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Zweite Ordnung: Die Leichtschnäbler ( Levirostres)

Pfefferfresser. Bartvögel. Glanzvögel. Nageschnäbler.

Höchst verschiedenartige Gestalten sind es, die wir in dieser Ordnung vereinigen, und die Endglieder unterscheiden sich so wesentlich von einander, daß man sie kaum als Verwandte zu erkennen vermag. Gegenüber den streng abgeschlossenen Gruppen der Papageien, Kolibris und Spechte, die ich mit mehreren Vogelkundigen der Neuzeit als Ordnungen ansehe, erscheinen die Leichtschnäbler als eine willkürlich zusammengewürfelte Gesellschaft. Diese Mannigfaltigkeit der Gesamtheit hat verschiedene Ansichten der Forscher begründet, und noch heutigestags ist der Streit der Meinungen keineswegs abgeschlossen. Die Verschiedenartigkeit der in dieser Ordnung zusammengestellten Vögel erschwert eine allgemeine Kennzeichnung. Wenige Merkmale lassen sich auffinden, die in allen Fällen Gültigkeit haben. Jeder einzelne Teil des Leibes erleidet Abänderungen. So wenig nun auch die Leichtschnäbler im großen und ganzen sich gleichen, so bestimmt gehören sie in eine Gruppe, möge man derselben nun den Rang einer Ordnung zusprechen oder nicht. Niemand vermag zu verkennen, daß die verschiedenartigsten Gestalten durch zwischen ihnen stehende verbunden werden, so daß kaum ein Leichtschnäbler eine so vereinzelte Stellung einnimmt, wie z. B. der Kranichgeier innerhalb der Ordnung der Raubvögel. Sie sind innig und vielfach miteinander verkettet. Mehrere Familien stehen sich so nah, daß es scheinen will, als ob die eine nur eine Umprägung oder Wiederholung der andern sei; gleichwohl bewahrt sich jede einzelne ihre Selbständigkeit und kann an gewissen Merkmalen bestimmt unterschieden werden, wogegen bei den Familiengliedern selbst oft die genaueste Untersuchung erforderlich ist, um die Verschiedenheit zweier Arten zu erkennen. Die Leichtschnäbler sind Weltbürger, eigentlich jedoch Bewohner des warmen Gürtels der Erde; denn nur wenige von ihnen finden sich innerhalb gemäßigter Landstriche und bloß einzelne in der kalten Zone unseres Wandelsternes. Auch das eigentliche Hochgebirge lieben sie nicht, wohl aber die Vorberge desselben. Der Wald in seiner verschiedenartigsten Entwicklung bildet ihre Heimstätte; in baumleeren Gegenden sieht man sie selten.

Die Lebensweise unserer Vögel ist in mancher Hinsicht anziehend, weil eigentümlich. Nur die begabten Leichtschnäbler lieben Geselligkeit, d. h. eine engere Vereinigung mit ihresgleichen oder mit fremdartigen Vögeln. In der Regel treibt jeder einzelne seine Geschäfte für sich, und wenn nicht gerade die Liebe zu Weib und Kind bestimmend wirkt, bekümmert er sich wenig um andere seiner Art, ist vielmehr eher geneigt, jede Annäherung derselben von sich abzuweisen. Nicht einmal die heilige Elternliebe wird von allen anerkannt. Als Regel darf gelten, daß der einzelne Leichtschnäbler oder das Paar ein gewisses Gebiet eifersüchtig oder neidisch abgrenzt und gegen Eindringlinge hartnäckig verteidigt. Still und ruhig auf einem Baumzweige sitzen, von hier aus nach Beute spähen, die ins Auge gefaßte verfolgen und nach glücklichem Fange zu demselben oder einem ähnlichen Sitze zurückkehren und so im Laufe des Tages das Gebiet ein oder mehrere Male durchstreifen, das ist Sitte und Gebrauch bei den meisten, und nur einzelne weichen hiervon ab, sei es, indem sie sich gesellig längere Zeit in der Luft umhertreiben, oder sei es, indem sie im Verein mit Gleichartigen Baumkronen durchschlüpfen und den flachen Boden absuchen. Diese sind es auch, die sich, weit mehr als alle übrigen, um die Außenwelt kümmern, an Ereignissen teilnehmen, z. B. entdeckte Raubtiere verfolgen und der gefiederten Waldbewohnerschaft anzeigen oder sonstwie Teilnahme an dem, was um sie vorgeht, bekunden.

Kleine Wirbeltiere, deren Junge und Eier, Kerfe, Weichtiere, Maden und Würmer bilden die Nahrung der meisten, Früchte das hauptsächlichste Futter einiger Leichtschnäbler. Diejenigen, die tierische Nahrung zu sich nehmen, sind höchst gefräßig; denn sie verdauen rasch und lassen eine sich darbietende Beute ungefährdet kaum vorüberziehen, während diejenigen, die vorzugsweise oder ausschließlich Fruchtfresser sind, eher befriedigt zu sein scheinen. Die Jagd oder der Nahrungserwerb wird in derselben Weise betrieben wie von den Schwalben, Fliegenfängern, Raben und Seeschwalben.

Die große Mehrheit unserer Vögel nistet in Erd- und Baumhöhlungen; einige wenige aber bauen sich freistehende, kunstlose Nester, und eine zu ihnen zählende Familie vertraut ihre Nachkommenschaft fremder Pflege an, ohne sie jedoch, wie aus neueren Beobachtungen hervorzugehen scheint, gänzlich aus dem Auge zu verlieren. Bei den Höhlenbrütern oder Selbstnistern überhaupt besteht das Gelege in der Regel aus weißen Eiern; bei denen, die Nichtbrüter sind, ähneln die Eier hinsichtlich ihrer Größe und Färbung, wenn auch nicht in allen Fällen, denen der betreffenden Pflegeeltern. Alle Leichtschnäbler ohne Ausnahme brüten oder legen nur einmal im Jahre.

Für den menschlichen Haushalt erscheinen die Mitglieder dieser Ordnung ziemlich bedeutungslos. Für die Gefangenschaft eignen sie sich in geringem Grade.

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Die Pfefferfresser ( Ramphastidae) kennzeichnen sich durch auffallend großen, am Grunde sehr dicken, gegen das Ende hin bedeutend zusammengedrückten, auf der Firste scharfkantigen Schnabel, starke, hohe, langzehige, mit großen, platten Tafeln belegte Beine, kurzen, breiten, stumpfgerundeten, gleichlangen Schwanz und kurze Flügel, in deren Fittichen die vierte und fünfte Schwinge die längsten sind. Die Färbung der verschiedenen Arten, die man kennt, ist sehr übereinstimmend. Ein glänzendes Schwarz bildet die Grundfarbe; von ihr heben sich rote, weiße oder gelbe Felder an der Kehle, dem Rücken und dem Bürzel ab. Ihre Heimat ist Südamerika.

siehe Bildunterschrift

Riesentukan ( ramhastus toco)

Die größte Art der gleichnamigen Sippe ( Ramphastus) ist der Riesentukan oder Toko ( Ramphastus toco). Bei ihm ist das Gefieder gleichmäßig schwarz, der Bürzel hellblutrot; Backen, Kehle, Wangen und Vorderhals, obere und Oberschwanzdeckfedern sind weiß, im Leben schwach gelblich überhaucht. Der sehr große, hohe Schnabel, dessen Rand einige Kerben zeigt, ist lebhaft orangerot, gegen den Rücken hin und an der Spitze des Unterkiefers feuerrot, die Spitze des Oberkiefers wie der Rand des Schnabels vor dem Kopfgefieder schwarz, ein dreieckiger Fleck vor dem Auge dottergelb, der Augenring kobaltblau, die Iris dunkelflaschengrün, der Fuß hellblau. Die Länge beträgt siebenundfünfzig, die Fittichlänge dreiundzwanzig, die Schwanzlänge vierzehn Zentimeter. Der Toko bewohnt die hochgelegenen Teile Südamerikas von Guayana an bis Paraguay hinauf, kommt jedoch auch in Mittelamerika vor.

Im Norden Südamerikas vertritt ihn der etwas kleinere, schlanker gebaute, ihm aber sehr ähnliche Rotschnabeltukan, »Kirima« der Eingeborenen ( Ramphastus erythrorhynchus). Er unterscheidet sich hauptsächlich durch den niedrigen, größtenteils scharlachroten, auf der Firste und am Grunde gelb gefärbten Schnabel, den breiten, roten Saum am unteren Rande der weißen Kehle und den gelben Bürzel.

In den Küstenwaldungen Brasiliens hingegen lebt der Orangetukan, »Tukana« der Brasilianer ( Ramphastus temminckii). Bei ihm sind Vorderhals oder Backen, Ohrgegend, Halsseiten, Kinn und Kehle hochorange, unterseits lichter gesäumt, Brust, Bürzel und Steiß scharlachrot. Der Schnabel ist glänzend schwarz, am Grunde vor dem Rande mit breiter, blaßgelber Binde, das Auge bläulich, der nackte Augenring dunkelrot, der Fuß bleigrau. Die Länge beträgt achtundvierzig, die Breite fünfundfünfzig, die Fittichlänge achtzehn, die Schwanzlänge sechzehn Zentimeter. Die jungen Vögel unterscheiden sich durch den weniger gekerbten Schnabel und die blasseren Farben.

 

Aus den mir bekannten Schilderungen aller Forscher, die die Pfefferfresser in ihrer Heimat beobachteten, geht hervor, daß die Lebensweise der verschiedenen Arten im wesentlichen sich ähnelt, so daß man das von dem einen Bekannte wohl auch auf den andern beziehen kann. Der Toko wohnt nur in den höheren Gegenden des Landes, nach Schomburgk ausschließlich in der Savanne, und hier teils paarweise in den Oasen und an bewaldeten Ufern der Flüsse, teils in kleinen Trupps, die die offene Savanne nach den eben reifenden Früchten durchstreifen; die Kirima gehört zu den gemeinsten Waldvögeln und tritt nur unmittelbar an der Küste selten, um so häufiger hingegen im dichtgeschlossenen Walde auf; die Tukana endlich ist in den von dem Prinzen von Wied durchreisten Gegenden die bekannteste Art ihrer Sippe und kommt überall vor, wo große, zusammenhängende Waldungen sich finden. Tukanas und Kirimas leben, den übereinstimmenden Angaben der Forscher nach, von der Brutzeit an bis gegen die Mauser hin paarweise.

Gewöhnlich halten sich die Pfefferfresser hoch oben in den Waldbäumen auf. Hier durchschlüpfen sie, Nahrung suchend, mit mehr Behendigkeit, als man ihnen zutrauen möchte, die Kronen oder sitzen ausruhend auf den äußersten Spitzen der höchsten Bäume und lassen von ihnen aus ihre knarrende oder pfeifende Stimme vernehmen. Während der Tageshitze halten sie sich im Gelaube versteckt, und in besonders heißen Waldtälern kommen sie, laut Tschudi, erst gegen Sonnenuntergang zum Vorschein, werden jetzt mindestens erst lebendig, rege und laut. Zum Boden herab fliegen sie selten, wahrscheinlich bloß um zu trinken oder um abgefallene Baumfrüchte oder Sämereien aufzunehmen. Sie bewegen sich hier in eigentümlicher Weise, hüpfen mit weiten Sprüngen, wobei die Fußwurzeln sehr schief nach vorn gestellt und die Zehen lang ausgestreckt werden. Nur beim Auftreten trippeln sie manchmal; gewöhnlich halten sie beide Füße in einer Ebene nebeneinander, treten mit ihnen gleichzeitig auf und fördern sich durch kräftiges Aufschnellen mit jähem Ruck. Der Schwanz kommt dabei über die Flügel zu liegen und wird entweder wagerecht nach hinten gehalten oder ein wenig gestelzt. Die eben geschilderte Stellung und Bewegung lassen sie so absonderlich erscheinen, daß man ihnen ihr Fremdsein auf dem Boden deutlich anmerkt und der Unterschied zwischen ihrer Beweglichkeit im Gezweige und den holperigen Sätzen auf der Erde um so klarer hervortritt, wenn man sie beim Durchschlüpfen der Baumkrone beobachtet. Hier erst entfaltet sich ihre hervorragendste leibliche Begabung. Mit viel weiteren Sprüngen als auf dem Boden hüpfen sie längs der Äste dahin, bald in gerader Richtung mit denselben, bald schief zu ihnen sich haltend, nicht selten auch im Sprunge sich drehend, steigen so mit großer Behendigkeit auf- und abwärts und nehmen die Flügel, die sich bei jedem Sprunge ein wenig lüften, nur dann wirklich zur Hilfe, wenn sie von einem ziemlich entfernten Aste auf einen andern sich verfügen wollen. In diesem Falle geben sie sich durch einen Sprung einen Anstoß, bewegen die Flügel gleichmäßig auf und nieder, durcheilen rasch den dazwischenliegenden Raum, ändern auch wohl die einmal beabsichtigte Richtung und beschreiben einen Bogen, breiten, kurz vor dem Ziele angekommen, ihren Schwanz so weit als möglich aus, scheinbar in der Absicht, ihre Bewegung zu hemmen, fußen auf dem Aste und hüpfen nunmehr auf ihm wie vorher weiter. Ihr Flug ist verhältnismäßig gut. Sie schweben sanft von einer Baumkrone zur andern, wogegen sie, wenn sie größere Strecken durchmessen, mit kurzen, abgebrochenen Stößen dahineilen und dabei den Kopf, wahrscheinlich infolge der überwiegenden Größe des Schnabels, etwas niederbeugen. Uzara sagt, daß sie in einer geraden, wagerechten Linie fortstreichen und ihre Flügel in gewissen Zwischenräumen und mit vernehmlichem Geräusch zusammenschlagen, sich aber schneller fördern, als man annehmen möchte. In dieser Weise durchwandern sie während der Morgen- und Abendstunden beträchtliche Strecken des Waldes, von einem Baum zum andern fliegend und die Krone desselben nach allen Richtungen durchschlüpfend und durchspähend, um Beute zu gewinnen. Auch wenn sie sich in den dichtesten Verflechtungen der Zweige verborgen haben, lassen sie noch oft ihren Ruf erschallen; besonders schreilustig aber sollen sie, nach Versicherung der Indianer, vor kommendem Regen sein und deshalb als gute Wetterpropheten gelten.

Alle Arten, ohne Ausnahme, sind bewegliche, muntere, scheue, aber doch neugierige Vögel. Sie weichen dem Menschen mit großer Vorsicht aus und lassen sich nur von geübten Jägern beschleichen, necken den Schützen auch, indem sie nach Art unseres Hähers vor ihm dahin, niemals weit, aber immer zur rechten Zeit wegfliegen und sich stets wieder einen Sitz wählen, der die Annäherung erschwert. Aber dieselben Vögel sind augenblicklich zur Stelle, wenn es gilt, einen Raubvogel, eine Eule z. B., zu ärgern. Ihre Aufmerksamkeit erstreckt sich auf alles, was um sie herum vorgeht, und deshalb sind sie es denn auch, die gewöhnlich zuerst Feinde ausgekundschaftet haben und diese nun der übrigen gefiederten Welt anzeigen. Als kräftige und wehrhafte Tiere schlagen sie die schwächeren Raubvögel regelmäßig in die Flucht, hauptsächlich wohl infolge des Ärgers, den sie denselben bereiten. Bates sagt, daß sie scheu und mißtrauisch sind, solange sie sich in kleinen Gesellschaften halten, auffallend unvorsichtig dagegen sich zeigen, wenn sie sich zu größeren Flügen verbinden und Waldungen besuchen, die sie sonst meiden. Beides geschieht, nachdem die Mauser, die in die Monate März bis Juli fällt, vorüber ist.

Über die Nahrung herrschen noch heutigestags verschiedene Ansichten. Schomburgk behauptet mit aller Bestimmtheit, daß sie nur Früchte fressen, und Bates sagt, daß Früchte unzweifelhaft ihr hauptsächlichstes Futter seien, ihr langer Schnabel ihnen auch das Pflücken derselben sehr erleichtere, weil er ihnen gestatte, unverhältnismäßig weit zu reichen; Azara hingegen versichert, daß sie sich keineswegs auf Pflanzennahrung beschränken, sondern auch viele Vögel vertilgen und wegen ihres großen Schnabels allen Angst einjagen, daß sie die kleineren von den Nestern treiben und Eier und Junge, selbst solche der Araras, verzehren, daß sie zur Regenzeit, wenn das harte Nest des Töpfervogels weich geworden, sogar dieses angehen, es zerhacken und die Brut hervorziehen. Auch Humboldt gibt an, daß sie Fische fressen. Ich bin von der Richtigkeit dieser Angaben vollkommen überzeugt; denn alle Tukans, die man bisher in Gefangenschaft beobachtet hat, nahmen nicht nur ohne Bedenken tierische Nahrung zu sich, sondern verfolgten kleine Wirbeltiere mit so großem Eifer, daß man wohl bemerken konnte, sie müßten etwas ihnen durchaus Natürliches tun. Ein mit ihnen denselben Raum teilender kleiner Vogel verfällt ihnen früher oder später, möge der Käfig so groß sein, wie er wolle, und möge man ihnen die leckersten Speisen auftischen. Sie erlauern den günstigen Augenblick, werfen plötzlich den großen Schnabel vor, ergreifen mit außerordentlichem Geschick selbst einen fliegenden, in ihre Nähe kommenden kleineren Vogel, töten ihn auf der Stelle und verzehren ihn mit unverkennbarem Behagen. Erwähnenswert scheint mir noch die Geschicklichkeit zu sein, die der Vogel bekundet, wenn er mit seinem anscheinend so ungefügen Schnabel einen kleinen Gegenstand, beispielsweise ein Hanfkorn, vom Boden aufnimmt. Er faßt dann den betreffenden Körper förmlich zart mit den Spitzen des Schnabels, hebt diesen senkrecht in die Höhe und läßt das Korn in den Rachen hinabfallen. Nicht wesentlich anders verfährt er, wenn er trinken will. »Hierbei«, sagt Alexander von Humboldt, »gebärdet sich der Vogel ganz seltsam. Die Mönche behaupten, er mache das Zeichen des Kreuzes über dem Wasser, und diese Ansicht ist zum Volksglauben geworden, so daß die Kreolen dem Tukan den sonderbaren Namen ›Dios te de‹ (Gott vergelte es dir) beigelegt haben.« Castelnau schildert, wie das Trinken vor sich geht. Der Tukan streckt die äußerste Spitze seines großen Schnabels in das Wasser, füllt denselben, indem er die Luft kräftig an sich zieht, und dreht alsdann den Schnabel unter stoßweisen Bewegungen um. Ich muß dieser im ganzen durchaus richtigen Schilderung hinzufügen, daß ich niemals die stoßweisen Bewegungen beobachtet habe. Der Vogel füllt, wie Castelnau richtig angibt, seinen Schnabel mit Wasser, hebt dann aber langsam seinen Kopf in die Höhe wie ein trinkendes Huhn und läßt sich die Flüssigkeit in die Kehle rinnen.

Über die Fortpflanzung fehlen noch eingehende Berichte. Die Tukans nisten in Baumlöchern und legen zwei weiße Eier. Ihre Jungen erhalten bald das schöne Gefieder der Eltern, ihr Schnabel aber erst im zweiten bis dritten Jahre die ihm eigentümlichen, schönen Farben. Hierauf beschränkt sich die Kunde über diesen wichtigen Lebensabschnitt der Vögel.

