Clemens Brentano und Sophie Mereau
Briefwechsel zwischen Clemens Brentano und Sophie Mereau
Clemens Brentano und Sophie Mereau

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An Sophie

Frankfurt 1/2 8bre 1803.

Liebe Sophie!

Du mußt nicht klagen, nicht denken, ich schriebe Dir zu wenig, denn wahrhaftig, ich tue nichts als Dir schreiben, seit ich von Dir bin, habe ich leider noch keine Zeile gearbeitet, ich bin in einer ewigen Unruhe, und um so mehr jetzt, da mir einer Deiner Briefe bewiesen hat, daß ich Dich noch nicht sicher und fest besitze, wenn Du gleich so wundergütig in einer Beilage schon verziehen hast, so ist dies doch nur ein geschenktes Leben, weil Du kein Blut kannst fließen sehn, und macht mich der Gedanke, daß Du jenen Brief geschrieben, doch traurig, wie kann ich ruhig sein, da ich mein Liebstes, ein weichmütiges Kind, in den Händen meiner Feinde, in den Händen der Welt weiß. O liebe Sophie! vereinige Dich bald ganz mit mir, damit ich nicht so in Sorgen lebe, die des Dichters Sache nicht sein sollen. Winkt Dir denn die Idee gar nicht freundlich, mit einem denkenden liebenden Menschen in einer schönen Einsamkeit am Rhein zu wohnen, ach Sophie, ich bin nicht mehr poetisch, ich habe keine Phantasie mehr, seit ich weiß, daß ich, daß Du genießen werden, seitdem kann ich Dir nicht mehr beschreiben, wie es sein wird. Hinter uns die Berge, vor uns der Fluß, über uns der Himmel, und die Berge sind erstiegen, und der Fluß strömt klar und mächtig, und der Himmel ist errungen, nicht die Wälder zu vergessen, alle meine Nebenbuhler kann ich lieben, und sie rauschen, Dich mein Liebchen zu verführen, aber holla, meine Herren, rauscht nur immer, lockt mein Liebchen, daß sie mir zu euch entgehe, wie ihr rauschet, weckt ihr Lieder Liebesboten in mir schlummernd, und sie laufen, sie zu suchen, sie mir wieder einzufangen, und zur Strafe rauben sie euch, eure Blumen, eure Blätter, winden Kränze, Ehrenbogen meiner Liebe aus den Fesseln, aus den Banden, die ihr schmiedet, sie zu halten, und was wollen eure Zweige, meine Arme können halten, und was wollen eure Rosen, meine Lippen können sprechen, können lächeln, können küssen, o Sophie, sei willkommen, Herz im Herzen, doppelt schmerzen, doppelt scherzen und so weiter.

Du siehst, ich bin gewissermaßen vergnügt, ja, traurig bin ich gar nicht, ich habe rechte Ursache zur Freude, denn es fehlt mir ja gar alles, das heißt Du, wenn ich nur arbeiten könnte, wenn ich mich nur sammlen könnte, wenn ich Dich mir nur aus dem Sinn schlagen könnte, ich glaube, ich müßte so viel schlagen, daß ich ganz verschlagen sein würde, und es würde doch nichts draus. Lieben heißt, sich mit allen Dingen ins Gleichgewicht setzen wollen, lieben heißt alles wollen, ach, und des Menschen Arme sind zu klein, zu schwach, alles zu halten, und er muß, er will gern mit dem Symbol zufrieden sein, so hat jeder dann ein Pfand, welches er vom Leben zu erhalten strebt, damit er weiß, daß ihm alles an sichrer guter Stelle aufgehoben ruht, ich nehme Dich für alles, ich ziehe dich allem vor, ich liebe dich vor allem und für alles. Ich sage, ich möchte Dich besitzen, so recht besitzen wie mein Herz, durch das mein Blut strömt und ewig an Dein Kämmerlein in meinem Herzen pocht, dies Herz stört mich nicht, es ist mir gewiß, es war leicht, und dann hast Du mir etwas draufgelegt, damit es der Sturm nicht verwehe, Du hast mir das Herz schwer gemacht, ich hatte Dich auf dem Herzen, jetzt sitzt Du drinne, und es möchte auffliegen zu den Sternen wie ein Luftball mit Dir. O liebe Sophie, halte meine Worte nicht für tröstlich, ich nenne tröstlich, was mir allen Trost nimmt, nämlich meine Freude ist untröstlich, wenn sie Dich über meine Abwesenheit tröstet, und könnte ich Dir nur ein Geständnis ablocken, das Geständnis, wie Dich meine Fröhlichkeit länger von mir zurückhält, o dann wäre ich gewiß recht zufrieden, das heißt, auf den Tod krank, damit Du bald zu mir kömmst. Deinen Schrecken, Deine Trauer und Demi-Verzweiflung in dem vorigen Brief kann ich immer noch nicht begreifen, denn ich weiß mich auch in keiner Art schuldig, wenn Du wüßtest, was ich hier für Dinge gehört habe, die ich alle soll gesagt und geschrieben haben, Du würdest mit Deinen Sachen ganz geschwiegen haben, denn das sind lauter Bagatellen, stelle Dir vor, ich habe an Betinen geschrieben, ich wolle Dir in der Hochzeitnacht den Kopf abschneiden und ihn statt des goldnen Kopfs über unserm Tor befestigen mit der Unterschrift zum poetischen Kopf, solche Sachen sind hier gesprochen worden, und doch versichere ich Dich, daß ich Dir den Kopf nicht nur nicht abschneiden, sondern recht küssen und freundlich anschauen will, ja, ich will ihn Dir nicht einmal verrücken, sondern den meinigen zurechtsetzen, damit er Dir Freude machen soll. Ich glaube, ich habe Dir früher als Dein letzter Brief von hier geschrieben, daß, wie ich undeutlich gehört, hier und in Weimar ein unendlich Gewäsch durch die Laroche, die Löwenstern und Moritz Bethmann entstanden sei, auf diesen hättest Du mehr achten sollen und Dich Deinem Schmerz nicht überlassen, denn nun habe ich gar keine Ruhe mehr, wenn ich des Nachts erwache und Deinen Namen wie eine Bannformel gegen die Dunkelheit, gegen die Einsamkeit, gegen das schwere prosaische Leben mit einer frommen Wut ausspreche, so muß ich oft unwillkürlich die Lippen zusammenbeißen, denn ich denke oft, sie liebt mich nicht mehr, sie zweifelt an mir, und auch hier in diesem einzigen heiligen Teil meines Lebens spukt das gemeine verfluchte platte Leben, aber sei versichert, Sophie, wenn ich diese Geister nicht aus meiner Kapelle, aus meiner Liebe hinauswerfen kann, so schneide ich mir selbst den Hals ab, um ein Gespenst ihresgleichen zu werden, und fechte mich an dieser Lumpen Phantasmaturgie wieder lebendig. O Du Kanarienvogel, Du Zuckerblume, Du Honigkuchen, Du Bienenkorb, in dem alle Bienen Bübchen, Du Garten, in dem alle Blumen Mädchen, Du Blumen, in denen alle Süßigkeit, Süßigkeit, das heißt Küsse, sind, das wird mir ein Wachs des Lebens, eine Kerze der Andacht, eine Andacht des Feuers, ein Feuer des Himmels, ein Himmel der Liebe, eine Liebe des Klemens und der Sophie werden – halt, o du arme Phantasie, du gehst immer in Blumen bis über die Knie und schürzest Dich, daß Dir der Tau die brennenden Füße kühle, und vergißt es, und glaubst, es sei zum Tanz, und harrst auf Deinen Tänzer, da gehen Menschen vorüber und lachen und nennen Dich eine unzüchtige Dirne, die sich entblößt, weh, weh, schweig still und weine nicht, oder wurzle und sei eine Blume und sei ein Tautropfen Träne. – Was tust Du in diesem Augenblick, liebes Weib, in diesem Augenblick, da ich so unendlich liebe, daß ich mich in die Kaffeetasse verwandlen möchte, aus der Du trinkst, in die Fliege, die aus Kälte in Deiner Stube stirbt, in mich selbst, an mich, an den Du denkst, den Du liebst. Siehst Du denn meine Büste manchmal an, das Beste ist doch dran vergessen, die Narbe auf der Nase, die ich auf der steilen spiegelglatten Eisschwelle Deines ehemaligen Hauses, Lebens fiel. – Doch von wegen der Büste, frage doch Tieck bestimmt um meine Büste, die immer noch nicht zugegen ist, er hat vielleicht falsch adressiert, – Betine ist sehr traurig, daß sie gar nicht ankömmt. Ach Sophie, in dem Augenblick überfällt mich eine große Angst, ich bin so glücklich in diesem Brief, und Du liebst mich vielleicht nicht mehr, höre, das wäre ganz verdammt traurig und fatal, aber dieser kleine Fluch ist der Fluch eines erfahrnen Matrosen, der den Anker und das Cap de bonne esperance besser kennt, er zürnet über das Gewimmer eines seekranken Passagiers, der Teufel begrabe dieses Mißtrauen in den Abgrund des Meeres, da liegt ja auch der Becher von Thule, den ich gar nicht vergessen kann, wenn wir uns haben, so lasse ich einen schönen Becher machen, aus dem wollen wir immer trinken und den Goethe auslachen, daß wir ihm einen letzten Vers an sein Lied gemacht. Oh, Sophie, schone meiner Liebe, meiner Freude, meinem Glück. Hier will ich Dir ein Rätsel aufgeben, wer ist glücklicher, der arme Geisterseher, der auf seiner Dachstube trocknes Brot ißt und aus den Sternen liest, daß viele Meilen weit von ihm ein Schatz begraben liegt, den er nur heben kann, der ihm gehört, mit dem sein ganzes Glück verbunden ist, und der ihm so ferne ist, daß er ihn nicht holen kann (o kriege Beine, Schatz, und laufe zu mir); oder ist der Hirte glücklicher, der über dem Schatz in einer bunten fetten Wiese seine Herde hütet und ein Liedchen von Kraut und Rüben pfeift, ohne zu wissen, was da unten liegt? Das Rätsel löse mir, denn ich kann nicht vor dem Zweifel ruhn, ob ich glücklicher bin, der hier sitzt und sich nach Dir sehnt, oder der Briefträger, der Dir diese Zeilen bringt. Wenn der Briefträger glücklicher sein sollte, so bitte ich Dich, um Gottes willen, tue mir den Schimpf nicht länger an, einen solchen ordinären Flegel auf meine Unkosten länger im Hanfsamen sitzen zu lassen, entweder kriege Beine, Schatz, und laufe zu mir, oder lasse über Dir eine Zauberflamme wehen, daß der Kerl unsinniger, hoffnungsloser in Dich verliebt wird als ich, aber nimm Dich in acht, mein Kind, daß ich hier bei dem Magistrat keine Briefe vorlesen höre, in denen Deine Großmutter aus Briefen an Deine Betine an ihren Korrespondenten schreibt (sie könnte es auch aus gutmütiger Sorge für mich tun), daß Du gesagt hattest, Du hattest gesagt, Du würdest nicht gesagt haben, der Briefträger wolle Dein Freund zweideutig unterstrichen sein. – O Du lieb Weib, verzeih meine Neckerei, verzeih meiner Fröhlichkeit, nur damals haben die Menschen noch an Gott geglaubt, da sie den Teufel zu seinem Friseur auf der Schaubühne machten, ich liebe Dich ganz gottlos, ganz teuflisch, das macht der Sündenfall, und der Sündenfall ist ein Schneider, denn er arbeitet in Feigenblättern. – Aber Spaß beiseite, trete hervor, Du engelreines, nacktes, sternenhelles Geisterweibchen, eh bien je vous aime, je suis a vous, et liebe Dich zur Ehre meiner selbst. – – Da haben wir es, soeben erhalte ich Deinen letzten Brief vom vierundzwanzigsten, und ich kann Dich versichern, die zürnende Hälfte Deines vorigen traurigen Briefes selbst ist mir freudiger – ich antworte Dir auch hier mit dem Schluß eines Deiner liebsten Briefe an mich, »ei, was soll ich dann mit einem unmutigen Liebhaber anfangen«, ich hätte beinahe Lust, Dich ein paar Minuten lang per Sie zu traktieren, doch mir fällt ein Weg ein, Dir alles deutlich zu machen, höre zu. Mut und Fröhlichkeit ist das erste liebste Kind unsrer Liebe gewesen, im Anfang war es Dir allein überlassen, Du pflegtest und saugtest es –

