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Zweiter Teil des ersten Dialogs.

Als der erhabene Vater des himmlischen Reiches mit diesen Worten seine von Zeit zu Zeit durch Seufzen unterbrochene Unterredung mit Venus beendet hatte, wurde der Beschluß gefaßt, anstatt des Balles die große Ratsversammlung mit den Göttern der Tafelrunde zu veranstalten, das heißt mit allen, die nicht nachgemacht, sondern echt sind und genügend Verstand haben, um an der Beratung teilzunehmen, mit Ausnahme der Schafsköpfe‚ der Ochsenhörner, der Ziegenbärte, der Eselsohren, der Hundszähne, der Schweinsaugen, der Affennasen, der Vogelstirnen, der Hühnermagen, der Pferdebäuche, der Maultierfüße und der Skorpionschwänze. Als daher der Ruf aus dem Munde des Misenus, des Sohnes der Äolus, erschollen war, weil sich Merkur weigerte, als Trompeter und Verkünder der Befehle zu dienen, wie er es vor Zeiten getan hatte, waren alle Götter, die sich in dem Palaste aufhielten, gar bald versammelt. Als nach allen inmitten tiefen Schweigens, das ebenso eine Folge der traurigen und trüben Aussichten wie der feierlichen Veranlassung war, Jupiter erschien, stellte sich ihm, bevor er den Tron bestieg und den Vorsitz übernahm, Momus in den Weg und sagte mit seinem gewohnten Freimute und mit so lauter Stimme, daß sie von allen gehört wurde: »Diese Ratsversammlung muß auf einen anderen Tag und eine andere Gelegenheit verschoben werden, erhabener Vater, denn dieser Einfall, jetzt unmittelbar nach Tisch zur Beratung zusammenzutreten, stammt augenscheinlich aus dem freigebigen Geiste deines zarten Mundschenks. Denn der Nektar, der vom Magen nicht ordentlich verdaut werden kann, stärkt und erquickt nicht den Körper, sondern macht ihn unlustig und matt, erhitzt die Phantasie, macht die einen ohne Veranlassung heiter, die anderen übermäßig lustig, die einen abergläubisch fromm, die anderen prahlerisch heldenhaft, die einen zornig, die anderen zu Erbauern von Luftschlössern, bis mit dem Verschwinden dieser Wahngebilde, die durch die verschieden organisierten Gehirne ziehen, alles zusammenbricht und sich in Rauch auflöst. Bei dir, Jupiter, hat er, wie es scheint, teils mutige, teils schwankende Empfindungen erzeugt und dich traurig gestimmt; denn jeder von uns glaubt – obgleich ich allein es auszusprechen wage – daß du dich von deinem Trübsinn in unentschuldbarer Weise völlig zu Boden drücken läßt, weil ihr in diesem Falle, wo wir nicht zusammengekommen sind, Rats zu pflegen, bei dieser Gelegenheit, wo wir ein Fest feiern wollen, in diesem Zeitpunkte gleich nach Tisch und in solchen Umständen, wo wir gut gegessen und noch besser getrunken haben, so ernste Sachen, wie ich mir nur denken kann, behandeln wollt; ich für mein Teil kann mich mit der Beratung nicht befreunden.« Weil es nun für die anderen Götter weder Sitte noch auch erlaubt ist, sich mit Momus zu streiten, streift Jupiter ihn mit einem halben, etwas verächtlichen Blicke und steigt, ohne ihn einer Antwort zu würdigen, zum hohen Tron empor. Hier setzt er sich und betrachtet in der Runde die Versammlung des anwesenden großen Rates. Vor diesem Blicke beginnt allen das Herz zu schlagen, sowohl unter dem Eindruck des Staunens und dem Stachel der Furcht, wie vor der überwältigenden Empfindung der Ehrfurcht und Achtung, die in der Brust der Sterblichen und Unsterblichen die Majestät erweckt, wenn sie sich zeigt. Dann begann er, nachdem er eine Zeitlang die Augen gesenkt und sie dann wieder nach oben gerichtet, auch einen tiefen Seufzer ausgestoßen hatte, folgendermaßen:

»Erwartet nicht, Götter, daß ich nach meiner Gewohnheit euch das Ohr mit einer kunstvollen Einleitung, mit einer reinlich fortgesponnenen Erzählung und mit einem anmutig gehaltenen Epiloge ausfüllen werde! Hofft nicht auf ein zierliches, geglättetes und mit Sentenzen verbrämtes Wortgewebe, auf eine reiche Fülle von gewählten Ausdrücken, eine prächtige Vorführung von gut ausgearbeiteten Sätzen und von Wendungen, die nach dem Vorbilde der Redner dreimal geteilt worden sind, ehe sie vorgetragen werden.

      Non hoc,
non hoc ista sibi, tempus spectacula poscit! Nicht ist jetzt die Zeit geeignet zu fröhlichem Schauspiel
Vergil, Aeneis VI. 37.

