel erreicht, dass der dogmatische Nimbus der ehemals geläufigen Meinung, von der sie selbst ursprünglich ausging, für immer zerstört ist. Die ganze Materie zeigt ein offeneres Gesicht als vormals; sie ist frei geworden von so manchen Missverständnissen, die auf ihr ruhten. Wenn auch einerseits die Ergebnisse zunächst vorwiegend negativer Art waren, und noch nicht vermochten, diesen Gefühlen ihre rechtmässige Stellung und Begründung zu geben, so erweisen sie doch andererseits den tiefgreifenden nützlichen Einfluss intimer Liebesbeziehungen gewöhnlicher Art auf die Liebenden. Ebenso hat man verstehen gelernt, dass das Bedürfnis nach dieser wohltätigen Wirkung bei manchen Menschen nur durch Personen ihres eigenen Geschlechtes erfüllt werden kann.

Moll sagt (p. 125), dass »eine glückliche Liebe einen ungemein förderlichen Einfluss auf den Urning ausübt. Sein körperlicher und seelischer Zustand wird ein besserer, seine Arbeitslust eine grössere – genau wie es bei der Liebe eines normalen Jünglings der Fall ist.« Und weiter unten (p. 173) finden wir aus einem Briefe von einem Manne dieser Art gelegentlich folgende Worte: »Die Leidenschaft ist, wie ich glaube, darum so übermächtig, weil man eben alles in dem geliebten Manne sucht – Liebe, Freundschaft, Ideale und auch sinnliche Befriedigung ... Wie die Verhältnisse jetzt für mich liegen, muss ich alle Seelenqualen einer verschmähten Liebe erdulden, die mich nachts wie ein Schreckgespenst aus dem Schlafe jagen. Und ich spüre dabei leibliche Schmerzen in der Gegend des Herzens.« In solchen Fällen ist die Liebe mit einem gewissen Grade physischer Betätigung an einer Person vom gleichen Geschlechte doch ebenso gewiss eine notwendige Bedingung für die Gesundheit und Arbeitslust, wie es im gewöhnlichen Falle die Liebe zu einer Person des anderen Geschlechtes ist.

Wenn nun das physische Element, das sich manchmal mit jener Liebe verknüpft, von der wir reden, ein schwieriges Problem, ja ein Stein des Anstosses ist, so sollten wir doch bedenken, dass es unsere Natur selbst ist, die uns solche Aufgaben stellt, und die man nicht mit einem blossen Verfluchen und Verdammen aus der Welt schaffen kann. Die einzige Theorie – von K. H. Ulrichs bis zu Havelock Ellis, die sich in dieser Angelegenheit als fest begründet erwiesen hat – ist die, dass bei der gleichgeschlechtlichen Triebrichtung eine Mischung männlicher und weiblicher Elemente in ein und derselben Person sich vorfindet; so dass zum Beispiel bei demselben Embryo die Zentren des Gemüts- und Nerven-Lebens sich nach der weiblichen Richtung hin entwickeln, während die körperlichen Organe alle Merkmale ausgesprochener Männlichkeit annehmen, und ebenso umgekehrt. Derartige gekreuzte Entwicklungen können nun offenbar auf sehr mannigfaltige Weisen im einzelnen zustande kommen, und dadurch erklären sich auch die auffallenden Verschiedenheiten des Uranischen Temperamentes. Aber in allen diesen Fällen, und so seltsam auch die dadurch bedingten Probleme erscheinen mögen, ist es doch immer die Natur selbst, die uns allen diesen Aufgaben gegenüberstellt, und darum ist niemand berechtigt, sie dem einzelnen in die Schuhe zu schieben, der ohnehin buchstäblich ihr Kreuz zu tragen hat. Denn für solche Individuen sind dieselben Gefühlsausdrücke etwas natürliches, die andere als übel angebracht und abstossend empfinden. Und sie sind in der Tat nicht nur natürlich, sondern auch notwendig und unumgänglich. Indem man diese Menschen nötigt, jede Aeusserung ihres Gefühls zurückzuhalten, gibt man schliesslich nur Anlass zu einer umso gewaltsameren Entladung der dadurch erzeugten inneren Spannung; und man darf wohl annehmen, dass das Britische Sittengesetz, das schon die geringsten Aeusserungen einer Zuneigung zwischen Jünglingen und Männern verbietet, in Wahrheit seiner eigenen Absicht entgegenwirkt, und solche Freundschaften auf weniger offene und einwandfreie Wege hinabdrängt.