Du strahlender Augenhimmel du.
Du taust aus Mutteraugen,
Ach Herzenspochen, ach Lust, ach Ruh
An Deinen Brüsten saugen.

Da war das Kind beinah Dein allein, höchstens, daß ich es manchmal wiegte, und mein Unmut war der Gedanke in die Zukunft, nämlich, ich hielt Dich für keine gute Erzieherin und fürchtete, Du möchtest das Kind einstens verderben. In einer freundlichen Minute reichtest Du mir den kleinen Liebesbündel, und mein Entschluß war gefaßt, ich hielt ihn fest und gab ihn Dir nicht wieder, ich habe ihn noch in den Armen und will ihn Dir erziehen, daß Du selbst aus Liebe zu seiner Artigkeit ein Kind werden sollst, um nur mit ihm spielen zu dürfen, und ich will Hans heißen (sieh, wie einfach meine Flüche schon werden, lauter Besserung) wenn ich nicht noch erlebe, daß Dich Mut und Fröhlichkeit, Dein eigen Kind, einstens am Gängelband führt und Du mich ironisch Papa nennst und Dein Kind Dir belohnend und strafend ein Birkenmus mit Honigkuchen vorsetzet. Ich setze meine Liebe zu Dir, die nun mit meiner Lebens- und Kunstlust dasselbe geworden ist, zum Pfand, daß Du nie wieder ein trauriges Wort von mir hören sollst, und selbst dann, wenn Du mir des Lumpenvolkes wegen den Abschied gibst, so will ich ein Kunststück machen und lustig sein, sehe ich doch eine große Nation mutig an eine Landung in England denken, ob sie ersaufen, weiß Gott, ob ich dann ersaufe, weiß er auch. In dem Augenblick, daß Du mich verstoßen wirst, breche ich mein Zelt auf Erden ab und mache ein Segel draus, im Himmel zu landen, ich schwöre Dir, meine schwache Geliebte, den Boden, auf dem Du mir den Stab brichst, will ich keiner Träne meines Leides würdigen, ich will dann forteilen und mich Geschöpfen der Natur und der Kunst gegenüberstellen, vor denen die Seele des Empfindenden verstummt, ihr hohen Eisgebirge weidet meine Stufen, auf denen ich zum Lebensbrunnen steige, ihr unabsehbar tiefen Täler, in deren Schoß sich Meere betten, ihr sollt die Brunnen werden, zu denen rasselnd nieder am Feuerseil der Blitze geht der Lebenseimer, und wenn er wieder aufsteigt, gleich der Seele einer Erde, die in die Hand des Schöpfers sich empfehlend starb, dann will ich trinken aus dem Eimer dieser Seele, als tränke ich ein Ei aus mit dem Küchlein, und, liebes Weib, stehst Du dann einsam und verlassen an Deines Sarges Kammerfenster sinnend und blickst zur Erde, die Dich deckt, empor und nennst die Wurzeln Sterne, die Dich trösten, so sollst Du einen Stern wohl unter allen lieben, des Wurzel selbst Dir eine Sonne scheint, o freue Dich, es ist die Wurzel meiner Lebensblume, die einsam, ohne daß sie Liebe brach, verblüht. – Doch hier erinnere ich mich meiner Pflicht, Du hast in Deinem letzten Brief von mir begehrt, ich solle Dir nichts schreiben, was poetisch klingt, so soll ich Dir dann nicht schreiben, wie fröhlich, innig, unaussprechlich ich Dich liebe, nein, wahrlich, das verdient Dein letzter Brief vom 24sten gar nicht, der mehr von der Ahlefeld spricht als von Dir und mir, und in dem Du vornen von wütender Eifersucht über meine Schwägerin und hintendrein von totaler Gleichgültigkeit sprichst, und zuletzt gar mich mit der Ahlefeld in eine Büchse steckst, die die Überschrift hat, Dinge, die mich nicht ekeln, über diesen Rückfall Deiner Ungeschicklichkeit bin ich nicht traurig geworden, sondern ich habe Dich in der Seele ausgelacht, he, he, der Lebensmut, die Liebe, das innere Leben, der Gott liebende, kindliche, dichtende Sinn –. Pfui, schäme Dich, meine Allerliebste, über Deine Torheit, und wenn ich nicht bald einen wahren reuigen, recht zärtlichen Brief von Dir erhalte, so sei versichert, daß ich Dich nach wie vor fort lieben, aber nicht fort zanken werde. Wie Du doch hypochondrisch bist, Deine Briefe, die ich alle erhielt, glaubst Du unterschlagen, auch glaubst Du, Du hättest vornehme Freunde, das ist sehr närrisch, Du hast keinen Freund, Du hast keinen Menschen auf der Welt als mich, und nicht wahr? ich bin ein rechtes Ungeheuer. Weiter schreibst Du, es sei sehr närrisch, daß Du gar niemand mehr sehen mögest wegen einer gewissen Art von Teilnahme, das finde ich nun gar nicht närrisch, sondern vielmehr vernünftig, ja notwendig, ja, nicht anders möglich. O Sophie, habe ich das alles nicht erwarten können, war die schmerzhafte Unterbrechung vieler unsrer frohen Stunden durch meine Kälte und Trauer nicht erlaubt und richtig weissagend? Da ich bei Dir war, da wagte sich die gemeine Welt, die Dich umgibt, nicht so sehr an Dich, nun, da ich von Dir bin, führt sie Krieg gegen mich, und arbeitet in teilnehmender Unzucht, Dein Glück zu zerstören. Wenn Du wüßtest, wie schwer, wie erbitternd mir alle Worte über die Zunge gehen, die Dich aufmuntern sollen, die Dich trösten sollen, denn sprich, ist der nicht zu beklagen, der sich einen Waffengesellen nimmt, im wilden, ewigen Krieg gegen das herrschende schlechte Prinzip, wenn dieser Waffengeselle dem verführerischen Zuruf seiner Feinde horcht, o Du, mit der ich alle meine Wehre, alle meinen Krieg, alle meinen Sieg teilen will, glaube nicht, daß ich unterliege, wenn Du mich verläßt, nein, durch das Leben will ich zu Dir dringen und Dich wieder holen aus der Welt, in der Du untergehst, und Dich den Göttern, meinen Göttern, Dir und Dir und Dir (dies sind die drei, die eins sind, und nicht mit mir) wieder bringen. So sei mutig, liebes Weib, und glaube an eines meiner Lieder, das ich Dir schrieb, es spricht, daß nur der Zweifel der Sünde Vater, der ewige Zerstörer, daß nur der Glauben die Tugend, der ewige Schöpfer ist, o glaube diesem Lied und zweifle nicht an mir, so stirbst Du selig doch in meinem Arm, wenn Du nicht glauben willst, daß ich noch größerer Liebe, festeren Vertrauens würdig bin. Deine lieben ersten Briefe, wie waren sie so lieb, so freundlich, wie liebten sie mich, wie warst Du so schön, so kindlich, so grün, und nun – hast Du so viel Geschäfte, daß Du mir so wenig, und nur traurige Sachen schreibst. Auch in meinen mißmutigsten Briefen hatte ich gewiß immer über dem wüsten Meer eine kleine anmutige Insel stehenlassen, auf der unsre Liebe, sollte sie verschlagen werden, einsam und selig leben und sterben mochte, ohne Heimweh wird sie wandlen, die auf Erden nicht zu Haus. –

Von meiner Schwägerin will ich nicht mehr mit Dir reden, wenn es Dich betrübt, oder weil es mich betrübt, daß Du mir nicht glaubst, freilich ein Wesen, wie Du, dem ich tausendmal geschworen, daß ich es liebe, daß ich es glücklich machen will, und daß sich noch so verzweifelt befinden kann, hat freilich wenig Ursache, mir zu glauben. – Soeben holte ich mir Papier bei meiner neuen Schwägerin, und sie sagte mir ins Ohr, grüße mir die Mereau, und gab mir beiliegendes kleines Beutelchen, das sie für Dich gestrickt hat. Meine andern kleinen Geschenke wirst Du nun erhalten haben, und ich hoffe, um der frommen, liebenden Zuversicht willen, mit der ich gab, daß sie Dir wenigstens eine frohe Stunde gemacht haben werden. Heio, popeio, sei ruhig, liebes Herz, schlafe Kindchen, schlafe, in Weimar gehn die Schafe, die schwarzen und die weißen, die wollen mein Kindchen beißen. Bitte doch Tieck, daß er sogleich an Betine Brentano im goldenen Kopf schreibt, wie, ob, wann er die Büste verschickte, und hat er sie noch nicht geschickt, so soll er es doch gleich, und auf dem kürzesten Weg tun, sei es auch der Postwagen, aber einen kleinen Avis soll er auch davon geben. Die Unkosten der Packung sollen ihm sogleich remboursiert werden. Wegen den spanischen Namen sage ich Dir zweierlei, erstens habe ich Dir, ich glaube, in meinem letzten Briefe schon verschiedene derselben geschrieben, zweitens ärgere ich mich ein bißchen, daß Du mit dieser Frage so ganz kalt Deinen Brief schließest, in dem Du auch kein freundlich Wort sprachst, ich möchte Dir zur Strafe, den zweisilbigen Namen Dr. Fuldner rekonemandieren, denn das war wieder so hartherzig wie damals; aber das ficht mich alles nicht an, meine Hoffnung von der Zukunft, mein Vertrauen zu mir und Dir, sie sind so groß und schön, daß ich selbst Deinen Unmut, Deine Unfreundlichkeit, Deine Unliebe für lauter Liebeszeichen nehme, denn meine Zufriedenheit mit mir, die feste Zuversicht meiner Liebe, sie sind eine Tinktur, die alles in Gold verwandlen, was sich in sie taucht, nie wieder sollst Du mir mit Zufriedenheit, Güte, Mut und Liebe großtun, und Dein Zurückbleiben, das Dich selbst schmerzt, ist mir darum lieb, weil Du doch so wenigstens vermuten kannst, ich hätte Dich in allen diesen schönen Tugenden wenigstens eingeholt, wenn ich Dir es längst drinne werde zuvorgetan haben, o nehme Dich zusammen, liebes Weib, lasse mich nicht im Stiche, wandle gleichen Schritt mit mir und liebe mich, und wer weiß, ob Du nicht aus Güte so ungut wirst, Du bleibst gewiß aus Liebe in der Liebe stehn, daß ich Dich einholen kann.

