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Dritter Teil des dritten Dialogs.

»Nun ist, wie ihr seht, noch der letzte Teil des Himmels zu säubern«, sagte der Hochdonnernde, »der Teil, den man den südlichen, den mittäglichen nennt; und hier stoßen wir zuerst auf dein großes ungeschlachtes Tier, Neptun.« »Wenn dieser Walfisch«, begann Momus, »nicht jener ist, der dem Propheten aus Ninive als Galere, als Kutsche oder Zelt gedient hat, wie jener ihm wiederum als Fraß, Arznei und Brechmittel, wenn er nicht die Siegestrophäe des Perseus, wenn er nicht der Urahn des Jannes vom Orkus, wenn er nicht das Untier des Cola von Catanza ist, auf dem er zur Hölle fuhr, so weiß ich, obgleich ich einer der Großsekretäre der himmlischen Republik bin, nicht, was zum Teufel er denn eigentlich ist. Er soll, wenn es Jupiter so recht ist, nach Salonichi gehen, und zusehen, ob er nicht dem heillosen Volke und Stamme der Göttin des Verderbens als Gegenstand einer schönen Fabel dienen kann. Und da dieses Tier, wenn es sich auf der Oberfläche des brausenden und stürmischen Meeres zeigt, die bald, wenn auch nicht an demselben Tage, so doch an einem der folgenden eintretende Beruhigung der Wogen ankündigt, so scheint es mir in seiner Art ein passendes Sinnbild der Seelenruhe abzugeben.« »Es ist gut«, erwiderte Jupiter, »daß diese erhabene Tugend, die man Seelenruhe nennt, am Himmel ihren Platz erhält, da sie es ist, die die Menschen gegen die Unbeständigkeit der Welt stählt, gegen die Unbillen des Glücks standhaft macht, von der Sorge um die Staatsverwaltung fernhält, sie wenig begierig nach Neuerungen, wenig lästig für ihre Feinde, wenig beschwerlich für ihre Feinde und frei von jeder eitlen Ruhmsucht macht und bewirkt, daß sie, unbeirrt durch die Wechselfälle des Schicksals entschlossen dem Tode ins Auge blicken.« Nun fragte Neptun: »Was werdet ihr denn, o Götter, mit meinem Günstling, meinem schönen Liebling, jenen Orion meine ich, anfangen, der aus Angst, wie einige Etymologen meinen, am Himmel uriniert?« »Laßt mich, o Götter, einen Vorschlag machen«, erwiderte Momus. »Uns sind, wie man in Neapel sagt, die Makkaroni in den Käse gefallen. Da dieser es versteht, Wunder zu tun und, wie Neptun weiß, auf den Wogen des Meeres gehen kann, ohne unterzusinken und ohne sich die Füße naß zu machen, und infolgedessen wohl auch noch andere artige Kunststücke fertig bringen wird, so wollen wir ihn zu den Menschen schicken, damit er ihnen alles einrede, was uns gut und nützlich erscheint, und sie dahin bringe, zu glauben, daß weiß schwarz sei, daß der menschliche Verstand dann, wann er am schärfsten zu sehen glaubt, völlig blind sei und daß das, was der Vernunft vortrefflich, gut und als das beste erscheint, niedrig, verworfen und äußerst böse sei, daß die Natur eine feile Dirne, das Naturrecht eine Schurkerei sei, daß Natur und Gottheit nie zu einem gemeinsamen guten Zwecke zusammenwirken können, und daß die Gerechtigkeit der einen nicht der Gerechtigkeit der anderen untergeordnet, sondern ganz verschieden von ihr sei wie das Licht von der Finsternis, daß die Gottheit nur den Griechen mütterlich gesinnt sei, den anderen Völkern gegenüber aber einer bösen Stiefmutter gleiche, und daß daher niemand auf andere Weise den Göttern wohlgefällig sein könne, als wenn er sich gräzisiere, das heißt zum Griechen machen, denn der größte Schuft und Taugenichts, den Griechenland aufzuweisen habe, sei wegen seiner Zugehörigkeit zu den Kindern der Götter unvergleichlich besser und als der gerechteste und hochherzigste Mann, der aus Rom zu der Zeit, als es noch Republik war, oder aus einem anderen Volke hervorgehen konnte, möge dieses auch in Sitte und Wissenschaft, Tapferkeit, Verstand, Schönheit und Macht noch soweit vorgeschritten sein. Denn dies seien nur natürliche Gaben, die von den Göttern geringgeschätzt und denen überlassen werden, die viel höhere, das heißt jener übernatürlicher Privilegien unteilhaftig seien, wie zum Beispiel auf dem Wasser herumzuspringen, die Krebse tanzen zu lehren, zu machen, daß Lahme wie Böcklein herumhüpfen und daß die Maulwürfe ohne Brille sehen und unzählige andere schöne Dinge mehr. Dabei soll er ihnen vorreden, daß die Philosophie, jede Spekulation und jede Magie, die sie uns ähnlich machen können, nichts seien als eitel Narrenspossen, daß jede heroische Handlung nichts anderes sei als Torheit und daß die Unwissenheit die schönste Wissenschaft der Welt sei, weil sie sich ohne Mühe erwerben lasse und den Geist nicht mit Schwermut belaste. Dadurch wird er vielleicht den Kultus und die Verehrung, die wir eingebüßt haben, wiederherstellen und wiedereinrichten, ja vielleicht sogar steigern und bewirken können, daß unsere Schurken für Götter gehalten werden, nur weil es Griechen oder Gräzisierte sind. Aber ich gebe euch diesen Rat nur mit schwerem Bedenken, ihr Götter, denn eine Mücke summt mir dabei ins Ohr, es könne leicht geschehen, daß, wenn jener die Jagdbeute schließlich in seinen Händen hat, er sie für sich behält und sagt, der große Jupiter sei nicht Jupiter, sondern Orion sei Jupiter und die Götter seien insgesamt nur leere Chimären und Phantasiegebilde. Daher scheint es mir doch nicht angebracht zu sein, ihm zu gestatten, per fas et nefas, wie man sagt, seine vielfache Geschicklichkeit zu zeigen und seine Vorstellungen zu geben, durch die er berühmter werden würde als wir.« Hierauf antwortete die weise Minerva: »Ich weiß nicht, o Momus, in welchem Sinne du diese Worte sprichst, diese Ratschläge gibst, diese Vorsichtsmaßregeln vorschlägst. Ich glaube, daß deine Rede ironisch gemeint ist, weil ich dich nicht für so dumm halte, daß du der Ansicht sein könntest, die Götter erbettelten sich durch solche Armseligkeiten die Achtung bei den Menschen, und was jene Betrüger betrifft, die falsche Achtung, die sich auf die Unwissenheit und Bestialität ihrer Anhänger stützt, könne ihnen Ehre, anstatt die Bekräftigung ihrer Unwürdigkeit und ihrer maßlosen Schande bringen. Für das Auge der Gottheit und der alles beherrschenden Wahrheit kommt es nur darauf an, ob jemand gut und würdig sei, wenn ihn auch keiner der Sterblichen dafür erkennt; und mag ein anderer es durch falsche Vorspiegelungen auch dahin bringen, daß er von allen Sterblichen für einen Gott gehalten wird, er wird sich dadurch doch keine Würde erwerben können, da das Fatum sich seiner nur als Werkzeug und Hinweis bedient, um daran klarzumachen, daß die Unwürdigkeit und Dummheit aller, die ihn vereinen, umso größer ist, je niedriger, unedler und gemeiner er selbst ist. Wenn daher nicht nur Orion, der doch ein Grieche und immerhin ein Mann von einiger Bedeutung ist, sondern auch ein Angehöriger des nichtswürdigsten und erbärmlichsten Volkes, das es auf Erden gibt, von der niedrigsten und schmutzigsten Gesinnung als Jupiter angebetet wird, so wird er sicherlich weder in Jupiter geehrt noch Jupiter in ihm verunehrt, da er diesen Sitz und Thron ja nur unter falscher Maske, und weil man ihn nicht kennt, einnimmt, sondern er bringt vielmehr nur seinen Anhängern Schimpf und Schande. Niemals also wird ein Schurke ehrenwert erscheinen können, weil er mit Hilfe böser Geister zum Affen und Possenreißer blinder Sterblicher gemacht wird.« »Wißt ihr«, fragte nun Jupiter, »was ich über jenen beschließen will, um jeden möglichen künftigen Ärgernis vorzubringen? Ich wünsche, daß er zur Erde niedersteige und verfüge, daß er alle Macht verliere, seine Künste, Betrügereien, Streiche, artige Stückchen und andere Wunderwerke auszuführen, die gar keinen Wert besitzen. Ich will nicht, daß es ihm gelingen soll, das hohe Maß von Vortrefflichkeit und Würde, das sich in den für die Erhaltung der Welt notwendigen Naturgesetzen vorfindet, zu zerstören, zumal ich sehe, wie leicht sich die Welt täuschen läßt und infolgedessen zu Torheiten neigt und jeder Art von Korruption und Unwürdigkeit zum Opfer fällt. Daher will ich nicht, daß unser Ruf von dem Verhalten dieses Orion oder eines anderen seinesgleichen abhängt, denn wenn schon ein König töricht handelt, der einem seiner Feldherren und ehrgeizigen Heerführer soviel Macht und Gewalt einräumt, daß dieser sich selbst zum Herrscher aufwerfen kann – was möglicherweise mit keinem Nachteil für das Reich verbunden ist, das vielleicht ebensogut, wenn nicht besser, von diesem wie von jenem regiert werden kann – um wieviel unverständiger und eines Aufsehers und Vormunds bedürftiger würde Gott sein, wenn er diese selbe Macht in die Hände eines verächtlichen, gemeinen und unwissenden Menschen legte oder sie darin beließe, durch den schließlich alles entadelt, vernichtet, in Verwirrung gebracht und das unterste zu oberst gekehrt würde, da ein solcher die Unwissenheit an die Stelle der Wissenschaft setzen, den Adel der Gesinnung zu Unehren und die Gemeinheit zu Ehren bringen würde.