Mit Bezug auf dieses körperliche Moment darf man nicht übersehen, dass die homogenische Liebe – sowohl die mann-männliche, als die des Weibes zum Weibe – nach der Natur der Sache sich physisch niemals so frei und vollkommen betätigen kann, wie es bei der gewöhnlichen Liebe der Fall ist. Und schon deshalb ist sie geneigt, weit mehr als die letztere sich in den Sphären des Gemütes kundzugeben und ihren Ausdruck in Sympathieen sozialer oder geselliger Art zu suchen. Wenn man sorgfältig den Ausdruck an griechischen Statuen studiert (vergl. p. 47 oben), oder die Geschichte der griechischen Literatur, so kann man deutlich erkennen, dass das Ideal des griechischen Lebens ein sehr massvolles war: der ausgebildete Mann, der Athlet, der Mann in ruhiger, zurückhaltender, ja keuscher Auffassung dargestellt, um die Kraft seiner Wirkung zu erhöhen. An dieser Vorstellung als Mittelpunkt erwärmte sich das feinere Gefühlsleben der Griechen. In ähnlicher Weise äussert sich ihre Liebe: ein niedriges oder zügelloses Sichgehenlassen lag nicht in ihrer Art. Sie mögen sich nicht immer an ihr Ideal gehalten haben; aber das Ideal blieb bestehen. Und ich neige zu der Erwartung, dass der homogenische Instinkt (aus den oben dargelegten Gründen) sich im Laufe der Zeit nach eben dieser Richtung hin entwickeln wird. Dafür spricht auch die Tatsache, dass diese Leidenschaft (wie I. Addington Symonds in seiner Schrift über »Dante's und Plato's Liebesideal« Vergl. »In the key of Blue« von J. A. Symonds, (Elkin Mathews 1893.) hervorhebt), in der Vergangenheit erwiesenermassen ein ausserordentliches Mass von Heldentum und Romantik hervorgebracht hat, – mit dem man nur die Minne des Rittertums vergleichen kann, die natürlich ihrem besonderen Charakter entsprechend sich in anderer Form äusserte.