Wenn Du nun, wie Du jetzt gesinnt bist, mein Weib nicht werden willst, kannst Du mir es verargen, wenn ich es vor Mißtrauen von Dir halte, o liebes Weib, wie machst Du uns umsonst das Leben so sauer! Es könnte alles so einfach sein, ich heurate Dich vor Gott und der Welt, so ist alles Geziere, alles Gerede aus, und wir sind glücklich – bei Gott, ich bewundere mich selbst, daß ich nicht ungeduldig werde und von Dir begehre, Du sollst Dich entweder zu mir wenden oder zu der Welt, und das bald, denn mir brennt das Herz, und wenn Du das Feuer nicht bald mit einem schützenden Liebesherde umgibst, so wird mir der Kopf zu brennen anfangen, schade wäre es um das schöne Feuerwerk, wenn es plötzlich ohne Dich verbrennte, denn es besteht aus lauter Lobgedichten und Vivat, Sophie. Doch nun will ich für heute schließen, um nicht zu wiederholen, was ich nicht seit gestern, was ich, seit ich Dich kenne, sagte, und immer mit der Wahrheit sagen werde, ich liebe Dich, nur Dich allein, ich allein nur liebe Dich, Du kannst das noch so oft versetzen, als Du willst, das ist Spielwerks genug für ein solch unartiges Kind, und weiter wage nichts von meiner Liebe zu denken, zu sagen, bis ich dabei bin, und für alles Gute, was Du darüber sagst, küssen, und für alles Böse auch küssen, und für das sogar, was Du nicht sagst, küssen kann.

– Ich habe heute Morgen diesen ganzen Brief, der heute seine Reise zu Dir antritt, nochmals gelesen und sage Dir gut für ihn, kein Wort ist Stimmung in ihm, kein Wort gehört dem Augenblick, er kann Dir ewig neu sein, und wird mir ewig wahr sein, so ist der Grund meines Gemütes, so liebe ich Dich, so sehe ich Dich an, wenn Du fröhlich und liebevoll bist, wird es mich erfreuen, wenn Du klagst und unzufrieden bist auf Deine Rechnung, so werde ich stillschweigend denken, das sind Ausgaben am unrechten Ort, bist Du es auf meine Rechnung, so werde ich zahlen, solange es reicht. Willst Du mit der Welt länger Dein Wesen treiben, so werde ich zufrieden sein mit dem, was übrigbleibt, aber sei versichert, sooft Du der Welt in die Backen kneipst, gibst Du meiner Liebe einen Nasenstüber; das Resultat von allem diesem ist, daß ich Dich sehr liebe, daß ich aber meine Liebe zu Dir noch gar nicht auslassen kann, weil Du sehr oft nicht zu Haus bist, und sie sich darüber aus Verdruß den Kopf einstoßen oder Dir ein Fenster einwerfen könnte – letzteres wahrhaftig nur als ein Zeichen, daß sie dagewesen und Dich nicht getroffen, sondern Dein Fenster. – Meine Idee, am Rhein von der Schicklichkeit der Unbequemlichkeit entfernt, alle Geschicklichkeit zum bequemen Leben zu vereinigen und zu singen, zu dichten, auf dem Wasser zu fahren, Dich zu herzen und glücklich zu machen, ist jetzt mein festester, schönster Wunsch, wenn Du mich einstens allein und in der Einsamkeit sehen wirst, dann wirst Du mich lieben, denn ich habe noch Stellen in meiner Seele, die Du nie betreten, und es sind eben jene, vor denen Du Dich jetzt fürchtest, über den Schätzen ruhen die schrecklichen Hunde und wehen die giftigen Flammen, daß nicht die geizige magere Kralle gewöhnlichen Lebens ergreife das Kleinod, daß nicht die läppische kindische Neugierde schände des Ringes zaubernde Heimlichkeit. Willst Du mir trauen, will ich Dir bauen ewige feste Schlösser auf Wolken, willst Du mir leben, will ich Dir geben Schätze unsichtbar lebenden Toten, willst Du mich lieben, will ich Dich üben, hoch auf Kristallen zum Himmel zu wallen, willst Du mich küssen, will ich Dir büßen, Deine und meine sterbliche Schuld mit Engelsgeduld, willst Du mich erben, will ich Dir sterben und Dir hienieden lassen den Frieden, und knien dort oben, bei Gott Dich zu loben, all diese Reime ehre wie Keime liebender Saat, die sich wird mehren zu goldnen Ähren und Deiner Ernte, liebe Entfernte, gerne sich neigen, wolle Dich zeigen, liebliche Schnitterin, laß mich nicht fruchtlos bieten das Herz. Sind das nicht Vorschläge zur Güte, meine unkluge, verdrießliche kleine meine Deine? Aber auf alle Fälle sei auch nicht böse darüber, daß ich Deinem Zürnen über mich weiter gar kein Gehör gebe und Dich versichere, Du magst es glauben oder nicht, daß ich auch gar nichts von allem, dessen Du mich anklagst, als gerecht anerkenne, daß ich mich ohne alle Schuld fühle und eben deswegen recht zufrieden bin. Ich bitte Dich, glaube mir, lasse die Leute reden, es sind lauter Lügen, schreibe mir, wann Du kommen willst, wann ich Dich holen soll, ob ich Dir Geld schicken soll, und vor allem, daß Du mich liebst, daß Du mein Weib werden willst, daß Du mich nicht mehr quälen oder vielmehr Dich zufrieden geben willst. Dein sehr zufriedner, durch Deine Schwäche übelbeschiedener Liebender

Clemens.

Wenn ich gleich in diesem kleinen Brief an Dich mich kurz gefaßt habe, um Dir in dem engen Raum alles zu sagen, was ich wußte, so schmerzt es mich doch, daß ich nicht mit kleineren Buchstaben und in dichtern Zeilen zu schreiben gewohnt bin, um Dir mehr gesagt zu haben, ich weiß, daß alles Weiße in dem Brief eines Geliebten unleidlicher ist als die Torheit in demselben, ja, in den Augen der Geliebten scheinen die weißen Stellen unerträglicher als ein Stäubchen im Weißen des Auges, das Schwarze ist das Freudige, das Weiße das Traurige, aber so hätten meine Briefe es den Deinen zuvorgetan und meine Augen die Deinigen besiegt, o wolle meiner Liebe, meinem Schmerze gerne unterliegen, und gönne mir meine Augen, liebe meine Augen, ohne doch eine Augendienerin zu sein, denn ich brauche sie nötig.

Ach, wann seh' ich fremde Flaggen,
Gerne will ich beide (Augen) geben
Um ein Augenglas für Ama,
Daß sie meine Tugend sehe.