« »Er soll sich schleunigst entfernen«, sagte Minerva, »und an seine Stelle trete die ernste Arbeit, die Waffenübung und Kriegskunst, durch die im Vaterlande der Friede und die Herrschaft der Gesetze aufrechterhalten und die Barbaren bekämpft, bezwungen und zu einem gesitteten, menschenwürdigen Leben angehalten, und die unmenschlichen, schmutzigen, barbarischen und viehischen Kulte, Religionen, Opfer und Gesetze abgeschafft werden sollen, denn zur Erreichung dieses Zieles reicht wegen der Menge der Unwissenden und Schlechten, die zahlreicher sind als die nur dünn gesäten Edlen, Weisen und wahrhaft Guten, mitunter meine Weisheit ohne die Spitze meiner Lanze nicht aus, so fest und tief gewurzelt sind derlei Schuftereien in der Welt, die nur allzuvoll von ihnen ist.« Ihr antwortete Jupiter: »Die Weisheit reicht vollständig aus, meine Tochter, gegen diese von dir zuletzt genannten Dinge aus, denn sie werden von selbst alt und hinfällig, werden von der Zeit verschlungen und verdaut und stehen auf sehr schwankem Grunde.« »Indessen muß man ihnen jedoch Widerstand leisten und sie bekämpfen«, meinte Pallas, »damit sie uns durch Gewalttätigkeiten nicht unterdrücken, bevor wir sie reformieren können.« »Wir kommen nunmehr«, begann Jupiter von neuem, »zum Flusse Eridanus, von dem ich noch nicht weiß, was ich mit ihm machen soll, da er ebenso auf der Erde wie im Himmel ist, während die anderen Gegenstände, über die wir beraten, die Erde verlassen hatten, als sie sich in den Himmel begaben. Dieser aber, der sowohl hier wie dort, drinnen wie draußen, in der Höhe wie in der Tiefe ist, der sowohl vom himmlischen wie vom irdischen etwas an sich hat, der sich sowohl in Italien wie in der südlichen Gegend vorfindet, der scheint mir kein Ding zu sein, dem man einen Platz anweisen, sondern dem man einen Platz entziehen muß.« »Im Gegenteil, hoher Vater«, erwiderte Momus, »mir erscheint der Fluß Eridanus als etwas ehrwürdiges, denn er besitzt die Eigenschaft, idealer- und realerweise zugleich an mehreren Orten zu sein; wir wollen ihn daher ruhig überall weilen lassen, wo man seiner gedenkt, ihn anruft, zu ihm betet und ihn göttlich verehrt. Dies alles können wir mit den geringsten Unkosten, ohne irgendwelches Risiko und vielleicht nicht ohne einen bedeutenden Gewinn ins Werk setzen. Nur habe er die Eigenschaft, daß dem, der von seinen gedachten, angerufenen, angebeteten und göttlich verehrten Fischen ißt‚ so zumute sei, als habe er sozusagen nichts gegessen, dem, der in ähnlicher Weise von seinem Wasser trinkt, so zumute sei, als habe er nichts zu trinken, dem, der ihn in seinem Kopfe habe, so zumute sei, als sei er ihm leer und hohl, und daß dem, der in derselben Weise die Gesellschaft seiner Nereiden und Nymphen genieße, so zumute sei, als sei er nicht weniger einsam als jemand, der nicht einmal seine eigene Gesellschaft genießt.« »Gut«, sagte Jupiter, »das wird niemand zum Schaden gereichen, vorausgesetzt, daß um seinetwillen die anderen nicht ohne Speise, ohne Trank, ohne Gedanken im Kopfe und ohne Gesellschaft bleiben, weil diese Speise, dieser Trank, sein Verweilen im Kopfe und in ihrer Gesellschaft nur in der Einbildung, im Anrufen, im Gebete und in der göttlichen Verehrung besteht. Es sei daher so, wie Momus es vorschlägt, und ich sehe, daß auch die anderen zustimmen. Der Eridanus bleibe also im Himmel, aber nur dem Glauben und der Vorstellung nach; das wird nicht hindern, daß an denselben Platz in Wirklichkeit etwas anderes trete, über das wir an einem der nächsten Tage entscheiden werden, denn über diesen Sitz ist dasselbe Urteil zu fällen, wie über den des großen Bären. Jetzt wollen wir für den Hasen sorgen, von dem ich will, daß er das Sinnbild der Furcht im Angesichte des Todes, aber auch soviel wie möglich das der Hoffnung und der Zuversicht sei, die das Gegenteil der Furcht ist. Denn beide sind in gewissem Sinne Tugenden oder wenigstens die Voraussetzungen solcher, wenn sie Töchter der Besonnenheit sind und unter der Herrschaft der Klugheit stehen. Doch die leere Furcht, die Verzagtheit, die Verzweiflung mögen zusammen mit dem Hasen herniedersteigen, um den stumpfsinnigen und unwissenden Gemütern die wahre Hölle und den Orkus der Qualen zu bereiten. Dort unten soll es keinen noch so versteckten Ort geben, in den die falsche Vermutung und der blinde Todesschrecken nicht eindringe, indem sie sich mittels der falschen Vorstellungen, die der törichte Glaube und die blinde Leichtgläubigkeit erzeugen, nähren und unterhalten, die Tür jedes noch so abgelegenen Gemaches öffnen. Aber nimmermehr, es sei denn unter vergeblichen Anstrengungen nähere sie sich dort, wo die uneinnehmbare Mauer der wahren philosophischen Betrachtung sich rings herumzieht, wo die Ruhe des Lebens sich auf befestigter Höhe niedergelassen hat, wo die Wahrheit enthüllt, wo die Notwendigkeit der ewigen Dauer jeder Substanz klar erkannt ist, wo man nichts anderes zu fürchten hat, als der menschlichen Vollkommenheit und der Gerechtigkeit, die auf der Übereinstimmung mit der höheren und niemals irrenden Natur beruht, beraubt zu werden.« »Ich habe gehört, Jupiter«, fiel Momus ein, »daß, wer vom Hasen ißt‚ schön wird; wir wollen daher bestimmen, daß, wer von diesem himmlischen Tiere ißt, er sei Mann oder Weib, aus einem Häßlichen schön, aus einem Reizlosen reizend, aus einem widerwärtigen und unangenehmen Geschöpf hübsch und anmutig werde, und daß der Bauch und Magen, der dieses Fleisch enthält, verdaut und sich darein verwandelt, glückselig werde.« »Ja, aber ich will nicht«, versetzte Diana, »daß die Nachkommenschaft meines Hasen zugrunde gehe.« »O, da kann ich dir eine Art und Weise angeben«, erwiderte Momus, »auf die alle Welt von ihm essen und trinken kann, ohne daß er jemals in Wahrheit gegessen und getrunken wird, ohne daß ihn ein Zahn berührt, eine Hand ihn ergreift, ein Auge ihn sieht und vielleicht gar ein Raum umschließt.« »Darüber könnt ihr euch nachher unterhalten«, sagte Jupiter. »Jetzt kommen wir zu diesem Hunde, der ihm fortwährend nachläuft, und ihn soviele Jahrhunderte hindurch im Geiste fängt, dabei aber aus Furcht, den Anlaß zum weiteren Jagen zu verlieren, bis zur Stunde niemals dazu gelangt, seine Beute in Wahrheit zu packen, sondern die ganze Zeit hindurch bellend hinter dem Hasen herjagt‚ indem er sich einbildet, ihn ereilt zu haben.« »Darüber habe ich mich schon immer beklagt, Vater«, entgegnete Momus, »daß du es schlecht eingerichtet hast, daß du diesen Jagdhund, der zur Verfolgung der thebanischen Füchsin bestimmt war, in den Himmel erhoben hast, als wäre er ein Windspiel, das hinter dem Schwanze eines Hasen herläuft, und die in Stein verwandelte Füchsin unten gelassen hast.« »Quod scripsi, scripsi«, entgegnete Jupiter. »Das ist eben das Unglück«, antwortete Momus, »daß Jupiter seinen Willen für die Gerechtigkeit selbst und seine Handlungen für Beschlüsse des Fatums hält, um uns zu zeigen, daß er die absolute Machtvollkommenheit besitzt, und um nicht etwa zu dem Glauben zu verleiten, er werde je zugeben, einen Irrtum begehen zu können oder begangen zu haben, wie ihn andere Götter häufig genug begehen, die, weil sie noch eine Spur von Bescheidenheit besitzen, zuweilen Reue empfinden, in sich gehen und sich bessern.« »Und was meinst du nun«, fragte Jupiter, »daß wir jetzt tun sollen, du, der du aus einer einzelnen Tatsache einen allgemeinen Satz herleiten willst?« Momus entschuldigte sich, er habe nur auf das allgemeine in specie, das heißt auf ähnliche Dinge, nicht auf das allgemeine in genere, das heißt auf alle Dinge geschlossen.

