Clemens Brentano und Sophie Mereau
Briefwechsel zwischen Clemens Brentano und Sophie Mereau
Clemens Brentano und Sophie Mereau

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An Sophie

[Frankfurt,] den 20. 7bre 1803.

Lieber Sophus!

Wenn Deine Neckerei, mir zu sagen, ich liebte Dich nicht, auch in Dir festgewurzelt sein sollte, so darfst Du doch nicht klagen, daß ich Dir nicht schreibe, und das tut mir beinahe leid, denn wenn Du darüber klagtest, so hätte ich doch eine Zeile von Dir. Ich selbst muß immer an Dich denken und den ganzen Tag von Dir sprechen, meine kleinen Schwestern sind so kindisch, daß ich ihnen sogar sagen soll, wieviel Kleider Du hast und ob Du kurze oder lange Ärmel trägst. Betine räumte heute ihre Kommode auf und suchte Dir etwas zu schenken, sie nahm ihr bestes Halstuch und gab es mir für Dich, zeigte mir alle ihre Kleider mit den Worten, wenn ich sterbe, bekömmt der Sophus alle meine Lappen, alles, was ich von weiblichem Geräte besitze. Ich zweifle nicht, daß ihr euch liebgewinnen könntet, auch könnte ich glauben, daß ich Dich sogar mit vieler Freundlichkeit von meiner Familie könnte empfangen sehen, wenn in dem Ganzen nicht eine so fürchterliche Trennung herrschte, die nun durch die Heurat des Georg vermehrt ist, zwei Haushaltungen von ganz verschiedenem Charakter an einem Tisch, aus einer Kassa, und das ganze Haus mit einer Menge melancholischer, geschwätziger, delikater, alten Jungfern, hysterischen Kusinen, die wie die zwei Chöre von Messina kämpfen. So wird Dich dann niemand sehen als Betine, zu welcher wir auf irgendeine Art gelangen wollen. Die Hauptquelle, ja der eigentliche Ursprung des ganzen Gehetzes über Dich ist meine Schwester Gundel, die am mehrsten gegen Dich geeifert, und das aus reiner Langeweile, und weil sie fürchtet, Du möchtest ihr den Savigny in Marburg etwas abspenstig machen, dann noch die edle Frau von Laroche, die an sich eins der niederträchtigsten Weiber ist, sie sprach immer leidenschaftlich Gutes von Dir und hängte dann mitten die lächerlichsten Verleumdungen hinein. – Das war unsrer Aufmerksamkeit nicht wert, denn eigentlich bekümmert sich kein Mensch um die Sache, und sind wir beide außer Betinen den übrigen ganz uninteressant. Auch ist der Lärm in Frankfurt bloß durch Briefe an Moriz Bethmann von Weimar durch die Löwenstern und Gundel entstanden, nachdem ich an Betinen geschrieben hatte, ward sie sehr bald wieder ganz zufrieden, und im Schlangenbad war sie äußerst froh und glücklich. Nichts ist mir wunderbarer als die große Begierde Betinens durch die unwegsamsten Pfade, über Klippen und Felsen, durch dick und dünn mit der größten Lust zu spazieren, ich glaube, daß Du ihr nicht nach könntest, ach, ich hoffe, Ihr werdet Euch sehr liebgewinnen. – Ich sitze in diesem Augenblick in einer ungeheuren Werkstatt der Goldmacherkunst, dem Comtoir meiner Brüder, wir sind gestern von Wiesbaden hierhergefahren, mein Bruder Franz besuchte dort seine Frau, und ich und Betine gingen mit zurück, die Frau meines Bruders Georg gleicht dem Kind der Liebe einer Schäferin und eines Jägers, dessen Amme eine Silphyde war. Sie ist ein rechter Unschuldsengel. Da ich gestern in den prächtigen Stuben des Georg saß, ward mein Herz immer beklommener, wie doch alles Lebendige zu Gold wird, es war mir, als wenn mein Herz auch sich verwandeln sollte, ich mußte heftig weinen und nach meiner Kammer gehn, Betine saß allein bei mir, und an Dich dachte ich, lieb Herz, daß ich noch keine Zeile von Dir habe, und habe Dir doch so viel und freundlich geschrieben. Oft ergreift mich eine große Angst, Du liebtest mich nicht mehr, o teuer Weib, Du vernichtest mich, wenn Du mich verläßt, mein Leben hängt mit Dir zusammen, schreibe, o schreibe.