Daß Du so langsam zu Werke gehst, mich zu lieben, mich zu schätzen, ist mir oft ein Trost, denn so nur fühle ich, daß ich unendlich schnell im Vortrefflichen fortschreite, wie man die Schwelle der Bewegung an dem Zurückbleibenden bemerkt, unschätzbarer, unerreichlicher Klemens, wie schätze ich mich glücklich, daß Du abgeholt hast, wird das geringste sein, womit ich mich von Dir werde befriedigen lassen, wenn ich Dich wieder in den Armen halten werde. Du kannst Dir diese kleine Anrede in Reime bringen, Reime sollen das Gedächtnis sehr unterstützen, und Du bist eben so vergeßlich als unvergeßlich, ebenso nie zu verlassen als unzuverlässig. Wenn Du nun diesen Brief gelesen hast, der nichts will, als von mir sprechen, nichts will, als Dir von dem Besten, was Du auf Erden hast, sprechen, und Dein Herz pocht Dir nicht aus Liebe zu mir, und Du sehnst Dich nicht nach mir, und Du liebst mich nicht mehr als je, liebst mich nicht, wie ich Dich, und melierst mich ferner mit der Ahlefeld, was Dir als Strafe anzutun, soll ich Dich dann aufgeben? Ach, strafen! wie kann ich Dich strafen? Deine Strafe sei, weit in der Ferne, Deine Strafe sei das Dir alsdann sicher unausbleibliche Gefühl, das Dich einst quälen wird, Du habest keinen Tropfen Liebe im Herzen, Du habest nie meine Liebe verdient und werdest sie nie verdienen. Sophie! Die Natur hält still unter dem Augenglas des Physikers und ist noch unergründet, das Gemüt eines Menschen hält nicht still, und Du willst es beschuldigen, o Sophie, sieh mich mit liebenden Augen an, wie ich Dich, und Du wirst mich verstehen, wie ich Dich verstehe, lebe wohl, sei ruhig, Engel –

Clemens.


An Sophie

[Frankfurt, den 7. Oktober 1803]

Liebe Sophie!

Ich beantworte Deinen traurigen und gütigen Brief, Du willst, ich soll Dich beruhigen, erheitern, leichtsinnig machen, und ich kann Dir nichts sagen, als daß ich Dich unaussprechlich liebe – doch hier ist ein Punkt, auf dem ich Dir vielleicht jenen Unmut gegen das Leben, und die Verachtung, die ich oft für das Schonungswürdige habe, und jenen mir längst nicht mehr schrecklichen, bloß scheinbaren Frevel, etwas verständlicher machen kann. Sieh, Du gütiges, vortreffliches Weib, es steht ein Schicksal über den Menschen, die bedeutender sind, das Schicksal der Unbedeutenden ist die Ordnung der Dinge, das Schicksal, das über mir steht, empfand ich schrecklich, jetzt läßt es mich ruhig, denn ich habe ein einziges, was mich unbeschreiblich liebt, Dich, seit ich es glaube, daß Du mich liebst, seit den letzten Tagen unsers Umgangs, seit Deinen Briefen ist kein Unmut, kein Frevel mehr in mir, und ich kann auch nicht mehr unglücklich sein; das, was mich von jeher verfolgte, war nie etwas anders als der nämliche Schrecken, den Dein trauriger Brief über mich brachte, stelle Dir einen armen Diener vor, der seinen Herrn unaussprechlich liebt, und der, eines Diebstahls beschuldigt, seinen Schrank eröffnet, und man findet das gestohlne Gut bei ihm, und er schweigt, fühlt seine Unschuld, fleht dennoch um Verzeihung, der Herr verzeiht ihm, aber bald findet man auf ähnliche Art das gestohlne Gut bei ihm, und ein solches Schicksal folgt ihm ewig, soll diesem nicht verziehen werden können, wenn ihm alles gleichgültig wird, wenn ihn jedes Vertrauen, jede Liebe, zu der stillschweigenden Empfindung bringt, »Du wirst mich doch bald mit Füßen treten«? Soll ein solcher Mut haben, zu lieben, der Frevel, der in mir war, war nicht gegen das Heilige, denn ich hatte das Heilige schon längst in mein Herz gerettet und vor mir selbst, vor meiner Verachtung gegen mein Geschick in Sicherheit gebracht. Sieh, Sophie, ich liebe Dich unaussprechlich, während Du über mich weinst, ich könnte hier um Dich zugrund gehen, während Du dort durch mich zugrund zu gehen glaubst – das ist mein Geschick, so steht mein Leben meistens, und ich habe es jetzt bezwungen, um die Sache Dir noch deutlicher zu machen, um Dir zu beweisen, wie so etwas zur Verzweiflung bringen kann, so wisse, wenn ich oft erfahre, daß der Mensch, den ich unendlich liebe, von dem ich das Meiste erwarte, der mir das Symbol alles dessen, was das Meinige ist auf Erden, in demselben Augenblick meiner Liebe, alle Ursache mich zu hassen fühlt, so kann ich ja leicht denken, daß das Widersinnige, Vernichtende unser Schicksal sei, und das ebenso, wie man mich unrecht haßt, ich unrecht liebe, da ich aber doch die Liebe im innersten, tiefsten Herzen fühle, so kann ich mir selbst nicht mehr trauen und muß verzweifeln. – So habe ich lange gelebt, bis ich geglaubt habe, daß Du mich liebtest, da hat sich das alles verwandelt in unendlicher Begierde, zu ewigem, innigem, einsamem Vereinen mit Dir, das ist, was noch in mir feststeht und ewig feststehen wird, ich sage Dir nichts zu meiner Entschuldigung, als daß ich Deinen Brief ruhig gelesen habe, den traurigen zuerst, dann den folgenden, dann habe ich mit inniger Rührung Deiner Liebe, Deiner Güte gedacht und bin sehr ernsthaft geworden, o Sophie, lasse Dich durch das Gerede der Menschen, die alle meine Worte zu Pfeilen gespitzt Dir wiederbringen, nicht von mir wenden, von mir, der Dich so unaussprechlich liebt. Ich habe alle meine Briefe an Betinen durchlesen, keiner enthält eine Silbe von dem, was Dir wiedergebracht ist, es müßte denn einer aufgefangen sein, keiner enthält überhaupt etwas, was Dich drücken könnte, sie selbst hat nie davon etwas geäußert, doch ist es möglich, daß während ihrer Krankheit man ihr teils aus Neugierde, teils aus Begierde, die Ursache ihrer Melancholie zu ergründen, einige der Briefe entwendet hat. Was die gutherzige Besorgung meiner Großmutter um Dich angeht, so paart sich das recht gut mit ihrer