Bei der Beurteilung aller dieser Verhältnisse spielte wohl besonders gern die willkürliche Voraussetzung mit, dass der Zweck der Liebe nur in der Kindererzeugung bestehe; und dass eine Liebe, die nicht an der Fortpflanzung der Art beteiligt sei, notwendig von zweifelhaftem Charakter sein müsse. Und indem sie diese Auffassung zur Geltung brachte, hat die hebräische und christliche Ueberlieferung eine gewaltige Wirkung ausgeübt, – die mit fast unumstösslicher Gewissheit aus sehr weit zurückliegenden Zeiten stammt, in denen die Vermehrung der Völkerschaften als die erste Pflicht jedes Einzelnen galt, und als das Haupterfordernis für die Wohlfahrt eines menschlichen Gemeinwesen. Vergl. Anhang. Heute dagegen haben sich die Bedürfnisse genau in umgekehrter Richtung entwickelt, und man ist wohl berechtigt, zu erwarten, dass auch die öffentliche Meinung einer ähnlichen Umwälzung entgegengeht mit Bezug auf die Berechtigung und den Zweck einer Liebe, die keine Kinder hervorbringt. Immer mehr bricht sich die Erkenntnis Bahn, daß man bei der gewöhnlichen Ehe scharf unterscheiden kann und sollte zwischen einem Beiwohnen zum bestimmten Zwecke der Fortpflanzung und der sexuellen Hingabe nur um der Vereinigung willen. In dem letzteren Falle kann sich die körperliche Verbindung höchst vollkommen und dauernd vollziehen; bei einiger Selbstbeherrschung bleibt der Kern des Vorganges das Gefühl und die Gemütsbewegung, und es findet keine Befruchtung statt. Langsam und zögernd entwickelt sich der ganze Prozess und ohne allzu grosse körperliche Erregung; aber der Erfolg ist eine wirklich vollkommene Seelenverschmelzung, in diesem Sinne befriedigender als die andere, ein seltsames und trunkenes Austauschen von zwei Leben und Wesenheiten. »Das ganze Dasein eines jeden hat sich in das des anderen versenkt, und unsägliches Entzücken ergreift sie ... Wie die Stunde schwindet, mildert sich die physische Spannung; die reine Seelenlust hebt die Schwingen, und man glaubt nicht selten in eine übersinnliche Welt zu schauen und das Walten höherer Mächte zu spüren.« (Vergl. Karezza, von A. B. Stockham, Stockham Publishing Co., Chicago.) Die Wichtigkeit dieses Unterschiedes kann kaum überschätzt werden. Whitman unterscheidet eine »amative love« (etwa: befruchtende Liebe) und eine »adhesive love« (etwa: verbindende Liebe). Beide Arten hat man bisher nicht genügend auseinandergehalten. Die erstere erzeugt leibliche Kinder; die andere äussert ihre schöpferische Kraft in den Sphären der Seele und des Gemütes, indem sie die höheren Lebensessenzen auffrischt, Begeisterung entflammt, schlummernde Energieen und Gedanken erweckt, die in die Sphäre der Begebenheit hinabsteigen. Diese letztere ist sozusagen das eigentliche Gebiet der homogenischen Liebe, und wo diese sich äussert, wird sie es in solchem Sinne tun. (Vergl. auch: »Wenn die Menschen reif zur Liebe werden«, p. 151 und 152.)

III.

Aus dem bisher Gesagten erhellt wohl zur Genüge, dass bei den Aeusserungsformen der homogenischen Liebe gewisse dunkle Punkte bestehen. Da findet sich mancher verborgene Fallstrick, manche Versuchung, – und ein gewisser Schutz gegen ein Ausarten der physischen Seite der Beziehungen erscheint deshalb unumgänglich. Wohl aber hat demgegenüber der ethische und soziale Teil der Sache seine hervorragende Bedeutung, die wir in den verschiedensten Abschnitten der Geschichte vollauf betätigt sehen. Es ist zum mindesten wahrscheinlich, dass ganz ebenso, wie die gewöhnliche Liebe ihren besonderen Sinn in der Fortpflanzung der Art hat, auch die andere einen besonderen Antrieb zu sozialen und individuellen Grosstaten zu geben berufen ist. Sie erzeugt nicht leibliche Kinder, sondern geistige; sie erweist sich als der Ursprung von philosophischen Eingebungen und Idealen, die das Leben des Einzelnen und der Gesellschaft umzugestalten helfen. J. Addington Symonds unternimmt in seinem ursprünglich privatim gedruckten Schriftchen »Ein Problem der griechischen Ethik« (das inzwischen in deutscher Uebersetzung veröffentlicht wurde) Vergl. »Das Conträre Geschlechtsgefühl« von Havelock Ellis und J. A. Symonds, (Leipzig, 1896.) eine möglichst lebenswahre Darstellung des Ursprunges der Kameradenliebe bei den Doriern in der frühsten griechischen Periode. Da lesen wir z.B.: – »Bei einer unzureichenden Anzahl der Frauen fehlte ihnen noch die Weihe eines festen häuslichen Herdes. Noch lebte in ihnen das Gedächtnis Achills, die Verehrung ihres Ahnherrn Herakles, und aus diesen Traditionen erblühte bei ihnen ein begeisterter Kult der Freundschaftsliebe. Bei ihren Kriegszügen in fremde Länder – Gefahren zur See, Ueberschreitung von Strömen und Gebirgen, Sturmangriffen auf Festungen und Städte, Landungen an feindlichem Gestade, Nachtwachen am lodernden Signalfeuer, Beutezügen, Feldwachtdiensten vor der Front eines wachsamen Feindes –, da bewährte sie sich in Abenteuern, welche die Romantik ihrer Kameradschaft in ein glänzendes Licht stellen. Bei solchen Gelegenheiten erwiesen sie sich hilfsbereit gegen schwächere Genossen, empfänglich für alles Schöne und schonungsvoll gegen die Jugend. Dabei pflegten die Eigenschaften der Dankbarkeit, der Selbstaufopferung und der bewundernden Liebe eine bedeutende Rolle zu spielen, und alle diese Vorzüge waren wohl dazu geeignet, die Beziehungen der Männer zu einander eben so fest zu schmieden wie Bande der Ehe. Auf solche Beziehungen durfte ein tüchtiger Heerführer wohl bauen. Sie gaben seinen Truppen eine wilde Energie und entzündeten in ihnen den Drang zu Unternehmungen und Wagnissen.« Der Autor stellt dann im weiteren recht überzeugend dar, dass bei diesen Beziehungen allerdings wohl auch die körperliche Natur ihre Rolle spielte, dass dieselbe aber keineswegs die Oberhand bekam über die reinen Sympathieen der Seelen und Gemüter, und unter keinen Umständen die Ursache der Verderbnis und Verweichlichung war, die in späteren Perioden um sich griff.