Saulino. Der Schluß war richtig, denn wo etwas anders ist, ist es nicht ähnlich.

Sofia. Er fügte jedoch hinzu: »Heiliger Vater, da du so große Macht besitzest, um aus der Erde den Himmel, aus Steinen Brot, und aus Brot irgend etwas anderes zu machen, und am Ende sogar machen kannst, was weder ist, noch sich machen läßt, so schaffe, daß die Jägerkunst, das heißt die Jagd aus einer vornehmen Tollheit, einer königlichen Torheit und einem kaiserlichen Aberwitz eine Tugend, eine religiöse, heilige Handlung werde, und daß es eine große Ehre für jemand ist, ein Schlächter zu werden, wenn er ein Wild erlegt, abhäutet‚ vierteilt und ausweidet. Obgleich es eigentlich Dianas Sache wäre, dich darum zu bitten, so bitte ich dich doch inständigst darum, denn es ist mitunter ehrenvoll, daß in einem Falle, wo es sich um eine Begünstigung und eine Ehre handelt, sich ein anderer hineinmischt als gerade der, dem es zukäme, sich zu melden, vorzutreten und den Antrag zu stellen, da die eine Ablehnung des Gesuches jenem größeren Ärger verursachen und eine Bewilligung geringere Ehre bringen würde.« »Obgleich das Handwerk des Schlächters als eine niedrigere Beschäftigung zu gelten hat als das des Henkers, wie dies in der Tat in einigen Gegenden Deutschlands der Fall ist, da letzterer nur mit menschlichen Gliedmaßen zu tun hat und mitunter der Gerechtigkeit einen Dienst leistet, während jener sich nur mit den Gliedmaßen eines armen Tieres beschäftigt und den überreizten Gaumen derer einen Dienst leistet, denen die von der Natur gebotene, dem Organismus und der Lebensweise des Menschen weit angemessenere Nahrung nicht mehr genügt (ich übergehe hier andere gewichtigere Gründe), so ist das Handwerk eines Jägers eine nicht minder unedle und gemeine Beschäftigung als die eines Schlächters, da das wilde Tier nicht geringeres Seelenleben besitzt als das Haus- und Weidetier. Auf jenen Fall möchte ich aber nicht die Rolle des Anklägers spielen, damit nicht etwa meine Tochter Diana ein Tadel treffe, und so verordne ich, daß die Beschäftigung des Schlächters von Menschen etwas ehrloses, die des Fleischers, das heißt des Henkers von zahmen Tieren, etwas gemeines, die des Henkers von wilden Tieren aber etwas ehrenvolles, vornehmes und rühmliches sein soll.« »Diese Verordnung«, erwiderte Momus, »ist Jupiter nicht angemessen, wenn er auf seinem Standpunkt stehen bleibt oder fortschreitet, sondern nur, wenn er Rückschritte macht. Ich habe mich stets gewundert, wenn ich sah, wie diese Priester der Diana, nachdem sie ein Damwild, ein Reh, einen Hirsch, ein wildes Schwein oder ein anderes Tier dieser Art erlegt haben, sich auf die Kniee niederwerfen, das Haupt entblößen, die Hände zum Himmel emporheben und ihm dann mit ihrem Jagdmesser den Kopf abschneiden, sodann das Herz herausnehmen, bevor sie sich an die übrigen Glieder machen und so in der richtigen Reihenfolge das kleine Messer wie bei einer gottesdienstlichen Handlung gebrauchen und nach und nach zu den übrigen Zeremonien übergehen. Daraus geht hervor, mit welchem religiösen Eifer und welchen frommen Gebräuchen sich ein solcher bemüht, das Tier ganz allein auszuweiden, ohne einen Gehilfen dabei hinzuzuziehen, sondern er läßt die anderen mit einer gewissen Ehrfurcht und gemachtem Erstaunen im Kreise herumstehen und zuschauen. Und während er der einzige Henker unter seinen Gefährten ist, hält er sich ganz gewiß für jenen Hohenpriester, der allein berechtigt ist, den Semammephorasso zu tragen und den Fuß in das Allerheiligste zu setzen. Aber leider trifft es sich oft, daß ein solcher Aktäon, während er die Hirsche in der Wildnis jagte, von seiner Diana in einen zahmen Hirsch verwandelt wird, indem diese ihm mit jenem magischen Ritus ins Gesicht bläst, ihm Quellwasser über den Rücken gießt und dreimal spricht:

Si videbas eam,
Tu currebas cum ea,
Me, quae iam tecum eram,
Spectes in Galilaea –

oder auch, indem sie ihn in der Volkssprache folgendermaßen ansingt:

Du verließest dein Haus
Und verfolgtest das Wild,
So groß war dein Eifer,
Mit dem du es jagtest.
Daß selbst du dich in sein
Wesen verwandelst. Amen.«