Wäscherei über Dich. Doch das Ganze langweilt mich, und ich wende mich nur zu Dir zurück, Du armes Herz, krank mußt Du ohnstreitig gewesen sein, Dich so heftig dem Kummer zu überlassen, in dem Augenblick, da ich Dich so sehnlich verlange, da ich Dich so innig liebe, Du zürnst mit mir über die Folgen meines schwankenden Gemüts, da es schon lange nicht mehr schwankt, Du hattest mir längst verziehen, dessen Du mich als Folge von neuem beschuldigst, ich versichere Dich bei meiner Liebe zu Dir, bei dem Einzigen, was ich werde ehren und schonen können und wollen, wenn niedrige Verleumdung mir Dein Herz nimmt, ach, bei dem Richtpunkt, dem einzigen in mir, bei meiner Hoffnung auf Dich versichere ich es Dir, daß ich nie ein ehrenrühriges Wort von Dir geredet, kein Weib, keine Jungfrau darf sich dessen schämen, was ich je von Dir gesprochen, und jener Zirkel, der aus meiner poetischen Neigung zur Mutter und der gerechten, billigen Liebe zur Schwester gewisse blutschänderische Anekdoten gebildet hat, kann Dir wohl auch meine übrigen Äußerungen so auffrischen, Gott gebe für die Ruhe solcher Armseligen, daß ich nicht einmal durch die Tapete steche, wie Hamlet nach der Maus. Liebes Weib, Du hast mir seit den letzten milden Tagen unsers Umgangs, von welchen an ich unsre Liebe datiere, seit unserm freundlichen Briefwechsel nichts zu verzeihen, seit Du mich liebst wie ein Kind, seit ich das Göttliche, ewig Unschuldige und Jugendliche in Dir verstanden habe, seit ich Dich unaussprechlich liebe, hast Du mir nichts zu verzeihen. Ich bitte Dich, laß alle meine Sünden vorher, diese Kinder des Zweifels, ebenso in den Flammen der Liebe vernichtet sein, wie so manches Wort meiner frühern wahnsinnigen Leidenschaft zu Dir sich zur Asche verwandelt hat. Ich habe Dir eine Ode gegeben, es heißt, glaube ich, Meine Götter, dies Lied spricht aus, was ich glaube. – Da ich mit Tränen in den Augen Deinen Brief las, trat Betine freudig herein mit einem festlich geschmückten Teller, der einige Geschenke für Dich von mir enthielt, sie hatte alles besorgt und, um mir eine Freude zu machen, die letzten Blumen ihres kleinen Stubengartens dazu gebrochen, sie liebt uns beide sehr herzlich, Du kannst Dir denken, wie traurig mich das Geschenk machte, in dem Augenblick, da Du mich von Dir stießest, weil einige alte Weiber und Hofinsekten Dich insultierten, und zwar unter meinem Namen. Ach, Sophie! stoße unser Glück nicht um, denn in mir ist eine selige Zukunft. Mein letzter Brief enthält mein Anerbieten, Dir Geld zu geben, damit Du früher aus Weimar wegkommst, ich bitte Dich, nehme es an, komme bald, verlasse den Ort, wo man Dich mir entreißen will, komme in meine Arme, wo allein Dein Glück, Deine Freude, Deine Ruhe wohnen wird; ach, wenn Du meine Angst wüßtest! Kann ich eine Minute ruhig sein, da ich nun in jedem Augenblick denken darf, Du liebst mich nicht mehr, Du seist krank, traurig? – Nichts hindert mich, Dich in jedem Momente in Erfurt abzuholen, oder in Weimar, wo Du willst, nichts kann Dich hindern, Geld von mir anzunehmen, da alles, was ich habe, Dein ist, Sophie, sei nicht delikat auf Unkosten unsers Glücks, ich fordre Dich nochmals zu mehr auf, ich fordre Dich auf, mein Weib zu werden, ich versichre Dich, Du wirst es doch über kurz oder lang. – Heute übergab ich dem Postwagen eine Schachtel für Dich, die einen Schleier, eine Tasse, die aus der Schweiz durch Georg seine liebe unschuldige Frau mitgebracht wurde und die sie mir heimlich für Dich gab, und dann noch ein Halsband, wie es die Weiber hier tragen und das Betine für Dich gemacht hat, ich hoffe, daß Du Dich über meinen Wunsch, Dir Freude zu machen, freust und wieder recht gütig gegen mich gesinnt wirst. Was die Novellen angeht, so habe ich italienische von verschiedenen Verfassern mehrere Bände, und daß Du die spanischen angebracht hast, ist recht schön. Ich denke, was Marburg angeht, so wollen wir uns nicht sehr fest dort ansiedlen, denn ich bin fest entschlossen, am Rhein auf dem Punkt, der Dir und mir gefällt, schon das nächste Frühjahr ein kleines Gut zu kaufen, aber sehr klein, so wie Du und ich. Ich bitte Dich herzlich, freue Dich auf das alles, sei ruhig und höre die Bagage in Weimar nicht mehr an. Mir erscheint alles so deutlich, klar und erfreulich, daß ich keine Deiner Beschuldigungen annehme, ich nehme nur innigen Anteil an Deinem Leid und verfluche die Zungen, die es hervorgebracht, glaube, was Du willst, tue mir Unrecht, tue, was Du willst, nur liebe mich, finde mich wieder, bald wieder, so bin ich doch vor Dir gerettet, denn Du wirst mich lieben müssen, unendlich lieben müssen, ich fühle es, und vertraue Gott. Betine ist jetzt ganz glücklich und froh und gegen mich gar nicht mehr so heftig, sie hat an der guten Frau des Georg eine treue würdige Freundin, und so ist sie dann sehr zufrieden, und ich bin in Hinsicht ihrer ganz beruhigt. Alle Deine Briefe habe ich, alle sind mir unerschöpflich, und ich kann Dich gern Semper Augusta, immer Mehrerin {mD}einer Liebe, nennen. O Sophie! verlasse mich nicht, Gott will, daß Du mein seist, wir sollen einander ergänzen und ein schönes Leben hervorbringen. Zu Deiner Übersetzerei will ich mir jetzt noch mancherlei aus Italien und Spanien verschreiben, meine Pläne sind alle leicht und bequem für Dich. Ich bitte Dich, trenne Dich immer mehr von der großen Welt, trenne Dich von den Freunden, die Dein Vertrauen mit dem Hofe teilen, ach Sophie, ich bin an allem unschuldiger, als Du glaubst. Ich gehe von hier wieder gleich nach Marburg, schreibe hierher oder dorthin, es ist jetzt alleins, bis ich Dir meine Abreise gemeldet. Mit nächster Post mehr, habe mich lieb, vertraue, sei ruhig.