Allen Pfefferfressern wird in Brasilien eifrig nachgestellt, ebensowohl ihres Fleisches und ihrer schönen Federn halber, als in der Absicht, die sonderbaren Gesellen sich zu Hausgenossen zu erwerben. »Wir erlegten«, bemerkt der Prinz, »oft viele von ihnen an einem Tage, und ihr krähenartiges Fleisch wurde dann gegessen.« Burmeister versichert, daß das Fleisch ein sehr angenehmes Gericht liefere, das, mit Reis gekocht, einer guten Taubenbrühe ähnlich und ganz schmackhaft sei. Nach Bates liegen alle Bewohner Egas, einer Ortschaft am Amazonenstrome, der Jagd des Tukans eifrig ob, wenn dieser, zu größeren Flügen vereinigt, in den benachbarten Waldungen erscheint. »Jedermann in Ega, der um diese Zeit irgendwelches Gewehr oder auch nur ein Blasrohr auftreiben kann, geht damit in den Wald hinaus und erlegt sich zur Verbesserung seiner Mittagstafel einige dieser Vögel, so daß in den Monaten Juni und Juli ganz Ega fast nur von Tukans lebt. Wochenlang hat jede Familie täglich einen gedämpften oder gebratenen Pfefferfresser auf dem Tisch. Sie sind um diese Zeit ungemein fett, und ihr Fleisch ist dann außerordentlich zart und schmackhaft.«

Jung aufgezogene Tukans gehören zu den anziehendsten Gefangenen. »In Lebensweise und geistiger Anlage«, sagt Humboldt, »gleicht dieser Vogel dem Raben. Er ist ein mutiges, leicht zu zähmendes Tier. Sein langer Schnabel dient ihm als Verteidigungswaffe. Er macht sich zum Herrn im Hause, stiehlt, was er erreichen kann, badet sich oft und fischt gern am Ufer des Stromes. Der Tukan, den wir gekauft, war sehr jung, dennoch neckte er während der ganzen Fahrt mit sichtbarer Lust die trübseligen, zornmütigen Nachtaffen.« Schomburgk erzählt eine hübsche Geschichte. »Besonderes Vergnügen bereitete mir unter den vielen zahmen Tieren, die ich in Watu-Ticaba fand, ein Pfefferfresser, der sich zum unbeschränkten Herrscher nicht allein des gesamten Geflügels, sondern selbst der größeren Vierfüßler emporgeschwungen hatte und unter dessen eisernem Zepter sich groß und klein willig beugten. Wollte sich Streit unter den zahmen Trompetenvögeln, Hokos, Jakos und andern Hühnern entspinnen, ohne Zögern eilte alles auseinander, sowie sich der kräftige Tyrann nur sehen ließ; war er in der Hitze des Zankes nicht bemerkt worden, einige schmerzhafte Bisse mit dem unförmlichen Schnabel belehrten die Erhitzten, daß ihr Herrscher keinen Streit unter seinem Volke dulde; warfen wir Brot oder Knochen unter den dichten Haufen, keiner der zwei- und vierfüßigen Untertanen wagte auch nur das kleinste Stück aufzuheben, bevor sich jener nicht so viel ausgesucht, als er für nötig hielt. Ja, seine Herrschsucht und Tyrannei ging so weit, daß er alles Völkerrecht aus den Augen setzte und jeden fremden Hund, der vielleicht mit den aus der Nachbarschaft herbeieilenden Indianern herankam, unbarmherzig fühlen ließ, was in seinem Reiche Rechtens sei, indem er diesen biß und im ganzen Dorf umherjagte.« »Meine Tukane«, schreibt mir Dr. Bodinus, »sind höchst liebenswürdige Vögel. Ihr prachtvolles Gefieder entzückt jedermann, und der ungeheure Schnabel wird keineswegs unförmlich, sondern höchstens eigentümlich gefunden. Sie scheuen die Nähe des Menschen durchaus nicht, sind stets munter und lebhaft, ihre Eßlust ist fortwährend rege, ihre Reinlichkeitsliebe so groß, daß es immer etwas zu putzen und zu besorgen gibt, ihre Gewandtheit überraschend, kurz, sie sind unterhaltend im besten Sinne des Wortes.« Ich darf nach eigenen Beobachtungen dem erfahrenen Tierpfleger beistimmen, möchte aber noch einiges über das Gefangenleben hinzufügen. Pfefferfresser bedürfen, wenn sie sich in ihrer vollen Schönheit, Beweglichkeit und Lebendigkeit zeigen sollen, eines sehr weiten und hohen Käfigs, der ihnen vollsten Spielraum gewährt. In solchem Gebauer halten sie sich, falls man die Einwirkung rauher Witterung sorgfältig von ihnen abhält, viele Jahre lang, werden ungemein zahm, erkennen den Pfleger, unterscheiden ihn von andern Leuten, lassen sich von ihm berühren, nach Art der Papageien im Gefieder nesteln und gewinnen sich dadurch noch wärmere Zuneigung als durch die so schönen und eigentümlichen Farben ihres stets glatt getragenen Gefieders, ihre Munterkeit und andauernde gute Laune. Aber sie haben auch ihre Eigenheiten, die in unsern Augen förmlich zu Unarten werden können. Ganz abgesehen von ihrer Raub- und Mordlust, die alle schwächeren Geschöpfe aus ihrer Nähe verbannt, vertragen sie sich nicht einmal in allen Fällen untereinander, beginnen im Gegenteil nicht selten mit ihresgleichen Streit, bilden Parteien und verfolgen und quälen einen Artgenossen, der ihr Mißfallen erregte, auf das äußerste. Diejenigen, die gleichzeitig in einen noch leeren Käfig gebracht werden, vertragen sich in der Regel recht gut. Einer erwirbt sich die Oberherrschaft, die andern fügen sich, und alle leben in gutem Einverständnis. Sobald aber zu solcher Gesellschaft ein neuer Ankömmling gebracht wird, ändern sich die Verhältnisse in oft höchst unerquicklicher Weise. Der Neuling wird zunächst mit unverhüllter Neugier und Aufmerksamkeit betrachtet; einer nach dem andern von den älteren hüpft herbei und mustert ihn auf das genaueste, als habe er noch niemals einen zweiten seinesgleichen gesehen. Dicht neben ihm sitzend dreht er langsam den Kopf mit dem unförmlichen Schnabel und beschaut sich den Fremdling buchstäblich von vorn und hinten, von oben und unten. Der letztere gerät durch dieses Anstaunen nach und nach in ersichtliche Verlegenheit, bleibt zunächst aber ruhig sitzen und verläßt den Platz oft auch dann nicht, wenn jener bereits wiederum sich entfernt hat. Dem einen Neugierigen folgen alle übrigen; der Neuangekommene muß förmlich Spießruten laufen. Eine Zeitlang geht alles gut; irgendwelches Unterfangen des Fremdlings aber erregt allgemeine Entrüstung. Der reichlich gefüllte Futternapf, dem er sich naht, verkleinert und entleert sich in den Augen der neidischen Gesellen; alle hüpfen herbei, um jenem im buchstäblichen Sinne des Wortes den Bissen vor dem Munde wegzunehmen; alle sind augenscheinlich bereit, sich gemeinschaftlich auf ihn zu stürzen, sobald er weiterfrißt, und noch mehr, sobald er vor den drohenden Gebärden der übrigen sich flüchtet. Vermag er seinen Platz unter der Gesellschaft sich nicht zu erkämpfen, ist er mit andern Worten zu kräftigem Widerstande zu schwach, so ergeht es ihm übel. Alle fallen über ihn her und suchen ihm einen Schnabelhieb auf den Rücken beizubringen. Erkämpft er sich in wackerer Gegenwehr seinen Platz, so erwirbt er sich wenigstens Duldung; flüchtet er, so stürmen alle übrigen hinter ihm drein, wiederholen, sowie er sich regt oder überhaupt irgend etwas tut, den Angriff und steigern mit der Zeit seine Ängstlichkeit so, daß der arme Schelm nur dicht über den Boden hinzufliegen wagt und die Nähe der andern Genossen vorsichtig meidet. Nicht allzuselten verliert ein so gehetzter Pfefferfresser infolge der ewigen Angriffe alle Lust zum Leben, wenn nicht dieses selbst. Erst wenn es ihm gelingt, sich unter seinesgleichen einen Freund, vielleicht gar einen Liebhaber zu erwerben, endet der Zwiespalt. Weibliche Pfefferfresser sind daher in der Regel ungleich besser daran als männliche, die nicht allein vom Neide, sondern auch von der Eifersucht der übrigen zu leiden haben.

 

An die Pfefferfresser reihen sich naturgemäß die Bartvögel ( Megalaemidae) an. Sie kennzeichnen sich durch etwas schwerfälligen, gedrungen walzigen Leib, mittellangen, kräftigen, fast kegelförmigen, seitlich ausgeschweiften, an der Wurzel weiten, gegen die Spitze hin zusammengedrückten, an den Schneidenrändern entweder geraden oder von unten nach oben eingebuchteten, auch wohl gezahnten oder mit zahnartig endenden Furchen versehenen Schnabel, kurze, aber kräftige, paarzehige Füße mit nach hinten gewendeter Daumen- und Außenzehe, mittellange oder kurze, gerundete Flügel und kleine Flügeldeckfedern, kurzen, meist gerade abgeschnittenen, zuweilen aber auch etwas zugerundeten und dann verhältnismäßig längeren, aus zehn Federn gebildeten Schwanz sowie endlich weiches, aber festsitzendes, in prächtigen Farben prangendes Gefieder, das sich in der Schnabelgegend zu zahlreichen Borsten umgestaltet hat. Die Familie, von der man etwa achtzig Arten kennt, ist in der heißen Zone beider Welten heimisch, wird jedoch in den verschiedenen Erdteilen durch besondere Sippen vertreten. Ihre größte Entwicklung erlangt sie in Afrika und in Asien; in Australien hingegen wird keines ihrer Mitglieder gefunden.

siehe Bildunterschrift

Goldbartvogel ( Megalaema flavigula)

Als Vertreter der asiatischen Arten habe ich den Goldbartvogel ( Megalaema flavigula) erwählt, weil wir über seine Lebensweise einigermaßen unterrichtet sind. Die Sippe der Bärtlinge ( Megalaema) die er vertritt, kennzeichnet sich durch kurzen, seitlich ausgebauchten Schnabel, ziemlich spitze Flügel, in denen die dritte, vierte und fünfte Schwinge die längsten sind, und einen kurzen, fast gerade abgeschnittenen Schwanz. Das Gefieder des Goldbartvogels ist oberseits düsterölgrün, welche Färbung an den Außensäumen der schwarzen Schwingen ins Düstergrünblaue übergeht: Vorder- und Oberkopf sind scharlachrot, Hinterkopf und Kopfseiten schwarz, ein schmaler über und ein breiter Streifen unter dem Auge, Kinn und Kehle schwefelgelb; ein letztere unterseits einfassendes Querband hat tief scharlachrote, ein dieses unterseits wiederum begrenzendes Band orangegelbe Färbung; die übrige Unterseite ist gelblichweiß durch breite, tief apfelgrüne Schaftlängsflecke gezeichnet. Nicht selten trifft man einen nahen Verwandten, den rotköpfigen Grünbärtling ( M. versicolor), in dessen Farbenkleid das Grüne stärker hervortritt (vgl. unsere Abb.). Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel schwarz, der Fuß korallenrot. Die Länge beträgt 17, die Breite 29, die Fittichlänge 8,5, die Schwanzlänge 4 Zentimeter.

Der Goldbartvogel verbreitet sich, laut Jerdon, über ganz Indien bis Cochinchina, Ceylon und die Malaiischen Inseln, namentlich Sumatra und die Philippinen, fehlt aber im Himalaya und im Punjab. Er ist häufig überall, wo es Bäume gibt, bewohnt hochstämmige Wälder, Haine, Spaziergänge und Gärten, kommt auch ohne jegliche Scheu unmittelbar bis zu den Häusern heran, läßt sich sogar nicht selten auf diesen selbst nieder. Die Stimme ist laut, den Silben »Duk duk« vergleichbar. Der Goldbartvogel läßt diese Laute gewöhnlich vernehmen, wenn er auf der Spitze eines Baumes sitzt, und pflegt bei jedem Laute mit dem Haupte zu nicken, erst nach der einen, dann nach der andern Seite hin. Stimme und Bewegungen des Hauptes haben ihm den Namen »Kupferschmied« verschafft, und dieser ist bei Europäern wie bei Indern gang und gäbe. Sundevall bemerkt, daß ein und derselbe Goldbartvogel immer gleichlautend singt, selten aber zwei gefunden werden, die ihr Lied genau in derselben Weise vortragen, daß deshalb, wenn zwei oder mehrere dieser Vögel nahe beieinander sitzen und gleichzeitig schreien, ein nicht unangenehmes Tonstück entsteht.

Früchte verschiedener Art, zeitweilig vielleicht auch Kerbtiere, bilden die Nahrung des Vogels; doch ließ ein gefangener, den Blyth beobachtete, tierische Nahrung liegen, wenn ihm Früchte gereicht wurden. Ein Goldbartvogel, den ich pflegte, verfuhr gerade umgekehrt und zog Mehlwürmer allen übrigen Leckerbissen vor, ohne jedoch Früchte zu verschmähen. Mein Gefangener lebte mit allen seinen Käfiggenossen in bestem Einverständnis, oder richtiger, bekümmerte sich nicht im geringsten um dieselben, hielt sich stets von ihnen gesondert auf einem vom ersten Tage an gewählten Platze auf, saß hier oft stundenlang regungslos still oder ließ dann und wann seine laute, schallende Stimme vernehmen. Zum Boden herab kam er nur dann, wenn der Hunger ihn nötigte, setzte sich aber auch hier, falls er es konnte, auf einen Zweig oder den Rand des Freßgeschirrs und betrat nur ausnahmsweise den Boden selbst, hüpfte jedoch weniger schwerfällig auf ihm umher, als man von vornherein hätte annehmen mögen.

Über die Fortpflanzung des Goldbartvogels vermag ich wenig zu sagen. Das Nest wird in Baumlöchern angelegt und ein und dieselbe Höhle wahrscheinlich jahrelang nacheinander benutzt. Das Gelege besteht aus zwei und vielleicht mehr weißen Eiern.

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Unter den afrikanischen Bartvögeln hat mich der Perlvogel ( Trachyphonus margaritatus) am meisten angezogen. Er vertritt die Sippe der Schmuckbartvögel, deren Kennzeichen in dem schlanken, mittellangen, auf der Firste leicht gewölbten, an der Spitze zusammengedrückten, nicht aber ausgeschweiften Schnabel, den verhältnismäßig hohen Füßen, deren Läufe länger als die Mittelzehe sind, den ziemlich langen Flügeln, in denen die vierte Schwinge die längste ist, und in dem ziemlich langen, abgerundeten Schwanze zu suchen sind.

Das Gefieder der Oberseite ist umberbraun, weiß geperlt und gebändert, das des Hinterkopfes, Hinterhalses, der Halsseiten und Unterteile glänzend schwefelgelb, in der Brustgegend rötlich überflogen; Stirn und Scheitel, beim Männchen auch ein Kehlfleck sowie ein aus Punkten gebildetes Brustband, sind schwarz, Steiß und Bürzel dunkelscharlachrot. Das Auge ist dunkelrot, der Schnabel hellrot, der Fuß bleigrau. Die Länge beträgt neunzehn, die Fittichlänge neun Zentimeter.

Südlich des siebzehnten Grades nördlicher Breite ist der Perlvogel in allen von mir durchreisten Gegenden Nordostafrikas keine Seltenheit, in den Waldungen und Gärten Senars und Kordofans, hier und da wenigstens, sogar eine regelmäßige Erscheinung. Zu erwähnen ist hierbei freilich, daß er sein möglichstes tut, sich bemerkbar zu machen. Er spricht von sich selbst; denn er ist es, der die Gärten in den Dörfern der Niederungen der Steppe und den Wald zu beleben weiß. Gewöhnlich trifft man ihn paarweise, nach der Brutzeit aber auch in kleinen Gesellschaften. Niemals versteckt er sich so wie andere Bartvögel Afrikas, sondern zeigt sich, namentlich zu gewissen Zeiten, sehr gern frei. Zumal in den Morgen- und Abendstunden schwingt er sich auf die höchste Spitze gewisser Bäume und schreit von hier aus munter und fröhlich in die Welt hinaus. Sofort nach dem Eintreffen auf einem Baume beginnen beide Gatten vereint einen höchst eigentümlichen Gesang, der nach meinem Urteil durch die Silben »Gukguk girre girre gukguk«, nach Hartmanns Ansicht durch »Tiur tiur«, nach Antinoris Angabe »Tschioi, tschio i«, nach Heuglins Auffassung endlich wie »Du, du, dui dui dui dui du« ausgesprochen werden kann. Beider Stimmen verschmelzen in der sonderbarsten Weise miteinander, so daß ein wahrer Tonunfug entsteht, ein Gesang, so verworren und dunkel, daß man die einzelnen Laute nicht unterscheiden kann, »ein Schnurren«, wie Hartmann mit vollem Recht sagt. »Jedenfalls«, meint dieser Forscher, »ist der Gesang des Perlvogels einer der sonderbarsten und bezeichnendsten Naturlaute, die man in dieser Gegend vernimmt.« Aber der Gesang unterhält gerade deshalb und vielleicht noch aus dem Grunde, weil er mit so viel Herzensfreude vorgetragen wird, daß man die Gefühle des Vogels notwendig teilen muß. Übrigens liebt dieser es durchaus nicht, von wißbegierigen Menschen weißer Färbung belauscht zu werden; wenigstens pflegt er augenblicklich stillzuschweigen, sobald ein Europäer sich seinem Standort nähert, verläßt auch diesen gewöhnlich zur rechten Zeit, so daß es nicht eben leicht ist, sein Treiben in genügender Nähe zu beobachten.

Im übrigen lebt der Perlvogel nach Art anderer seiner Familie. Er bewegt sich langsam in den Baumkronen hin und her, liest dort Kerfe auf, geht Früchte an und sucht sich Sämereien zusammen. Er klettert schlecht, fliegt bald schwirrend, bald schwebend, nicht gern weit, liebt überhaupt die Ruhe und hält an dem einmal gewählten Standort mit großer Zähigkeit fest, dehnt aber die Grenzen seines Gebietes weiter aus, als andere Bartvögel jener Gegend zu tun pflegen.

Über das Nest sind wir durch Heuglin unterrichtet worden. »In einem zum Ain-Saba führenden Regenbett«, sagt er, »fand ich am 26. September das Nest dieses Vogels in einer senkrechten Erdwand. Es war ungefähr drei Meter über der Talsohle angebracht. Ein kreisrundes, fünf Zentimeter im Durchmesser haltendes Loch führte mit wenig Neigung nach aufwärts etwa fünfzig Zentimeter tief in die Wand in einen größeren, rundlichen, nach unten zulaufenden Raum, der von dem zu ihm führenden Gange noch durch eine Art kleiner Wand geschieden war. Im Innern lag ein frisches Ei, ohne alle Unterlage auf etwas aufgelockerter Erde. Es ist im Verhältnis zum Vogel mittelgroß, eigestaltig, an beiden Enden ziemlich stumpf, reinweiß, rosenrot durchscheinend, außerordentlich feinschalig und glänzend. Am 8. Oktober entdeckte ich an einem ähnlichen Orte ein Nest mit vier bebrüteten Eiern. Das Nest war dem oben beschriebenen ganz gleich; nur war das Bett für die Eier mit Malvensamen gefüllt. Ob der Perlvogel seine Nisthöhle selbst gräbt, vermag ich nicht zu sagen.« In seinem später erschienenen Werke fügt Heuglin Vorstehendem noch hinzu, daß er niemals mehr als vier Eier in einem Gelege gefunden, aber schon fünf bis sechs unzweifelhaft einer und derselben Brut angehörige Junge zusammengesehen habe, auch vermute, daß der Vogel mehr als einmal im Jahre brüte.

 

Als neuweltliche Vertreter der Bienenfresser darf man die Glanzvögel ( Galbulidae) ansehen, ebensogut aber auch Verbindungsglieder zwischen Bienenfressern, Eisvögeln oder Liesten und Bartkuckucken in ihnen erblicken; denn sie vereinigen Merkmale von allen den genannten. Die Kennzeichen der Familie sind gestreckter Leib, langer, meist gerader, hoher, scharfkantiger, pfriemenartiger Schnabel, kleine, schwache, zarte, paar-, ausnahmsweise dreizehige Füßchen, kurze, die Schwanzwurzel kaum überragende Flügel, unter deren Schwingen die vierte oder fünfte die längste ist, langer und abgestufter, aus zehn oder zwölf am Ende schmal zugerundeten Federn zusammengesetzter Schwanz und weiches, lockeres, prächtig goldglänzendes Gefieder, das sich am Schnabelgrunde zu Borsten umgestaltet. Mit den ihnen innig verwandten Bartkuckucken zeichnen sich die Glanzvögel außerdem in besonderem Grade aus durch ihre äußerst zarte Haut, in der die breiten, weichen, dünnschaftigen Federn nur locker befestigt sind, und den in allen Hauptzügen an die Kuckucke erinnernden Bau ihres Leibes. Die Glanzvögel, eine kaum zwanzig bekannte Arten zählende Familie, gehören dem Süden Amerikas an, kommen jedoch im Westen der Anden nicht vor, sind also auf ein verhältnismäßig kleines Gebiet beschränkt. Auch in ihm meiden sie weite Strecken gänzlich; denn sie halten sich, wenn nicht ausschließlich, so doch vorzugsweise, in den feuchten Urwaldungen auf.