Glaubt mir, Götter, denn ich spreche die Wahrheit, schon zwölfmal hat die keusche Lucina ihre Silberhörner gefüllt, seitdem ich mich entschlossen habe, heut, zu dieser Stunde und unter den gegenwärtigen, euch bekannten Umständen diese Versammlung einzuberufen. Und in dieser ganzen Zwischenzeit habe ich mich mehr mit der Überlegung beschäftigt, was ich euch widerwillig verschweigen soll, als daß ich hätte vorher erwägen können, was ich sagen soll.«

»Ich höre, ihr wundert euch darüber, daß ich euch zu dieser Zeit von eurem Vergnügen weggerufen und zur Versammlung und nach Tisch zu einer eiligen Beratung habe einladen lassen. Ich weiß, ihr murrt, daß ich euch an einem Festtage das Herz mit ernsten Dingen beschwere, und es ist niemand unter euch, der bei dem Schalle der Trompete und der Verkündigung des Befehls nicht unruhig geworden wäre. Obgleich jedoch der Grund zu diesen Handlungen und Umständen von meinem Willen abhängt, der sie nach Belieben hat einrichten können, und mein Wille und Beschluß die alleinige Grundlage der Gerechtigkeit ist, so will ich es doch, bevor ich fortfahre, nicht unterlassen, euch von dieser Verwirrung und von diesem Erstaunen zu befreien. Wohlerwogen, sage ich, schwer und gewichtig müssen die Vorschläge, verständig, verschwiegen und vorsichtig muß die Beratung sein, die Ausführung dagegen beschleunigt, rasch und schnell. Glaubt daher nicht, daß mich während des Essens eine seltsame Laune derart angewandelt hat, daß ich mich nach Tisch zu keiner klaren Überlegung fähig fühle, und daß ich daher nicht aus vernünftigen Gründen, sondern unter dem Einflusse des Nektarrausches zum Handeln schreite – sondern schon heut vor einem Jahre habe ich begonnen, mit mir darüber zu Rate zu gehen, was ich am heutigen Tage und zu dieser Stunde tun sollte. Nach Tisch also, denn neue traurige Nachrichten dürfen nicht bei leerem Magen und unversehens mitgeteilt werden, und ich weiß sehr wohl, daß ihr euch nicht so gern wie zu einem Feste zur Beratung zu versammeln pflegt und viele sich im Gegenteil möglichst von ihr fern halten. Der eine scheut sich vor ihr, um sich keine Feinde zu machen, der andere, weil er nicht weiß, wer siegen und wer verlieren wird, der dritte aus Furcht, seine Vorschläge möchten nicht durchdringen, ein anderer aus Ärger darüber, daß seine Ansichten mitunter keinen Beifall gefunden haben, jener, um sich in Dingen, die dem einen oder dem anderen Teile Schaden bringen können, neutral zu halten, dieser, um keine Veranlassung zu haben, sich sein Gewissen zu beschweren, mancher aus dem einen, mancher aus dem anderen Grunde. Nun erinnere ich euch aber daran, liebe Geschwister und Kinder, daß die, denen das Schicksal die Gunst verliehen hat, Ambrosia zu essen, Nektar zu trinken und sich ihrer Herrscherstellung zu erfreuen, auch die Verpflichtung haben, alle Bürden zu tragen, die diese Herrschaft mit sich bringt. Das Diadem, die Mitra, die Krone schmücken das Haupt nicht, ohne es zu drücken; der Königsmantel und das Scepter zieren den Körper nicht, ohne ihn zu belästigen. Wollt ihr wissen, warum ich einen Festtag, und gerade den heutigen, zu der Versammlung bestimmt habe? Glaubt ihr denn, daß dies ein wirklicher Festtag sei? Und seid ihr der Meinung, daß dies nicht der traurigste Tag des ganzen Jahres sei? Wer von euch, der sich die Sache recht überlegt hat, wird es nicht für das tadelnswerteste von der Welt halten, die Erinnerung an den Sieg über die Giganten zu einer Zeit festlich zu begehen, wo wir von den Erdenmäusen verachtet und über die Schulter angesehen werden? O hätte es doch dem allmächtigen unwiderruflichen Schicksal gefallen, daß wir damals aus dem Himmel verjagt worden wären, als unsere Niederlage wegen der Würde und Stärke der Feinde nicht so schmachvoll gewesen wäre. Denn heut sind wir im Himmel schlimmer daran, als wenn wir nicht hier wären, schlimmer, als wenn wir verjagt worden wären, da jene Furcht vor uns, die uns zu solcher Herrlichkeit verhalf, erloschen, die hohe Achtung vor unserer Majestät, Vorsehung und Gerechtigkeit geschwunden ist, und was das schlimmste ist, wir haben nicht das Vermögen und nicht die Kraft, diesem Übel abzuhelfen und unsere Schande zu rächen. Denn die Gerechtigkeit, mit der das Schicksal die Beherrscher der Welt beherrscht, hat uns diese Gewalt und Macht entrissen, von der wir einen so schlechten Gebrauch gemacht haben, vor den Augen der Sterblichen unsere Schande enthüllt, aufgedeckt und offenbar gemacht und bewirkt, daß der Himmel selbst mit so lichtvoller Klarheit, wie die Sterne licht und klar sind, Zeugnis von unseren Missetaten ablegt. Denn hier werden die Früchte, die Andenken, die Berichte, die Erzählungen, die Schriften, die Geschichten unserer Ehebrüche, unserer Blutschande, unserer Hurereien, unseres Zornes, unseres Unwillens, unserer Entführungen und anderer Ungerechtigkeiten und Verbrechen deutlich sichtbar, und zur Belohnung für unsere Vergehungen haben wir uns noch größere Vergehungen zu schulden kommen lassen, indem wir