Dein                
Clemens.


An Sophie

[Frankfurt, den 8./9. Oktober 1803.]

Liebe Sophie!

Gestern den siebenten 8bre habe ich Dir geschrieben, ich weiß noch alles, was ich schrieb, ja, ich weiß gewissermaßen nichts, als was ich damals schrieb, und doch bin ich so kühn, schon wieder ganz mutig und unberufen hereinzutreten, und mit einer Miene, die äußerst vielversprechend ist. – Mein Herr, machen Sie keine so bedeutenden Gesichter, denn ich weiß ja sehr wohl, was Sie mir sagen können. – Und das wissen Sie mit einer solchen Gemütsruhe, Madame? – Was ist da viel zu beunruhigen, mein Herr, die ganze Welt liebt – Eben, weil die ganze Welt liebt, pocht jedes einzelne Herz, und eben deswegen soll das Ihrige pochen – Soll? Soll? O ich versichere Sie, wenn ich auch die ganze Welt wäre und man sagte mir Soll, dann würde ich nicht mehr wollen. – O Geliebte, nimm dieses Wort zurück, denn, ach, Du bist ja meine ganze Welt, o wolle Du allein, Du reines liebes Herz, Du nur bist frei und darfst wollen, und ich will Gott loben, daß er durch meine treue Liebe zu Dir den Weg zum Guten leicht gebahnt, denn wie ich liebe, will ich gern, was die Geliebte will, und willst Du nicht das Gute, liebes Herz? – Ja, willst Du nicht das Gute? – O ja, mein Lieber, und eben deswegen Dich nicht; – Du lügst, ich liebe Dich, ich liebe das Gute und strafe Dich mit Küssen für die Lüge, und wenn ich strafe, bin ich doch beinahe ein Künstler, denn küssend strafe ich das Gute für die Lüge und sage so die Wahrheit, ich liebe und küsse das Gute. – Das ist die beste Art zu lieben, lieber Clemens, daß Du die Gleichgültigkeit durch Küsse nicht zu Worte kommen läßt, aber ich ärgere mich, daß ich unrecht haben soll, und will mich Deiner eignen Kunst bedienen – (hier küßt Du mich wieder, und das zwar so lange, bis wir beide zufrieden sind). Und wie schön ist es, daß wir ewig küssen, nie zufrieden sind, sonst könnte ich ausrufen, o Zufriedenheit, wie weit bist du von mir, in ihren Armen selbst bin ich nie zufrieden, o immer mehr und mehr, und dann, mein Kind, tritt ein, ein andres Element, denn wie die Seele zwar der Schöpfer ist, so ist auch das Geschaffne, o weh, die Flammen unsres Willens, sie sind frei geworden, wir waren gütig und gaben an dem Feste die Sklaven frei, und sie mißbrauchten ihre Freiheit, des Feuers Seele ging ins freie Element, und unsre süßen Küsse schmerzen unsre Lippen. – Doch hier auch fühle ich noch meine Allmacht, und selbst in Schmerzen sucht die Liebe Süßigkeit, denn beide sehen wir uns freundlich an und wissen, daß wir beide freudig wünschen, o schmerzten ihre Lippen mich, und wollte sie, daß die meinen ihr wehe täten. – So glücklich, frei und nie gefangen ist der Mensch, er kann noch glauben, daß er jenseits lebt, drum holla, Liebchen, hebe froh den Blick und schau mit Deinen milden Augen hin zu mir, Du weißt ja wohl, daß Deine Augen der Sämann aller Liebesfrüchte sind, und wenn Du nach mir blickst, so fühle ich, daß Gutes sich mir gerne anvertraut, doch zürnen möchte ich, wenn Du dann ungeduldig die Ernte nicht erwarten kannst, wenn Du mit mir allein, die Sonne ewig scheint und unterirdsche Flammen heimlich walten und süßer Tau und Segensregen fällt und Wunderquellen heilsam unten treiben, dann geht in mir die Liebe alle auf, die ungern ich der kalten Welt vertraue, und willst vor allen Menschen Du begünstigt sein von Gott? soll Dir im Augenblick die Jahrszeit Deiner Kinderlaune schwache Mutter sein? Wo ist der Mensch, der seinen Garten kennt? Wir bauen alle, keiner weiß wohin, und selbst die Frommen kennen nicht ihr Hochzeitsbett, o klage nicht, daß die Welt nicht richtig zahlt, denn Gott, der beste, den wir haben, selbst verspricht den Lohn auf unbestimmten Termin. Sage, was Du willst, tue, was Du willst, ich fühle eines nur auf Erden, ich liebe Dich, wie sehr ich lieben kann, und mehr zu lieben kann ich gar nicht wünschen. – Mein Herr, haben Sie gute Augen – ich weiß es nicht, nur dessen bin ich gewiß, daß ich nie bessere, nie schlechtere hatte –, und also sei zufrieden, schreibe, liebe, komme, denke mein, ich will Dir von mir nichts versprechen, dazu kann ich gar nicht kommen, weil ich mir so viel von Dir verspreche, halte mir Dein Wort, gut Nacht, bis Montag mehr, die nächste Woche gehe ich wieder nach Marburg, schreibe mir bald.