Bei dem Jakamar ( Galbula viridis), Vertreter der gleichnamigen Sippe ( Galbula), sind die Oberteile und die Brust prächtig goldgrün, die übrigen Unterteile rostrot, die Seitenfedern des Schwanzes rostrot mit grünen Spitzen; die Kehle ist beim Männchen weiß, beim Weibchen fahl rostgelb. Das Auge ist braun, der sehr lange und dünne Schnabel wie der Zügel und der nackte Augenring schwarz, der Fuß bräunlichfleischfarben. Die Länge beträgt nach den Messungen des Prinzen von Wied 21,5, die Fittichlänge 8, die Schwanzlänge 9 Zentimeter.

siehe Bildunterschrift

Jakamar ( Galbula viridis)

Der Jakamar bewohnt die Waldungen des ganzen Küstengebietes von Brasilien und ist nirgends selten. Nach Ansicht des Prinzen von Wied hat der schöne Vogel in mancher Hinsicht Ähnlichkeit mit den Kolibris, und diese Ähnlichkeit erkennen selbst die rohen Botokuden an, indem sie ihn den »großen Kolibri« nennen. Er lebt, wie seine Verwandten, einsam und still in feuchten Wäldern und schattigen Gebüschen, sitzt gewöhnlich am Wasser auf niederen Zweigen, fliegt schnell, aber nicht weit und ist ein trauriger, stiller, verdrossener Gesell, der Bewegung förmlich zu scheuen scheint. Geduldig wartet er, bis sich ein Kerbtier nähert, fängt dieses in schnellem Fluge und kehrt ebenso schnell nach dem alten Standort zurück. Zuweilen kann er auch, wie Schomburgk versichert, stundenlang in träger Ruhe ausharren, ohne sich zu bewegen. Die Stimme ist ein lauter, heller, öfter wiederholter Ton, nicht aber ein angenehmer Gesang, wie Buffon glaubte. Das Nest legen er und seine Verwandten in einem runden Uferloch an.

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Die nächsten Verwandten der Bartkuckucke und Glanzvögel sind ebenfalls noch arge Träumer; aber bei ihnen söhnt doch wenigstens das prachtvolle Gefieder einigermaßen mit dem stillen und langweiligen Wesen aus. Die Nageschnäbler oder Surukus ( Trogonidae), eine zahlreiche, in mehr als vierzig Arten über die Wendekreisländer der Alten und Neuen Welt verbreitete Familie, kennzeichnen sich durch gestreckten, aber reich befiederten Leib, sehr kurzen, breiten, dreieckigen, stark gewölbten Schnabel mit hakiger Spitze und bauchig nach hinten vortretenden Kieferrändern, die oft gezähnelt sind, sehr kleine und schwache, kurzläufige, fast ganz vom Schenkelgefieder verdeckte, dünn- und kurzzehige Füße, deren innere Zehe neben der hinteren sich nach rückwärts wendet, kurze, stark abgerundete Flügel, deren Schwingen schmal, spitz, steifschaftig und sichelförmig gekrümmt sind, langen zwölffederigen Schwanz, dessen drei äußere Federn jeder Seite sich verkürzen, wogegen die sechs mittleren, breiteren annähernd gleiche Länge haben, und durch ein sehr weiches, stark duniges, prachtvoll metallisch glänzendes Gefieder, das sich am Schnabelgrunde ebenfalls in Borsten umwandelt. Der innere Bau gleicht im wesentlichen dem der Kuckucke. Von jeher hat die wundervolle Pracht des Gefieders die Aufmerksamkeit der Forscher und Laien auf diese merkwürdigen Vögel gelenkt, deren Leben im übrigen wenig Beachtenswertes bietet.

Über die amerikanischen Nageschnäbler sind wir genauer unterrichtet. Bei denjenigen Arten, die man als die Urbilder der Familie betrachtet und zur Sippe der Surukus ( Trogon) rechnet, ist der Schnabel breit und hoch, der Oberkiefer bauchig gewölbt, an der Spitze wenig hakig übergebogen, der Rand gekerbt, der Flügel kurz und stumpf, der Schwanz mittellang, seitlich wie bei den indischen Arten abgestuft, das Gefieder weich und großfederig.

 

Azara beschrieb zuerst die Surukua ( Trogon surucua), einen Vogel, dessen Länge sechsundzwanzig, dessen Breite achtunddreißig, dessen Fittich zwölf und dessen Schwanz neun Zentimeter mißt. Das Männchen ist wirklich prachtvoll. Kopf und Hals bis zur Brust herab sind blauschwarz; der Rücken ist grün, der Bauch blutrot; die Kopf-, Hals- und Rückenfedern schimmern in Metallfarben, die Kopfseiten stahlblau oder violett, die Rückenteile grünlich, bläulich oder golden; die Flügeldeckfedern sind sein wellenförmig schwarz und weiß gezeichnet, auf der Außenfahne schmal, auf der Innenfahne breit weiß gesäumt, die mittleren Steuerfedern blau mit schwarzer Spitze, die nächstfolgenden schwarz mit blaugrüner Außensahne, die vierte und fünfte jeder Seite an der Spitze, die äußerste und sechste an der ganzen Außenfahne weiß. Das Auge ist dunkelrot, der nackte Augenlidrand orangefarbig, der Schnabel weißlich, der Fuß schwarzgrau. Beim Weibchen ist die Oberseite grau» die Unterseite rosenrot.

Der Pompeo ( Trogon viridis) ist auf der Stirn, den Wangen, der Kehle und dem Vorderhalse schwarz, auf dem Scheitel, dem Nacken, den Halsseiten und der Oberbrust prachtvoll stahlblau, grün schillernd, auf dem Rücken, den Schultern und den obersten Flügeldeckfedern erzgrün, welche Färbung auf dem Bürzel ins Bläuliche fällt; Bauch und Steiß sind lebhaft dottergelb, die äußeren Flügeldeckfedern und Schwingen schwarz, letztere weiß gerandet, die mittleren Schwanzfedern grün mit schwarzem Endsaume, die nächstfolgenden schwarz, außen erzgrün gesäumt, die drei äußersten jederseits an der Außenfahne und Spitze weiß. Beim Weibchen ist die Oberseite dunkelgrau, der Bauch blaßgelb, die Flügeldeckfedern sind sein weiß quergebändert. Das Auge ist braun, der Schnabel blaß grünlichweiß, der Fuß schwarzgrau. Die Länge beträgt dreiunddreißig, die Breite achtundvierzig, die Fittichlänge fünfzehn, die Schwanzlänge dreizehn Zentimeter.

Die Surukua bewohnt die Urwaldungen des südlichen Brasilien und nördlichen Paraguay; der Pompeo verbreitet sich über Nordbrasilien und Guayana. Die eine wie die andere Art ist, wo sie vorkommt, niemals selten; der Pompeo gehört sogar zu den gemeinsten Vögeln der Urwälder, die der Prinz von Wied besuchte. Er lebt in ebenen und bergigen Gegenden gleich gern und hält sich auch an der Seeküste auf, wo diese vom Urwalde bedeckt ist. »Überall«, sagt der Prinz, »sind diese Vögel verbreitet, sowohl im Sertong und den inneren trockenen und erhitzten Waldungen als in den hohen, dunkeln, prachtvollen Küstenländern, die in Hinsicht der Schönheit und durch ihren erhabenen, majestätischen Charakter bei weitem die Waldungen des inneren Brasilien übertreffen. Sie scheinen aber in den Küstenländern viel zahlreicher vorzukommen als in den Gebüschen des höheren Landes.« Allerorten vernimmt man den Ruf des Pompeo, einen eintönigen, ziemlich kurzen, oft wiederholten Pfiff, der allmählich von der Höhe zur Tiefe herabsinkt und Ähnlichkeit mit dem Rufe des weiblichen Truthahns hat oder, laut Schomburgk, wie »Wu wu« klingt. Während der Paarzeit wird auch die Surukua laut; man vernimmt dann den häufig wiederholten Ruf, der den Silben »Pio pio« ähnelt. Überall kann man diese Vögel wahrnehmen; denn sie sind durchaus nicht scheu und lassen den Menschen bis in ihre unmittelbarste Nähe kommen. Azara sah, daß man eine Surukua mit dem Stock von dem Zweige herabschlug, auf dem sie saß, und auch der Prinz hält dies hinsichtlich des Pompeo für möglich. Auf einem freien, mäßig hohen Aste sitzen beide stundenlang unbeweglich oder, wie Schomburgk sich ausdrückt, unverdrossen, mit eingezogenem Hals und schlaff herabhängendem Schwanz, aus Kerbtiere lauernd. Gewöhnlich bemerkt man die Vögel einzeln oder höchstens paarweise; doch sagt Bates, daß er auch kleine Gesellschaften von einem halben Dutzend Stücken gesehen habe. »Sie verweilen, auf den unteren Zweigen der Bäume sitzend, fast bewegungslos eine oder zwei Stunden lang und drehen höchstens den Kopf ein wenig, wenn ein fliegendes Kerbtier sich sehen läßt.« Kommt ein solches in ihre Nähe, so erheben sie sich mit leisem, sanftem, eulenartigem und nicht reißendem Flug, fangen die Beute und kehren wieder zu demselben Sitz zurück. Häufig bemerkt man sie, laut Schomburgk, auf Fikusbäumen, deren Früchte sie gern zu fressen scheinen, gewöhnlich in Gesellschaft von Schmuckvögeln. Auch Natterer hat in dem Magen des Pompeo Samen und Früchte gefunden. Am tätigsten sind die Trogons in den Morgenstunden, namentlich unmittelbar nach Sonnenausgang. Um diese Zeit tönt der Wald von ihrem klagenden Ruf.

Die Surukua nistet in Höhlungen, die sie sich in die auf den Bäumen stehenden Termitennester eingräbt. »Ich sah«, sagt Azara, »das Männchen wie ein Specht angehängt und beschäftigt, mit seinem Schnabel das Nest auszuhöhlen, währenddem das Weibchen ruhig auf einem benachbarten Baum saß und das Männchen durch seine Blicke anzufeuern schien.« Im September ist das Nest vollendet, und das Weibchen legt nun seine zwei bis vier weißen Eier.

Die Erlegung dieser und anderer Surukus ist sehr leicht und mühelos. Denn selbst wenn man einen solchen Vogel nicht sieht, kann man sich seiner bemächtigen, indem er sich durch den unschwer nachzuahmenden Ruf herbeilocken läßt und dann in unmittelbarer Nähe des Jägers seinen Sitz nimmt. Die Brasilianer wenden dieses Kunststück an, wenn es ihnen, wie es in den menschenleere» Waldungen oft vorkommt, an Lebensmitteln mangelt. Das Fleisch selbst soll schmackhaft sein. Größere Schwierigkeiten verursacht die getötete Surukua dem Naturforscher. »Kein Vogel«, versichert Schomburgk, »bereitete mir beim Abziehen so viele Mühe wie der Pompeo, da es selbst bei der größten Vorsicht kaum gelingt, den Balg unbeschädigt herunterzubringen. Das Fell ist so zart, daß es sogar, wenn der Vogel geschossen vom Baum fällt und beim Herabfallen einen Zweig berührt oder auf harten Boden herabstürzt, zum Ausstopfen unbrauchbar wird.«

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Eine neuerdings ebenfalls in mehrere Untersippen zerfallende Gruppe umsaßt die Prachtsurukus ( Pharomacrus). Sie sind die größten Mitglieder der Ordnung, ausgezeichnet durch ihren verhältnismäßig breiten und flachen Kopf, ihren niedrigen, schmalen, nach der Spitze hin merklich zusammengedrückten, am Ende starkhakig herabgebogenen Schnabel und das zumal aus den Flügeln und dem Bürzel sehr entwickelte Gefieder, das an Pracht das aller übrigen Nageschnäbel noch übertrifft und kaum seinesgleichen hat innerhalb der ganzen Klasse.

Der Quesal ( Pharomacrus mocinno), der prachtvollste von allen, kennzeichnet sich durch einen vollen, aus zerschlissenen Federn gebildeten, seitlich zusammengedrückten, hohen, halbkugelförmigen Helm und die außerordentliche Entwicklung des Deckgefieders, das über die Flügel und den Schwanz wallend herabhängt. Die vorherrschende Färbung des Gefieders ist ein glänzendes Smaragdgoldgrün; die Brust und die übrigen Unterteile sind hoch scharlachrot, die Schwingen und deren Deckfedern sowie die vier mittelsten Schwanzfedern schwarz, die übrigen Steuerfedern weiß. Die erste Reihe der oberen Flügeldecken ist merklich verlängert, schmal, spitzig, palmblattförmig gestaltet und hat wie die oberen außerordentlich verlängerte Schwanzdeckfedern, deren beide mittlere gegen achtzig Zentimeter an Länge erreichen können, goldgrüne Färbung. Das Auge ist dunkel nußbraun, das Augenlid schwarz, der Schnabel gelb, am Grund ölbraun, der Fuß braungelb. Das Weibchen unterscheidet sich durch den nur schwach angedeuteten Schopf und das weit weniger entwickelte Deckgefieder, das die Steuerfedern weit überragt. Die Länge beträgt zweiundvierzig, die Fittichlänge einundzwanzig, die Schwanzlänge zweiundzwanzig Zentimeter. Die längsten Schwanzdeckfedern überragen die Steuerfedern um fünfundsechzig Zentimeter.

siehe Bildunterschrift

Quesal ( Pharomacrus mocinno)

Bis vor kurzem wußten wir nur, daß der Quesal in Mexiko und Mittelamerika gefunden wird und hier die Gebirgswaldungen bewohnt; neuerdings sind wir durch Salvins und Owens Forschungen über die Lebensweise unterrichtet worden. »Der Vogel«, sagt ersterer, »wählt zu seinen Aufenthaltsorten einen Gürtel von ungefähr zweitausend Meter unbedingter Höhe. Innerhalb desselben scheint er in allen Waldungen vorzukommen, wenn auch nur in denen, die aus den höchsten Bäumen bestehen. Die niederen Zweige der letzteren, d. h. diejenigen, die sich ungefähr im zweiten Drittel der Baumhöhe befinden, dienen ihm zur bevorzugten Warte. Hier sieht man ihn fast bewegungslos sitzen; denn er dreht höchstens den Kopf langsam von einer Seite zur andern oder breitet und schließt abwechselnd den fast senkrecht herabhängenden Schwanz, erhebt ihn auch wohl und bringt dann die lang überhängenden Deckfedern in sanfte Bewegung. Sein Auge erspäht eine reife Frucht; er erhebt sich von seinem Zweig, erhält sich einen Augenblick rüttelnd, pflückt eine Beere und kehrt zu demselben Zweig zurück. Ein derartiger Ausflug wird mit einer Zierlichkeit ausgeführt, die jeder Beschreibung spottet. Ich habe oft gehört, daß Leute, die ausgestopfte Kolibris sahen, begeistert ausriefen: ›Wie prachtvoll müssen diese kleinen Geschöpfe erscheinen, wenn sie fliegen‹. Aber dies ist nicht der Fall. Man denke sich den Kolibri in einer Entfernung von zwanzig Meter, und man sieht von seinen Farben nichts, es sei denn, daß man sich in der allervorteilhaftesten Lage befinde. Anders ist es mit dem Quesal. Seine Pracht bleibt dieselbe, welche Stellung er auch annehmen möge, und er fesselt durch sie sofort das Auge. Kein anderer Vogel der Neuen Welt erreicht ihn, kein anderer der Alten Welt übertrifft ihn. Dies waren meine Gedanken, als ich den ersten lebenden vor mir sah. Der Flug ist rasch und wird in gerader Richtung ausgeführt; die langen Schwanzdeckfedern, die ihm durchaus nicht im Wege zu sein scheinen, strömen hinter ihm drein. Die Laute, die er ausstößt, sind verschieden. Seine Lockstimme ist ein doppelter Laut, den Silben ›wiu wiu‹ ungefähr vergleichbar. Der Vogel beginnt mit einem sanften Pfeifen und verstärkt dieses nach und nach zu einem lauten, aber nicht klanglosen Schrei. Oft dehnt er diesen Laut, beginnt ihn leise, verstärkt ihn und läßt ihn dann allgemach wieder verstummen. Beide Töne können leicht nachgeahmt werden. Andere Schreie sind rauh und mißtönend, und sie lassen sich nur mit Hilfe von Blättern wiedergeben. Die Nahrung besteht vorzugsweise aus Früchten; doch findet man gelegentlich auch eine Heuschrecke in seinem Magen.«

Über das Brutgeschäft teilt Owen einiges mit. »Gelegentlich eines Jagdausfluges nach dem Berg von Santa Cruz erzählte mir einer meiner Jäger, daß er ungefähr eine Meile von Chilasco ein Quesalnest gesehen, und erbot sich, das Weibchen zu erlegen und mir das Ei zu bringen, falls ich ihm jemand zur Hilfe geben wollte. Ich ging selbstverständlich darauf ein, und der Mann kehrte mit dem Weibchen und zwei Eiern zurück. Er berichtete, daß das Nest in der Höhle eines abgestorbenen Baumes ungefähr acht Meter über dem Boden gestanden hatte. Zur Höhle führte ein Eingangsloch, eben groß genug, um das Einschlüpfen zu ermöglichen. Das Innere derselben war kaum so geräumig, daß sich der Vogel umdrehen konnte. Außer einer Lage von Mulm fand sich kein eigentliches Nest vor. Andere Bergbewohner erzählten, daß der Quesal sich gern mit verlassenen Spechthöhlen behelfe.« »Ich denke«, fügt Salvin Vorstehendem hinzu, »daß diese Angabe für die Nestkunde des Vogels genügend ist. Meiner Meinung nach hilft der männliche Vogel nicht mit brüten, sondern überläßt diese Pflicht ausschließlich dem Weibchen.«

Die Jagd des Quesal ist für den, der den Laut seines Wildes nachzuahmen versteht, sehr einfach. Der Jäger, der sich des Prachtvogels bemächtigen will, geht gemächlich durch den Wald und ahmt dabei ab und zu den Lockruf des Männchens nach. Sobald ein solches ihn vernimmt, antwortet es. Der Jäger bleibt stehen und wiederholt die verschiedenen Schreie, bis der Vogel auf einem der nächsten Bäume vor ihm erscheint. Salvin sagt ausdrücklich, daß er selten lange habe warten müssen. Gewöhnlich fliegt das Weibchen voraus und setzt sich in großer Nähe über dem Jäger nieder. Dieser beachtet es nicht und fährt fort, nach dem Männchen zu rufen, bis letzteres sich einstellt. Nur zuweilen wird von dem Quesaljäger auch das Weibchen erlegt.

Kuckucksvögel

Eine arten- und gestaltenreiche Familie umfaßt die Kuckucksvögel ( Cuculidae), von denen fast zweihundert Arten beschrieben worden sind. Sie kennzeichnen sich durch gestreckten Leib mit ziemlich langen Flügeln und langem, abgestuftem, aus acht, zehn oder zwölf Federn bestehendem Schwanz, zusammengedrücktem, sanft gebogenem, mitunter hohem, scharfkantigem, ungefähr kopflangem Schnabel und verhältnismäßig langen und stark gebauten, kurzzehigen Füßen.

Als die edelsten Mitglieder der Familie betrachtet Cabanis, und wohl mit Recht, die Honigkuckucke ( Indicatorinae). Die Honigkuckucke sind verhältnismäßig gedrungen gebaut, langflügelig, kurzschwänzig, starkschnäbelig und kurzfüßig. Der Schnabel ist kürzer als der Kopf, stark, fast gerade, nach der Spitze zu oben und unten gekrümmt, seitlich zusammengedrückt und hakig übergebogen. Die Füße sind kurz und kräftig, die Läufe kürzer als die Außenzehe, die Zehen lang, aber nicht schwach. Der Fittich ist lang und spitzig, jedoch ziemlich breit, unter den neun Schwingen, die der Handteil des Flügels trägt, die dritte die längste, die vierte und fünfte aber nur wenig verkürzt. Der höchstens mittellange Schwanz, der aus zwölf Steuerfedern gebildet wird, ist abgerundet und in der Mitte ein wenig ausgeschweift, da die beiden mittleren Steuerfedern etwas kürzer als die nächsten, die beiden Außenfedern aber bedeutend verkürzt sind. Das Gefieder ist dicht, glatt und derb; die einzelnen Federn sitzen fest in der starken Haut.