»So will ich denn«, entschied Jupiter, »daß die Jagd eine Tugend sei, sowohl in anbetracht dessen, was Isis über die Tiere gesagt hat, wie auch darum, weil sich die Jäger mit so unermüdlichem Eifer und religiöser Inbrunst sich in Hirsche und Schweine verwandeln, verwildern und vertieren. Sie sei also, sage ich, eine so heroische Tugend, daß, wenn ein Fürst ein Damwild, einen Hasen, einen Hirsch oder ein anderes Wild verfolgt, er glauben soll, die feindlichen Legionen fliehen vor ihm, wenn er ein Tier erlegt hat, er sich einbilden soll, er habe den von ihm gefürchtetsten schlimmen Fürsten oder Tyrannen in seinen Händen, weshalb er sich denn nicht ohne Grund entschließt, all jene schönen Zeremonien mitzumachen, so heiß zu danken und dem Himmel jene schönen, heiligen Kunststückchen vorzuführen.« »Für den Platz des Jagdhundes ist gut gesorgt«, entgegnete Momus; »es wird am besten sein, ihn nach Korsika oder England zu schicken. Und an seine Stelle trete die Verkündigung der Wahrheit‚ der Tyrannenmord, der Eifer für das Vaterland und die eigenen Angelegenheiten, die unermüdliche Wachsamkeit und Sorge für den Staat. Was werden wir aber mit der Hündin beginnen?« Da erhob sich die schmeichelnde Venus und erbat sie sich zum Geschenk von den Göttern, damit sie zuweilen ihr und ihren Hofdamen mit ihrem allerliebsten Umschmeicheln, ihren Zärtlichkeiten und mit dem artigen Schweifwedeln die Zeit vertreibe, wenn sie in ihrer freien Zeit das Tierchen auf den Schoß nähmen und mit ihm spielten. »Gut«, sagte Jupiter, »aber, meine Tochter, ich wünsche, daß sich mit ihr entfernen die Liebedienerei und Schmeichelei, die ebenso beliebt sind wie die Eifersucht und Mißachtung verhaßt; an ihre Stelle will ich die Freundlichkeit, Gefälligkeit‚ Versöhnlichkeit, Dankbarkeit, den schlichten Gehorsam und die liebenswürdige Dienstfertigkeit setzen.« »Tut im übrigen, was euch beliebt«, entgegnete die schöne Dame; »ohne diese Hündchen kann man nun einmal am Hofe nicht glücklich leben, wie man an ihnen allerdings auch ohne die Tugenden, die du aufzählst, glücklich leben kann.« Kaum hatte die paphische Göttin ihren Mund geschlossen, als Minerva den ihren öffnete und sprach: »Nun, zu welchem Zwecke bestimmt ihr mein schönes Bauwerk, jenen schwimmenden Palast, jenes bewegliche Haus, dieses herumfahrende Wirtshaus und Warenmagazin, diesen wahrhaften Walfisch, der die verschlungenen Körper lebend und gesund zu den entferntesten Gestaden der einander gegenüberliegenden, verschiedenen Meeresküsten bringt, und sie hier wieder auszuspeien?« »Es entferne sich«, antworteten viele Götter, »zusamt der verabscheuenswerten Habsucht, dem niedrigen, unbesonnenen Handel, der verwegenen Seeräuberei, der Beutesucht, Betrügerei, dem Wucher und deren übrigen verbrecherischen Mägden, Dienerinnen und Begleiterinnen. Und es lasse sich hier nieder die Freigebigkeit, die Wohltätigkeit, der Geistesadel, die Gefälligkeit, die Pflichttreue und andere würdige Gehilfen und Diener dieser Tugenden.« »Es ist aber unbedingt notwendig«, warf Minerva ein, »daß irgend jemand das Schiff zugewiesen und übergeben erhalte.« »Mach mit ihm, was du willst«, sprach Jupiter. »Nun, so diene es«, entgegnete Minerva, »einem unternehmenden Portugiesen oder einem wißbegierigen und habsüchtigen Briten, damit er auf ihm zur Entdeckung anderer Länder und anderer Gegenden in der Richtung auf Westindien zu ausfahre, die der scharfsinnige Genuese Christoph Columbus. noch nicht entdeckt und auf die der hartnäckige und standhafte Spanier seinen Fuß noch nicht gesetzt hat, und so mag es in Zukunft der Reihe nach dienen dem wißbegierigsten, unternehmendsten und unermüdlichsten Erforscher neuer Kontinente und Länder.« Nachdem Minerva ihren Vorschlag gemacht hatte, ergriff der grämliche, verdrießliche und trübsinnige Saturn das Wort und ließ sich folgendermaßen vernehmen: »Ich bin der Meinung, ihr Götter, daß zu denen, denen es freisteht, im Himmel zu bleiben, neben den kleinen Eseln, dem Steinbock und der Jungfrau, auch diese Hydra hier, diese große, alte Schlange gehören sollte, die es im höchsten Grade verdient, im himmlischen Vaterlande bleiben zu dürfen, da sie die Schandtaten des kühnen, wißbegierigen Prometheus gegen uns gerächt hat, der nicht sowohl für unseren Ruhm besorgt wie vielmehr den Menschen allzu geneigt war, die er durch das Privilegium und Vorrecht der Unsterblichkeit uns ähnlich und gleich machen wollte. Dies ist jenes scharfsinnige und kluge Tier, verschlagener, gewandter, listiger und schlauer als alle anderen, die die Erde hervorbringt, denn als Prometheus meinen Sohn, eueren Bruder und Vater Jupiter, angestiftet hatte, ihm jene Fässer oder Tonnen voll ewigen Lebens zu schenken, geschah es, daß, da man einen Esel mit ihnen beladen und sie auf dieses Tier gepackt hatte, damit es sie zu den Wohnsitzen der Menschen brächte, dieser Esel, der seinem Treiber etwas vorausschritt und, von der Sonnenhitze gequält, von der Last ermüdet war und seine Lungen vom Durst ausgedörrt fühlte, von der Schlange geleitet, zu einer Quelle kam, bei der der Esel, weil sie so tief war, daß das Wasser zwei bis drei Handbreiten von der Erdoberfläche entfernt stand, sich so tief bücken und niederbeugen mußte, um die Oberfläche des Wassers mit seinen Lippen zu erreichen, daß ihm die Fässer vom Rücken rollten, die Schläuche platzten und das ewige Leben herausströmte und sich vollständig in der Erde und dem Sumpfe verlief, der die Quelle mit einem Kranze grüner Kräuter umgab. Die Schlange sammelte geschickt einen Teil davon für sich ein, Prometheus geriet in Verlegenheit, die Menschen blieben in der traurigen Lage der Sterblichkeit, und der Esel, beständige Zielscheibe ihres Spottes und ihr Feind, wurde von dem Menschengeschlecht mit Jupiters Zustimmung zu unaufhörlichen Mühen und Plagen, zur schlechtesten Nahrung, die sich finden läßt, und zum Entgelt dafür zu häufigen, heftigen Stockprügeln verurteilt. So ist es also, o Götter, das Verdienst dieser Schlange, wenn sich die Menschen überhaupt noch etwas aus unserem Tun machen, denn ihr seht, wenn sie schon jetzt, wo sie sterblich sind, ihre Schwäche erkennen und dabei erwarten müssen, uns in die Hände zu kommen, uns verachten, sich über unsere Handlungen lustig machen und uns für Affen und Meerkatzen halten – was würden sie erst tun, wenn sie ebenso wie wir unsterblich wären?« »Saturn hat sehr gut entschieden«, sagte Jupiter. »Sie bleibe also«, entgegneten alle Götter. »Aber es entferne sich«, fügte Jupiter hinzu, »der Neid, die Schmähsucht, die Hinterlist, die Lüge, die Verleumdung, die Streitsucht und die Zwietracht, und mit der Schlangenklugheit und Schlangenvorsicht mögen die entgegengesetzten Tugenden bleiben. Aber jenen Raben kann ich hier nicht dulden; daher möge Apollo diesen seinen göttlichen, getreuen Diener, seinen aufmerksamen Gesandten und unermüdlichen Nachrichtenbringer und Postboten fortnehmen, der den Befehl der Götter, als sie sich einst seiner Dienste zur Stillung ihres Durstes bedienen wollten, so vorzüglich ausführte.« »Wenn er eine angesehene Stellung einnehmen will«, erwiderte Apollo, »so möge er nach England gehen, wo er Legionen seiner Art antreffen wird. Will er für sich bleiben, so richte er seinen Flug nach Montecorvino bei Salerno. Will er sich dorthin begeben, wo viele Feigen wachsen, so gehe er nach dem Feigenlande, das heißt dorthin, wo das Ligurische Meer das Gestade netzt, von Nizza bis nach Genua. Befällt ihn die Lust nach Leichen, so fliege er nach Kampanien oder auf die Straße zwischen Rom und Neapel, wo so viele Räuber gevierteilt daliegen, dort sind auf Schritt und Tritt so viele köstliche Mahlzeiten und Schmausereien frischen Fleisches für ihn zubereitet wie in keinem anderen Lande der Welt. Mit ihm zugleich sollen hinab die Schmähsucht, der Hohn, die Verachtung, die Geschwätzigkeit, die Betrügerei, und an ihre Stelle sollen treten die Magie, die Prophetie und Weissagung jeglicher Art und die für nützlich und gut erachtete Vorherverkündung der Ereignisse.«