die Triumphe der Laster und die Sitze der Verworfenheit zum Himmel erhoben und die Tugenden nebst der Gerechtigkeit in die Unterwelt verbannten, begruben und dort ließen, ohne uns um sie zu kümmern. Und um mit unbedeutenderen Dingen, verzeihlichen Vergehen anzufangen: warum hat allein das Deltoton, ich meine das Dreieck, vier Sterne in der Nähe des Kopfes der Medusa, unter dem Gesäß der Andromeda und über den Hörnern des Widders bekommen? Nur um die Parteilichkeit zu zeigen, die unter den Göttern herrscht. Warum sind dem Delphin, der nördlich an den Steinbock grenzt, fünfzehn Sterne einverleibt worden? Hier kann man die Anmaßung jemandes sehen, der Neptun und Amphitrite als Vermittler, um nicht zu sagen als Kuppler, gute Dienste geleistet hat. Warum sitzen die sieben Töchter des Atlas auf dem Halse des weißen Stieres? Weil sich der Vater zum tödlichen Schimpfe von uns Göttern brüstet, uns und den einstürzenden Himmel vom Untergange gerettet zu haben, oder damit sie eine Gelegenheit fänden, den Göttern ihren Leichtsinn vorzuhalten, die ihnen diesen Platz angewiesen haben. Warum hat Juno den Krebs mit neun Sternen geschmückt, ungerechnet die vier in der Nähe stehenden, die kein besonderes Sternbild ausmachen? Nur aus einer Laune, um dem Alciden, während er mit jenem riesigen Giganten kämpfte, einen festeren Stand für seinen Fuß zu gewähren. Wer kann mir einen anderen Grund dafür angeben, daß der Schlangenstier, der von uns Griechen Ophiuchus genannt wird, mit seinem Leibe das Feld von sechsunddreißig Sternen bedeckt, als den einfältigen und unvernünftigen Beschluß der Himmlischen? Welcher gewichtige Grund ermöglicht es dem Schützen, einunddreißig Sterne in Besitz zu nehmen? Weil er der Sohn der Euphemia war, der die Amme oder Nährmutter der Musen gewesen ist. Warum wurde dies nicht viel eher der Mutter gestattet? Weil er außerdem zu tanzen und gefällige kleine Spiele zu arrangieren verstand. Warum hat der Wassermann fünfundvierzig Sterne in der Nähe des Steinbocks? Vielleicht weil er die Tochter der Venus Phacete aus dem Sumpfe gezogen hat? Warum ist dieser Platz nicht anderen, denen wir Götter zu so großem Danke verpflichtet sind, und die schon längst in der Erde ruhen, zugestanden worden, sondern vielmehr jemandem, dem eine solche Belohnung für seinen geringfügigen Dienst gar nicht zukam? Weil es der Wille der Venus gewesen ist. Obgleich die Fische eine Belohnung verdienen, weil sie jenes Ei aus dem Flusse Euphrat entfernt haben, das, von der Taube ausgebrütet, das Mitleid der Göttin von Paphos umschloß, glaubt ihr, daß sie es verdienen, mit vierunddreißig Sternen geschmückt zu werden, ungerechnet vier in der Nähe stehende und außerhalb des Wassers in der vornehmsten Gegend des Himmels zu wohnen? Was tut Orion, der von Kopf bis zu Fuß bewaffnet ist und daher ganz gut allein kämpfen könnte, mit den ausgebreiteten Armen und bedeckt mit achtunddreißig Sternen in der südlichen Breite in der Nähe des Stieres? Er steht dort infolge einer törichten Laune Neptuns, dem es nicht genügt hat, ihm auf dem Wasser Privilegien zu verschaffen, wo sein rechtmäßiges Reich ist, sondern außerhalb seines Herrschaftsgebietes sich so zwecklos geltend machen will. Was den Hasen, den Hund und die Hündin betrifft, so wisset, daß sie dreiundvierzig Sterne im südlichen Teile des Himmels besitzen und zwar aus keinem anderen Grunde als wegen zweier oder dreier nicht geringerer Torheiten, als die war, die die Hydra, den Becher und den Raben in ihre Nähe gebracht haben. Diese letzteren erhielten einundvierzig Sterne zur Erinnerung daran, daß die Götter einst den Raben ausschickten, um Trinkwasser zu holen. Dieser erblickte unterwegs einen Feigenbaum mit Früchten und wartete aus Lüsternheit, bis diese reif waren. Als er sich endlich an ihnen gesättigt hatte, erinnerte er sich des Wassers, machte sich auf den Weg, um das Gefäß zu füllen, erblickte an der Quelle den Drachen, bekam Furcht und kehrte unverrichteter Sache zu den Göttern zurück, und diese haben, um zu zeigen, einen wie guten Gebrauch sie von ihrem Verstande gemacht hatten, diese Geschichte von dem treuen und zuverlässigen Diener am Himmel verewigt. Ihr seht, wie gut wir die Zeit, die Tinte und das Papier verwendet haben! Die südliche Krone, die unterhalb des Bogens und der Füße des Schützen, geschmückt mit dreizehn leuchtenden Topasen, liegt, wer hat ihr die Bestimmung erteilt, in Ewigkeit ohne Haupt zu bleiben? Welch schönen Anblick soll euch der südliche Fisch, unterhalb der Füße des Wassermanns und des Steinbocks gewähren, der in zwölf Sterne zerfällt samt sechs anderen, die in seiner Nähe stehen? Vom Altar oder Weihrauchfaß oder Tempel oder Heiligtum, wie wir das Sternbild auch nennen wollen, spreche ich nicht; denn niemals hat der Altar so gut in den Himmel gepaßt wie jetzt, wo er auf Erden beinahe keine Stätte mehr findet; hier aber hat er seinen angemessenen Platz als Reliquie oder wenigstens als Abbild des untergegangenen Schiffes unserer Religion und unseres Kultus.