Clemens.

Ehe dieser Brief an Dich abgeht, weiß ich schon, ob Du mir geschrieben hast oder nicht, und erhalte ich keinen Brief, so werde ich sehr traurig aus Liebe, sehr zornig aus Unmut und etwas sehr bitter aus Gerechtigkeit werden, also sehe Dich, wenn Du diese Worte liest, einstweilen vor, wenn Du kein gutes Gewissen hast. Ich habe jetzt einen poetischen Plan zu einem Almanach, der ein Gedicht von mir enthalten soll, welches nichts anders ist als ein Almanach selbst, und zwar der meinige, das Ganze ist ein Schauspiel in vier Aufzügen, den vier Jahrszeiten, jeder von drei Aufzügen, den drei Monaten. Der einzige Schauspieler bin ich, ein Wahnsinniger, welcher glaubt, die Natur sei nur eine Kulisse, in dem Prolog mache ich mir die ungeheuersten Versprechungen, da ich aber auftrete, so bin ich allein da und keine andre Person, die Leute, die ihrer Arbeiten wegen das Feld besuchen, erklären mich alle vor unklug, nur in die öffentlichen Feierlichkeiten, Johannisfeuer, Weihnachten, mische ich mich, an Deinem Geburtstage baue ich ein Osterlamm von Schnee, Deinen Namenstag feire ich, Du kömmst auch drin vor als reisendes Kind, welches ein Abenteurer ist, und endlich bescherst Du Dich mir zu Weihnachten, ich liebe die ganze Idee und gedenke sie gar nicht oder vortrefflich auszuführen, denn ich halte sie für meine schönste und tiefsinnigste Erfindung. – An Dietrich habe ich wieder zweimal geschrieben und keine Antwort erhalten, ich tue es heut zum letztenmal, und wenn er wieder nicht antwortet, so mache ich sein Verfahren in den öffentlichen Blättern bekannt. – Ich habe eben auf dieser Seite noch mit Dir gescherzt, ob Du mir schreiben würdest, ich habe nicht vermutet, daß es so kommen würde, Du hast mir nicht geschrieben, das erbittert mich nicht, aber es kränkt mich tief, doch Du verdienst nicht, daß ich Dir sage, wie es mich schmerzt, von mir erhältst Du keine Zeile, ehe Du schreibst.

Clemens.


An Sophie

Frankfurt, 22. 7bre [1803].

Liebe, gute Sophie!