In Sparta hiessen die Liebhaber Eispnelos, die Eingeber, und die jüngeren Geliebten Aïtes, die Hörer. Dies genügt schon, um die Beteiligung erzieherischer Gesichtspunkte bei solchen Freundschaften zu erkennen. Man könnte zu Hunderten bezügliche Stellen aus der klassischen Literatur angeben, aus denen hervorgeht, wie tief bei den Griechen die Anschauung wurzelte, dass aus dieser Liebe die sozialen Tugenden sowie Ritterlichkeit und Heldentum hervorgehen. Endlich scheint es Plato's Lieblingsthema gewesen zu sein, dass diese Beziehungen bei richtiger Leitung die Offenbarungen ächter Philosophie im Gemüte begünstigen, sowie göttliche Erleuchtungen und Verzückungen, und in der Seele alle Formen himmlischer Schönheit wiedererwecken oder entflammen lassen. Er sagt von dieser Liebe, dass sie die Seelen der Liebenden zu einem »Aufleben in Schönheit« »Symposium«: Rede des Sokrates. emporleite. Tief dringt das holde Bild des Liebsten in die Seele des Liebenden ein und vermählt sich in den verborgensten Gründen mit den ewigen Formen göttlicher Schönheit, die heimlich darin schlummerten, – den ursprünglichen Ideen aller Schöpfung, – und diese bilden, ins Leben gerufen, den befruchtenden Quell edelster Gesinnungen und Regungen, die hinfür seinem ganzen Denken und Handeln ihr Gepräge verleihen.

Wenn an diesen Betrachtungen etwas Wahres ist, – und sei es auch nur ein Körnchen Wahrheit oder ihrer etliche –, so lässt sich leicht erkennen, dass die Liebe, um die es sich hier handelt, ein hochbedeutender Faktor im menschlichen Leben sein muss, und dass man das Interesse der Gesamtheit bedenklich gefährden oder verletzen würde, wenn man sie noch weiterhin verkennen, ignorieren oder gar sie zu unterdrücken trachten wollte. Und ebenso leuchtet es ein, dass, während einerseits die Ehe für den Staat unentbehrlich ist, so zu sagen als seine Werkstatt zur Geburt und Aufzucht von Kindern, so ist auch die andere Art von Verbindungen eben so unumgänglich als eine Grundlage sozialer und anderer Tätigkeiten. Jeder wird das Gefühl haben, dass sein Leben ohne irgend eine innige zarte Beziehung irgend welcher Art etwas Unvollständiges bleibt. Seine Kräfte verkümmern, und er vergeudet seine Fähigkeiten ohne den ihnen entsprechenden Gewinn. Freilich wird man im allgemeinen nicht erwarten dürfen (wenn es auch nicht unbedingt ausgeschlossen erscheint), dass der Mann oder die Frau, die sich aneinander gefesselt haben, und an ein Familienleben gebunden sind, die Sorge um ihre Kinder und alle ihre häuslichen Verpflichtungen vernachlässigen sollten, um sich in den ferner liegenden und weniger dringenden Dienst der Gesellschaft zu stellen, wenn dieser auch Pflichten höherer Art bedingt. Auch kann man nicht erwarten, dass alleinstehende Männer oder Frauen ohne den Rat eines Gefährten in schweren Zeiten, oder ohne seine oder ihre Liebe in der Stunde der Not, die Kraft zu solchen höheren Leistungen finden sollten. Hätte – um noch einmal auf die klassische Geschichte zurückzukommen – Harmodius zu Hause Weib und Kinder gehabt, und hätte ihnen seine Liebe gegolten, so wäre er wahrscheinlich nicht darauf gekommen und hätte sich nicht berufen gefühlt, den Tyrannen zu erschlagen. Und hätte andrerseits jeder der Freunde nicht seinen treu liebenden Kameraden zur Seite gehabt, so hätten sich die beiden wohl schwerlich zu dieser kühnen und ewig denkwürdigen Tat aufgerafft. Und darum wäre es schwer zu glauben, dass irgend etwas so mächtig alle Kräfte zur Entfaltung bringen, oder derartige Energien, wie sie soziale und geistige Leistungen bedeutendster Art verlangen, auslösen könne, wie es die Freundesliebe vermag, die dabei noch die Liebenden unbehelligt lässt von den Verantwortlichkeiten und Hemmnissen, die das Eheleben mitbringt.