Vom Steinbock sage ich nichts, denn er scheint mir seinen Platz am Himmel mit vollem Rechte eingenommen zu haben, schon weil er uns eine so große Wohltat erwies und uns ein Mittel zur Besiegung des Python an die Hand gab. Denn die Götter mußten sich in Bestien verwandeln, wenn sie mit Ehren aus diesem Kampfe hervorgehen wollten, und er hat uns die Lehre erteilt und zu wissen gegeben, daß sich niemand als Herrscher behaupten kann, der es nicht versteht, sich zur Bestie zu machen. Auch von der Jungfrau spreche ich nicht, denn zur Bewahrung ihrer Jungfräulichkeit ist kein Ort geeigneter und sicherer als ihr Platz am Himmel, wo sie auf der einen Seite einen Löwen, auf der anderen einen Skorpion zu ihrem Schutze hat. Die Ärmste ist von der Erde entflohen, weil die unmäßige Sinnlichkeit der Frauen, die, selbst wenn sie sich im vorgerückten Zustand der Schwangerschaft befinden, um so begieriger nach den Freuden der Liebe sind, es dahin bringt, daß sie selbst im Mutterleibe nicht sicher vor Entehrung wäre. Deshalb mag sie sich ihrer sechsundzwanzig Karfunkel nebst jenen sechs anderen in ihrer Nähe befindlichen ruhig erfreuen. Von der unnahbaren Majestät jener beiden Esel, die im Gebiete des Krebses leuchten, wage ich nichts zu sagen; denn ihnen kommt nach vollem Fug und Recht die Herrschaft im Himmel zu; ich werde euch dies ein andermal mit den schlagendsten Gründen dartun, denn so beiläufig mag ich von einem so wichtigen Gegenstande nicht sprechen. Aber darüber gräme ich mich und beklage es tief, daß diese göttlichen Tiere so schlecht gehalten werden, daß man ihnen nicht ein eigenes Gebäude angewiesen, sondern ihnen eine Unterkunft bei jenem rückwärtsschreitenden Wassertiere verschafft und ihnen nicht mehr als zwei armselige Sterne zugewiesen hat, indem man einen dem ersten und den anderen dem zweiten gab, und zwar sind sie nur von vierter Größe.

Über den Altar, den Steinbock, die Jungfrau und die Esel also will ich jetzt keine Bestimmung treffen, obgleich es mir unangenehm ist, daß sie nicht nach Würden behandelt sind, ja daß ihnen anstatt der ihnen gebührenden Ehre sogar vielleicht eine Beleidigung widerfahren ist, sondern ich wende mich zu den anderen untergeschobenen Gottheiten, die denselben Rang wie die vorhergenannten einnehmen.

Hört ihr nicht, wie die anderen Flüsse auf Erden über das Unrecht, das ihnen zugefügt worden ist, murren? Welchen Grund hat es denn auch, daß gerade der Eridanus seine vierunddreißig Lichter, die diesseits und jenseits des Wendekreises des Steinbocks sichtbar sind, vor so vielen anderen Strömen voraushaben soll, die nicht minder würdig und gewaltig, ja vielleicht noch würdiger und gewaltiger sind? Meint ihr, es genüge, zu erwidern, daß die Schwestern Phaethons hier ihre Wohnung haben? Oder vielleicht wollt ihr ihn deshalb auszeichnen, weil in ihn der von dem Blitzstrahl aus meiner Hand getroffene Sohn Apollos stürzte, weil er seines Vaters Amt, Rang und Befugnis gemißbraucht hatte. Warum ist das Pferd des Bellerophon zum Himmel emporgestiegen, um sich mit zwanzig Sternen zu schmücken, während sein Reiter begraben in der Erde ruht? Zu welchem Zwecke jener Pfeil, der im Glanz der fünf auf ihm festgenagelten Sterne in der nächsten Nähe des Adlers und Delphins leuchtet? Sicher hat man unrecht getan, ihn nicht in der Nähe des Schützen unterzubringen, damit dieser sich seiner bedienen könnte, wenn er den, den er auf der Sehne hat, verschossen haben wird; aber er ist dort nicht zu finden, wo seine Anwesenheit doch einen Sinn hätte. Dann wünsche ich zu erfahren, was zwischen der Beute des Löwen und dem Kopfe des weißen, weich gefiederten Schwans jene aus zwei Stierhörnern in Form einer Schildkröte verfertigte Leier zu suchen hat. Ich möchte wissen, ob sie zu Ehren der Schildkröte oder der Hörner oder der Leier hierher versetzt worden ist oder einzig und allein deshalb, damit jedermann die Meisterschaft Merkurs bemerke, der sie zur Befriedigung seines ausschweifenden und eitlen Ehrgeizes verfertigt hat.