Saulino. Ich möchte gern, Sofia, deine Meinung über die Sage von dem Raben hören, die sich zuerst bei den Ägyptern ausgebildet findet, und die dann als Geschichte von den Hebräern übernommen worden ist, mit denen diese Wissenschaft dann nach Babylonien kam; von da ist sie denn in Gestalt einer Fabel von den griechischen Dichtern übernommen worden. Denn die Hebräer erzählen von einem Raben, der von einem Manne namens Noah aus der Arche ausgesandt wurde, um zu sehen, ob sich die Fluten verlaufen hätten, zu einer Zeit, wo die Menschen soviel getrunken hatten, daß sie daran gestorben waren. Dieses Tier nun, gelockt von seiner Gier nach Leichen, blieb aus und kehrte nicht mehr von seinem Gesandtschaftsdienst zurück. Diese Erzählung weicht völlig von der der Griechen und Ägypter ab, daß der Rabe von einem Gotte, namens Apollo, vom Himmel aus zu dem Zwecke abgesandt worden sei, um zu sehen, ob sich zu einer Zeit, wo die Götter beinahe vor Durst umkamen, irgendwo Wasser fände, und daß dieses Tier, verlockt durch seine Gier nach den Feigen, viele Tage lang ausblieb und endlich spät zurückkehrte, ohne Wasser mitzubringen, nachdem es, glaube ich, sogar das Gefäß verloren hatte.

Sofia. Ich will mich jetzt nicht damit aufhalten, dir die gelehrte Sage zu erklären; dies eine will ich dir jedoch sagen, daß die Erzählung der Ägypter und die der Hebräer ganz auf dasselbe hinauslaufen, denn die Erzählung, daß der Rabe von der Arche ausflog‚ die sich zehn Ellen über dem höchsten Berge der Erde befand, und die, daß er vom Himmel kam, scheinen mir ein und dieselbe zu sein. Und daß die Menschen, die sich an einem so hoch gelegenen Orte befinden, Götter genannt werden, scheint mir auch nicht befremdend zu sein, denn da sie im Himmel weilen, braucht es nur geringer Mühe, sie sich als Götter vorzustellen. Daß ferner dieser wichtige Mann von den einen Noah, von den anderen Apollo genannt wurde, läßt sich auch leicht vereinigen, denn die verschiedenen Benennungen laufen auf ein und denselben Zweck des Wiedererzeugens hinaus, da sol et homo generant hominem. Daß es zu einer Zeit geschah, wo die Menschen zu viel zu trinken hatten, und andererseits dann, als die Götter beinahe vor Durst umkamen, ist sicher ein und dasselbe, denn wenn die Schleusen des Himmels sich öffneten und die Cisternen des Firmaments barsten, so trat selbstverständlich der Fall ein, daß die Erdbewohner zuviel zu trinken hatten und die Himmelsbewohner vor Durst umkamen. Daß der Rabe einerseits durch die Feigen angelockt und zurückgehalten, andererseits durch die Gier nach Leichen, kommt unzweifelhaft auf eins heraus, wenn man die Erklärung jenes Joseph betrachtet, der die Träume auszulegen verstand. Denn dieser weissagte dem Bäcker Potiphars, der ihm erzählt hatte, er habe geträumt, daß er auf dem Kopfe einen Korb Feigen trüge, von denen die Vögel aßen, daß er aufgeknüpft werden würde und daß die Raben und Geier sein Fleisch fressen würden. Daß der Rabe zurückgekehrt sei, aber spät und ohne jeden Erfolg, ist nicht nur ganz dasselbe wie die Erzählung, er sei überhaupt nicht zurückgekehrt, sondern stimmt sogar mit der überein, daß er weder gegangen noch ausgesandt worden sei, denn wer umsonst geht, handelt und zurückkehrt, geht nicht, handelt nicht, kehrt nicht zurück. Wir pflegen ja auch zu einem, der spät und unverrichteter Dinge zurückkehrt, auch wenn er etwas mitbringt, zu sagen:

Du gingest, mein Bruder,
und kehrtest nicht wieder,
In Lucca glaubte ich dich zu sehn.

Du siehst daher, Saulino, daß die ägyptischen Sagen ohne jeden Widerspruch mit anderen Geschichten, anderen Fabeln, anderen symbolischen Darstellungen in Übereinstimmung gebracht werden können.

Saulino. Diese deine Konkordanz der Texte befriedigt mich beinahe, wenn sie mir auch nicht völlig genügt. Aber jetzt fahre in deiner Haupterzählung fort.