Ich habe Deine beiden langersehnten Briefe auf einmal hier erhalten, ich habe sie beide mit viel Ruhe, ohne alle Heftigkeit erbrochen und mit einer Rührung und einer Stille der Seele gelesen, die mir lange nicht erschienen ist. So liebst Du mich dann, so wird dann mein Leben durch Dich bestimmt, mein Blick gerichtet, mein Herz beruhiget werden. Ich lerne Dich durch diese Briefe ganz kennen, o geliebtes Weib, wie bist Du froh, unschuldig, treu und wahr, wie sind Deine Hände gesegnet, o halte mich fest umschlungen, der Segen komme auch über mich. Ich habe eine Empfindung in mir für Dich und für das Leben, der Du vielleicht unrecht tust, wenn Du Dich vor ihr fürchtetest, es ist wunderbar, aber ich will sie Dir erklären, es ist mir, als ging ich mit Dir ernsthaft durch die Straßen einer Stadt, Du weintest, wir gingen zum Tore hinaus, es ist Nacht, ich setze mich auf einen Hügel mit Dir, und Du blickst weinend zurück nach der Heimat, ich sehe nach den Sternen und halte Dich in den Armen, und in Deinen Tränen schlummerst Du ein, nun wende auch ich die Blicke zur Stadt zurück, und eine tiefe Trauer um das Vergängliche löst auch meinen Tränen ihre Bande, gehet hin in die Freiheit, ihr tröstenden Gesellen der Leidenschaft, aber die Nacht wird finsterer, und die Stadt versinkt in der Nacht, und da der Morgen kömmt, sind wir allein auf der Erde, und sie ist das Paradies, aber wir werden nicht vom Baum der Erkenntnis essen, wir werden unschuldig bleiben. Was Du über meine Begierde nach Abgeschiedenheit, nach einer eignen Welt klagst, ist nicht ganz von Dir verstanden, es heißt nur, ich werde ein Dichter sein, wie ich einer bin. Du siehst mich manchmal so prosaisch an, liebe Seele, und tust mir unrecht, ich ehre und liebe alle Menschen, aber ich kann ihr Leben nicht verstehen, sie haben keine Frömmigkeit, keinen Sinn, keine Tugend, wenn ich mich ihnen ergebe, so bin ich wahr und gebe ihnen mein Heiligstes, aber sie wollen mich nur in Versuchung führen und sind mit mir, wie der Teufel mit Jesus auf dem Felsen war, oder sie ehren mich nicht und schimpfen, weil sie mich für einen Protestanten halten, auf meine Religion, die sie nicht kennen, und begehren noch Dank für Mißhandlung. Doch ich bin ruhig, aber nicht lustig, denn ich liebe, liebe Dich unendlich, und bin nicht bei Dir, habe Dich nicht, kann Dir nicht zeigen, daß ein Engel in mir wohnt, der nur dann seine göttlichen Fittiche vor Dir ausbreiten und seine Worte vor Dir reden kann, wenn ich einsam mit Dir, getrennt von der Welt, still und heilig bin. O Sophie, Du liebst mich, aber Du kennst mich noch nicht ganz, etwas ist in meiner Seele, ein unendlicher Schatz, ihn bewachen fürchterliche, tiefsinnige Gedanken, aber es wird sehr bald eine Stunde kommen, in der Du mich unaussprechlich lieben wirst, da werde ich mein Liebchen in mein Herz führen, alle die Schlangen, die Du zu sehen glaubst, werden sich wie Blumen um Dich winden, alle die finstern Gespenster werden Dir zu Brüdern und Schwestern des Ariel werden, die der Zauberei Deiner Liebe zu allmächtigen Dienern werden, und ruhig wirst Du hinabschauen in des Schatzes Ruhestätte, wie in Wogen, die den Sternenhimmel spiegeln, wie in Augen der Liebe, die Dich anschauen, Du wirst das reichste, glücklichste, mächtigste Weib auf Erden sein, denn Du wirst alles vergessen über meiner Liebe, die das Beste auf Erden sein wird. Du wirst leben durch meine Liebe, die das Erfreulichste auf Erden sein wird, Du wirst mich glücklich machen, glücklich sehen, durch Dich, und das kann nur das Mächtigste auf Erden, die Gottheit, und Du.