Dies, ihr Götter, sind unsere Leistungen, dies die herrlichen Werke, mit denen wir uns am Himmel Ehre bereitet haben. Ihr seht, welch schöne Machwerke es sind, nicht unähnlich denen, die die Kinder herzustellen pflegen, wenn sie mit Lehm, Teig, Gestrüpp, Baumzweigen, Holzstücken die Arbeiten der Erwachsenen nachzuahmen versuchen. Glaubt ihr, daß wir dafür nicht einst genaue Rechenschaft werden geben müssen? Könnt ihr euch einreden, daß man uns unserer müßigen Werke wegen weniger anklagen, zur Verantwortung ziehen, über uns zu Gericht sitzen und uns verurteilen wird als unserer müßigen Worte wegen? Die Göttin der Gerechtigkeit, die Göttin der Mäßigung, die Göttin der Beharrlichkeit‚ die Göttin der Mildtätigkeit, die Göttin der Geduld, die Göttin der Wahrheit, die Göttin der Kunst, die Göttin der Weisheit und so viele andere Göttinnen und Götter sind nicht nur aus dem Himmel, sondern auch von der Erde verbannt, und an ihrer statt sieht man in den herrlichen Palästen, die von der hohen Vorsehung ihnen als Wohnsitz errichtet worden sind, Delphine, Ziegen, Raben, Schlangen und andere unreine Tiere, Leichtsinn, Launen und Kindereien. Wenn euch das unschicklich scheint und uns das Gewissen schlägt des guten wegen, das wir nicht getan haben, wieviel mehr werdet ihr mit mir zusammen zu der Einsicht gelangen müssen, daß wir uns wegen der so schweren Vergehungen und Verbrechen, die wir uns haben zu schulden kommen lassen, schwere Vorwürfe darüber machen müssen, daß wir sie nicht nur nicht bereut und uns gebessert, sondern obenein Triumphe gefeiert und gleichsam Trophäen errichtet haben nicht in einem vergänglichen und dem Einsturz unterworfenen Heiligtum, nicht in einem irdischen Tempel, sondern am Himmel und zwischen den ewigen Sternen? Man kann Geduld mit den Irrtümern haben, ihr Götter, und sie leicht verzeihen, die aus Schwachheit oder nicht allzu urteilsfähigem Leichtsinne hervorgehen, aber was für Erbarmen, was für Mitleid wird man mit denen haben können, die begangen worden sind von solchen, die bestellt waren zu Hütern der Gerechtigkeit und die zu den todeswürdigsten Vergehen noch viel größere hinzufügten, indem sie die Verbrechen selbst samt den Verbrechern ehrten, belohnten und in den Himmel erhoben? Für welche große und tugendhafte Tat hat Perseus sechsundzwanzig Sterne erhalten? Weil er mit Hilfe von Flügelschuhen und eines kristallenen Schildes, der ihn unsichtbar machte, die schlafenden Gorgonen im Dienst der zornmütigen Minerva getötet und dieser das Haupt der Medusa überbracht hat. Und es genügte in dieser Beziehung nicht, daß er selbst hier ist, sondern zum dauernden ehrenden Gedächtnis war es noch nötig, daß sein Weib Andromeda mit ihren dreiundzwanzig Sternen hier erschien, sowie sein Schwiegervater Cepheus mit seinen dreizehn, der seine unschuldige Tochter dem Rachen des Seeungeheuers überlieferte, infolge einer Laune Neptuns, der lediglich darüber erzürnt war, daß ihre Mutter Cassiopeja schöner zu sein glaubte als die Nereiden. Und daher sieht man auch ihre Mutter mit dreizehn anderen Sternen geschmückt auf einem Throne an den Grenzen des Polarkreises sitzen. Wozu springt jener Lämmervater mit dem goldenen Vließe, mit seinen achtzehn Sternen, ungerechnet die sechs anderen in der Nähe befindlichen, auf dem Äquinoktialpunkte so lustig herum? Steht er vielleicht hier, um die Torheit und Albernheit des Königs der Kolcher, die Schamlosigkeit der Medusa, die lüsterne Kühnheit Jasons und unsere ungerechte Hilfeleistung zu verherrlichen? Jene beiden Knaben, die im Tierkreise auf den Stier folgen, die mit achtzehn Sternen, abgesehen von sieben anderen in der Nähe befindlichen, die zu keinem besonderen Sternbild gehören, geschmückt sind, was können sie auf diesem heiligen Sitze gutes und schönes aufweisen außer der gegenseitigen Liebe zweier Wüstlinge zueinander? Aus welchem Grunde erhält der Skorpion die Belohnung von einundzwanzig Sternen, ungerechnet die acht in seinen Scheren, die neun, die in seiner Nähe stehen, und drei andere, die nicht mehr zu dem Sternbilde gehören? Zur Belohnung für einen Mord, zu dem ihn die Leichtfertigkeit und der Neid Dianas angestiftet hatte, indem sie ihm den Auftrag gab, den Orion, ihren Nebenbuhler in der Jagd, zu töten. Ihr wißt sehr wohl, daß Chiron mit seinem Tiere auf der südlichen Breite des Himmels sechsundsechzig Sterne erhalten hat, weil er der Hofmeister jenes Knaben war, der aus dem unsittlichen Verhältnisse zwischen Peleus und Thetis entsproß. Ihr wißt, daß die Krone der Ariadne, in der acht Sterne funkeln und die dort vor der Brust des Bootes und den Windungen der Schlange erglänzt, sich hier lediglich zum ewigen Gedächtnis an die zügellose Leidenschaft des Vaters Liber befindet, der die von ihrem Verführer Theseus verschmähte Tochter des Königs von Kreta in seine Arme schloß.