Die Honigkuckucke, von denen man ein Dutzend Arten kennt, gehören hauptsächlich Afrika an; nur zwei Arten der Familie sind bis jetzt außerhalb dieses Erdteils, in Sikhim und auf Borneo, beobachtet worden. Sie leben in waldigen Gegenden, meist paarweise, höchst selten in kleinen Trupps, flattern von einem Baum zum andern und lassen dabei ihre starke, wohlklingende Stimme vernehmen. Aus den bisher bekannt gewordenen Beobachtungen der Reisenden geht hervor, daß alle Honigkuckucke hinsichtlich ihrer Lebensweise sich im wesentlichen ähneln. Daher dürfte es für uns vollkommen genügen, wenn ich eine Art der Familie und Sippe beschreibe und die Berichte der reisenden Forscher über die Lebensweise auf sie beziehe.

 

Der Honiganzeiger ( Indicator sparmanni) ist auf der Oberseite graubraun, auf der Unterseite weißgraulich, an der Gurgel schwarz, ein Fleck in der Ohrgegend graulichweiß; die Schultern sind durch einen gelben Fleck geziert; einige Schenkelfedern durch schwarze Längsstriche gezeichnet; die Schwingen graubräunlich, die Deckfedern der Flügel breit weißgesäumt; die mittleren Schwanzfedern braun, die beiden folgenden jeder Seite auf der Außenfahne braun, auf der inneren weiß, die drei äußersten ganz weiß mit brauner Spitze. Die Iris ist braun, der Augenring bleifarben, der Schnabel gelblichweiß, der Fuß bräunlichgrau. Die Länge beträgt achtzehn, die Fittichlänge elfeinhalb, die Schwanzlänge sieben Zentimeter.

Vom Süden an verbreitet sich diese Art über den größten Teil Afrikas bis zum sechzehnten Grad nördlicher Breite; es scheint aber, daß er und seine Verwandten in gewissen Gegenden, so im Ostsudan oder in Habesch, nur zeitweilig vorkommen, also Zugvögel sind. Auffallenderweise habe ich nur ein einziges Mal einen Honigkuckuck gesehen, und zwar bloß im Vorüberfliegen, so daß ich aus eigener Erfahrung nichts zu sagen weiß, während alle übrigen Reisenden, die dieselben Gegenden wie ich besuchten, mit diesen Vögeln bekannt wurden. Häufig scheint er nirgends aufzutreten. Auch Antinori, der nach mir das Bogosland bereiste, bezeichnet ihn als selten und bemerkt, daß er ihn nicht mehr als viermal angetroffen habe. Bezüglich des vereinzelten Vorkommens mag jedoch noch eine Bemerkung Heuglins hier Platz finden. Ihre geringe Größe, einfache Färbung und die Gewohnheit, sich in dichtbelaubten Bäumen aufzuhalten, sind Ursachen genug, daß sie dem Sammler weniger in die Augen fallen, obgleich sie, namentlich im Fluge, sich sehr leicht an der eigentümlichen Schwanzzeichnung erkennen lassen und ihre Anwesenheit auch durch ihren bekannten Ruf anzeigen. Abgesehen von diesem Rufe stellen sie sich als stille, einsame Gesellen dar, klettern nach Art des Wendehalses langsam im Gezweige umher und machen sich nur dann vernehmlich, wenn sie durch einen ihnen besonders auffallenden Gegenstand gefesselt werden, insbesondere aber Wespennester oder Bienenstöcke entdeckt haben.

Der Reisende Ludolf, dessen »Geschichte Aethiopiens« im Jahre 1681 erschien, ist der erste, der über den Honiganzeiger spricht. Er weiß bereits, wenn auch nicht durch eigene Erfahrung, daß der Vogel alles, was ihm aufgefallen, dem Menschen verrät, nicht bloß die Bienennester, sondern ebenso die wilden Büffel, Elefanten, Tiger und Schlangen, und daß er einen ihm willigen Jäger zu dem von ihm entdeckten Tier oder Gegenstand förmlich hinführt. »Der Bienenverräterkuckuck«, sagt dann später Sparmann, »verdient, daß ich hier seine sonderbare Geschichte ausführlicher bekanntmache. Eigentlich ist es wohl weiter nichts als Eigennutz, um dessentwillen er dem Menschen und dem Ratel die Bienennester entdeckt; denn Honig und Bienenmaden sind sein liebster Fraß, und er weiß, daß beim Plündern der Bienennester allezeit etwas verlorengeht, das auf seinen Anteil fällt, oder daß man mit Fleiß etwas als eine Belohnung seines geleisteten Dienstes übrigläßt.« Hier wendet Levaillant mit Recht ein, daß diejenigen Honigkuckucke, die in den von Menschen nicht bewohnten Wildnissen hausen, unmöglich auf eine derartige Belohnung ihrer Dienste rechnen können und doch auch leben, daß also der Vogel dem Menschen nicht absichtlich dient, sondern dieser sich die Eigenheit des Honigangebers einfach zunutze macht. »Bei alledem«, fährt Sparmann fort, »setzt die Art, wie dieser Vogel seine Verräterei bewerkstelligt, viel Überlegung voraus und ist bewunderungswürdig. Der Morgen und Abend scheinen vornehmlich die ihm passende Zeit zu sein; wenigstens zeigt er dann den meisten Eifer, mit seinem schnarrenden ›Cherr cherr‹ die Aufmerksamkeit der Ratels und Hottentotten zu erregen. Man nähert sich sodann dem Vogel, der unter fortgesetztem Rufen dem Strich des nächsten Bienenschwarmes allmählich nachfliegt. Man folgt und nimmt sich in acht, durch Geräusch oder zahlreiche Gesellschaft seinen Wegweiser scheu zu machen, sondern antwortet ihm lieber, wie es einer meiner schlauen Buschmänner tat, dann und wann mit leisem und ganz gelindem Pfeifen, zum Zeichen, daß man mitgehe. Ich habe bemerkt, daß, wenn das Bienennest noch weit weg war, der Vogel jedesmal nur nach einem langen Flug haltmachte, um mittlerweile den Bienenjäger zu erwarten und von neuem aufzufordern, in eben dem Verhältnisse aber, als er dem Nest näher kam, zwischendurch immer eine kürzere Strecke flog und sein Geschrei eifriger und öfter erneuerte. Wenn er endlich beim Nest angekommen ist, es mag nun in der Kluft eines Berges oder in einem hohlen Baum oder in einem unterirdischen Gang gebaut sein, so schwebt er einige Augenblicke über demselben, setzt sich hierauf, und zwar gewöhnlich in einem benachbarten Busch, so daß er nicht gesehen werden kann, ganz still nieder und sieht zu, was geschieht und von der Beute für ihn abfällt. Es ist glaublich, daß er auf diese Weise jedesmal längere oder kürzere Zeit über dem Nest herumflattert, ehe er sich versteckt, obgleich man nicht immer so genau acht darauf gibt. Dem sei, wie ihm wolle, man kann allzeit versichert sein, daß ein Bienennest sehr nahe ist, wenn der Vogel ganz still schweigt. An einem Ort, wo wir einige Tage verweilten, wurden meine Hottentotten von einem etwas scheuen Bienenkuckuck mehrmals nach einer und derselben Gegend hingelockt, ehe sie aufmerksam wurden und, durch ihn geführt, das Nest aufspürten. Wenn man nun nach der Anweisung des Vogels das Bienennest gefunden und ausgeplündert hat, pflegt man ihm aus Erkenntlichkeit einen ansehnlichen Teil der schlechteren Scheiben, worin die junge Brut sitzt, zu überlassen, wiewohl gerade diese Scheiben die leckersten für ihn sein mögen, so wie auch die Hottentotten sie keineswegs für die schlechtesten halten. Meine Waldhottentotten sowohl als die Ansiedler sagten mir, wenn man absichtlich auf den Bienenfang ausgehe, müsse man das erstemal nicht zu freigebig gegen diesen diensteifrigen Vogel sein, sondern nur so viel übriglassen, als erforderlich sei, um seinen Appetit zu reizen; denn hierdurch werde er in Erwartung einer reichlicheren Vergeltung noch einen Schwarm verraten, wenn dergleichen etwa in der Nachbarschaft noch vorhanden sein sollten.« Am ausführlichsten schildert neuerdings Kirk das Betragen eines Honiganzeigers bei Anblick eines Eingeborenen der Sambesigegend. Von Zweig zu Zweig der benachbarten Bäume flatternd und rufend, verlangt der Vogel Aufmerksamkeit und Berücksichtigung. Wird ihm geantwortet, wie die Eingeborenen zu tun pflegen, indem sie pfeifen und auf ihre Füße blicken, so fliegt er in einer bestimmten Richtung ab, setzt sich in einer kleinen Entfernung wieder nieder und hüpft von einem Baum zum andern. Wenn ihm gefolgt wird, geht er weiter und leitet so den Menschen bis zu dem Bienennest; wenn dieses erreicht wurde, fliegt er weg, leitet jedoch nicht länger, und es erfordert daher eine gewisse Erfahrung, das Nest aufzufinden, selbst wenn der Führer deutlich einige wenige Bäume bezeichnet haben sollte. Kirk hat auch in Erfahrung gebracht, daß der Vogel, wenn ein ihm folgender Mann, nachdem er eine Zeitlang in der angegebenen Richtung gegangen ist, sich dann abwendet, zurückkehrt, um ein zweites Nest an einer andern Stelle anzuzeigen. Unangenehm bei der Sache ist, daß er sehr häufig auch zu einem zahmen Bienenstock führt, aus dem leicht erklärlichen Grund, als die Biene dieselbe wie die wilde ist und die »Mussinga« oder Bienenkörbe unsern der Bäume angebracht werden in der Absicht, die Bienen zu ihrer Besitznahme einzuladen. Die Absicht des Vogels richtet sich deutlich genug auf die jungen Bienen. Er führt zu Nestern ohne Honig und scheint ebenso erfreut zu sein, wenn anstatt des Honigs mit Larven gefüllte Waben aus dem Nest genommen werden.

Bei den Raubzügen gegen Bienen mag den Honiganzeigern das dichte, harte Gefieder und die dicke Haut wesentlich zustatten kommen, d. h. in erwünschter Weise gegen die Stiche der Bienen schützen. Außer den Larven der Bienen und ihrer Verwandten sowie den Raupen stellen die Honigkuckucke unzweifelhaft anderweitigen Kerfen ebenfalls mit Eifer nach. Atmore beantwortet einige Fragen Layards sogar dahin, daß die bereits von Kirk erwähnte Art der Gruppe sich sogar an kleinen Vögeln vergreife, dieselben mit gleicher Raubgier wie ein Würger fange und verzehre, und daß er selbst einen erlegt habe, welcher eben beschäftigt gewesen sei, einen vor den Augen des Beobachters im Fluge gefangenen Sperling aufzufressen.

Levaillant versichert, daß der Honiganzeiger drei bis vier weiße Eier in Baumhöhlungen auf den Mulm lege und sie gemeinschaftlich ausbrüte. Diese Angabe ist aber durch die Beobachtung der Gebrüder Verreaux mit aller Bestimmtheit als irrtümlich nachgewiesen worden. Die letztgenannten Naturforscher fanden Eier oder Junge der verschiedenen Honiganzeiger, die Südafrika bewohnen, in den Nestern von Würgern, Grauvögeln, Spechten, Pirolen und ähnlichen Vögeln. Leider ist mir ihr Bericht nicht zur Hand, und deshalb kann ich nur den von Hartlaub gegebenen Auszug hier anführen. Das Weibchen legt sein glänzend weißes Ei auf die flache Erde und trägt dasselbe mit dem Schnabel in das zuvor erwählte fremde Nest, nachdem es ein Ei herausgeworfen hat. Wenn der junge Honigkuckuck etwas herangewachsen ist, nach Verreaux' Beobachtungen etwa nach Monatsfrist, beginnen die Eltern denselben zu füttern und fordern ihn auf, das Nest der Stiefeltern zu verlassen. Verreaux beobachtete, daß ein und dasselbe Weibchen seine drei Eier in die Nester von drei verschiedenen kleinen Vögeln legte. Auch Atmore bezeichnet den von ihm beobachteten Honigkuckuck als einen Schmarotzer, der seine Eier unter andern einem Spechte und einem Bartvogel zur Bebrütung anvertraut.

 

Die Kuckucke im engeren Sinne ( Cuculinae), die die zweite Unterfamilie bilden, kennzeichnen sich durch kopflangen, sanft gebogenen, gewöhnlich ziemlich dünnen, an der Wurzel verbreiterten Schnabel, kurze oder höchstens mittellange, paarzehige Füße, lange, schmale und spitzige Flügel, in denen die dritte Schwinge die längste zu sein pflegt, langen, abgerundeten oder keilförmig zugespitzten, zehnfedrigen Schwanz sowie endlich dichtes, aber nicht besonders umfangreiches Gefieder, das lose in der Haut sitzt. Die Geschlechter unterscheiden sich hinsichtlich der Färbung in der Regel wenig, die Jungen merklich von den Alten.

Die Mitglieder dieser Familie, etwa neunzig an der Zahl, verbreiten sich über die Alte Welt und Neuholland. Sie sind in Indien und Afrika besonders zahlreich, im Norden aber nur durch eine einzige Art vertreten. Alle, ohne Ausnahme, gehören dem Walde an und entfernen sich bloß zeitweilig aus der Nähe der Bäume. Soweit der Baumwuchs reicht, finden sie sich überall, baumleere Strecken hingegen meiden sie gänzlich. Die nordischen Arten wandern, die südlicheren streichen höchstens im Lande auf und nieder. Sie sind unruhige, stürmische, flüchtige und scheue Vögel, die Geselligkeit mit ihresgleichen meiden, sich überhaupt nicht gern mit andern Vögeln zu schaffen machen. Sämtliche Arten der Familie unterziehen sich der Bebrütung ihrer Eier nicht selbst, sondern bürden die Pflege ihrer Brut andern Vögeln auf, indem sie ihre Eier in deren Nester legen. Dabei pflegen sie meistens ein Ei aus dem Neste der erkorenen Pflegeeltern herauszunehmen und gelegentlich mit zu verschlingen. Das Letzte ist oft geleugnet worden, unterliegt aber, vielfachen Beobachtungen zufolge, keinem Zweifel. Über die Ursache des Nichtbrütens hat man sehr verschiedene Annahmen aufgestellt und zu unterstützen gesucht, bis jetzt aber noch keinen schlagenden Grund zu entdecken vermocht.

Manchem scheint es fraglich, ob wir die Kuckucke als nützliche oder schädliche Vögel anzusehen haben. Unbestreitbar leisten sie große Dienste durch Aufzehren der gegen die Angriffe anderer Kerbtierräuber gewappneten haarigen Raupen; aber ebenso unzweifelhaft verursachen sie durch das Unterschieben ihrer Eier einigen Schaden, da die Erziehung eines Kuckucks regelmäßig, bei denjenigen Arten, die ihre Eier in die Nester kleinerer Vögel legen, immer die Vernichtung der Stiefgeschwister nach sich zieht. Dagegen läßt sich nun freilich wieder einwenden, daß ein Kuckuck in Vertilgung der Kerbtiere mehr leiste als fünf oder sechs kleine Sänger, und so wird es als wohlgetan erscheinen, wenn wir den Kuckucken unsern vollsten Schutz gewähren.

Unser Kuckuck oder Gauch ( Cuculus canorus) vertritt die Sippe der Kuckucke im engsten Sinne ( Cuculus) und kennzeichnet sich durch schlanken Leib, kleinen, schwachen, sanft gebogenen Schnabel, lange spitzige Flügel, sehr langen, gerundeten Schwanz, kurze, teilweise befiederte Füße und ziemlich weiches, düsterfarbiges Gefieder. Das Männchen ist auf der Oberseite aschgraublau oder dunkelaschgrau, auf der Unterseite grauweiß, schwärzlich in die Quere gewellt; Kehle, Wangen, Gurgel und Halsseiten bis zur Brust herab sind rein aschgrau, die Schwingen bleischwarz, die Steuerfedern schwarz, weiß gefleckt. Das Auge ist hochgelb, der Schnabel schwarz, gelblich an der Wurzel, der Fuß gelb. Das alte Weibchen ähnelt dem Männchen, hat aber am Hinterhalse und an den Seiten des Unterhalses wenig bemerkbare rötliche Binden. Die jungen Vögel sind oben und unten quer gewellt, junge Weibchen auf der Oberseite zuweilen, in südlicheren Gegenden oft, auf rostbraunem Grunde mit stark hervortretenden Querbinden gezeichnet. Die Länge beträgt siebenunddreißig, die Breite vierundsechzig, die Fittichlänge neunzehn, die Schwanzlänge siebzehn Zentimeter. Das Weibchen ist um zwei bis drei Zentimeter kürzer und schmäler.

In Europa, Asien und Afrika gibt es wenig Länder oder Gegenden, in denen der Kuckuck nicht beobachtet worden ist. Als Brutvogel bewohnt er den Norden der Alten Welt, von China und den Amurländern an bis zur Küste von Portugal und vom Nordkap an bis Syrien, Palästina und Algerien oder zu den innerasiatischen Steppen und Gebirgen, ebenso auch Persien. Von hier wandert er nach Süden; von Sibirien aus durch China und ganz Indien bis auf die javanischen, die Sundainseln und nach Ceylon, von Europa aus bis nach Südafrika. In allen Ländern Ostsudans, die ich durchreiste, habe ich auch den Kuckuck gesehen, aber noch nirgends als zeitweilig angesessenen, in der Winterherberge sich aufhaltenden Vogel. Verwundern darf es nicht, daß ein so gewandter Flieger wie der Kuckuck ebenso große Strecken durchreist wie andere weit minder flugbegabte Zugvögel. Nach meinen und allen übrigen Beobachtungen wandert er schnell, läßt sich wenigstens im Norden Afrikas oder in Syrien wie in Südeuropa nicht erheblich früher vernehmen als in Deutschland und verzögert aus leicht begreiflichen Gründen erst weiter gegen den Norden hin seine Reife. Bei uns zulande erscheint er in der Regel um die Mitte des April: »Am achtzehnten kommt er, am neunzehnten muß er kommen« heißt es im Volksmunde. Ausnahmsweise trifft er auch schon früher, unter Umständen sogar schon im Anfang des Monats ein, gleichviel ob die Witterung günstig ist oder nicht. So vernahm Schacht, ein in jeder Beziehung trefflicher Beobachter, im Jahre 1875 schon am fünften April, »als der Wald noch kahl war und selbst die Birke noch blätterlos dastand«, seinen Ruf. In Deutschland wie in Skandinavien verweilt er nur bis Anfang September, und schon am elften dieses Monats bin ich ihm in Südnubien begegnet. Ausnahmsweise traf ich ihn bereits am vierzehnten Juli bei Alexandrien als Wandervogel an. Wesentlich anders scheint es sich im südwestlichen Asien zu verhalten.

In Deutschland ist der Kuckuck allgemein verbreitet, in Südeuropa weit seltener als bei uns, aber doch noch Brutvogel. Nach Norden hin wird er häufiger: in Skandinavien gehört er zu den gemeinsten Vögeln des Landes; wenigstens erinnere ich mich nicht, irgendwo so viele Kuckucke gesehen zu haben als in Norwegen und in Lappland. Im Gebirge steigt er bis zur Schneegrenze auf; in unsern Alpen bewohnt er allsommerlich noch Hochtäler von fünfzehnhundert Meter unbedingter Höhe und fliegt, wie Baldamus auf Grund seiner Beobachtungen annimmt, noch um sechs- bis siebenhundert Meter höher empor; im Altai vernahm ich seinen Ruf ebenfalls noch über der Baumgrenze und zweifle nicht, daß er auch hier die höchsten Matten zwischen achtzehnhundert bis zweitausendundzwei- oder dreihundert Meter über dem Meere besucht.

