Clemens Brentano
Gedichte
Clemens Brentano

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22. Juni 1834.
Nach Karlsbad

                Den ersten Tropfen dieser Leidensflut,
In der ich wehrlos, elend bin ertrunken,
Und auch von dieser grimmen Glut,
Die all mein Sein verzehrt, den ersten Funken,
Des Traumes Blumenrand, wo ich geruht,
Eh in des Schmerzes Abgrund ich gesunken.
Das erste Tröpflein von dem Feuerblut,
In das ich wagt, den Finger einzutunken,
Um wehe mir! mit irrer Wut
An Leib und Seele liebeszaubertrunken
Von mir zu schleudern, weh! mein letztes Gut,
Und weh! mit meinem Elend noch zu prunken
Vor meiner Seele, arger Übermut!
– Ich kenn das all, schiffbrüchig auf dem Meer
Schwimmt drohend es in Trümmern um mich her.
Weh! – der Syrene nackte Schulter blank,
An der gescheitert ich den Sinn verloren,
Zuckt dort empor und weh! – das Leibchen schlank,
Das kranke Herz, das mich zu Tod geboren,
Die Hand, die mich getauft, genährt mit Zaubertrank,
Sie hebt sich drohnd – es schallt zu meinen Ohren:
»Mein lieber armer Freund! wie krank! wie krank!
Horch! Schlummerlied vom Schicksal eines Toren,
Viel hättest du mir helfen, nützen können,
Nun muß die Flut, die uns umarmt, uns trennen,
Die Woge die mich kühlet, dich verbrennen!«
                      Auf wundenvoller Straße
Mußt du gespenstend gehen,
Wo dir mit allem Maße
Ich Quelle aller Wehen,
Ich Welle aller Wonnen,
Die Adern hab durchronnen.

Wo mich, die dir vertrauet,
Du schmählich hast verloren,
Wo, was du kaum erbauet –
O schon' des kranken Toren
Schlaf, schreiendes Gewissen! –
Du nieder hast gerissen!

O Platz der Promenade!
Haus, gelb mit zweien Pforten,
Da fandst du Recht für Gnade,
Bist hingerichtet worden,
Wo du dich hast verschuldet,
Hast du dein Recht erduldet.

Dein Geist hat keinen Frieden
Nach deinem Tod gefunden,
Er muß mit ewgem Sieden
Der Tränen mich umrunden,
Weil Flammen er erweckte,
Die kühle Woge deckte.

Weh Flammen, grüne Flammen,
Die nun mit blinden Trieben
Dem Holze neu entstammen,
Das er zur Glut gerieben,
Und wenn es wieder grünet,
Ist er noch nicht versühnet.

Und wenn es wieder blühet
Und weiß von Blüten kühlet,
Und heiß von Früchten glühet,
Ein Feuer dich durchwühlet,
Das Feuer meiner Triebe,
Das Feuer deiner Liebe.

O Herr, hör laut im Traume
Die arme Seele wimmern,
Ach laß dir aus dem Baume
Für sie ein Kreuz doch zimmern
Und richt es auf am Pfade,
Wo sie verlor die Gnade!

Schreib drauf, weil er erwühlet
Die Glut, die ich bedecket,
Er nun die Flammen fühlet,
Die selbst er hat erwecket,
Bis Glut von meinem Herde
Einst diese Glut verzehrte.

Und bis die Promenade
Ein Saatfeld goldner Körner
Ein Erntefeld der Gnade,
Und rings im Zaun nur Dörner,
Und bis dies Kreuz wird blühen,
Muß diese Seele glühen

Bis dahin betet alle
Für diese arme Seele,
Daß sie nicht tiefer falle
Und still die Tränen zähle,
Bis Herzblut der Syrenen
Heiß wird, wie Reuetränen.

Und als sie so gesungen
Ein bißchen süß gegaukelt,
Und sich herum geschwungen
Geschlungen und geschaukelt
Rief sie: Gut Nacht mein Brüderchen
Addio! schreib, mach Liederchen.

Nun streifet mein Gebieterchen
Schon ab das feine Miederchen
Und streckt die reinen Gliederchen,
O Engel seine Hüterchen,
Deckt sie mit dem Gefiederchen,
Und singt ihr kleine Liederchen,
Baut eure keuschen Nesterchen
Und legt ein englisch Pflästerchen
Ans Herz dem neuen Schwesterchen,
Daß es, was gut es eingeschnürt,
Nun aufgeschnürt nicht gleich verliert!

 


 


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