Jener Löwe, der den Basilisken in seinem Herzen trägt und ein Gebiet von fünfunddreißig Sternen besetzt hält, was tut er in der unmittelbaren Nähe des Krebses? Steht er vielleicht hier, um seinem Kameraden und Mitknechte im Dienste der erzürnten Juno Gesellschaft zu leisten, die ihn einst zum Verwüster des cleoneischen Landes bestimmte, bis zu seinem großen Verdrusse endlich der starke Alcide anlangte? Der unbesiegte und vielgeplagte Herkules, mein Sohn, mit seiner Löwenhaut und seiner Keule, mit der er seine achtundzwanzig Sterne verteidigt, die er sich mehr als ein anderer durch seine Heldentaten verdient hat, scheint mir, um die Wahrheit zu gestehen, nicht mit vollem Recht jenen Platz einzunehmen, wo sein Bild vor die Augen der Gerechtigkeit jenes Unrecht bringt, das dem ehelichen Bande meiner Juno durch mich und das Kebsweib Megara, seiner Mutter, zugefügt worden ist. Megara ist der Sage nach nicht die Mutter, sondern die Gemahlin des Herakles; die Mutter ist Alkmene, die Gemahlin Amphitryons. Das Schiff Argo, an dem fünfundvierzig glänzende Sterne in dem weiten, dem antarktischen Kreise benachbarten Gebiete befestigt sind, befindet es sich hier zu einem anderen Zwecke, als um die Erinnerung an das große Verbrechen zu verewigen, das die weise Minerva beging, die mit ihm die ersten Seeräuber ausrüstete, damit das Meer ebenso wie das Land seine gefährlichen Räuberscharen habe? Und wenden wir uns dorthin, wo sich der Gürtel des Himmels ausspannt, weshalb besitzt der Stier am Anfang des Tierkreises zweiunddreißig helle Sterne, ungerechnet jenen, der sich an der Spitze des nördlichen Hornes befindet, und elf andere, die man nicht zu seinem Sternbilde gehörige nennt? Weil dieses Jupiter selbst ist – wehe mir! – der dem Agenor die Tochter, dem Cadmus die Schwester geraubt hat. Was ist das für ein Adler, der eine Halle von fünfzehn Sternen am Firmament besitzt, jenseit des Schützen dem Pole zu? Der Unglückliche ist jener Jupiter, der hier den Triumph wegen des Raubes des Ganymedes und wegen seiner sieghaften Liebesleidenschaft feiert. Jene Bärin, jene Bärin, o ihr Götter! warum befindet sie sich an dem schönsten und wichtigsten Teile der Welt wie auf einer hohen Warte, auf dem sonnigsten Platze und dem berühmtesten Auslug, der sich im Universum unseren Blicken darbieten kann? Etwa damit es kein Auge mehr gäbe, das nicht die Flamme erblickte, die den Vater der Götter ergriff, nachdem der Wagen Phaethons die Erde in Flammen gesetzt hatte – als ich damals ausging, um die Brandschäden zu besichtigen und zu ihrer Beseitigung die Flüsse zurückzurufen, die sich scheu und ängstlich in ihre tiefen Schlünde zurückgezogen hatten, und dies auch in meinem geliebten Lande Arkadien tat, siehe, da ergriff mir ein anderes Feuer die Brust, das von dem strahlenden Antlitz der nonakrischen Jungfrau ausging, mir durch die Augen ins Herz drang, mir das Gebein entzündete und das innerste Mark verzehrte, so daß kein Wasser meiner Glut Linderung oder Erquickung bringen konnte. In diesem Feuer lag der Pfeil verborgen, der mir das Herz durchbohrte, die Fessel, die mir die Seele verstrickte, die Klaue, die mich mir selbst entriß und mich ihrer Schönheit zur Beute gab. Ich beging den frevelhaften Ehebruch, entehrte die Gefährtin Dianas, beleidigte meine von Herzen treue Gemahlin, deretwegen ich dem scheußlichen Sprößling meiner schändlichen Ausschweifung die Gestalt und Form einer Bärin gab; aber weit entfernt, daß ich vor dieser schrecklichen Gestalt zurückgeschaudert wäre, nein, so schön kam mir dieses selbe Ungeheuer vor, und es gefiel mir so über alle Maßen, daß ich den Entschluß faßte, sein lebendes Abbild an dem höchsten und prächtigsten Punkte des Himmelsgewölbes aufzustellen. Welche Sünde, welche Roheit, welch grauenvoller Schandfleck, den die Fluten des Ozeans sich schaudernd weigern zu tilgen, den Thetis aus Furcht, ihre Wellen könnten dadurch verunreinigt werden, von ihrem Palaste fernhält, dem Dictynna den Eintritt in ihre Wüsteneien verboten hat aus Furcht, ihre heilige Gemeinschaft zu entweihen, und aus demselben Grunde wollen die Flüsse, die Nereiden und Nymphen nichts mit ihm zu tun haben.