Ich erschrecke über Deine Nachricht, Du hofftest zu Ende des Novembers zu kommen, ach, welche lange Zeit ist dies, wie werde ich bis dahin das Leben zubringen? Du weißt das nicht so wie ich, ich kann nun gar nichts tun, bis ich Dich habe, nicht dichten, nicht lesen, ich bin recht betrübt ohne Dich, aber ich versichere Dich, es ist auch ganz allein Deine Abwesenheit, die mich betrübt, sonst bin ich glücklich und zufrieden, Deine Briefe selbst erheben mir immer das Herz, es wird mir leicht und mutig, aber – ärgere Dich nicht – es wird das alles nur für Dich. Deine Ansicht des Lebens, Dein unendlicher Frohsinn, Deine Güte und Sanftmut, ich sehe sie immer vor Augen, ach, und Du bist mir dann so lieb, so lieb, Sophie, wie glücklich werde ich durch Deine Liebe sein, Du bist einer von den wenigen unendlich vortrefflichen Menschen, die aus dem drückendsten, verderbendsten Unglück ein reines, unbefangenes, menschenliebendes Gemüt hervorgebracht haben, wo alles Gute zugrund geht, bist Du dennoch in Dir gesund geblieben, Du bist keine Pflanze der Erde, Du bist aus dem Garten des Himmels. Betine ist Dir nun herzlich gut, nachdem sie Deine Briefe an mich gelesen, hat sie Dich sehr lieb, sie ist fest überzeugt, daß Du allein nur mich glücklich machen wirst, und besonders wohl hat ihr die kleine Lektion, die Du mir in Deinem letzten Briefe gibst, gefallen, sie gibt Dir ganz recht und erfreut sich an der schönen runden Offenheit Deiner Verweise. Auch ich bin ganz Deiner Meinung und möchte keine Lust haben, mich zu bessern, nur um Deine schöne edle, unendlich gütige Art, mir etwas zu verweisen, nicht zu vermissen. Ach Sophie, was bist Du für ein Engelchen, und was wollen wir für ein liebes, sanftes, gedankenvolles Leben führen. Ich versichre Dich, wenn wir uns erst so recht ganz und allein angehören, Du sollst Dir keinen freundlichern, gütigern Mann erfinden können. Wenn Du Geld brauchst, Liebe, um eher von Weimar loszukommen, so schreibe mir es nur, ich kann ja über mein ganzes Vermögen disponieren, ich wäre unendlich glücklich, Dich bald, Dich gleich zu haben, aber um früher, viel früher zu kommen, dazu allein kann ich Dir welches geben, alles, was ich habe, ist ja Dein, nur darfst Du es mir nicht außer Land verzehren. In Betinen ist eine große Veränderung vorgegangen, sie ist immerfort sehr lustig und fröhlich, mutwillig und voller göttlicher, tiefsinnig freudiger Einfälle. Ich gebe mir alle Mühe, sie zu bewegen, daß sie dichtet, und sie hat mir es versprochen, ich glaube, sie wird nicht ermangeln, durch ihre Märchen und Träume der Bernhardi, die ihre Wunder-Lümpchen zu Papier gemacht, das Licht auszublasen. Sie wird uns dann ihre Arbeiten mitteilen und überlassen. Dein Widerwille gegen die Ehe wird sich legen, was Du mir dagegen sagst, heißt sich auf dem Absatz herumdrehen und Schnippchen schlagen, was eine artige Frau wie Du wohl darf, aber Du entgehst mir nicht, ich will um Dich anhalten, bei Deiner Mutter, der Liebe, und Deinem Vater, dem Mut. Du hast mich vermutlich nicht recht verstanden, und mündlich mit Küssen werde ich deutlicher werden als je. Ich kann die Idee nicht ertragen, in derselben Welt mit Dir zu wohnen und nicht in derselben Stadt, in derselben Stadt und nicht in demselben Haus, in demselben Haus und nicht in derselben Stube, in derselben Stube und nicht in demselben Bett, in demselben Bett und nicht in demselben Leib. Liebe Sophie, willst Du mich dann nie der Sehnsucht entziehen, soll ich dann niemals Dich immer haben, nie von Dir gehen, soll ich nie ruhig werden, willst Du mir denn meine Kunst, meine Freude ewig durch Deine Abwesenheit verderben. Ach, wenn Du wüßtest, wie ich ohne Dich leide und mich ängste. Ich habe die Idee, den Sommer mit Dir am Rhein hin und wieder zuzubringen, und da sollst Du Dir ein Fleckchen aussuchen, wo es Dir am besten gefällt, da will ich für uns eine Hütte aufrichten, einen Garten und eine Wiege und ein Grab. O Sophie, verstehe, liebe, folge meinem Herzen, wie ich das Deinige verstehen lernte. – Keines meiner Geschwister hat bis jetzt Deinen Namen nur gegen mich genannt, sie ignorieren Dich und mich, und sie werden und wollen mich in nichts stören. Unsre Freiheit ist nicht größer zu wünschen, übrigens können wir, wenn wir zusammen leben, recht bequem von meinen