Obwohl Baumvogel, ist er doch nicht an den Wald gebunden, ebensowenig als sein Aufenthalt nach der Art des Baumbestandes sich richtet. Minder häufig als in baumbestandenen oder mindestens bebuschten Gegenden kommt er auf kahlen Strecken vor, fehlt diesen jedoch keineswegs gänzlich, baumlosen Inseln, wie Sylt und Borkum, zuweilen ebensowenig als den Steppen in Südsibirien, dem nur hier und da baumbegrünten hohen Tafellande des östlichen Persien oder unseren Hochalpen über der Holzgrenze. Nach meinen in drei Erdteilen und mit besonderer Vorliebe für den Gauch gesammelten Beobachtungen stellt er als erste Bedingung an seinen Aufenthaltsort, daß derselbe reich an kleinen Vögeln, den Zieheltern seiner Jungen, sei. Sieht er diese Bedingung erfüllt, so begnügt er sich mit äußerst wenigen Bäumen, mit niedrigen Sträuchern, Gestrüpp und Röhricht, und wenn selbst das letztere fehlt, fußt er auf einem Erdklumpen und erhebt von hier aus seine Stimme. Ausnahmsweise läßt er sich auch durch zeitweilig an einer Stelle ihm winkende reichliche Nahrung beeinflussen, in der Regel aber während seiner Fortpflanzungszeit nicht aus einem Gebiete weglocken, das sein tolles Liebesleben besonders begünstigt. Stets wird man finden, daß die Anzahl der Kuckucke in gleichem Verhältnisse mit der Anzahl der Pflegeeltern wächst und um so mehr zunimmt, je häufiger eine und dieselbe Art der letzteren in einem bestimmten Umkreise brütet. Daher liebt der Kuckuck gemischte Waldungen mehr als solche, in denen eine Baumart vorherrscht; daher findet er sich häufiger als irgendwo in der Nähe von Brüchen, Sümpfen oder überhaupt in wasserreichen Niederungen. Wer den Kuckuck kennt, wird nicht behaupten, daß er ein Charaktervogel des Erlenwaldes sei oder überhaupt zur Erle eine besondere Vorliebe zeige: wer aber den Spreewald besucht, in dem die Erle fast ausschließlich den Bestand bildet, wird anfänglich erstaunt sein über die außerordentlich große Anzahl von Kuckucken und erst dann die Erklärung für das massenhafte Vorkommen derselben finden, wenn er erfahren hat, daß hier Grasmücken, Pieper, Schaf- und Bachstelzen ohne Zahl ihm die größte Leichtigkeit gewähren, seine Eier unterzubringen.

Jedes Kuckucksmännchen wählt sich ein Gebiet von ziemlichem Umfange und verteidigt dasselbe hartnäckig gegen einen etwaigen Nebenbuhler. Wird ein Kuckuck verdrängt, so siedelt er sich dicht neben dem Eroberer an und ficht mit diesem dann fast tagtäglich einen Strauß aus. Daß ein und derselbe Vogel zu demselben Orte zurückkehrt, hat Naumann durch Beobachtungen festgestellt: er kannte einen Kuckuck, der sich durch seine auffallende Stimme vor den übrigen kennzeichnete, und erfuhr, daß derselbe während zweiunddreißig Jahren in jedem Frühling in demselben Gebiet sich seßhaft machte. Genau dasselbe gilt nach Walters Feststellung auch für das Weibchen, wie eigentümlich gefärbte, von anderen abweichende Eier, die man jedes Jahr in demselben Gebiete und bei derselben Vogelart wiederfindet, fast außer Zweifel stellen. Das Gebiet, in dem das Weibchen sein erstes Ei untergebracht hat, wird ihm zur engeren Heimat; doch verweilt es in ihm immer kürzere Zeit als das Männchen. Seinen Standort durchschweift dieses ohne Unterlaß und erscheint deshalb mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf bestimmten Bäumen tagtäglich mehrere Male. Nicht ebenso verhält es sich mit dem Weibchen, wie ich ebenfalls nach eigener Beobachtung mit aller Bestimmtheit behaupten darf. Meine Neckereien mit den Kuckucken, die ich in jedem Frühjahr und bei jeder Gelegenheit wiederhole, haben mich belehrt, daß die Anzahl der Weibchen bei weitem geringer ist als der Bestand der Männchen. Mäßig angeschlagen, dürften auf jedes der ersteren mindestens doppelt soviele Männchen kommen. Während nun diese ein immerhin umgrenztes Gebiet behaupten und in der angegebenen Weise sich umhertreiben, achtet das Weibchen derartige Grenzen nicht, sondern schweift im Laufe des ganzen Sommers, beziehentlich solange seine Legezeit währt, regellos durch verschiedene Gebiete der Männchen, bindet sich an keines von diesen, gibt sich vielmehr allen hin, die ihm genehm sind, läßt sich nicht suchen, sondern zieht seinerseits auf Liebesabenteuer aus, und kümmert sich, nachdem seine Wünsche Befriedigung fanden, nicht mehr um den Liebhaber, den es eben begünstigt hatte. Ein an einer abgeschossenen Schwanzfeder kenntliches Weibchen, das ich in der Nähe von Berlin beobachtete, besuchte, soweit ich ergründen konnte, die Gebiete von nicht weniger als fünf Männchen, wird seine Streifzüge jedoch wahrscheinlich noch weiter ausgedehnt haben. Jedes andere Weibchen verfährt nun unzweifelhaft ebenso, wie andere Beobachtungen fast bis zur Gewißheit beweisen. Diese Ungebundenheit und Unstetigkeit des Weibchens erklärt nach meinem Dafürhalten gewisse bis jetzt noch rätselhafte Vorkommnisse beim Legen der Eier auf das einfachste und befriedigendste.

Unter den mir bekannten Verwandten ist der Kuckuck der flüchtigste, unruhigste und lebhafteste. Er ist in Bewegung vom Morgen bis zum Abend, in Skandinavien sogar während des größten Teiles der Nacht. Es übte einen eigentümlichen Eindruck auf mich aus, bei meinen nächtlichen Jagden den Kuckucksruf noch nach elf Uhr abends und schon vor ein Uhr morgens zu vernehmen. Während seiner Streifereien frißt er beständig; denn er ist ebenso gefräßig als bewegungs- und schreilustig. Mit leichtem und zierlichem Flug, der dem eines Falken ähnelt, ihn an Schnelligkeit jedoch nicht erreicht, nicht einmal mit dem einer Turteltaube zu wetteifern vermag, kommt er angeflogen, läßt sich auf einem Aste nieder und sieht sich nach Nahrung um. Hat er eine Beute erspäht, so eilt er mit ein paar geschickten Schwenkungen zu ihr hin, nimmt sie auf und kehrt auf denselben Ast zurück oder fliegt auf einen andern Baum und wiederholt hier dasselbe. In Skandinavien sitzt er besonders gern auf den Geländern, die die Wege von den Feldern abgrenzen, treibt sich überhaupt viel mehr in der Nähe der Ortschaften umher als bei uns. Uebrigens ist der Kuckuck nur im Fliegen geschickt, in allem übrigen täppisch. Obwohl dem Namen nach ein Klettervogel, vermag er in dieser Beziehung durchaus nichts zu leisten, ist aber auch im Gehen ein Stümper ohnegleichen, überhaupt nur hüpfend imstande, auf flachem Boden sich zu bewegen. Gewandter zeigt er sich im Gezweige, obschon er auch hier einen einmal gewählten Sitz nur ungern und dann meist fliegend verläßt. Im Frühling versäumt er nie, nach dem Aufbäumen viele Male nacheinander seinen lauten Ruf erschallen zu lassen, und wenn die Liebe sich in ihm regt, treibt er so argen Mißbrauch mit seiner Stimme, daß er zuletzt buchstäblich heiser wird. Fast in allen Sprachen ist sein Name ein Klangbild dieses Rufes, so wenig richtig letzterer in der Regel auch wiedergegeben wird. Wie vielen andern Vogelstimmen fehlen dem Kuckucksrufe Mitlauter gänzlich, und wenn wir solche zu hören vermeinen, fügen wir sie den Selbstlautern zu. Der Ruf lautet nicht »Kuckuck«, sondern in Wirklichkeit »U-uh«. Da nun aber das erste »U« schärfer ausgestoßen wird als das zweite, glauben wir »gu« zu vernehmen, ebenso wie wir das zweite gedehntere »U« zu Anfang und zu Ende durch einen G- oder K-Laut vervollständigen, obgleich derselbe nicht vorhanden ist. Wer wie ich jeden schreienden Kuckuck durch Nachahmung seiner Stimme herbeiruft, weiß sehr genau, daß auf den Ruf »Kuckuck« kein einziger kommt. Naumann sagt, daß man den Kuckucksruf auf der Flöte durch die Töne Fis und D der mittleren Oktave täuschend nachahmen kann: ich habe die beiden Töne mir vorspielen lasten und muß zugestehen, daß sie dem Rufe ähneln, finde jedoch, daß die Klangfarbe der Flöte eine ganz andere ist als die des Kuckucksrufes und bezweifle sehr, daß ein Kuckuck durch letztere herbeigelockt werden würde oder könnte. Mit Bestimmtheit darf ich behaupten, daß der Ruf auf dem Klavier sich nicht wiedergeben läßt und ebensowenig durch unsere Kuckucksuhren richtig ausgedrückt wird, so zweckentsprechend auch erscheint, zwei verschiedene Pfeifen zu verwenden. Im Anfange seines Hierseins ruft der Kuckuck selten eifrig; das wahre Feuer lodert erst dann auf, wenn er bereits die Freuden der Liebe gekostet hat. Während seiner Begattungszeit, die freilich kaum länger währt, als er schreit, ruft er nicht allein nach dem Aufbäumen, sondern auch während des Fluges, in den Morgen- und Abendstunden wie unmittelbar vor oder nach dem Regen am eifrigsten, aber auch sonst zu allen Stunden des Tages, und bestimmt läßt er sich hören, wenn er durch Nachahmung seiner Stimme hierzu angereizt wird. Während er ruft, senkt er die etwas ausgebreiteten Flügel und hebt dafür den Schwanz ein wenig über die wagerechte Linie empor, bläst die Kehle aus, stößt sein »Gu-guh« aus und wendet sich nun, während er es fünfzehn-, zwanzig-, dreißig-, vierzig-, selbst sechzigmal nacheinander hören läßt, auf dem Ast hin und her, dreht sich in der Regel auch mehrmals um und schreit so seinen Ruf und Namen in alle Richtungen der Windrose hinaus. Wird er durch einen Nebenbuhler besonders erregt, so verdoppelt er den ersten, höheren Laut, und der ganze Ruf lautet dann nach gewöhnlicher Schreibweise »Guguguh«. Wird er während des Schreiens durch kleine Vögel geneckt, stößt namentlich einer von diesen auf ihn, während er sich blähend auf einem Aste sitzt, so bricht er im Schreien plötzlich ab und unterdrückt regelmäßig die letzte Silbe. Kommt ein Weibchen in Sicht, so wiederholt er den dreifachen Ruf zweimal oder verdoppelt, also viermal nacheinander und fügt ihm dann fast unwandelbar heisere Laute bei, die man durch die Silben »Quawawa« oder »Haghaghaghag« übertragen hat, in Wirklichkeit aber weder wiedergeben noch auch nachahmen kann. Ärgert er sich über einen Nebenbuhler, den er zunächst noch nicht sehen kann, so läßt er unmittelbar vor oder nach dem Aufbäumen einen ähnlichen, aber einzeln ausgestoßenen, obschon zwei- bis viermal wiederholten heiser würgenden Laut vernehmen, der mit dem Knarren eines Teichfrosches verglichen und durch »Quorr« oder »Quorrg« übertragen werden mag. Wird ihm das Necken des Kleingeflügels zu arg, und hilft das Beißen nach demselben nicht mehr, so vernimmt man endlich noch ein heiseres, ungefähr wie »Särrr« klingendes Zischen, das er namentlich im Fluge ausstößt. Vorherrschend bleibt immer das »Gu-guh«. Es folgt bei längerem Schreien binnen fünf Sekunden viermal, selten aber öfter als zwanzig- bis dreißigmal unmittelbar nacheinander; denn in jedem längeren Satze treten kurze Stillstände ein, die eine bis anderthalb Sekunden länger währen, als der gewöhnliche Zeitraum zwischen dem Verklingen des einen und dem Anheben des andern Rufes beträgt. Nach dem ersten einleitenden Teile des ganzen Satzes tritt solche, dem unachtsamen Hörer vielleicht kaum merkliche Pause ein, wahrscheinlich nur, um einen Augenblick lang zu lauschen, ob ein anderer Gauch dem Rufe antwortet; hierauf folgt oft ein von dem nächsten ebensoweit geschiedener Ruf, manchmal auch noch einer; und nunmehr erst beginnt der zweite Teil des Satzes, der in der angegebenen Weise mehrmals unterbrochen werden kann, bis endlich der stattgefundene Aufwand an Kraft längere Ruhe erheischt.

Man hat den Kuckuck als einen höchst unfriedfertigen Vogel verschrien: ich kann dieser Ansicht jedoch nicht beistimmen. In Kampf und Streit liegt er nur mit andern seiner Art; die ganze übrige Vogelwelt läßt ihn gleichgültig, insofern es sich nicht darum handelt, ihrer Angriffe sich zu erwehren oder einem Ziehvogel sein Ei aufzubürden. Gefangene, die man unter Kleingeflügel hält, vertragen sich mit allen Genossen vortrefflich und denken nicht daran, mit ihnen zu streiten oder zu hadern. Aber freilich, ein männlicher Kuckuck ist dem andern ein Dorn im Auge. So brutfaul der Vogel, so verliebt ist er. Obgleich er Entgegenkommen findet, scheint ihn die Liebe doch geradezu von Sinnen zu bringen. Er ist buchstäblich toll, solange die Paarungszeit währt, schreit unablässig so, daß die Stimme überschnappt, durchjagt unaufhörlich sein Gebiet und sieht in jedem andern einen Nebenbuhler, den hassenswertesten aller Gegner.

Demjenigen, der den Gauch wirklich beobachtet hat, wird kein Zweifel aufstoßen, daß zwischen zwei männlichen Kuckucks, die sich gegenseitig hören, die ausgesprochenste Nebenbuhlerschaft besteht und bei jeder Gelegenheit zur Äußerung gelangt. Jeder Kuckuck, der bis dahin harmlos seinen wohltönenden Namen in die Welt schrie, gerät in Aufregung, sobald er einen wirklichen oder vermeintlichen Nebenbuhler rufen hört. Lebhafter werden in solchem Augenblick seine Bewegungen; ununterbrochen folgen sich die einzelnen Rufe eines Satzes; spähenden Auges und lauschenden Ohres beugt der Vogel sich weiter vor als gewöhnlich, und bei jedem einzelnen Rufe wendet er sich zur Rechten und zur Linken, um sich über die Richtung, aus der der unwillkommene Laut ihm entgegenschallt, auf das genaueste zu vergewissern. Zunächst verläßt er seinen Platz noch nicht, scheint im Gegenteil abwarten zu wollen, ob jenes Herz von demselben Mute beseelt sei wie das seinige, ruft noch einigemal in langer Folge und späht und lauscht von neuem. Erscheint der Nebenbuhler nicht, so entschließt er sich, ihn zu suchen. Geradezu bewunderungswürdig ist die Sicherheit, mit der er Richtung und Entfernung zu bestimmen vermag. Wenn ich bei meinen Neckereien den Platz verändere, erscheint der Kuckuck, dessen Eifersucht ich erregte, mit aller Bestimmtheit auf derselben Stelle, von der ihm der erste Ruf entgegentönte, und dennoch kommt er fast niemals in gerader Richtung, sondern regelmäßig in einem weiten Bogen an, den er offenbar zu dem Zwecke unternimmt, um des vermeintlichen Nebenbuhlers ansichtig zu werden. Hier nun setzt er sich von neuem nieder und ruft lauter und eifriger als zuvor. Gewahrt er keinen andern Kuckuck, so folgen auf die klangvollen Laute die einzelnen heiseren, ein untrügliches Zeichen seines Ärgers. Einmal erregt, folgt er dem vermeintlichen Nebenbuhler ein bis zwei Kilometer weit nach oder verweilt stundenlang in seiner Nähe. Naht sich, durch dieselbe Täuschung betrogen, ein zweiter Kuckuck, so beginnt augenblicklich der Kampf. Mit vollstem Rechte sagt Naumann, daß der Kuckuck kein anderes Männchen in seinem Bezirke oder in der Nähe seines Weibchens dulde und mit grimmigen Bissen fortzujagen suche. Letzteres habe ich allerdings nicht gesehen, sondern immer nur bemerkt, daß die beiden Nebenbuhler einander in raschem Fluge verfolgen und dabei ab und zu aufeinander stoßen, hierauf wiederum sich niederlassen, von neuem zu rufen beginnen und nochmals eine ähnliche Verfolgung aufnehmen; wohl aber ist mir die Tatsache durch andere Beobachter bestätigt worden. »Im Jahre 1848, Ende Juli«, so schreibt mir Liebe, »sah ich, wie zwei Kuckucksmännchen, nachdem sie in zwei, durch eine kleine Lichtung getrennten Feldhölzern sehr erregt gerufen, aufeinander zuflogen und mitten über der Lichtung sich wütend bekämpften. Sie fielen erst langsam, dann schnell zur Erde, ohne vom Kampfe abzulassen, und waren so erbost, daß ich mich bis auf fünfzehn Schritte nähern konnte, ohne daß sie abließen. Ich sah dabei, daß sie sich mit dem Schnabel am Oberarme gepackt hatten und mit dem freien Flügel aufeinander schlugen, ähnlich, wie es Tauben tun, nur nicht mit so heftig zuckenden Schlägen. Endlich strich der eine ab; der andere versuchte es vergeblich: sein Oberarm war gebrochen, wahrscheinlich beim Sturze auf die Erde.«

Der Ruf des Kuckucks hat, wie meine Beobachtungen mich bestimmt annehmen lassen, zunächst den Zweck, das Weibchen anzulocken. Daß dieses sich herbeiziehen läßt, glaube ich unzählige Male ermittelt zu haben. Fliegt es in dringenden Geschäften durch das Gebiet eines Männchens, so achtet es scheinbar nicht im geringsten auf dessen Liebesseufzer, sondern schleicht sich durch das Gezweige, von einem Baume, einem Busche zum andern sich wendend; hat es dagegen sein Ei glücklich untergebracht, und zieht es auf Liebesabenteuer aus, so antwortet es, in unmittelbare Nähe des rufenden Männchens gelangt, indem es seinen eigentümlichen, volltönenden, kichernden oder lachenden Lockruf zu hören gibt. Dieser besteht aus den äußerst rasch aufeinander folgenden Lauten »Jikikickick«, die auch wohl wie »Quickwickwick« in unser Ohr klingen, einem harten Triller ähneln und durch ein nur in der Nähe hörbares, sehr leises Knarren eingeleitet werden. Der Ruf ist verlockend, verheißend, im voraus gewährend, seine Wirkung auf das Männchen eine geradezu zauberische. Augenblicklich verläßt es seinen Sitz, ruft »Guguh, guguguh, guguguh«, verdoppelt auch wohl diesen Ausdruck höchster Erregung, fügt ihm das »Quawawawa« hinzu und jagt hinter dem Weibchen her. Dieses wiederholt die Einladung, der verliebte Gauch antwortet wiederum, alle in Hörweite schreienden Männchen fliegen ebenfalls herbei, und eine tolle Jagd beginnt. Nicht allzu selten folgen einem Weibchen zwei, drei, selbst vier Männchen nach. Jenes feuert die Bewerber durch nochmaliges Kichern an und versetzt sie schließlich in Liebesraserei. Unter vielfachen Schwenkungen fliegt es zwischen Baumkronen und Gebüschen dahin, ein oder das andere Männchen unmittelbar hinter sich drein, das zweite in wechselndem Abstande diesem nach, jedes voll Begierde, der nächste und voraussichtlich glücklichste Bewerber zu werden. Jedes einzelne vergißt des solchen Hochzeitszug neckend begleitenden Kleingeflügels, vergißt selbst des sonst üblichen Zweikampfes oder stößt doch nur ein und das andere Mal, gleichsam gelegentlich, auf den verhaßten Nebenbuhler; jedes bestrebt sich, ja keine Zeit zu verlieren. Das Weibchen ist nicht minder erregt als sein Gefolge, der eifrigste Liebhaber ihm auch sicherlich der willkommenste, sein scheinbares Sprödetun nichts anderes als das Bestreben, noch mehr anzufeuern. Willig und widerstandslos gibt es sich jedem Männchen hin; Schranken der Ehe kennt es eben nicht.