Sofia. »Was soll mit dem Becher geschehen?« fragte Merkur, »und was sollen wir mit dem Maßkrug anfangen?« »Sorgen wir dafür«, erwiderte Momus, »daß er iure successionis vita durante an den größten Säufer gelange, den Ober- und Niederdeutschland hervorbringt‚ wo die Schwelgerei geschätzt, gefeiert, geehrt und zu den heroischen Tugenden gezählt und die Trunkenheit zu den göttlichen Eigenschaften gerechnet wird, wo mit ›trink und trink wieder‹, ›rülpse und rülpse wieder‹, ›speie und speie wieder‹ usque ad egurgitationem utriusque iuris, das heißt der Brühe, Beilage, Suppe, des Gehirns, der Seele und der Bratwurst videbitur porcus porcorum in gloria Ciacchi. Berüchtigter Schlemmer. Mit dem Becher entferne sich die Trunksucht, die ihr dort in deutscher Tracht mit einem Paar so großer Hosen, daß sie den Kübeln des Abtes des Bettelordens vom heiligen Antonius gleichen, und mit einem Latz, der sich in solcher Größe zwischen den beiden Hosenbeinen ausbreitet, daß es den Anschein hat, als wolle sie das Paradies erstürmen, angetan erblickt. Beobachtet, wie sie plump und ungeschlacht einherstolpert, bald mit der, bald mit jener Seite, bald mit dem Vorderteile, bald mit dem Hinterteile an alles anstoßend, was im Wege liegt, so daß es keinen Block, keinen Stein, keinen Erdhaufen, keinen Graben gibt, dem sie nicht ihren Zoll entrichten müßte; neben ihr erblickt ihr ihre treuen Gefährten; die Überfüllung, die Verdauungsbeschwerden, den Dampf, die Schlafsucht, das Zittern, auch Schwanken genannt, das Stottern, das Lallen, die Blässe, das Delirium, das Aufstoßen, den Katzenjammer, das Erbrechen, das Beschmutzen und andere Begleiter, Diener und Gefährten. Und weil sie nicht mehr gehen kann, so seht ihr, wie sie auf ihren Triumphwagen steigt, an den viele gute, weise, heilige Personen gebunden sind, von denen die berühmtesten und bekanntesten Noah, Lot, Chiacchone, Vitanzano, Zucavigna Bezeichnungen für Schlemmer, Säufer. und Silen sind. Der Fähnrich Zampaglon trägt das aus Scharlachseide gefertigte Banner, auf dem das getreue Abbild zweier Stare in der natürlichen Farbe ihres Gefieders zu sehen ist, und in zwei Joche gespannt, ziehen vier prächtige und herrliche Schweine mit eleganter Leichtigkeit die Deichsel, ein weißes, ein rotes, ein geflecktes und ein schwarzes; von diesen heißt das eine Grungarganphestrophiel, das zweite Sorbillgramphthon, das dritte Glutius, das vierte Strafocazio. Siehe die vorhergehende Anmerk.« Doch hiervon will ich dir ein andermal mehr erzählen. Jetzt wollen wir sehen, was geschah, nachdem Jupiter befohlen hatte, daß an ihre Stelle die Enthaltsamkeit und Mäßigkeit mit ihren Dienern und Begleitern treten sollte. Also höre, denn es ist jetzt Zeit, daß wir auf den Centauren Chiron zu sprechen kommen. Als dieser ordnungsgemäß an die Reihe kam, sagte der alte Saturn zu Jupiter: »Da du siehst, mein Sohn und Herr, daß die Sonne im Untergehen begriffen ist, so wollen wir die vier noch übrigen Sternbilder rasch erledigen, wenn es dir recht ist.« Darauf erwiderte Momus: »Nun, was wollen wir mit diesem Menschen machen, der auf ein Tier gepfropft ist, oder mit diesem Tier, das an einen Menschen angekettet ist, in dem eine Person aus zwei Naturen besteht und zwei Substanzen in einer hypostasierten Einheit zusammentreffen? Hier vereinigen sich zwei Dinge, um eine dritte Wesenheit zu bilden; daran ist kein Zweifel gestattet. Allein die Schwierigkeit besteht darin, ob diese dritte Wesenheit sich als etwas besseres erweist als beide Teile zusammengenommen oder als einer von den beiden, oder vielmehr als etwas geringeres. Ich will damit sagen, ob aus der Verbindung der Natur des Menschen mit der des Pferdes ein Gott entsteht, der eines Platzes im Himmel würdig ist, oder ein Tier, das unter eine Viehherde und in einen Stall gesperrt zu werden verdient. Mag von Isis, Jupiter und anderen noch soviel über den Vorzug des tierischen Wesens gesprochen worden sein, und daß der Mensch, um gottähnlich zu sein, etwas vom Tiere an sich haben müsse, und wenn er verlange, sich als göttlich erhaben zu erweisen, sich in demselben Maße als Tier zu zeigen habe: ich für mein Teil werde nie zu glauben vermögen, daß, wo weder ein ganzer und vollkommener Mensch vorhanden ist noch ein vollkommenes und ganzes Tier, sondern ein Stück Tier verbunden mit einem Stück Menschen, etwas besseres herauskommen kann, als wenn man ein Stück von einem Beinkleid mit einem Stücke von einem Rocke zusammennäht, woraus auch niemals ein Kleidungsstück entsteht, das besser als ein Rock oder ein Beinkleid, oder auch nur ebenso gut ist wie das eine oder das andere.« »Momus, Momus«, sagte Jupiter, »das hiermit zusammenhängende Mysterium ist groß und tief, und du kannst es nicht fassen; daher mußt du daran, als an etwas hohes und großes, einfach glauben.« »Ich weiß wohl«, erwiderte Momus, »daß dies etwas ist, was weder von mir noch von einem anderen begriffen werden kann, der auch nur das geringste Fünkchen Verstand besitzt, aber da ich, der ich ein Gott bin, oder ein anderer, der sich soviel gesunden Sinn bewahrt hat, wie ein Hirsekorn ausmacht, durchaus daran glauben soll, so möchte ich, daß mir von dir erst auf gute Manier dieser Glaube geschenkt würde.« »Momus«, antwortete Jupiter, »du mußt nicht mehr wissen wollen, als dir zu wissen nötig ist, und glaube mir, dies ist nicht nötig zu wissen.