Intressen leben, und was wir gewinnen, das wenden wir zur Lust. – Ich bitte Dich sehr, Tieck zu treiben, die Büste zu schicken, Betine kann sie nicht erwarten. Sehr leid tut es mir, gar kein Bild von Dir zu haben, mit dem ich mich trösten könnte, Du hast nun mein Bild und die Büste, und ich habe gar nichts, frage doch den Tieck, was er will, Dein Porträt en Relief zu machen, entweder das Brustbild allein halb Lebensgröße oder Deine ganze zierliche Gestalt etwa in der Größe der Relief auf dem Ofen im Schloß, in irgendeiner von ihm zu ersinnenden Situation, oder willst Du das nicht, so lasse Dich doch von Ruh malen in Miniatur für mich oder nur mit Silberstift zeichnen, ich bitte Dich, Du lieber Engel, mache mir die Freude und schreibe mir gleich den Preis, damit ich Dir das Geld schicke, in Relief wäre aber doch schöner, etwa als das Blumenmädchen aus Goethens neuem Pausias. Ich möchte Dir gern eine Freude mit etwas machen, aber ich weiß nicht mit was, ich wollte Dir gern einen Spitzenschleier kaufen, aber pensez, 8 Karolin – das paßt nicht zu uns, und welches Glück! man trägt seit 8 Tagen keine mehr, man trägt sie jetzt von dem feinsten ostindischen Musselin, welches unendlich schöner und edler aussieht, einen solchen sollst Du in Marburg finden, nach Weimar kriegst Du nichts, ich möchte Dir das Weimar unter den Füßen wegziehen, wie man Langschläfern die Betten wegzieht. Du hast mitten in Deinem Brief einen kleinen Thron ganz hoffärtig aufgeschlagen, auf dem Du mit Schiller breit sitzest, Gott segne die Aufführung Deines Stücks, daß sie so gut sei wie Deine, daß es viele Liebhaber finde und doch so einfach und lieb bleibe wie Du, und daß es sich einem guten Herzen besonders hingebe und es erquicke wie Du. Spanische Namen der Art sind rar, folgende sind alle wirklich spanisch, Lisarda, Estela, Zelima, Serena, Laurela, Clavela, Florinda, Jacinta. Weiter fällt mir jetzt keiner ein, die unterstrichnen klingen ganz artig. Ich werde vielleicht, um mich bis zum November etwas zu zerstreuen, auf ungefähr 8 Tage nach Nürnberg gehn, aber ich zweifle doch noch sehr dran. Alle Deine Bestellungen will ich ausrichten, von den Meubeln muß ich sagen, daß sie Dir nichts kosten, aber es ist nichts als Tisch und Stühle, was Du am wenigsten mitzubringen nötig hast, das sind Spiegel, denn die will man Dir dort gern lassen. Was das Klavier angeht, so ist in Marburg ein sehr geschickter und berühmter Instrumentenmacher, also kannst Du das Deinige kecklich verkaufen. Freilich wird es in den ersten acht Tagen leer bei Dir aussehen, aber ich werde ja zugegen sein, ach, und ich fühle es, bald wird es Dir nur wohl sein, wo ich bin. Ich hatte noch vor einigen Tagen die Idee, Dir eine Deiner Stuben nach meiner Phantasie recht schön meublieren zu lassen, um Dich zu Weihnachten damit zu beschenken, aber ich fürchtete, alle die Ausgaben würden verloren sein, da es mir wahrscheinlich ist, daß wir in einer schöneren Gegend irgendwo am Rhein ansässig werden werden. Mit Deinen Briefen zugleich erhielt ich den gedruckten Ponce von Göttingen, ich werde Dir ihn nächstens schicken. Was Deinen Almanach angeht, so ist das wohl recht gut, aber Du mußt mir näher bestimmen, was es eigentlich soll, soll es ein Musenalmanach sein, der Titel Romantischer gefällt mir nicht ganz, doch sind solche Sachen wie Titel einerlei, ich gebe Dir von Herzen gern Lieder, ja alles, was Du willst, ich will Dir auch welche machen, nach beliebigen Aufgaben, wenn Du willst, denn mein Kind, meine Poesie ist ja die Deine, und ich habe Dir ja geschrieben, daß ich gerne alles unter Deinem Namen möchte drucken lassen. Ich wünschte Deine Idee über meinen Dir in den letzten Briefen beschriebenen Almanach und womöglich einen Verleger, oder keinen, es ist wunderbar, wie wenig meine Poesie mich amüsiert. – Schreibe mir nach Frankfurt, wo ich wohl noch einige Tage bleibe, sollte ich nach Nürnberg oder sonst wohin gehen, so erhältst Du meine Adresse sogleich. Gott lohne Dir alle Deine Liebe, die ich noch einst verdienen will, aber schreibe mir, mein Engel, sieh, ich lebe nur durch Dich, ich habe keinen Schiller, der mich besucht, keine Darstellung meiner Schauspiele, nichts habe ich als Dich und meine Liebe. Lebe wohl, mein Engel, schreibe, Du liebe, liebe, liebe Sophie.