Die Begattung wird in der Regel auf einem dürren Baumwipfel oder einem sonstigen geeigneten freien und erhabenen Platze, in den Steppen Turkestans selbst auf ebenem Boden vollzogen, niemals ohne viel Lärmen, verdoppeltes Rufen und Kichern. Daß ein Männchen das andere hierbei stören sollte, habe ich bisher nicht beobachtet; das Männchen hat hierzu auch keine Veranlassung. »Im Jahre 1870«, schreibt mir Liebe ferner, »hörte ich in einer Talschlucht unweit Geras ein Kuckucksweibchen kichern und ein Männchen rufen. Vollkommen gedeckt durch ein niederes Fichtendickicht, schlich ich mich an den Abhang hinab und sah ein Männchen westwärts fortfliegen und ein Weibchen frei auf einer Schränkstange sitzen. Nach kurzem kam ein zweites Männchen von Osten herüber, rief erst eifrigst in dem benachbarten Stangenholze und beflog dann ohne weitere Umstände das Weibchen. Kaum war dies geschehen, so erschien, ebenfalls von Osten her, ein drittes Männchen und bot sich, indem er das zweite Männchen verjagte, dem Weibchen als Gatten an, worauf letzteres sofort kichernd einging.« Diese, durch einen in jeder Beziehung verläßlichen, erfahrenen Beobachter festgestellte Tatsache bedarf sicherlich keines Zusatzes!

Erscheint das Weibchen spät abends auf dem Schlafplatze eines Männchens, so versetzt es, da es wohl nie versäumt, sich zu melden, den Gauch auch jetzt noch in Liebesrausch. Für heute aber verbleibt es beiderseitig beim Wünschen und Begehren. Weder der Kuckuck noch das Weibchen verlassen nach Beginn der Dämmerung den gewählten Ruhesitz, ebensowenig als sie morgens vor eingetretener Helle umherfliegen. Auf geschehene Meldung der Buhlin antwortet er in üblicher Weise, sie wiederum in der ihrigen, und so währt das Rufen und Kichern fort, bis der Ziegenmelker zu spinnen beginnt, manchmal noch länger. Dann endlich wird es still: beide haben sich wohl verständigt – für morgen.

Wer bezweifelt, daß der Gauch in Vielehigkeit lebt, braucht bloß solche Schlafplätze wiederholt zu besuchen. Heute vernimmt man die Stimme des Weibchens, die heiße Werbung des Männchens, morgen nur noch den Ruf des letzteren: jenes beglückt dann vielleicht den Nachbarn, vielleicht einen ganz andern Werber. Deshalb gerade ist es so schwierig, ein klares Bild des tollen Liebeslebens unseres Kuckucks zu gewinnen. Ich habe ihn während eines Menschenalters beobachtet, eine Wahrnehmung an die andere gefügt, ihn vielhundertmal herbeigerufen, mich noch in diesem Frühling halbe Wochen lang so gut als ausschließlich mit ihm beschäftigt und doch nur einen Teil seines Lebens zu erforschen vermocht.

Das Fortpflanzungsgeschäft unseres Vogels vollzieht sich folgendermaßen: Der Kuckuck übergibt seine Eier einer großen Anzahl verschiedenartiger Singvögel zum Ausbrüten. Die Ursache dieses Brutparasitismus des Kuckucks kennt man nicht. Doflein sieht sie in dem Mißverhältnis der Zahlen der beiden Geschlechter. Sicherlich stehen beide Erscheinungen miteinander in Zusammenhang; welche aber als Ursache der andern anzusehen ist oder ob beide aus einer ganz andern Veranlassung heraus entstanden sind, läßt sich zurzeit nicht entscheiden. Experimentelle Erbforschung und Stammesgeschichte können uns hier allein einmal Aufklärung dringen. Herausgeber. Schon gegenwärtig kennen wir weit über hundert verschiedene Pflegeeltern; es unterliegt aber keinem Zweifel, daß sich diese Kunde bei genauerer Durchforschung des gesamten Verbreitungsgebietes dieses merkwürdigen Vogels noch wesentlich erweitern wird. Soweit mir bekannt, hat man bis jetzt, abgesehen von asiatischen Zieheltern, Kuckuckseier gefunden in den Nestern des Gimpels, Edel- und Bergfinken, Hänflings, Leinzeisigs, Grünlings, Sperlings, Grau-, Gold-, Rohr- und Weidenammers, des Flüevogels, der Hauben-, Heide- und Feldlerche, der Elster, des Hähers, Dorndrehers und Rotkopfwürgers, der Nachtigall, des Blau- und Rotkehlchens, des Haus- und Gartenrotschwanzes, Braunkehlchens, des Wiesen-, gemeinen, Ohren- und Gilbsteinschmätzers sowie des Steinrötels, der Singdrossel und Amsel, der Sperber-, Garten-, Dorn-, Zaun- und Mönchsgrasmücke, des Wald-, Fitis-, Berg- und Weidenlaubvogels, Gartensängers, der Rohrdrossel, des Teich-, Sumpf-, Ufer-, Seggen-, Fluß- und Heuschreckenschilfsängers, Zaunkönigs, des Wasser-, Felsen-, Rotkehl-, Wiesen-, Baum-, Brach- und Sporenpiepers, der Bach-, Gebirgs- und Schafstelze, des feuer- und safranköpfigen Goldhähnchens, des Baumläufers und Fliegenfängers, der Finkmeise, Turtel- und Ringeltaube, ja sogar des Lappentauchers. Unter diesen Vögeln werden die Schilfsänger, Stelzen, Grasmücken und Pieper bevorzugt, vieler Nester aber nur im äußersten Notfalle, möglicherweise auch aus Versehen benutzt. Bei Aufzählung der Zieheltern des Kuckucks möchte ich einem Bedenken Worte geben. Es erscheint mir nicht mit unbedingter Sicherheit festgestellt zu sein, daß alle als die des Kuckucks angesprochenen Eier auch wirklich solche sind. Täuschungen selbst kundiger und erfahrener Eiersammler dürften nicht ausgeschlossen sein; möglich, sogar wahrscheinlich sind sie gewiß. Ja, ich sage schwerlich zuviel, wenn ich behaupte, daß es in einzelnen Fällen unmöglich sein dürfte, ein Kuckucksei von einem ungewöhnlich großen oder abweichend gefärbten des Ziehvogels zu unterscheiden.

Die Eier des Kuckucks sind im Verhältnis zur Größe des Vogels außerordentlich klein, kaum größer als die des Haussperlings, in der Form wenig verschieden, ungleichhälftig, so daß ihr größerer Querdurchmesser näher dem sanft zugerundeten dicken Ende liegt, wogegen die hohe Hälfte schnell abfällt, haben eine zarte und zerbrechliche, glänzende Schale, deren Poren von einem unbewaffneten Auge nicht wahrgenommen werden können, in frischem Zustande meist eine mehr oder weniger lebhafte gelbgrüne Grundfärbung, violettgraue oder mattgrünliche Unterflecke und braune, scharf begrenzte Pünktchen, sind aber bald größer, bald kleiner, überhaupt veränderlich gestaltet und so verschiedenartig gefärbt und gezeichnet wie bei keinem andern Vogel, dessen Brutgeschäft man kennt. Jede, selbst die auffallendste Färbung der Eier ähnelt aber mehr oder weniger der Eifärbung derjenigen Vögel, in deren Nester jene gelegt werden, und deshalb ist je nach den verschiedenen Örtlichkeiten bald diese, bald jene Färbung vorherrschend. Jedes Weibchen legt nur ein Ei in dasselbe Nest, und zwar in der Regel bloß dann, wenn sich bereits Eier des Pflegers in ihm befinden. Wahrscheinlich legt es auch bloß in die Nester ein und derselben Art und höchstens im Notfalle in die anderer Vögel. Diese Tatsache hat zuerst Baldamus aufgeklärt und begründet, und ich habe sie deshalb auch fast mit seinen eigenen Worten gegeben.

Nach neuerlichen Beobachtungen trete ich den vorstehenden Sätzen im wesentlichen bei. Allerdings findet man in vielen Nestern Eier, die von denen der Pflegeeltern abweichen, unter Umständen ihnen gar nicht ähnlich sind; sie rühren, wie ich annehmen zu dürfen glaube, von solchen Kuckucksweibchen her, die in ihrer Legenot ein passendes Nest nicht zu finden vermochten und mit einem anderen vorliebnehmen mußten. Vergleicht man die Eier nicht bloß mit denen sozusagen gezwungen gewählter Pflegeeltern, sondern mit denen aller kleinen Vögel überhaupt, die in einer bestimmten Gegend zur Aufzucht der Jungen gewählt werden, so findet man sicher die Ähnlichkeit der Eier des Kuckucks und irgendeines anderen Ziehvogels heraus. Dies hat schon vor nunmehr zwölf Jahren Päßler ausgesprochen. Auf seine reichen Erfahrungen gestützt, glaubt Päßler, daß das zuerst gelegte Ei eines Kuckucks den Eiern der Nestinhaber ähnele, es jedoch, da das Kuckucksweibchen in einem Jahre stets nur gleichgefärbte Eier hervorbringt, allerdings geschehen möge, daß es für dieselben nicht immer die passenden Pflegeeltern findet und somit auch in Nester von solchen Vögeln lege, deren Eier mit den seinigen nicht übereinstimmen. Daß ein und dasselbe Kuckucksweibchen soviel als immer möglich die Nester einer Ziehvogelart erwählt, unterliegt kaum einem Zweifel, und es erscheint mindestens höchst wahrscheinlich, daß es solche aufsucht, in denen es selbst erwachsen ist. So fand Walter unter sich gleichgefärbte Kuckuckseier nur in den Nestern des Uferschilfsängers, andere wiederum in denen des Sumpfrohrsängers und noch andere ausschließlich in denen der Gartengrasmücke, obgleich Nester von verwandten Arten überall sehr häufig waren. Ein und derselbe Kuckuck scheint also genau zwischen verschiedenen Nestern zu unterscheiden, und gerade dies läßt die vorstehend gegebene Annahme glaublich erscheinen. Meine Beobachtungen über das Durchstreifen verschiedener Gebiete seitens eines Kuckucksweibchens lassen den Schluß zu, daß dasselbe hauptsächlich aus dem Grunde ein so wesentlich von dem der Männchen verschiedenes, umherschweifendes Leben führt, um in jeder Beziehung passende Nester aufzusuchen. Sind die Bedingungen für die Fortpflanzung des Kuckucks besonders günstige, finden auf einer und derselben Örtlichkeit viele Pflegeeltern der gleichen Art Nahrung und Herberge, so wird man bemerken, daß die Kuckuckseier im großen und ganzen in überraschender Weise sich ähneln. Und dennoch darf man mit aller Bestimmtheit behaupten, jedes Brutgebiet werde von vielen Kuckucksweibchen durchstreift. Denn man findet nicht allzuselten mehrere, verschieden wie gleich gefärbte oder doch sehr ähnliche Kuckuckseier, deren Entwicklungszustand derselbe ist, auf einem engbegrenzten Gebiete, sogar zwei und selbst drei in einem Neste, die offenbar von verschiedenen Weibchen herrühren. So fand Walter im Jahre 1876 an einem Tage vier durchaus frische Kuckuckseier auf einem Flächenraume, der den vierten Teil eines Hektars nicht übertraf, und schließt daraus ganz richtig, daß mindestens vier Kuckucksweibchen hier verkehrt haben müssen. Ein Zusammenhang der Färbung dieser Eier mit der eines bestimmten Pflegevogels läßt sich nun zwar nicht in allen, aber doch in sehr vielen Fällen nachweisen, und es erscheint wenigstens nicht unmöglich, daß jedes Kuckucksweibchen in der Regel Eier legt, die in der Färbung denen seiner eigenen Zieheltern gleichen.

Noch bevor das Ei legereif geworden ist, fliegt das Weibchen aus, um Nester zu suchen. Hierbei wird es vom Männchen nicht begleitet; denn letzteres scheint sich überhaupt um seine Nachkommenschaft nicht zu bekümmern. Das Nestersuchen geschieht auf sehr verschiedene Weise, entweder während das Weibchen fliegt oder indem es in den Büschen umherklettert oder endlich, indem es den Vogel, dem es die Ehre der Pflegeelternschaft zugedacht hat, beim Nestbaue beobachtet. »Ich sah einmal«, berichtet Walter, »versteckt am Wasser stehend, einen Kuckuck vom jenseitigen Ufer vorüberkommen und diesseits in einer nicht hohen Schwarzpappel aufbäumen. Von dort flog er bald darauf in den nächsten Weidenstrauch, schon im Fluge von einem Schilfsänger heftig verfolgt, so heftig, daß er durch seitliche Schwenkungen dem stoßähnlichen Anfliegen des Schilfsängers auszuweichen suchte. Mit Vergnügen sah ich den kecken Angriffen des kleinen Sängers zu, der auch nicht von seiner Verfolgung abließ, als der Kuckuck den ersten, dann den zweiten Strauch durchschlüpfte. Fünf Minuten später erhob sich der Kuckuck und suchte das Weite. Jetzt durchforschte ich sorgfältig den ersten, dann den zweiten Weidenbusch und fand in letzterem ein Nest des Uferschilfsängers mit zwei Eiern. Nachdem ich das Ergebnis an Ort und Stelle niedergeschrieben hatte, setzte ich meinen Weg fort und suchte am folgenden Tage um neun Uhr vormittags dieselbe Stelle wieder auf. Es lagen nun im Neste zwei Schilfsängereier und ein Kuckucksei, auf dem unmittelbar vor dem Neste herabhängenden Grase lag oder hing ein an einer Längsseite eingedrücktes, also offenbar vom Kuckuck herausgeworfenes Schilfsängerei.« Im Gegensatz zu seiner sonstigen Scheu kommt der Kuckuck beim Nestersuchen sehr oft in unmittelbare Nähe der Wohnungen, ja selbst in das Innere der Gebäude, z. B. in Schuppen und Scheuern. Die Zeit des Legens ist nicht bestimmt. In den meisten Fällen mag sie allerdings in die Vormittagsstunden fallen; doch liegen auch bestimmte Beobachtungen vor, daß Kuckucksweibchen erst des Nachmittags und gegen Abend ihre Eier absetzten. Erlaubt es der Standort oder die Bauart des Nestes, so setzt sich das legende Weibchen auf das Nest; ist dies nicht der Fall, so legt es sein Ei auf die Erde, nimmt es in den Schnabel und trägt es in diesem zum Nest. Für die letztere Angabe liegen verschiedene, unter sich im wesentlichen übereinstimmende Beobachtungen vor, unter andern eine von Liebe. »Im Jahre 1871«, so teilt er mir mit, »sah ich an der bereits geschilderten, zum Beobachten trefflich geeigneten Stelle, wie ein Kuckucksweibchen mit gesträubtem Gefieder am Boden saß, dann aufstand, etwas aufnahm und in einen benachbarten, von Schafen verbissenen Fichtenbusch trug. Dort stand, wie ich mich sofort überzeugte, ein Grasmückennest, und darin lag neben drei Sängereiern ein frisches, noch warmes Kuckucksei. Offenbar hatte der Vogel am Boden gelegt und das Ei im Schnabel ins Nest getragen, obgleich er, da das Nest in einer Art natürlicher Nische stand, recht gut hätte hineinlegen können, übrigens war das Nest verlassen, und ich fand nach vierzehn Tagen die Eier noch unberührt und kalt vor.« Auch Adolf Müller hat mit bewaffnetem Auge deutlich gesehen, wie ein Kuckuck in der Nähe eines Bachstelzennestes unter absonderlichem Gebaren, Nicken des Kopfes und Schlagen der Flügel und des Schwanzes auf einer kleinen Stelle umhertrippelte, mit einem Male zu zittern begann, die etwas ausgebreiteten Flügel senkte, eine Weile in niedergedrückter Stellung verharrte, sodann das währenddem gelegte Ei mit weit geöffnetem Schnabel bei etwas schief zu Boden geneigter Lage des Kopfes aufnahm und mit ähnlichen Kopfbewegungen wie zuvor dem Neste der Pflegeeltern zutrug. Baldamus, zweifellos der gründlichste Kenner unseres Schmarotzers, hat gleichfalls, und zwar wiederholt, gesehen, daß das Weibchen seine Eier auf den Boden legt.

Nachdem die Alte das Ei gelegt hat, behält sie das Nest noch im Auge, kehrt wiederholt zu demselben zurück und wirft Eier und selbst Junge, niemals aber ihre eigenen, aus dem Nest. Walter stellt diese Angaben in Abrede. »Der Kuckuck«, sagt er, »ist als ein Nesträuber verschrien, der nicht nur die Eier aus dem Nest wirft, sondern auch gelegentlich eines oder das andere verschlingt. Geht man der Sache auf den Grund, dann ist er gar nicht der Barbar, der er zu sein scheint. Er macht es nicht anders als die übrigen Vögel. Jeder Vogel dreht sich beim Nestbau im Kreise herum, um Unebenheiten niederzudrücken und das Nest zu runden, und tut dies noch kurz vor dem Legen. Ebenso verfährt der Kuckuck. Die im Nest liegenden fremden Eier sind für ihn nur Unebenheiten, die nicht in sein Nest gehören. Er dreht sich also darin im Kreise mit angedrücktem Leibe herum und wirft durch dieses Drehen die Eier heraus oder drückt sie in den Boden des Nestes, vorausgesetzt, daß er sich in letzterem überhaupt drehen kann. Geht dies nicht, so entfernt er die Eier mit dem Schnabel, ebenso wie andere Vögel das nicht ins Nest gehörige mit dem Schnabel herausnehmen würden. Nun zerbrechen die Eier der kleinen Vögel sehr leicht, und wenn dies dem Kuckuck schon mit seinen eigenen Eiern beim Hineintragen ins Nest geschieht, so kommt dies noch leichter mit den zerbrechlichen, fremden Eiern vor, die er ja überdies nicht zu schonen hat. Zerbricht ihm ein Ei, und kommt der Inhalt ihm in den Schnabel, so schluckt er es wohl hinunter.« Auch Baldamus ist im wesentlichen der Ansicht Walters. Infolge der steten Beunruhigung durch die Nesteigentümer, so meint er, mag es geschehen, daß ein oder einige Eier der letzteren verletzt und dann doch von dem Kuckucksweibchen aus dem Nest geworfen werden. Bliebe ein zerbrochenes Ei im Nest zurück, so würde dies jedenfalls verlassen werden.