Ich armer Sünder bekenne meine Schuld, meine so schwere Schuld im Angesichte der unbefleckten absoluten Gerechtigkeit und gestehe, daß ich bis zur gegenwärtigen Stunde schwer gesündigt und durch dieses böse Beispiel auch euch die Erlaubnis und Möglichkeit gegeben habe, dasselbe zu tun. Damit gestehe ich zugleich, daß ich mitsamt euch verdientermaßen uns die Ungnade des Schicksals zugezogen habe, das uns nicht länger als Götter anerkannt werden läßt, und da wir dem Schmutze der Erde den Himmel eingeräumt haben, verfügt hat, daß unsere Tempel, Bilder und Statuen, die wir auf Erden gehabt haben, zerbrochen werden, damit verdientermaßen diejenigen erniedrigt werden, die unverdientermaßen niedrige und gemeine Dinge erhöht haben.

Wehe uns, ihr Götter! was tun wir? was denken wir? was zögern wir? Wir haben uns vergangen, wir beharren in unseren Sünden und sehen, daß die Strafe der Sünde unmittelbar auf dem Fuße folgt. Laßt uns daher unserem Sturze vorbeugen, laßt uns ihm vorbeugen! Denn wie das Schicksal uns nicht die Möglichkeit benommen hat, zu fallen, so hat es uns auch die Möglichkeit gewährt, uns wieder zu erheben. Wie wir daher bis jetzt im Fallen begriffen gewesen sind, so sind wir auch imstande, uns wieder auf unsere Füße zu stellen! Von dieser Strafe, in die wir unserer Sünde wegen verfallen sind, der schlimmsten, die uns je treffen konnte, können wir uns selbst ohne Schwierigkeit, durch eine Besserung, die in unserer Macht steht, befreien. Durch die Kette unserer Sünden sind wir gefesselt; durch die Hand der Gerechtigkeit können wir davon freikommen. Wohin unser Leichtsinn uns herabgedrückt hat, von da muß unser Ernst uns wieder erhöhen. Wenden wir uns der Gerechtigkeit zu, denn in demselben Maße, wie wir uns von ihr entfernt haben, haben wir uns von uns selbst entfernt, so daß wir nicht mehr Götter, nicht mehr wir selbst sind! Kehren wir also zu ihr zurück, wenn wir zu uns selbst zurückkehren wollen! Die Art und Weise aber, wie wir zu dieser Wiederherstellung schreiten können, besteht darin, daß wir zunächst die schwere Last der Sünden, die uns drückt, von unseren Schultern wälzen, daß wir von unseren Augen den Schleier der Unbesonnenheit entfernen, der uns töricht macht, daß wir aus unserem Herzen die Eigenliebe reißen, die uns zurückhält, all die eitlen Gedanken, die uns beschweren, von uns werfen, daran gehen, die Machwerke der Sünde und die Gebäude der Verkehrtheit, die uns die Straße sperren und den Weg verlegen, niederzureißen, daß wir, die Triumphbogen und Trophäen unserer verbrecherischen Taten soweit wie möglich zerstören und vernichten, damit vor dem Tribunal der Gerechtigkeit unsere aufrichtige Reue über die begangenen Sünden zutage trete! Auf, auf, ihr Götter, entfernen wir aus dem Himmel diese Masken, Statuen, Figuren, Abbilder, Konterfeie, Vorführungen und Geschichten unserer Habsucht, unserer bösen Lust, unserer Räubereien, unserer unwürdigen, verächtlichen und schändlichen Handlungen. Die schwarze, dunkle Nacht unserer Sünden gehe vorüber, damit uns die Morgenröte des neuen Tages der Gerechtigkeit begrüßen könne. Bereiten wir uns in dieser Weise auf das Erscheinen der Sonne vor, damit sie uns bei ihrem Aufgange nicht so unrein erblicke, wie wir sind! Wir müssen uns sauber und schön machen; aber nicht nur uns selbst, sondern auch unsere Behausungen und Wohnungen müssen wir reinigen und säubern, innen und außen müssen wir rein und blank dastehen. Stiften wir daher, sage ich, zunächst in dem Himmel, der geistig in uns ist, Ordnung und dann auch in jenem sichtbaren, der sich körperlich vor unseren Blicken ausbreitet! Entfernen wir aus dem Himmel unseres Geistes die Bärin der Roheit, den Pfeil der Verleumdung, das Füllen des Leichtsinns, den Hund der Lästerung, die Hündin der Schmeichelei! Verbannt von uns werde der Herkules der Gewalttätigkeit, die Leier der Verschwörung, das Dreieck der Gottlosigkeit, der Bootes der Unbeständigkeit, der Cepheus der Härte! Weit weiche von uns zurück der Drache des Neides, der Schwan der Unklugheit, die Cassiopeja der Eitelkeit, die Andromeda der Trägheit, der Perseus der eitlen Vielgeschäftigkeit! Verjagen wir den Ophiuchus der üblen Nachrede, den Adler der Anmaßung‚ den Delfin der bösen Lust, das Pferd der Ungeduld, die Hydra der Begehrlichkeit! Vertreiben wir von uns den Walfisch der Unmäßigkeit, den Orion des Hochmuts, den Strom des Oberflusses, die Gorgo der Unwissenheit, den Hasen der unbegründeten Furcht! Nicht länger weile in unserem Herzen das Argoschiff der Eitelkeit, der Becher der Trunksucht, die Wage der Ungerechtigkeit, der Krebs des verderblichen Rückschrittes, der Steinbock der Täuschung! Lassen wir nicht länger zu, daß sich in unserer Nähe einniste der Skorpion des Betruges, der Centaur der tierischen Begierde, der Altar des Aberglaubens, die Krone des Stolzes, der Fisch des unwürdigen Schweigens! Zugleich mit diesen sollen sich zurückziehen die Zwillinge der falschen Vertraulichkeit, der Stier der Sorge um niedrige Dinge, der Widder der Unüberlegtheit, der Löwe der Tyrannei, der Wassermann der Ausschweifung, die Jungfrau des zwecklosen Geredes, der Schütze der Verleumdung! Wenn wir, ihr Götter, auf diese Weise unsere Behausung reinigen, wenn wir auf diese Weise unseren Himmel erneuen, dann werden auch neue Konstellationen und neue Einflüsse, neue Eindrücke und neue glückliche Umstände eintreten; denn von dieser überirdischen Welt hängt alles ab, und entgegengesetzte Wirkungen hängen von entgegengesetzten Ursachen ab. Ja glücklich, wahrhaft beglückt werden wir sein, wenn wir eine Kolonie guter Vorsätze in unserem Fühlen und Denken anlegen. Wem der gegenwärtige Zustand nicht gefällt‚ dem möge mein gegenwärtiger Vorschlag gefallen! Wenn wir unsere Lage ändern wollen, so müssen wir mit der Veränderung, jawohl mit der Veränderung unserer Sitten beginnen! Wenn wir wollen, daß jene gut oder besser werde, so dürfen diese nicht dieselben bleiben oder sogar schlechter werden. Läutern wir daher unser Inneres, da es nicht schwer halten wird, von der Reformation dieser inneren Welt zu der Reformation der sinnlich wahrnehmbaren äußeren Welt fortzuschreiten. Diese erste Läuterung tritt, wie ich sehe, ihr Götter, bei euch ein, ich sehe, daß sie bei euch eingetreten ist; ich bemerke euren Entschluß, ich habe euren Entschluß bemerkt; er ist gefaßt worden und plötzlich gefaßt worden, weil er dem Gegengewichte der Zeit nicht unterliegt. Nun wohlan, machen wir uns an die zweite Läuterung! Diese betrifft das äußere, körperliche, sinnlich wahrnehmbare, räumliche. Daher ist es erforderlich, daß sie sich nach einem bestimmten Plane, gehöriger Ordnung und geregelter Aufeinanderfolge vollziehe; daher muß man abwarten, eins mit dem anderen vergleichen, einen Grund gegen den anderen abwägen, bevor man sich entschließt; denn da die körperlichen Dinge ebenso wie die Zeit der Aufeinanderfolge unterliegen, so kann die Ausführung nicht gleichsam in einem Augenblicke erfolgen. So setze ich euch denn eine Frist von drei Tagen, innerhalb deren ihr in eurem Innern überlegen und beschließen sollt, nicht ob diese Reform eintreten soll oder nicht; denn nach Anordnung der Schicksalsmacht habt ihr sie plötzlich, sowie ich sie euch vorschlug, allesamt sie als höchst angemessen, notwendig und vorteilhaft anerkannt und nicht an einem äußeren Zeichen, einer Figur, einem Schatten, sondern in der Tat und Wahrheit nehme ich eure Gesinnung wahr, wie ihr wechselsweise auch die meinige wahrgenommen habt, und nicht weniger plötzlich, als mein Vorschlag zu euren Ohren gedrungen ist, ist der Blick eures Einverständnisses zu meinen Augen gedrungen. Es bleibt also nur noch das eine übrig, daß ihr in eurem Innern bedenkt und mit euch zu Rate geht, auf welche Weise wir für die Dinge, die wir vom Himmel entfernen, sorgen sollen; denn es wird nötig sein, für sie andere Länder und Wohnsitze aufzutreiben und zu bestimmen, sodann, wie wir die verlassenen Plätze ausfüllen sollen, damit der Himmel nicht leer bleibe, sondern besser bewohnt und bebaut werde. Nach Verlauf dieser drei Tage werdet ihr wieder unter meinem Vorsitz zusammenkommen, nachdem ihr euch über die einzelnen Plätze und Dinge klar geworden seid, damit wir uns am vierten Tage versammeln können, um in reiflich durchdachter Beratung die Form dieser Kolonie festsetzen und proklamieren zu können. Ich habe gesprochen.«