An Clemens

[Weimar.] d. 24sten [September 1803].

Ich habe nun Deine zwei Briefe von Wiesbaden und Frankfurt erhalten. Ich freue mich, daß Betine wohl ist, daß Du Zerstreuung hast und nicht mehr so allein in Marburg sitzest. Dann freue ich mich auch, daß ich niemals das Haus Deiner Verwandten in Frankfurt zu betreten brauche, ich habe auch nicht das geringste Verlangen, je einen von ihnen zu sehen, ach, Clemens, es muß ganz unausstehlich dort sein! Betine aber ist ein gutes Kind, und wenn mir das Herz nicht mehr so weh tut, werde ich sie wohl recht liebhaben. – Von Deiner neusten Schwägerin sagst Du in wenig Worten außerordentlich viel Schönes, und es könnte mich wütend eifersüchtig machen, wenn ich nicht schon aus Erfahrung wüßte, daß manche, die Du oft ganz überirdisch schildertest, in der Nahe betrachtet, außer ein wenig Augenglanz und weißer Haut, auch nicht den mindesten Anspruch auf Göttlichkeit machen konnte.

Von Sinnen aber möchte ich kommen, daß Du meine Briefe nicht erhalten hast. Schreibst Du mir den Montag nicht, daß sie angekommen sind, so ergreife ich andre Maßregeln. Ich habe zum Glück einige Bekannte unter den sogenannten Vornehmen, die mir dabei helfen können, denn ich ahnde beinah einen schlechten Streich. Und ich will es durchaus haben, daß die Briefe in Deine Hände kommen, es koste, was es wolle.

Närrisch ist es, daß ich mich nicht entschließen kann, Menschen zu sehen. Ich habe schon mehrere Einladungen ausgeschlagen aus Klugheit oder Torheit – es kömmt am Ende auf eins. Aber es ist auch gut, den andern fühlen zu lassen, es gebe eine Teilnahme, die so undelikat ist, daß sie beleidigend wird. – Übrigens tue ich zu Hause eben nicht sehr viel. Ich bin nicht krank, aber es ist mir immer, als wenn ich mir die Augen reiben müßte, um aufzuwachen. Ich habe Sehnsucht, und doch gegen alles Widerwillen, genug, es ist mir unbehaglich. – In meinem nächsten Brief schreibe ich Dir, wenn ich kommen kann, und andre Sachen über diesen Punkt.

Meine Ahlefeld – das ist noch die einzige Seele, an die ich mit Freude denke – sie ist so gut, so gut! Heute schrieb sie mir: »Wenn Du ebenso denkst wie ich, so dauert unsre Freundschaft so lange wie unser Leben und noch weiter hinaus.« Übrigens ist sie traurig, sehr traurig, und auch deswegen liebe ich sie. Sie fragt sehr teilnehmend nach Dir – was soll ich ihr von Dir schreiben? – Glaube indessen nicht, daß ich gleichgültig bin – doch ja, glaube es nur! ich will nicht lügen, ich bin's, ich bin's wahrhaftig bis zur Versteinerung, und das Schmeichelhafteste, was ich Dir heute sagen kann, ist, daß Du und die A. die einzigen Menschen sind, an die ich ohne Ekel denken kann.

 

d. 26sten.

Ich habe heute keine Briefe von Dir erhalten – Du also auch noch keine von mir. Wie mich das beunruhigt, ist unbeschreiblich!

Schreibe mir doch, ob Du keinen wohlklingenden spanischen, weiblichen Namen weißt, der nicht zu bekannt und nur dreisilbig ist.

S.

 

Ich habe eben Deinen Brief erhalten und habe geweint, aber freudig. Clemens, ja, es ist vorbei, kein Dämon ist mehr zwischen uns – und vereint oder getrennt, lebend oder tot werden wir uns nie mehr mißverstehen!

– Ich muß eilen, denn die Post will abgehn. Kann ich von Dir Geld erhalten, so ist es mir lieb, denn ich soll es erst im November haben, und Gott weiß, wie lange sich das noch verzögert – und warum soll ich nicht lieber Deine Schuldnerin sein wollen als eines andern? – Aber ich bedarf zu meinen hiesigen Ausgaben und meiner Reise 60 Friedrichsdor, kannst Du mir diese schicken, tue es so bald als möglich – mir liegt daran, es bald zu haben.


An Sophie

[Frankfurt, Ende September 1803.]

Liebes Weib!