Bekundet sich nun schon hierin eine gewisse Fürsorge des Kuckuckweibchens seiner Nachkommenschaft gegenüber, so wird solche durch bestimmte Beobachtungen von Baldamus geradezu bewiesen. Gegen Ende Juni, abends sechs Uhr, befand sich Baldamus in der Nähe von Halle am linken Ufer der Saale, als er, durch eine alte Kopfweide gedeckt, vom rechten Ufer her, dicht über dem Wasser dahinfliegend, einen Kuckuck nach dem dort steileren Lehmufer streichen und hier sich niederlassen sah. Baldamus merkte genau die Stelle, schlich sich hinter dem Ufergebüsch heran, beugte sich vorsichtig über und sah nun den Kuckuck mit gesträubtem Gefieder und geschlossenen Augen, offenbar in schweren Wehen, dicht vor ihm auf einem Nest sitzen. Nach einigen Minuten glättete sich das Gefieder, der Vogel öffnete seine Augen, erblickte unmittelbar über sich ein Paar andere, erhob sich, strich nach dem jenseitigen Ufer zurück und verschwand im Ufergebüsch. In dem fertiggebauten Bachstelzennest aber lag das noch ganz warme, durchsichtige, dem der Nesteigentümer täuschend ähnliche Kuckucksei. Nach kurzem überlegen, ob das Ei zu behalten oder die äußerst günstige Gelegenheit zu weiteren Beobachtungen wahrzunehmen sei, siegte die letztere Erwägung. Baldamus legte das schöne Ei ins Nest zurück, verbarg sich so, daß er letzteres im Auge behielt, und sah zu seiner Freude schon nach wenigen Minuten den Kuckuck zurückkehren, das Ei mit dem Schnabel aus dem Nest nehmen und es auf das rechte Ufer hinübertragen. Nicht minder beweisend für die Sorge der Kuckucksmütter zu Gunsten ihrer Nachkommenschaft ist nachstehende Tatsache. Im Jahre 1867 befand sich Balzamus schon Ende Mai im Oberengadin, um neue Beobachtungen zu sammeln. Am 6. Juni sagte ihm ein Forstaufseher in Silvaplana, daß er in einem Piepernest einen eben ausgeschlüpften Kuckuck gefunden habe, und daß das Nest, einige Schritte von einer Steinhütte am Fuß des Felskegels des Piz Monteratsch, auf einer kleinen, schneefreien, mit langem, vorjährigem Gras bestandenen Fläche sich befinde. Baldamus begab sich nach der bezeichneten Stelle, suchte vergeblich und ging nunmehr in besagte Hütte. Bald darauf aber flog, von einer tiefer stehenden Wettertanne kommend, ein Kuckuck herbei und ließ sich auf der bezeichneten Grasstelle nieder. Mit Hilfe seines scharfen Fernglases sah unser Forscher nunmehr deutlich, wie der Kuckuck sich mit dem Kopf wiederholt niederbeugte und sehr eifrig zu schaffen machte. Dann flog der Vogel wiederum nach der Wettertanne hinab zu dem Männchen, das dort inzwischen unablässig gerufen hatte. Als Baldamus zu dem nunmehr verratenen Nest ging, fand er einen höchstens vierundzwanzig Stunden alten Kuckuck darin, drei Eier des Alpenpiepers aber unverletzt in der Nähe des Nestes und ein viertes unter demselben im Gras liegen. Nach solchen, jeden Zweifel ausschließenden Beobachtungen läßt sich die beregte Fürsorge der Kuckucksmütter kaum noch bestreiten. Ob sie von dieser in allen Fällen geübt wird, ist eine andere Frage. So spricht es nicht für unbedingte Fürsorge des Vogels, daß er sein Ei in Nester legt, die gar nicht zum Brüten bestimmt oder bereits verlassen sind. Fast alle mit Aufmerksamkeit beobachtenden Vogelkundigen haben Kuckuckseier in verlassenen oder unfertigen Nestern gefunden, so außer Liebe unter andern auch Päßler in einem Nest des Steinschmätzers, das von den Brutvögeln verlassen worden war, so Walter in den ganz unbrauchbaren, nur zum Schlafen bestimmten Nestern, die sich der Zaunkönig außer seinen Brutnestern errichtet.

Die Fortpflanzungszeit des Kuckucks währt, solange er schreit, ist also nicht allein nach der in dem Jahre herrschenden Witterung, sondern auch nach Lage des Ortes verschieden, beginnt beispielsweise im Norden oder im Hochgebirge später, dauert dafür aber auch länger als im Süden oder in der Ebene. Auch die Fortpflanzung des Kuckucks richtet sich wie das ganze Leben des Vogels nach dem Brutgeschäft der kleinen Vögel. Mit einiger Überraschung vernahm ich auf der Höhe des Riesengebirges noch Ende Juli den Kuckucksruf, während derselbe sechs- oder achthundert Meter tiefer schon längst verklungen war. Aber oben auf der kahlen, nur mit Knieholz bedeckten Höhe beschäftigten sich die Wasserpieper noch mit ihrer zweiten Brut, und dies war Grund und Ursache genug für den Kuckuck, sich der Höhe zuzuwenden, die er in den Monaten vorher zwar nicht gänzlich gemieden, aber doch weit spärlicher besucht hatte als jetzt. Aus dieser Beobachtung wage ich zu folgern, daß der Kuckuck erforderlichenfalls während seiner Legezeit wandert, um neue für ihn noch brauchbare Nester aufzusuchen.

Über die Zeitdauer, in der die aufeinander folgenden Eier des Kuckucks reifen, herrschen verschiedene Ansichten. Während die meisten diese Zeit auf sechs bis acht Tage schätzen, versichert Walter, von zwei Kuckucken auf das bestimmteste erfahren zu haben, daß sie wenigstens zwei Eier in einer Woche lieferten, und belegt diese Behauptung durch Beobachtungen, die beweiskräftig zu sein scheinen. Ebenso konnte Rey den Beweis führen, daß das Kuckucksweibchen wirklich in je drei bis vier Tagen ein Ei legt, so daß der Kuckuck im Lauf seiner Fortpflanzungszeit eine außerordentlich erhebliche Anzahl von Eiern, zwanzig bis vierundzwanzig etwa, zur Welt bringt. Darin allein ist schon eine befriedigende Erklärung für sein Nichtbrüten gefunden; denn so viele, vom ersten Tag ihres Lebens an freßgierige Junge kann kein Vogelpaar aufatzen. Mit wohl größerem Recht kann man aber auch die der Brehmschen entgegengesetzte Ansicht vertreten, daß das Legen so vieler Eier erst eine Folge des Brutparasitismus ist; denn der Verlustquotient ist bei Brutparasiten natürlich größer als bei Selbstbrütern. Herausgeber.

Alle Vögel, denen die zweifelhafte Ehre zugedacht wird, Kuckucke großzuziehen, bekunden in nicht mißzudeutender Weise ihre Angst vor dem ihnen drohenden Unheil und bemühen sich nach allen Kräften, den Kuckuck abzuwehren. Sie kennen den Gauch sehr wohl und irren sich in der Beurteilung desselben durchaus nicht. So gerne kleine Vögel Falken necken, mit so deutlichen Angst- und Lärmrufen einzelne von ihnen selbst den Sperber verfolgen, so verschieden benehmen sie sich hierbei im Vergleich zu ihren Angriffen auf den Kuckuck. Wie ich unzählige Male beobachtet habe, verfolgen sie den letzteren keineswegs bloß, wenn er fliegt, sondern auch dann, wenn er ruhig auf seinem Baum sitzt und ruft. Sie erscheinen, unzweifelhaft herbeigezogen durch den ihnen wohlbekannten Ruf, und stoßen fliegend auf den sitzenden herab, halten sich sogar, wie sie wohl Eulen, niemals aber Falken gegenüber tun, mit schwirrenden Flügelschlägen oder rüttelnd neben ihm in der Luft und führen so ihre Angriffe aus. Dies geschieht, im Vollbewußtsein der Sicherheit, mit so viel Keckheit und Ausdauer, daß der Kuckuck nicht allein durch sie im Schreien gestört und gezwungen wird, seinen Ruf abzubrechen, sondern förmlich sich verteidigen muß. Er tut dies, indem er unter Ausstoßung des beschriebenen heiseren, wie »Särr« klingenden Lautes nach ihnen beißt; seine Abwehr wird aber selten durch den erwünschten Erfolg gekrönt. Denn immer von neuem stoßen die kleinen Vögel auf den unwillkommenen Gesellen herab, und zuletzt zwingen sie ihn doch, seinen Standort zu verlassen, worauf dann die Jagd erst recht beginnt. Nähert sich der Kuckuck aber einem Nest, so bekunden die Besitzer desselben durch Geschrei und Gebärden, die von niemand mißverstanden werden können, wie sehr besorgt sie sind um ihre gefährdete Brut. Der Kuckuck liebt es auch gar nicht, in Gegenwart der Pflegeeltern sein Ei in deren Nest zu legen. Er kommt an »wie ein Dieb in der Nacht«, verrichtet sein Geschäft und fliegt eilig davon, sobald es vollendet. Ausfallend bleibt es, daß dieselben Vögel, denen jede Störung ihres Nestes verhaßt ist, und die infolge einer solchen aufhören zu brüten, das Kuckucksei nicht aus dem Nest werfen, sondern im Brüten fortfahren. Sie hassen die Kuckucksmutter, entziehen deren Ei oder Brut ihre Pflege aber nicht.

siehe Bildunterschrift

Kuckuck ( Cuculis canorus)

Der junge Kuckuck entschlüpft dem Ei in einem äußerst hilflosen Zustand, »macht sich aber«, wie Naumann sagt, »an dem unförmlich dicken Kopf mit den großen Augäpfeln sehr kenntlich. Er wächst anfangs schnell, und wenn erst Stoppeln aus der schwärzlichen Haut hervorkeimen, sieht er in der Tat häßlich aus. Mir wurde einige Male erzählt, daß man im zufälligen Vorübergehen und bei flüchtigem Ansehen geglaubt habe, es säße eine große Kröte im Nest.« Ein junger Kuckuck, den Päßler fand, war drei Tage später noch einmal so groß und mit blauschwarzen Kielen und Stoppeln bedeckt, aber noch blind. Am elften Tag füllte er das ganze Nest aus, ja Kopf und Hals sowie der Steiß ragten über den Rand des Nestes hinweg. Die Augen waren geöffnet. Er zeigte braune Flügeldeckfedern, blauschwarze Kiele mit dergleichen kurzen Federchen; unter dem Bauch war er ganz kahl. Am sechzehnten war er ausgeflogen. Die Entwicklung verläuft, wie leicht erklärlich, nicht bei allen Kuckucken in derselben Weise. Der eine sitzt längere, der andere kürzere Zeit im Nest, und der eine sieht auch vielleicht häßlicher aus als der andere; im allgemeinen aber sind die vorstehenden Angaben Naumanns und Päßlers vollkommen richtig. So unbehilflich der eben ausgekrochene Vogel auch ist, so freßlustig zeigt er sich. Er beansprucht mehr Nahrung, als die Pflegeeltern beschaffen können, und er schnappt dieselbe, wenn wirklich noch Stiefgeschwister im Neste sind, diesen vor dem Schnabel weg, wirft sie auch, wenn sie nicht verhungern oder nicht durch ihre Mutter entfernt oder umgebracht werden, schließlich aus dem Neste heraus. Hieraus erklärt sich, daß man immer nur einen einzigen bereits einigermaßen erwachsenen Kuckuck im Neste findet. Von der Tatsache, daß der Gauch seine Stiefgeschwister absichtlich oder doch wirklich aus dem Neste wirft, hat sich Friderich durch zweckentsprechende Versuche überzeugen können. Der erste Fall betraf einen fast nackten jungen Kuckuck, der höchstens drei Tage alt war. Ihm gesellte der Beobachter, weil jener bereits allein im Neste saß, achttägige Kanarienvögel zu. Der junge Kobold ruhte fortan nicht eher, als bis er einen durch heftiges Umdrehen und Unterschieben des Kopfes auf seinen Rücken gebracht hatte, richtete sich dann schnell und kräftig hoch auf, bewegte sich rückwärts und warf damit den eingelegten jungen Kanarienvogel hinaus. Genau ebenso verfuhr er mit den andern. Anstatt junger Vögel nahm Friderich auch zusammengeknitterte Papierballen, legte sie in das Nest und konnte beobachten, wie diese ebenfalls über den Rand desselben geschleudert wurden. Spätere Versuche mit etwas älteren Kuckucken ergaben immer dasselbe. Walter wiederholte und vervollständigte Friderichs Versuche. Er legte ein Ei in das Zaunkönigsnest, in dem ein junger Kuckuck saß; es wurde jedoch zu seiner Verwunderung ebensowenig herausgeworfen wie Papierkugeln, die er später beifügte. Als der Kuckuck sieben Tage alt war, gesellte ihm Walter einen mehrere Tage jüngeren, noch nackten Neuntöter zu. »Sogleich kehrte sich der Kuckuck, der bisher den Kopf nach dem Nest gerichtet hatte, um, schob seinen hinteren Teil unter den des Würgers und warf ihn sicher und geschickt zum Loch hinaus.« Wiederholte Versuche ergaben, daß die ins Nest gelegten Eier unbeachtet blieben, junge Vögel dagegen mit derselben Rücksichtslosigkeit hinausgeworfen wurden. Die Tatsache des Hinauswurfs ist also nicht zu bezweifeln. Fraglich ist aber die gegebene Deutung. Wahrscheinlich hat Rey recht, der das Hinausbefördern auf rein mechanische Bewegungen des Kuckucks im Nest, besonders beim Nahrungsempfang, zurückführt. Dafür spricht auch die im folgenden Textsatz ausgedrückte Tatsache. Herausgeber. Werden wirklich einmal zwei Kuckucke in einem Nest ausgebrütet, so erleidet der schwächere dasselbe Schicksal wie sonst die Stiefgeschwister. Man mag dieses Verfahren als vererbte Selbstsucht oder mindestens doch als einen zur Erhaltung des Kuckucks notwendigen Naturtrieb bezeichnen; das Wort tut hierbei nichts zur Sache. Bemerkenswert ist eine Beobachtung Brucklachers. Einen jungen, bereits gefiederten Kuckuck setzte der Genannte unmittelbar nach Empfang in die Ecke eines breiten Fenstergesimses, auf dem schräg gegenüber ein Nest mit vier zwölf Tage alten, zur Zucht bestimmten Gimpeln sich befand. Der Kuckuck verhielt sich einen halben Tag lang ganz ruhig in seiner Ecke und wurde dort auch gefüttert; plötzlich aber versuchte er, sich zu bewegen, watschelte vorwärts, wandte sich schnurgerade dem Gimpelnest zu, begann, dort angekommen, an demselben hinaufzuklettern, nahm auf dem Rande eine feste Stellung ein, arbeitete sich mit der Brust vor und bemächtigte sich trotz des Widerstandes der Eigentümer nach etwa zweistündigem Arbeiten des Nestes wirklich. Hierbei führte er keine andere Bewegung aus, als mit fest an das Nest angelegter Brust und fächelnder Bewegung der Flügel die jungen Gimpel vor sich her auf die Seite zu drücken, bis diese auf dem Rande des Nestes angekommen waren und, obgleich sie sich hier noch eine Zeitlang hielten, nach und nach über Bord glitten. Nachdem der Kuckuck das Nest glücklich erobert hatte, behauptete er sich in ihm. »So grob und unverzeihlich diese Handlung von ihm war«, schließt Brucklacher, »muß ich doch sagen, daß er die Eigentümer in schönster Weise aus ihrer Behausung hinausförderte.«

Mit rührendem Eifer tragen die Pflegeeltern dem gefräßigen Unhold, der anstelle der vernichteten eigenen Brut verblieb, Nahrung in Hülle und Fülle zu, bringen ihm Käferchen, Fliegen, Schnecken, Räupchen, Würmer und plagen sich vom Morgen bis zum Abend, ohne ihm den Mund zu stopfen und sein ewiges heiseres »Zis zisis« verstummen zu machen. Auch nach dem Ausfliegen folgen sie ihm noch tagelang; denn er achtet ihrer Führung nicht, sondern fliegt nach seinem Belieben umher, und die treuen Pfleger gehen ihm nach. Zuweilen kommt es vor, daß er nicht imstande ist, sich durch die enge Öffnung einer Baumhöhlung zu drängen; dann verweilen seine Pflegeeltern ihm zu Gefallen selbst bis in den Spätherbst und füttern ihn ununterbrochen. Man hat Bachstelzenweibchen beobachtet, die noch ihre Pfleglinge fütterten, als schon alle Artgenossen die Wanderung nach dem Süden angetreten hatten.

Junge, dem Nest entnommene Kuckucke lassen sich leicht auffüttern, nehmen auch mit jeder geeigneten Nahrung vorlieb und verlangen nur eine genügende Menge derselben. Angenehme Stubenvögel aber sind sie nicht. Ihre Gefräßigkeit verleidet dem Pfleger alle Freude an ihnen. In frühester Jugend dem Nest entnommene Vögel werden sehr bald zahm, ältere wehren sich aus Angst gegen den ihnen nahenden Menschen, erheben die Flügel wie Raubvögel und beißen auch wohl mit dem Schnabel nach der nahrungspendenden Hand. Meine Gefangenen lebten mit Papageien, Kernbeißern, Kardinälen, Alpen- und Kalanderlerchen, Wiedehopfen, verschiedenen Sängern, Helmvögeln, Flaumfußtauben usw. zusammen, waren auch eine Zeitlang in einem und demselben Käfig mit kleinen westafrikanischen Finken, haben aber, soweit wir erfahren konnten, nicht einen einzigen von ihnen behelligt. Selbst alt eingefangene Kuckucke werden zuweilen sehr rasch zahm. Ein Weibchen, das Dehne fing, kam schon am dritten Tage seinem Pfleger entgegen, wenn dieser ihm Nahrung reichte. Bemerkenswert ist, daß der gefangene Kuckuck im Käfig nicht schreit.

Der erwachsene Kuckuck hat wenig Feinde. Seine Fluggewandtheit sichert ihn vor der Nachstellung der meisten Falken, und den kletternden Raubtieren entgeht er wahrscheinlich immer. Zu leiden hat er von den Neckereien des Kleingeflügels, und nicht allein von jenen Arten, denen er regelmäßig seine Brut anvertraut, sondern auch von andern. In erster Reihe machen sich hier, wie zu erwarten, die mutigen Bachstelzen mit ihm zu schaffen. Alle drei bei uns einheimische Arten verfolgen ihn in der angegebenen Weise, sowie er sich sehen läßt. Außer ihnen habe ich den Pirol, unsere Würger, den großen Fliegenfänger, Laubsänger, die Bastardnachtigall und endlich Grasmücken auf ihn stoßen sehen. Nach Walters Beobachtungen behelligt ihn selbst der Grünspecht, und jedenfalls viel ernstlicher als die vorher genannten Vögel. Der stürmische Flieger holt den flüchtenden Kuckuck bald ein und ängstigt ihn so, daß er zuletzt vor Angst kaum weiß, was er beginnen soll. Ein von dem Grünspecht gejagter Kuckuck, den Walter beobachtete, benutzte den einzigen auf seinem Wege sich findenden Baum, um in den dünnen Zweigen der Krone sich zu decken. Aber auch der Specht kletterte ihm hier nach und trieb den Kuckuck von neuem in die Flucht, dem höchstens noch fünfzig Schritte von jenem Baum entfernten Walde zu. Schon nachdem er eine Entfernung von etwa zwanzig Schritten zurückgelegt hatte, wurde er wieder eingeholt und so scharf gedrängt und gestoßen, daß er seiner Gewohnheit zuwider auf das kahle Feld niederflog. Aber auch hierhin folgte der Grünspecht, und Walter, der leider durch Dorngebüsch verhindert wurde, genau beobachten zu können, sah jetzt nur noch einen Ballen an der Erde. Als er den Dornbusch umlaufen hatte, waren beide Vögel verschwunden. Abgesehen von solchen Gegnern und verschiedenen ihn plagenden Schmarotzern hat der ausgewachsene Kuckuck von den fluggewandten Raubvögeln zu leiden, jedoch weniger, als man von vornherein annehmen möchte. Dagegen ist er, solange er sich noch im Neste befindet, vielen Feinden ausgesetzt. Füchse, Katzen, Marder, Wiesel, Mäuse, Raben, Häher und andere Nestplünderer entdecken den großen Gesellen noch leichter als die rechtmäßige Brut eines solchen Nestes und nehmen ihn als gute Beute mit. Auch der Mensch gesellt sich hier und da aus Unkenntnis und Wahn zu den genannten Feinden. Nach der Auffassung des Volkes verwandelt sich der Kuckuck im Winter in einen Sperber, und solchen zu vertilgen erscheint eher als Verdienst denn als Vergehen. Erst wenn der Gauch glücklich dem Neste entronnen und selbständig geworden ist, führt er ein ziemlich gesichertes Dasein. Vor dem Menschen nimmt er sich jetzt in der Regel wohl in acht, und dem, der seine Stimme nicht genau nachzuahmen versteht, wird es schwer, einen Kuckuck zu berücken. Noch schwieriger ist es, einen erwachsenen Kuckuck lebend in seine Gewalt zu bekommen. Mir ist keine einzige Fangart bekannt, die sicher zum Ziele führt.