Denn wenn auch die Beseitigung von Tyrannen heutzutage nicht die Hauptaufgabe der Gesellschaft ist, so haben wir doch hydraköpfige Ungeheuerlichkeiten zu bekämpfen, die mindestens so zahlreich sind, wie die vormaligen Tyrannen; die noch weit schwieriger zu behandeln sind, und denen entgegenzutreten gewiss kein kleines Mass von Mut erfordert. Und neben der Ausrottung von manchen Uebeln warten unser auch positive Arbeiten auf Ausführung, die in dem geduldigen, lebenslangen Ausbau neuer Gesellschaftsformen bestehen, neue Ideenkreise, neue Einrichtungen im Dienste der menschlichen Solidarität – die alle bei ihrer Entstehung Anfeindung finden, Spott, Hass, und selbst Gewalt. Solche Kämpfe wie diese – wenn sie auch von anderer Art sind, als jene der Dorischen Bergvölker, die wir oben beschrieben haben – bedürfen des Mutes und der Kühnheit in gleichem Masse und auch einer Kameradschaft von gleicher Treue und Tüchtigkeit. Man muss in der Tat bezweifeln, ob ein höheres Helden- und Geistesleben bei einem Volke überhaupt denkbar ist, das in seiner Gesetzgebung diese Liebe nicht zu würdigen versteht, die den bestehenden Liebesmöglichkeiten einen neuen Spielraum und Bereich bietet. Es ist von Interesse, in diesem Zusammenhange die ausserordentliche, fast romantische Wärme des Bundes zwischen gleichgeschlechtlich Liebenden zu beachten, die oft eine lange Reihe von Jahren hindurch unvermindert andauert, mit einer nie versagenden Zärtlichkeit in der gegenseitigen Behandlung und Hochachtung für einander, wie sie nur bei den glücklichsten Ehen wiederzufinden ist. »Die Liebe solcher Männer« sagt Moll (p. 119), »die in der Jugend erwachte, überdauert oft das ganze Leben. Ich kenne derartige Männer, die ihren ersten Geliebten Jahre, auch Jahrzehnte hindurch nicht gesehen hatten und bei der Wiederbegegnung das ganze Feuer ihrer ersten Leidenschaft zeigten. In vielen anderen Fällen liess sich die Treue unverändert manche Jahre hindurch beobachten.«