So, lieber Saulino, fesselte der Vater Jupiter die Ohren, entflammte den Sinn und rührte das Herz des himmlischen Senates und Volkes; er selbst hatte, während er noch sprach, an den Blicken und Gebärden seiner Zuhörer klar erkannt, daß jener große Plan;, den er in Vorschlag gebracht hatte, von ihnen gebilligt und angenommen werde. Als nun der hehre Patriarch der Götter seine Rede beendet hatte und seinen Worten Schweigen folgen ließ, da riefen alle Anwesenden einstimmig und wie aus einem Munde: »Sehr gern, o Jupiter, willigen wir darein, den großen Plan auszuführen, den du uns vorgeschlagen hast und der wahrlich vom Schicksal vorher bestimmt ist.« Darauf erhob sich von seiten der Menge ein Gemurmel, das hier von dem Zeichen eines frohen Entschlusses, dort eines freiwilligen Gehorsams, hier eines Zweifels, dort eines Bedenkens, hier vom Beifall, dort vom Kopfschütteln eines dabei Interessierten, hier von einem Blicke dieser, dort jener Art begleitet war, bis sich endlich, da die Stunde der Abendmahlzeit herangekommen war, der eine nach dieser, der andere nach jener Richtung hin zurückzog.

Saulino. Dinge von nicht geringer Bedeutung, o Sofia!

 

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