Dein                
Clemens.

Dieses Liebesgeschwätze schwätzte ich gestern Abend zwischen Hell und Dunkel mit Dir, da ich aber auf das Comtoir kam, war die Post weg. Ich fahre heute also fort, Dir zu schreiben, denn morgen geht die Post wieder zu Dir, und vielleicht habe ich morgen früh einen Brief von meinem lieben Weib. Wenn Du nur recht beständig, so recht eigensinnig beständig in Dir werden könntest wie ich, dann wäre es eine rechte Herzenslust mit uns beiden. Ich kann Dir nicht, gar nicht recht beschreiben, mit welchen angenehmen Empfindungen mir der Gedanke an unsre Verbindung verknüpft ist, es ist mir, als träte ich in ein vertrauliches warmes Stübchen, zu einem geistvollen, lieben, erfindsamen Freund, der sich nach langem Herumstreifen häuslich niedergelassen und alle Abenteuer, alle Erfahrungen zu verzierenden Trophäen seiner sinnvollen Einsamkeit gemacht hat, zu diesem trete ich von einer langen Reise zurückkehrend herein, er liebt mich, es ist mir wohl, und wie wir uns alles erklären, so fühlen wir, daß wir ewig beisammen waren, daß wir alles miteinander erlebten. Kannst Du dies Gefühl teilen, liebe Frau, so weißt Du, wie wir miteinander leben werden, so weißt Du, wie ich zu leben wünsche, seltsam ist es, daß ich allen Empfindungen vorgreife, z. B. den Winter in Marburg überhüpfe ich immer, wenn ich an uns denke, und denke bloß an den Rhein. Wie wir dort alles einzurichten haben, daß wir nicht verschwenden, daß wir Überfluß haben und sich unsre Mittel doch nicht verringern, weiß ich noch nicht bestimmt, es ist bös, daß ich kein Rechner, kein Ökonom bin, es wäre dann das beste, ein kleines Gütchen zu haben, das uns grade alles abwirft, was wir in Küche und Keller brauchen, mein übriges Geld legte ich dann auf gute Zinsen, und wir sparten uns etwas dann und wann zu einer kleinen Reise. Wenn Du guten Willen und Liebe hast, wird das alles noch einzurichten sein, und wenn ich glücklich, einsam und geliebt bin, werde ich wohl auch etwas Gutes schreiben können. Alles hängt nun von Dir ab, ich kann nichts verderben, nichts gutmachen, denn ich habe weder Neigung zum Guten noch zum Bösen, ich bin ganz unschuldig und weiß beides nicht zu unterscheiden, nur etwas fühle ich fest in meinem Herzen, eine große Liebe zu Dir, einen festen liebenden Wunsch, Dich froh und glücklich zu sehn, die Begierde, von Dir mit allem Glauben, aller Treue umarmt zu werden, die Begierde, Dir deutlich, teuer, alles zu sein. Sophie, begreife mein Herz, schau mich allein an, lasse Deine Maul- und Gesellschaftsfreunde, liebe mich, teile alles mit mir, sei mein Weib. – Kann das alles nicht sein, so sage es bald, ich will Dich dann bemitleiden, ich will klagen, daß Dein Sinn so befangen ist, daß Du das Einfache nicht mehr verstehen kannst, und ohne dann länger mein Leben mit einem verlornen Wesen zu versäumen, will ich in die Welt gehen, zu suchen, was ich verloren habe, und wenn es auch der Tod sein sollte. –