Ich stehe immer vor der ersten Zeile jedes Briefs wie vor Deiner Türe, ich möchte hereinstürzen, in Deinen Armen liegen, ewig dagewesen sein, mir pocht das Herz, und ich werde betrübt, daß alles so langsam geht auf Erden, und daß man mit jeder Bewegung die ganze Welt bewegen muß, an den einfachen Gedanken an Dich, den Blick meines Auges, das sich in Deinem Leben ergötzt wie im Anblick des blauen Himmels, an diese frei leichte Liebestat hängt sich ein ganzes Gefolge von Sehnsucht und Begierde und eine Menge Worte und ein Leben, das oft so voll Falschheit, Lüge und Plattheit ist, und Du siehst mich manchmal nicht, Du vergißt mich und blickst unter alle den betrübten Anhang und weinst über mich und willst mich verstoßen. O geliebtes Weib, begreife, wie ich mich sehne, mit einem scharfen Messer die Welt von mir zu schneiden, denn ich kann nicht dichten, nicht geliebt werden vor der Welt, denn wahrlich, ich will nur einsam sein, damit Du mich liebst, wie ich es um Dich verdienen will. Über Betinen kann ich jetzt ganz ruhig sein, sie hat sich durchaus zu ihrem Glücke gewendet, ihre Trauer, ihr Tiefsinn haben sich in eine unzerstörbare Munterkeit verwandelt, sie treibt ihren Mutwill mit dem ganzen Haus und läßt bei allen Gelegenheiten eine Vortrefflichkeit des Gemüts erblicken, die mich herzlich rührt, liebe Sophie, was kann der gute Mensch, wo er nicht helfen kann, anderes, als lieben, so erschien Dir auch meine Liebe zu Betinen oft der Deinigen nachteilig, wenn ich gleich deutlich fühle, sie konnte es nie sein, aber auch der kleinste Schein dazu ist nicht mehr zugegen, jener tiefere, uns selbst oft undeutliche, drückende Bund zwischen ihr und mir hat sich gelöst in reine Freude an unserm Leben, wir waren die einzigen in der Familie, die ihre Sinne nicht im Treiben gefangen gegeben hatten, und wollten uns gegenseitig in der Liebe geben, was wir nicht vom Leben erhielten, Trost und Stärke. Nun da Du mich liebst, da Betine glücklich und ruhig in sich ist, bin auch ich ruhig und froh. Was ich nie auf der Welt erwartet hatte, ist, daß durch meinen Bruder Georg mir der Aufenthalt unter den Meinigen wieder erfreulich werden könnte, er hat durch seine gute, liebe, unschuldige, geistvolle Frau einen Engel hereingebracht, und Betine hat so eine recht liebe Freundin errungen. Er selbst kömmt immer mehr von seinem Stolz, seiner Kälte zurück, und es ist mir rührend zu sehen, wie es ihm in sich selber wohler wird. Seine Frau, ein liebes Landmädchen, hat ein Urteil über ihn so wahr, und liebt ihn und erzieht ihn an dieser Liebe, daß es eine Freude ist. Mir selbst wird durch ihre Bekanntschaft der Mut größer, und ich habe eine Begierde, mich zu bessern durch Dich, Du liebe Seele, die ordentlich so extravagant ist, daß ich für einige wirklich schimmernde Untugenden an mir fürchte. Meine Kälte gegen Savigny verstehst Du nicht ganz. Die Ursache ist nicht sein Mangel an Vertrauen, die Ursache ist, weil er meine Schwester Kunigunda liebt, die ich durch und durch seiner unwert und mir im Innern seit langer Zeit widerlich empfinde, wie kann ich den lieben, der schätzt, was ich verachte. – Ich habe den sehnlichen Wunsch, den nächsten Sommer mit Dir schon am Rhein zu wohnen, wenigstens reisest Du mit mir in die Schweiz, ich fühle ein unendliches Begehren, Dich fröhlich und glücklich zu sehen, und durch irgend etwas, das ich Dir gebe, o liebe Sophie, wende Deine Augen, Deine Ohren von den Menschen weg und liebe mich, so wie ich Dich liebe. Ich bitte Dich nochmals sehr um Nachricht von meiner Büste, Betine hat sie immer noch nicht, wie auch gar keine Nachricht, da Tieck doch schon bezahlt ist, so ist es unbillig, daß man gar keine Nachricht von ihm hat. Ich weiß heute vor Lärm im Hause keinen Rat, alles pocht und lärmt, und ich will weglaufen, also guten Abend.

Dein Clemens.



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