Walt Whitman, der eine neue Welt demokratischer Ideale und literarischer Erzeugnisse ins Leben rief, und – wie einer der besten unter unseren Kritikern betont – der ächteste Grieche an Geist und Darstellungsgabe unter den modernen Schriftstellern, kommt immer wieder zurück auf diese soziale Bedeutung der »innigen und liebevollen Kameradschaftlichkeit, der persönlichen und leidenschaftlichen Zuneigung eines Mannes zum Manne.« »Ich will,« so sagt er, »damit die herrlichste Menschenart schaffen, die jemals die Sonne beschien, ich will göttliche Länder der Sehnsucht werden lassen ... Städte will ich schaffen, wo jeder dem anderen den Arm um den Hals legt, nur durch die Macht der Freundschaftsliebe.« Und weiter, in seinen Democratic Vistas: »Ich erwarte von der künftigen Entwicklung, von der Anerkennung und allgemeinen Ausbreitung jener heissen Kameradschaftsgefühle, (– und die verbindende Liebe wetteifert mit der begattenden an phantasievoller Literatur, wenn sie nicht sie übertrifft, –) dass sie ein Gegengewicht gegen die materialistische und gemeine Amerikanische Demokratie und ein Ersatz dafür werden und sie vergeistigen wird ... Aechte Demokratie bedingt so viel liebende Kameradschaftlichkeit, als sei sie ihr unzertrennlicher Zwillingsbruder, ihr zweites Ich, ohne das sie unvollständig, überflüssig wäre, und unfähig sich selbst zu erhalten.«

Aber Whitman hätte über diese Dinge nicht so sprechen können, wie er es tat, nicht mit dieser Entschiedenheit, wenn er nicht mit voller Sicherheit erkannt hätte, dass in der Masse des Volkes diese Bewegung schon in Fluss war und sich regte – wenn auch noch in halbunterdrückter, unbewusster Form –, und wenn er nicht eine reiche Kenntnis ihres Einflusses und ihrer Wirkung an sich selbst und anderen um sich her erworben hätte. Wie alle grossen Künstler konnte er nur solchen Dingen Form und Farbe geben, die bereits, wenn auch unklar und unfertig, sich im Volksbewusstsein vorfanden. Und wer nach dieser Richtung schon einmal tiefer unter die Oberfläche geschaut hat, der wird ganz gut wissen, dass die homogenische Leidenschaft sich weit durch die ganze moderne Gesellschaft verzweigt. Unter allen Völkerschaften, in allen Klassen, selbst unter der ausdruckslosen Aussenseite und dem zurückhaltenden Wesen der Briten, werden Briefe geschrieben und dauernde Freundschaften geknüpft, die sich nicht sehr merklich von jenen Beziehungen unterscheiden, die Personen verschiedenen Geschlechtes unter ähnlichen Verhältnissen mit einander unterhalten. Aber da solche Verhältnisse manchmal in ihrer gröberen und verwerflicheren Form durch polizeiliche Anzeigen u. s. w. dem Publikum vor Augen geführt werden, haben sich die gesunderen, mehr geistigen Ausdrucksformen dafür der öffentlichen Kenntnis entzogen, obschon sie in Wirklichkeit eine treibende Kraft im Staatskörper bilden.

Es ist kaum noch am Platze, heutzutage, wo die sozialen Fragen unser ganzes Denken durchweben, den Wert von Beziehungen zu preisen, die Menschen verschiedener Klassen mit Banden der Leidenschaft zu einander hinzuziehen vermögen, und die, wie das häufig vorkommt, auch dann nicht minder stark sind, wenn diese Klassen weit auseinanderstehen. Eine kurze Ueberlegung genügt, um sich zu überzeugen, dass, wie Whitman sagt, solche Kameradschaften in »tiefen Beziehungen zur allgemeinen Politik stehen.« Bezüglich dieser tiefen Beziehung zur Politik ist es bemerkenswert, dass die auf Befreiung und Emanzipation der Frau gerichtete Bewegung, die sich durch die ganze zivilisierte Welt ausbreitet, von einer deutlichen Entwicklung der homogenischen Neigungen beim weiblichen Geschlechte begleitet ist. Man kann wohl sagen, dass eine gewisse Spannung den Beziehungen zwischen Mann und Weib angehaftet hat, weil die Frau sich deutlicher bewusst wurde, dass der Mann sie lange unterdrückt und sie nicht angemessen behandelt hat. Daher die wachsende Abneigung gegen eine Ehe mit ungleichen Bedingungen, und daher auch die Vorliebe der Frauen, sich mehr aneinander zu schliessen und Verbindungen mit ihresgleichen einzugehen. Aber welches auch der Grund sein mag, es ist so gut wie sicher, dass solche Freundschaftsbeziehungen – und zwar höchst anhänglicher Art – zunehmend häufig werden, und wohl besonders bei den gebildeteren Klassen der Frauen, die an der grossen Sache der Befreiung ihres Geschlechtes mitarbeiten. Der Wert derartiger Bündnisse bei diesen Bestrebungen ist unschwer zu begreifen. In den Vereinigten Staaten, wo der Kampf um die Selbständigkeit der Frau vielleicht noch heftiger tobt als hier, findet sich auch jene Neigung noch entschiedener ausgedrückt.