« »Hier haben wir also etwas«, versetzte Momus, »was zu verstehen notwendig ist, und was ich wider meinen Willen gern wissen möchte; aber, dir zu Gefallen, Jupiter, will ich es glauben, daß ein Ärmel und ein Hosenbein mehr wert sind als ein Paar Ärmel und ein Paar Hosen, und obenein noch, daß ein Mensch nicht ein Mensch ist, daß ein Tier nicht ein Tier ist, daß die Hälfte eines Menschen kein halber Mensch ist und die Hälfte eines Tieres kein halbes Tier, daß ein halber Mensch und ein halbes Tier nicht ein unvollkommener Mensch und ein unvollkommenes Tier ist, sondern im Gegenteil ein Gott, der pura mente anzubeten ist.« Da baten die Götter Jupiter, er möge die Sache rasch erledigen und über den Centauren nach seinem Gutdünken entscheiden. Daher gebot Jupiter dem Momus zunächst Schweigen und entschied dann folgendermaßen: »Mag ich selbst gegen Chiron eine ungünstige Äußerung, gleichviel welcher Art, getan haben; gegenwärtig nehme ich sie zurück und erkläre, daß den Centaur Chiron, weil er der gerechteste Mann gewesen ist, der eine Zeitlang auf dem Berge Pelion lebte, wo er den Äskulap in der Heilkunde, den Herkules in der Astronomie und den Achilles im Zitherspiel unterwies, die Kranken heilte, zeigte, wie man zu den Sternen emporsteigen kann und wie die tönenden Saiten an das Holz befestigt und gehandhabt werden sollen, mir nicht unwürdig des Himmels erscheint. Ja, ich halte ihn für den des Himmels Würdigsten, weil in diesem himmlischen Tempel, an diesem Altare, den er bedient, kein anderer Priester weilt als er, der, wie ihr seht, das Opfertier an der Hand führt und eine Opferflasche am Gürtel hängen hat. Und weil der Altar, das Heiligtum, das Bethaus durchaus notwendig sind und ohne einen Priester ganz zwecklos sein würden, so mag er hier leben, hier bleiben und ewig hier weilen, wenn das Fatum keine andere Entscheidung trifft.« Darauf erwiderte Momus: »Auf würdige und kluge Weise hast du entschieden, Jupiter, daß dieser der Priester am Altare und im Tempel des Himmels sein soll, denn wenn er das Tier, das er an der Hand führt, zum Opfer brauchen will, so kann es ihm unmöglich je an einem Opfertier mangeln, denn er selber kann als Opfer und Opferer, das heißt als Priester und als Opfertier gelten.« »Nun gut«, sagte Jupiter, »so mögen von diesem Orte entweichen die Brutalität, die Unwissenheit, die unnütze und schädliche Fabel, und dort, wo der Centaur weilt, mögen bleiben die gerechte Schlichtheit und die moralische Fabel. Von dort, wo sich der Altar erhebt, sollen entweichen der Aberglaube, der Unglaube, die Gottlosigkeit, und bleiben sollen die nicht leere Religion, der nicht törichte Glaube und die wahre und aufrichtige Frömmigkeit.« Nun fragte Apollo: »Was soll aus jener Tiara werden? wem ist diese Krone bestimmt? was wollen wir mit ihr anfangen?« »Dies, ja dies«, antwortete Jupiter, »ist jene Krone, die nicht ohne die hohe Bestimmung des Fatums, nicht ohne die Eingebung des göttlichen Geistes und nicht ohne das größte Verdienst des unüberwindlichen Heinrich III. 1504–1589, ein besonderer Gönner Brunos; s. Einleitung., der König des hochherzigen, mächtigen und kriegerischen Frankreich erwarten darf, der sie sich nach dieser und der Krone von Polen verspricht, wie er im Beginn seiner Regierung bezeugt hat, indem er sein so berühmtes Emblem annahm, das unten zwei Kronen zeigt und darüber eine andere, viel schönere, und aus voller Überzeugung fügte er das Motto hinzu: ›Tertia coelo manet.‹ Dieser allerchristlichste, heilige, fromme und sittenreine König, kann mit voller Bestimmtheit sagen: Tertia coelo manet, weil er sehr gut weiß, daß geschrieben steht: Selig sind die Friedfertigen, selig sind die Sanftmütigen, selig sind, die reines Herzens sind, denn das Himmelreich ist ihr. Er liebt den Frieden, bewahrt, soviel er vermag, seinem geliebten Volke die Ruhe und Frömmigkeit; er findet kein Gefallen am Lärm, Getöse und Klang der Kriegswerkzeuge, die der blinden Aufrichtung schwankender Gewaltherrschaften und Fürstentümer dieser Erde dienen, sondern an allen gerechten und heiligen Handlungen, die den geraden Weg zum ewigen Königreiche weisen. Die kühnen, unruhigen, verwegenen Geister seiner Untertanen hoffen nicht, daß er ihnen, solange er lebt, dem die Ruhe des Gemüts alle Kriegswut verwehrt, seine Unterstützung zu einem frevelhaften Einfall in fremde Länder unter dem Vorwand leihen werde, neue Scepter und neue Kronen erwerben zu wollen, denn tertia coelo manet. Vergebens werden die rebellischen französischen Truppen gegen seinen Willen ausziehen wollen, um fremde Küsten und Länder zu beunruhigen, denn es wird keinen Vorschlag unsicheren Rates, keine Hoffnung auf veränderliche Glücksumstände, keine Gelegenheit zur Einmischung in fremde Angelegenheiten und Verhältnisse geben, die imstande wären, unter der Vorspiegelung, ihn mit Königsmänteln zu bekleiden und mit Kronen zu schmücken, ihm (ausgenommen, wenn es durchaus notwendig sein sollte) die gesegnete Pflege seiner Gemütsruhe zu verleiden, die weit eher freigebig mit der eigenen Habe als begierig nach fremdem Eigentum ist. Mögen sich daher andere um das erledigte Königtum Lusitaniens bewerben, mögen andere nach der Herrschaft über Belgien streben! Warum zerbrecht ihr euch den Kopf und martert euch das Gehirn ab, ihr anderen Fürsten alle? Warum argwöhnt und fürchtet ihr anderen Fürsten und Könige, er könne kommen, um eure Heere zu schlagen und euch eurer Kronen zu berauben? Tertia coelo manet. Es bleibe also die Krone hier«, schloß Jupiter, »und erwarte den, der ihres herrlichen Besitzes würdig sein wird. Und außerdem habe hier ihren Thron der Sieg, die Belohnung, der Entgelt, die Vollkommenheit, die Ehre, der Ruhm, die, wenn sie nicht selber Tugenden sind, doch Ziele solcher sind.«