Du hast mir in Deinem letzten Brief geschrieben, daß es bei uns hier im Haus sehr unausstehlich sein müsse, was Du durch mich davon weißt, muß Dir freilich einen solchen Eindruck gemacht haben, und doch bin ich versichert, wenn Du mit Deiner Weise, die Menschen zu berühren und anzuschauen, hier lebtest, Du würdest meine ganze Schilderung Lügen schelten, Du würdest finden, daß Dir nirgend freiere, genialischere, gutherzigere Menschen vorgekommen wären, Du würdest sie überall vermissen, immer wieder zu ihnen zurückkehren wollen, und endlich würdest Du, wie ich, an ihnen verzweiflen, denn das ist eben das Verzweifelte, daß man immer lieben und ertragen, hassen und bewundern muß, durch den ewigen Zweifel getrieben, wird die Liebe ganz selbstisch, man wünscht in dem andern etwas Festes, und wäre es auch etwas Schlechtes zu entdecken, nur um irgendwo den Fuß seines Gedankens fest aufsetzen zu können, eine solche Gelegenheit wird Dir keinen Augenblick fehlen, aber kaum ruhst Du aus in dieser Eroberung, so hast Du gewiß schon derselben Person sehr unrecht getan, sie verzeiht Dir mit unendlicher Liebe, und diese löst sich wieder in eine kalte Bravourarie, oder das Gegenteil, in ein schönes Lied. Ein Glied dieses mit sich selbst spielenden, zuckenden, küssenden, lachenden, weinenden Körpers zu sein, ist sehr betrübt, ihm aber ruhig zuzusehen, vielleicht das interessanteste menschliche Schauspiel, und so sehe ich dann, daß das Interessanteste selbst ermüden kann, und habe mich mit allen meinen Sinnen zu dem Schönen, zu Dir, liebes Weib, gewendet im Leben, wie in diesen Zeilen, willst Du mich auch freundlich aufnehmen, willst Du mich lieben und Dir nicht mehr beschwerlich fallen mit unnützen Klagen, ach, wer die Natur begreift, den quält das Wetter nicht, so sei denn freundlicher, leichter und habe nicht so viel Bagage. – Soeben erhalte ich Deinen guten, sanften Brief ohne Datum, er folgt jenem vom vierundzwanzigsten, wenn er gleich den Anstrich einer Rekonvaleszente etwas hat, so ist er doch so mild und fromm wie meine liebe Sophie. Du bist so still, mein Kind, in diesem Brief, ohne doch kleinlaut zu sein, o ich habe alle Ursache, Dich zu lieben, aber um eines nur werde ich Dich nie zu bitten aufhören, ich werde Dich immer bitten, mein Weib zu werden, o liebe Sophie, warum willst Du nicht mitwirken, alle Hindernisse, alle Mißverständnisse aufzuheben, wollen wir dann nicht ungestört zusammen und glücklich sein? – Ich habe Dir in meinen letzten Briefen Geld angeboten, Du hast mein Anerbieten angenommen, doch verstehe ich Deinen Ausdruck nicht, »ich will lieber Deine als eines andern Schuldnerin sein«. Hast Du denn von jemand Fremdes Geld borgen wollen, oder meinst Du die Leute damit, denen Du in Weimar schuldig bist? darüber schreibe mir doch, denn ich möchte gern überhaupt von Deinen Finanzen und Deiner ganzen bürgerlichen Lage unterrichtet sein. Weiter sagst Du mir, dies wird für meine Ausgaben hier und meine Reise hinreichen, ich soll Dich also nicht abholen, wenn Du mit diesem Gelde bis nach Marburg kommen kannst, so ist dies freilich gut, und wir können dann die doppelten Reisekosten sparen, erschrick nicht, liebes Weib, über den Ausdruck sparen, ja, ich will diese Kunst lernen, damit das Leben freigebig gegen Dich erscheine, ich will allen andern Menschen das Meinige soviel als möglich ableiten, um es in Dir zu versammlen, und eben deswegen bitte ich Dich nochmals recht herzlich, Dein ganzes Leben soviel als möglich mit mir zu verbinden, damit wir unsre Ausgaben übersehen und ordnen können, es wird Dir dadurch der Vorteil entstehen, daß Du nicht mehr so ängstlich ums Brot arbeiten darfst, und ich selbst werde durch die Ordnung, die ich von Deiner Liebe hoffe, noch weniger brauchen als bisher. Wenn Du nur einen Augenblick in mein Herz schauen wolltest, könntest, so kämst Du nach Marburg nur allein, mein Weib zu werden und mit mir zu wohnen, Du glaubst nicht, was diese Idee mein Herz beruhigt und welche heitere Aussicht mir nur auf diese Weise sich öffnet. O liebe Sophie, widerstrebe meiner Ahndung, diesem einzigen heiligen liebevollen Wunsch meines Herzens nicht länger, nur auf diese Art verbunden, können wir froh und glücklich und ungestört leben. Ich weiß nicht, wie es ist, aber ich fühle meine Scheu, anders mit Dir zu existieren, ich fürchte, ich gebe, ohne so zu verfahren, allen Gerüchten von Dir und mir eine böse Waffe, ach Sophie! ich habe Dich schon so darum gebeten in meinen vorigen Briefen, mein Herz tut mir wehe, weiter davon zu sprechen, schreibe mir hierüber etwas Beruhigendes, ich bitte Dich um Deiner lieben, gütigen Liebe willen. Was die Geldsache angeht, sage ich Dir folgendes, ich bin bereit, es ungefähr in vierzehn Tagen an Dich abzuschicken, ich würde es gleich tun, aber ich will erst meine Rechnung mit meinen Brüdern ganz abschließen. Doch bitte ich Dich, mir auch zu schreiben, was Du für Einnahme auf diesen Winter hast, da Du doch manche außerordentliche Ausgaben wegen Deiner neuen Einrichtung zu machen hast, auch schreibe mir nochmals, ob ich die Bettladen soll machen lassen, ob ich Dir Holz kaufen soll, ob Du mich lieben, mir leben willst, ob ich gut, ruhig, glücklich sein soll. Dann schreibe auch noch bestimmt, wenn Du abreisen willst, wie Du Deine Sachen senden willst, damit ich Dir alles anzeige, was weiter zu tun ist. Damit Du mir nichts von allem dem zu vergessen brauchst, so lege meinen Brief hübsch neben den Deinen und antworte recht ordentlich auf alles. Was man von mir und Deiner Magd erzählt hat, das nehme als Motto für alles andre, was man Dir erzählt hat, doch liebes Weib, Du hast sicher (verzeih mir) das Schlechteste dabei gesprochen, Du schreibst in Deinem Briefe, »Aber desto besser, wenn es wahr ist«, das ist sehr betrübt von Dir gesprochen und gefrevelt, ich bitte Dich, lasse solche Reden sein, denn sie kränken mich und nicht das Geschwätze der Welt, das Dich gekrankt hat. – Hierzu füge ich noch, daß ich Dich bitte, mit solchem Lumpenvolke, das solche Schweinereien redet, nicht umzugehen oder mich wenigstens nichts davon wissen zu lassen, wenn Dir meine Ruhe lieb ist. –

Du wirst aus meinen frühern Briefen wissen, daß ich nirgend, als zu Frankfurt bin, und daß Du ruhig und unaufhörlich nach Marburg zu schreiben hast, wo ich in einigen Tagen sein werde, o entziehe mir Deine Briefe nicht, sei wie ich, schreibe aus allen Ecken des Herzens zusammen, denn wenn Du nicht das tiefe Bedürfnis zu geben und immer zu geben hast, so liebst Du nicht, wenn Du nicht die schweren Arbeiten der ehemaligen Liebenden umeinander verstehen kannst, so liebst Du nicht, und was ich Dir sage, nimm es als Wahrheit, hättest Du mich je fest und stät so geliebt, wie meine Leidenschaft es erforderte, hätte ich Dich je ganz ungestört, unverdreht, wahr und voll kindlichem Vertrauen gefunden, so würdestu nie mich zu beschuldigen gehabt haben, wie Du es noch vor kurzem und mit Unrecht tatst, denn seit ich Dich kennen kann und mag, seit Du meine Liebe beantwortest, mich verstehst, habe ich Deine Liebe wie mein Aug bewahrt, und wenn ich alles, dessen Du mich in Hinsicht Deiner je beschuldigt hast, ruhig erwäge, so fühle ich mich ohne irgendeine eigentliche Schuld, jung, ohne Erfahrung, eigentümlich, mit einer unendlichen Leidenschaft, einem verwirrten, undeutlichen, lieblichen unglücklichen ect. Weib hingegeben, fühlte ich mich oft mißhandelt, vernachlässigt, und gegen alle Welt offen, habe ich nie aus Rache, immer aus Schmerz geredet, aber nun, da ich Dich nur glaube und nicht die Menschen. Nun Sophie, da Du mein, mein allein bist, da Du mich liebst, da ich etwas besitze, ehre, liebe, o nun vertraue, liebe und sei fröhlich. Nochmals bitte ich Dich, und alle meine Briefe sollen Dich bitten, und mein erstes Wort des Wiedersehens soll es sein, o werde mein Weib, beruhige mich, sei Du es nicht, die mich zu der ersten absichtlichen Unordnung bringt. Lebe wohl, mein Engel, und schreibe mir bald, ich lebe nur durch Deine Briefe. Dein

Clemens.

Schon wieder kein Wort, ob Tieck die Büste wegsandte.



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