Wenige Worte mögen nun noch über die juristische Auffassung dieser wichtigen Frage gesagt werden. Es muss hier festgestellt werden, dass die zeitweilige gesetzliche Lage, sowohl in Deutschland wie in England, völlig unzulänglich und unhaltbar ist. Das liegt einesteils an den falschen Auffassungen, die wir oben gekennzeichnet haben, und anderenteils an der gänzlichen Abneigung der Gesetzgeber, sich überhaupt mit der Frage zu befassen. Während das Gesetz mit Recht Gewalttaten und öffentliches Aergernis zu verhindern sucht, überschreitet es seine Befugnisse, wenn es unternimmt, sich in die privaten und auf freiem Willen beruhenden Beziehungen erwachsener Menschen zu einander einzumischen. Wir haben gesehen, dass die homogenische Liebe eine wertvolle soziale Macht ist, und in manchen Fällen ein unentbehrlicher Bestandteil edler menschlicher Charaktere, – und dennoch macht das (britische) Gesetz von 1885 fast jede Zuneigungsäusserung in solchen Fällen zum Gegenstande einer möglichen strafrechtlichen Verfolgung. Was auch für positive Grundlagen denkbar sein mögen für die früheren Gesetze zu dieser Sache – die sich auf einen spezifischen Akt beziehen –, sicherlich ist es ein Missgriff, ein so weitgehendes Urteil zu fällen über jede Beziehung zwischen männlichen Personen. Inkonsequent genug, wird der Frauen dabei keine Erwähnung getan. Das heisst ja geradezu das Privatleben des Einzelnen im Gegensatz zu den sozialen Konsequenzen unter sittliche Vormundschaft stellen zu wollen. Das ist eine Ueberschreitung der gesetzlichen Befugnisse, und selbst wenn eine Berechtigung dabei nachzuweisen wäre, liesse sich das Gesetz nicht wohl durchführen. Dr. Moll stellt den Satz auf (2. Aufl. pp. 314, 315), dass, wenn man gleichgeschlechtliche Beziehungen als unmoralisch strafbar machen will, dasselbe doch noch weit eher mit Bezug auf die Selbstbefleckung geschehen müsste. Es hat in der Tat mehr als je zuvor einem wirklichen sozialen Uebel und Verbrechen Tür und Tor geöffnet: – der Erpressung. Verunglimpft hat es die einfachsten und natürlichsten Ausdrücke eines Gefühles, das, wie wir gezeigt haben, im nationalen Leben von grösstem Werte sein kann.