Saulino. Was sagten nunmehr die Götter?

Sofia. Es gab keinen, er mochte groß oder klein, größer oder kleiner, Mann oder Frau, von der einen oder der anderen Art sein, in der ganzen Versammlung, der nicht mit jedem erdenklichen Wort und Zeichen diesen höchst weisen und gerechten Beschluß Jupiters gebilligt hätte. Darauf erhob sich heiter und strahlend der Hochdonnernde und streckte die rechte gegen den südlichen Fisch aus, über den allein noch die Beratung ausstand, und sprach: »Man nehme rasch diesen Fisch von dort weg, und es bleibe daselbst nichts als sein Ebenbild; ihn selber aber nehme unser Koch und bereite ihn sofort ganz frisch für unsere Mahlzeit zu, zum Teil auf dem Rost gebraten, zum Teil gekocht, zum Teil in einer Weinsauce, zum Teil angerichtet, wie es ihm sonst beliebt und mit einer römischen Sauce aufgetragen. Und dies geschehe so rasch wie möglich, denn ich sterbe infolge der langen Verhandlung beinahe vor Hunger und nehme das gleiche auch von euch an. Auch scheint es mir angemessen, daß diese Säuberung des Himmels auch für uns einen Genuß im Gefolge hat.« »Gut, gut, sehr gut!« antworteten alle Götter, »und hier finde sich ein die Gesundheit, der Nutzen, die Freude, die Ruhe und die höchste Lust, die sämtlich aus der Belohnung der Tugenden und dem Entgelt für die Sorgen und Mühen hervorgehen.« Und damit verließen sie eiligst den Versammlungssaal, nachdem sie den Raum jenseits des Tierkreises gesäubert hatten, der dreihundertundsechzehn zu Sternbildern gehörige Sterne enthält.

Saulino. Nun will auch ich zu Tisch gehen.

Sofia. Und ich ziehe mich zu meinen nächtlichen Betrachtungen zurück.

 

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