Dass die gleichgeschlechtliche Liebe, ganz wie die heterosexuelle zu öffentlichen Verletzungen des Anstandes und zum Missbrauch der Freiheit führen kann; dass sie manchmal in wenig angebrachter Weise begünstigt wird; und ferner, dass es hierbei noch vielfach der Belehrung und der erzieherischen Einwirkung bedarf, – das lässt sich natürlich nicht leugnen. Aber ebenso, wie bei den Beziehungen von Personen verschiedenen Geschlechtes das Gesetz sich im allgemeinen auf die Erhaltung der öffentlichen Ordnung beschränkt, auf den Schutz der Schwachen gegen Beleidigung und Gewalt, Allerdings ist füglich zu bezweifeln, ob die Paragraphen über die Ehe dieser Anforderung genügen. und der Jugend vor den Folgen ihrer Unerfahrenheit: so sollte es auch hier sein. Die so notwendige Belehrung und die Aufklärung über den Sinn des vorliegenden Gegenstandes sollte man so geben, wie sie eben nur gegeben werden kann: – durch Verbreitung guter Ideen, durch richtige Erziehung, aber nicht durch den plumpen Knüttel des Strafgesetzbuches. In Frankreich duldet man seit der Einführung des Code Napoleon die Homosexualität mit den gleichen Einschränkungen wie beim normalen Geschlechtsverkehr. Und nach Carlier, dem ehemaligen französischen Polizeipräsidenten, ist Paris in dieser Beziehung durchaus nicht mehr verdorben als London. Italien hat in diesem Punkte seit 1889 ebenfalls die Grundsätze des Code Napoleon eingeführt. Ueber weitere Betrachtungen bezüglich der gesetzlichen Bestimmungen vergl. Anhang, p. 166–170.

Nachdem nun die Bedeutung der homogenischen oder Freundesliebe festgestellt ist, scheint es hoch an der Zeit zu sein, im nationalen Leben in geeigneter Form für die Anerkennung dieser Tatsachen in den bezüglichen Verordnungen hinzuwirken; zum mindesten sollte man die öffentliche Meinung und das Erziehungswesen so weit zu bringen suchen, dass sie diesen Faktor im Leben zu verstehen und richtig zu behandeln lernen. Die unleugbaren Schäden, die mit Bezug darauf vorkommen, z. B. in öffentlichen Schulen, und ebenso auch ganz allgemein im Leben –, verdanken ihr Bestehen zum guten Teil dem Umstande, dass man die ganze Angelegenheit sozusagen in der Gosse liegen lässt –, in Heimlichkeit und Dunkelheit. Niemand gibt einen Leitfaden zur Besserung, niemand zeigt einen Ausweg aus der Wildnis; und gerade dadurch, dass man diese Leidenschaft verkennt, hat man sie auf die unleidlichsten Auswege abgedrängt. Man sollte meinen, jedes Liebesgefühl muss seine Verantwortlichkeit in sich selbst tragen, sonst verfällt es der Ausartung und vergeudet sich in gemeiner Sinnlichkeit oder in leerem Gefühlsdusel. Die normale Verbindung von Mann und Weib führt zur Gründung eines Haushalts und einer Familie; die Liebe zwischen Eltern und Kindern bringt Pflichten und Sorgen für beide Seiten mit sich. Die Verkennung der homogenischen Liebe beraubt sie ihrer wirklich guten Eigenschaften und macht ein unbeständiges und verdorbenes Wesen aus ihr. Und doch, wie wir schon gesehen haben, und wie wir es noch eingehender im folgenden Kapitel darlegen werden, kann sie zwischen Aelteren und Jüngeren eine ungeheure erzieherische Macht entfesseln. Dagegen wird sie unter Gleichen mehr zu sozialen und heroischen Leistungen den Antrieb geben, so wie man ihn wohl kaum von der gewöhnlichen Ehe erwarten dürfte. Ich wiederhole, es scheint hoch an der Zeit zu sein, die öffentliche Meinung über diese Dinge aufzuklären, damit sie dieser Liebe die gebührende Anerkennung und Würdigung nicht länger versagen kann, die als Folge der Erkenntnis zu erwarten ist. Ebenso würden sich bestimmtere Formen und Umrisse der Sache aus dem Bestehen eines anerkannten bezüglichen Ideals oder Grundsatzes ergeben. Man hört so häufig sagen, dass eine sorgfältige Befolgung der anerkannten Formen bei der Verbindung von Mann und Weib und die Erlangung der standesamtlichen Sanktion dazu ein Element ihrer Sittlichkeit sei. Vielleicht würde etwas von derselben Art, und wohl in nicht geringerem Masse, sich auch für die gleichgeschlechtliche Liebe bestätigen. Bei den älteren, ursprünglicheren Gemeinwesen hatte diese die Stellung einer anerkannten und geachteten Einrichtung; und alle Anzeichen deuten darauf hin, das man ihr in der kommenden Gesellschaft einen ähnlichen Platz einräumen wird.


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