Ich tue recht, wenn ich den Kuckuck der allgemeinsten Schonung empfehle. Er darf dem Walde nicht fehlen, denn er trägt nicht bloß zu dessen Belebung, sondern auch zu dessen Erhaltung bei. Das Gefühl will uns glauben machen, daß der Frühling erst mit dem Kuckucksruf im Walde einzieht; der Verstand sagt uns, daß dieser klangvolle Ruf noch eine ganz andere, wichtigere Bedeutung hat. »Welches Menschenherz, wenn es nicht in schmählichster Selbstsucht verschrumpft ist«, sagt Eugen von Homeyer, »fühlt sich nicht gehoben, wenn der erste Ruf des Kuckucks im Frühling ertönt? Jung und alt, arm und reich lauschen mit gleichem Wohlbehagen seiner klangvollen Stimme. Könnte man dem Kuckuck auch nur nachsagen, der rechte Verkündiger des Frühlings zu sein, so wäre er dadurch allein des menschlichen Schutzes würdig. Er ist aber noch der wesentlichste Vertilger vieler schädlichen Kerbtiere, die außer ihm keine oder wenige Feinde haben.« Der Kuckucksruf bezeichnet den Einzug eines der treuesten unserer Waldhüter. Kerbtiere aller Art und nur ausnahmsweise Beeren bilden die Nahrung des Vogels; er vertilgt auch solche, die gegen andere Feinde gewappnet sind: haarige Raupen. Glatte und mittelgroße Raupen zieht er, nach Liebes Beobachtungen, den behaarten und großen allerdings vor. Daß es gerade unter den behaarten Raupen abscheuliche Waldverderber gibt, ist bekannt genug; daß sie sich oft in entsetzlicher Weise vermehren, ebenfalls. Ihnen gegenüber leistet der verschriene Gauch Großes, Unerreichbares. Sein unersättlicher Magen gereicht dem Walde zur Wohltat, seine Gefräßigkeit ihm selbst zur größten Zierde, mindestens in den Augen des verständigen Forstmannes. Der Kuckuck leistet in der Vertilgung des schädlichen Gewürms mehr, als der Mensch vermag. Eine Beobachtung Eugen von Homeyers mag dies beweisen.

Zu Anfang Juli des Jahres 1848 zeigten sich in einem etwa dreißig Magdeburger Morgen großen Kieferngehölz mehrere Kuckucke. Als Homeyer nach einigen Tagen wieder nachsah, hatte sich die Zahl der Vögel so auffallend vermehrt, daß dieses Ereignis seine lebhafteste Teilnahme in Anspruch nahm. Es mochten, einer ungefähren Schätzung nach, etwa hundert Kuckucke durch das Gehölz verteilt sein. Der Grund dieser ungewöhnlichen Anhäufung wurde alsbald klar, da die kleine Kieferraupe ( Liparis monacha) in großer Anzahl das Wäldchen heimsuchte. Die Kuckucke fanden Überfluß an Nahrung und unterbrachen ihren Zug, der eben begonnen hatte, um die versprechende Örtlichkeit auszunutzen. Jeder einzelne war eifrig bemüht, sein Futter zu suchen; ein Vogel mochte oft in der Minute mehr als zehn Raupen verschlingen. »Rechnet man nun«, sagt Homeyer wörtlich, »auf jeden Vogel in der Minute nur zwei Raupen, so macht dies auf einhundert Vögel täglich, den Tag (im Juli) zu sechzehn Stunden gerechnet, einhundertzweiundneunzigtausend Raupen, in fünfzehn Tagen – so lange währte der Aufenthalt der Kuckucke in Massen – zwei Millionen achthundertachtzigtausend Raupen. Es war aber eine sichtbare Abnahme der Raupen unverkennbar; ja, man war versucht zu behaupten, die Kuckucke hätten dieselben vertilgt, da späterhin wirklich keine Spur von ihnen übrigblieb.«

Diese Beobachtung des trefflichen Forschers steht keineswegs vereinzelt da. Wer im Sommer in einem vom Raupenfraß heimgesuchten Walde verständig beobachtet, wird immer finden, daß die jetzt nicht mit der Fortpflanzung beschäftigten Kuckucke von nah und fern herbeieilen, um an so reich gedeckter Tafel ihrer kaum zu stillenden Freßlust Genüge zu leisten. Wenn die Raupenpest einmal ausgebrochen ist, vermögen freilich auch die Kuckucke ihr nicht mehr zu steuern; sie aber einzudämmen, zu mindern, vielleicht gar nicht zum Ausbruch gelangen zu lassen, das vermögen sie wohl. Und darum ist es die Pflicht jedes vernünftigen Menschen, dem Walde seinen Hüter, uns den Herold des Frühlings zu lassen, ihn zu schützen und zu pflegen, soviel wir dies imstande sind, und blindem Wahne, daß dieser Vogel uns jemals Schaden bringen könnte, entgegenzutreten, wo, wann und gegen wen immer es sei.

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Anfang dieses Jahrhunderts wurde der Kaufmann Müller zu Lübben im Spreetale benachrichtigt, daß in der Nähe seines Wohnortes in einem sumpfigen Buschholze zwei ganz absonderliche Vögel umherflögen. Der Mann begab sich mit seinem Gewehr nach der betreffenden Stelle und erkannte, daß die ihm gewordene Mitteilung richtig war. Er fand zwei außerordentlich flüchtige, kuckucksartige Vögel, die beständig von einem Baum zum andern flogen und dabei stark schrien. Das Geschrei hatte mit dem unseres Kuckucks keine Ähnlichkeit, sondern glich eher dem lachenden Rufe des Spechtes. Mit Mühe gelang es dem Jäger, einen zu erlegen. Der andere wurde nach dem Schusse, der seinen Gefährten zu Boden gestreckt hatte, noch viel scheuer und konnte, allen Bemühungen zum Trotze, nicht erbeutet werden. Der erlegte kam später in die Sammlung meines Vaters und wurde von diesem unter dem Namen Langschwanzkuckuck beschrieben. Später stellte sich freilich heraus, daß dieser Fremdling den Vogelkundigen schon durch Linné bekannt gemacht worden war; jedenfalls aber war mein Vater der erste, der über das Vorkommen dieses Vogels in Deutschland Kunde gab, und es ist wenigstens ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß mir, dem Sohne, beschieden war, die Forscher zuerst über das Brutgeschäft desselben Vogels aufzuklären.

Die Häherkuckucke ( Coccystes) kennzeichnen sich durch gestreckten Leib, fast kopflangen, an der Wurzel dicken und merklich breiten, an den Seiten stark zusammengedrückten, gebogenen Schnabel, starke und verhältnismäßig lange Füße, die vorn bis unter das Fersengelenk herab befiedert, hinten aber ganz von Federn entblößt sind, mittellange Flügel, in denen die dritte Schwinge die längste ist, mehr als körperlangen, keilförmigen, schmalfederigen Schwanz, dessen äußerste Federn etwa halb so lang als die mittelsten sind, und glatt anliegendes, auf dem Kopfe aber haubiges Gefieder, das beiden Geschlechtern gemeinsam, nach dem Alter jedoch etwas verschieden ist.

Der Straußkuckuck, wie wir ihn nennen wollen ( Coccocystes glandarius), ist auf dem Kopf aschgrau, auf dem Rücken graubraun, auf der Unterseite graulichweiß; Kehle, Seitenhals und Vorderbrust sind rötlichfahlgelb; die Flügeldeckfedern und die Armschwingen enden mit großen, breiten, dreieckigen, weißen Flecken. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel purpurhornfarben, unten lichter, der Fuß graugrünlich. Die Länge beträgt ungefähr 40, die Fittichlänge 21, die Schwanzlänge 22,5 Zentimeter.

Als das eigentliche Vaterland des Straußkuckucks ist Afrika anzusehen. In Ägypten und Nubien ist er stellenweise häufig, in dem benachbarten Arabien und Palästina wenigstens nicht selten, in Persien in einzelnen Jahren überaus zahlreich, in andern auffallend spärlich vertreten, in Algerien findet er sich ebenfalls, und von hier aus streift er mehr oder weniger regelmäßig nach Europa herüber. In Spanien ist er Brutvogel, in Griechenland scheint er seltener und nach den bisherigen Beobachtungen nur zufällig vorzukommen, in Italien hat man ihn ebenfalls öfter beobachtet. Wahrscheinlich wird er in ganz Südeuropa an geeigneten Stellen fast alljährlich bemerkt. Nach Deutschland verfliegt er sich wohl sehr selten; doch ist, außer dem mitgeteilten, wenigstens noch ein Fall bekannt, daß er hier erlegt wurde. Seine Winterreise dehnt er bis in die Urwälder Mittelafrikas aus.

In Ägypten bevorzugt der Straußkuckuck ganz entschieden kleine Mimosenhaine, wie sich solche hier und da im Niltale finden. Ein Wäldchen, das man in einer Viertelstunde umgeht, kann unter Umständen acht bis zehn Paare, mindestens Männchen, beherbergen, während man sonst viele Kilometer durchreist und durchjagt, ohne einen einzigen zu bemerken. In Palästina, wo der Straußkuckuck vielleicht ebenso häufig vorkommt wie in Ägypten, bewohnt er, laut Tristram, dünn bestandene Waldungen, besonders solche der Eiche, erscheint in ihnen nicht vor Ausgang Februar und verläßt sie mit Bestimmtheit um die Mitte des Herbst wieder. Ähnliche Örtlichkeiten sind es auch, die ihm in Spanien Herberge geben, wogegen er im Inneren Afrikas, nach Heuglin namentlich am Gazellenflusse, weite grasreiche Ebenen und Weidelandschaften, die mit lichtem, niedrigem Gebüsche bestanden sind, zu bewohnen pflegt. Die Wüste und höhere Gebirge meidet der Straußkuckuck aus leicht erklärlichen Gründen, und auch in der baumlosen Steppe fühlt er sich nicht heimisch. Im Gegensatz zu unserm Kuckuck begegnet man ihm selten einzeln.

In seinem Wesen und Betragen hat der Straußkuckuck mit seinem deutschen Verwandten wenig gemein. Der Flug ähnelt zwar dem des letzteren einigermaßen; im übrigen unterscheidet sich der Vogel wesentlich von ihm. Auch er ist flüchtig, läßt sich jedoch, wie bemerkt, an ein viel kleineres Gebiet fesseln; auch er ist unstet, kehrt aber doch viel öfter zu denselben Plätzen zurück als jener; auch er ist eifersüchtig, allein doch nicht entfernt in demselben Grade wie der blind wütende Kuckuck, der sich, wie wir gesehen, von dieser Leidenschaft so vollständig beherrschen läßt, daß er sich wie sinnlos gebärdet. Daß die verliebten Männchen sich ebenfalls heftig verfolgen, dabei lebhaft schreien und miteinander kämpfen, ist selbstverständlich.

Der Flug des Straußkuckucks ist pfeilgeschwind und ungemein geschickt; denn der Vogel eilt mit der Gewandtheit des Sperbers durch das geschlossenste Dickicht, ohne einen Augenblick anzuhalten. Gewöhnlich fliegt er nicht gerade weit, sondern immer nur von einem Baume zum andern; nur wenn zwei Männchen sich jagen, durchmessen sie ausgedehntere Strecken. Zum Boden herab kommt er wohl äußerst selten; ich meinesteils habe ihn wenigstens nie hier gesehen, aber beobachtet, daß er fliegend von unten Kerbtiere aufnahm. Er fliegt, wenn er aufgescheucht wurde, einem Baume zu, dringt in das Innere der Krone und wartet hier die Ankunft des Verfolgers ab. Merkt er Gefahr, so stiehlt er sich unbemerkt zwischen den Zweigen hindurch, verläßt den Baum von der entgegengesetzten Seite und wendet sich einem andern zu. In dieser Weise kann er den Schützen oft lange foppen. Die Stimme, von der unseres Kuckucks durchaus verschieden, ist ein lachendes, elsterartiges Geschrei, das Allen durch »Kiau kiau« wiederzugeben versucht. Der Warnungsruf, den ich übrigens nicht vernommen habe, soll wie »Kerk kerk« klingen. Der gewöhnliche Stimmlaut wird regelmäßig so oft nacheinander und so laut ausgestoßen, daß er mit keinem andern Vogelschrei verwechselt und auf weithin vernommen werden kann.

Im Magen der von uns erlegten fanden wir Kerbtiere aller Art, auch Raupen, Allen und seine Begleiter hingegen vorzugsweise Heuschrecken. Heuglin bezeichnet Schmetterlinge, Raupen, Spinnen, Heuschrecken und Käfer als die gewöhnliche Beute des Vogels und bemerkt, daß ebenso wie bei unserm Kuckuck sein Magen nicht selten dicht mit Raupenhaaren gespickt ist.

Die Frage, ob der Straußkuckuck selbst niste oder seine Eier andern Vögeln zur Pflege übergebe, war insofern von besonderer Wichtigkeit, als sie entschied, ob der Vogel zu den eigentlichen Kuckucken gerechnet werden dürfe oder nicht. Es lag mir deshalb sehr viel daran, hierüber ins klare zu kommen; aber ich konnte trotz meines mehrjährigen Aufenthaltes in Afrika lange nichts Sicheres erfahren. Am fünften März 1850 endlich gewannen wir den ersten Anhaltspunkt für fernere Forschungen. Wir erlegten in einem Mimosenwäldchen bei Siut sieben Straußkuckucke und unter ihnen ein Weibchen, das ein reifes Ei im Legschlauch trug. Dasselbe war leider durch den Schuß zertrümmert worden, und so konnten wir bloß Splitter untersuchen; aber auch diese waren hinreichend, um zu erkennen, daß das Ei von dem unseres Kuckucks sehr verschieden sein müsse. Das wichtigste war, einstweilen die Brutzeit des Vogels zu wissen, da diese in Afrika nicht an bestimmte Monate gebunden ist. Trotzdem verstrichen noch zwei Jahre, ehe es mir gelang, über das Fortpflanzungsgeschäft ins reine zu kommen.

Am 2. März 1852 verfolgte ich in einem Garten bei Theben in Oberägypten längere Zeit einen Straußkuckuck. Er neckte mich in seiner Weise und zog mich wohl eine halbe Stunde lang hinter sich her. Zuletzt sah ich ihn in ein großes Nest schlüpfen, das auf einem nicht besonders hohen Baum stand. Es versteht sich von selbst, daß ich von jetzt an nicht daran dachte, den Vogel zu stören. Nach mehr als einer Viertelstunde flog er wieder aus dem Nest heraus und entfernte sich sofort aus der Umgebung. Ich erstieg den Baum und fand, daß das Nest der Nebelkrähe angehörte, im ganzen sechs Eier enthielt, darunter aber eins, das erst vor wenigen Minuten zertrümmert worden war. Unter diesen Eiern unterschied ich auf den ersten Blick zwei kleinere, den Kräheneiern an Größe und Farbe zwar nahestehende, aber doch mit ihnen nie zu verwechselnde Eier eines andern Vogels. Sie wurden ausgehoben, mit einer gewissen Ängstlichkeit der Barke zugetragen und dort mit den sorgfältig aufbewahrten Trümmern des ersten Kuckuckseies verglichen. Zu meiner großen Freude fand ich, daß sie mit ihm vollkommen übereinstimmten. In der Größe glichen sie ungefähr den Elstereiern, in der Form aber andern Kuckuckseiern. »Ihre Farbe ist«, wie Baedecker beschreibt, »ein lichtes Bläulichgrün, ihre Zeichnung aschgrau und bräunlichgrau in dicht gestellten Flecken, die am stumpfen Ende sich zu einem mehr oder weniger geschlossenen Kranze vereinigen. Auf dieser Grundzeichnung stehen noch einige dunkelbraune Punkte. Mit Krähen- und Elstereiern sind sie kaum zu vergleichen, viel weniger zu verwechseln; denn ihre Form, die Körnung der Schalenoberfläche, ihre Fleckenzeichnung, selbst die grünliche Grundfärbung fallen aufs erste Ansehen und Berühren ganz anders ins Auge und ins Gefühl.«

Meine Entdeckung wäre nun schon hinreichend gewesen, um die Art und Weise der Fortpflanzung der Kuckucke zu bestimmen; ich gewann aber glücklicherweise am zwölften März noch eine zweite Beobachtung, die der ersteren bedeutendes Gewicht verlieh. In einem Dorfgarten, der, wie in Ägypten überhaupt gewöhnlich, dicht mit Bäumen bepflanzt war, wurde ich durch das helltönende, mißlautende Geschrei des alten Kuckucks, »Kiekkiek, kiek, kiek« zur Jagd aufgefordert. Ich erlegte beide Eltern, bemerkte aber bald darauf noch einen Straußkuckuck, und zwar einen noch nicht vollständig entwickelten jungen, der – von zwei Nebelkrähen gefüttert und verteidigt wurde. Von nun an ließ ich alle Krähennester untersuchen und war wirklich so glücklich, in einem derselben am neunzehnten März noch ein Kuckucksei zu finden.

Gegenwärtig ist die Frage vollständig entschieden. Im Winter von 1861 zu 1862 bereisten Allen und Cochrane Ägypten, und da nun die Pflegeeltern unseres Vogels bereits bekannt waren, wurde es ihnen nicht schwer, in den Nestern der Nebelkrähen viele Eier und Junge des Straußkuckucks zu erhalten. Allen fand zwar nur zwei Eier, aber noch drei Junge, und unter ihnen zwei in einem und demselben Neste; der glücklichere Cochrane hingegen erhielt dreizehn Eier und zwölf Junge, sämtlich aus den Nestern der Nebelkrähe. In drei Nestern lagen je zwei Eier, in einem Neste zwei Junge unseres Vogels. Wenn ich nun noch hinzufüge, daß Lilford in Spanien ein Ei des Straußkuckucks im Neste eines Kolkraben und Rey in Portugal vier Eier in ebensoviel verschiedenen Nestern der Blauelster fand, St. John endlich nach seinen in Persien gesammelten Beobachtungen die Elster als die natürliche Pflegemutter bezeichnet, habe ich nicht allein alle bis jetzt bekannten Pflegeeltern des Vogels aufgezählt, sondern auch noch weitere Belege für die Tatsache beigebracht, daß dieser Schmarotzer seine Brut nach den bisherigen Beobachtungen ausschließlich verschiedenen Rabenvögeln anvertraut, nicht aber selbst brütet.

Durch Allen erfahren wir, daß sich junge Straußkuckucke ohne Mühe in der Gefangenschaft erhalten lassen. Eines von denjenigen Jungen, die er aushob, ging ohne Umstände ans Futter, nahm große Mengen von Fleisch zu sich, schrie beständig heißhungrig nach mehr Nahrung und befand sich hierbei so wohl, daß es England lebend erreichte. Wie lange es hier ausgehalten, vermag ich nicht zu sagen; Allen bemerkt bloß noch, vernommen zu haben, daß das dunkle Gefieder des Vogels im Laufe der Zeit bedeutend lichter geworden wäre, und hieraus geht also zur Genüge hervor, daß der Gefangene wenigstens mehrere Monate lang bei guter Gesundheit gewesen ist. In einem unserer europäischen Tiergärten sah ich selbst einen Straußkuckuck, der mit einfachem Weichfutter, also einem Gemisch aus Fleisch, Milchsemmel, Möhren, Ameisenpuppen und derartigen Bestandteilen ernährt wurde und sich anscheinend durchaus wohl befand. Damit ist meines Erachtens der Beweis geliefert, daß der Straußkuckuck ebenso leicht wie sein deutscher Verwandter in Gefangenschaft gehalten werden kann.

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Die Eilande Ozeaniens und Südostens beherbergen eine kleine Gruppe von Kuckucken, die man Guckel ( Eudynamis) genannt hat. Ihre Kennzeichen sind dicker, kräftiger, auf der Firste sehr gebogener, starkhakiger Schnabel, dessen Unterkiefer fast gerade ist, starke Füße, mittellange Flügel, in denen die vierte Schwinge die längste ist, langer, abgerundeter Schwanz und ziemlich weiches, sehr übereinstimmend gefärbtes Gefieder. Das kleinere Männchen ist nämlich gewöhnlich schwarz, das Weibchen mehr oder weniger schwarz und weiß gefleckt.

Die berühmteste Art der Sippe ist der Koel ( Eudynamis niger). Das Männchen ist glänzend grünlichschwarz, das Weibchen glänzend dunkelgrün, auf der Oberseite weiß gefleckt, auf den Schwingen und dem Schwanze weiß gebändelt, unten weiß mit schwarzen Flecken, die in der Halsgegend länglich, in der Brustgegend herzförmig sind. Das Auge ist scharlachrot, der Schnabel blaßgrünlich, der Fuß schieferblau. Die Länge des Männchens beträgt einundvierzig, die des Weibchens sechsundvierzig, die Breite des ersteren sechzig, des letzteren dreiundsechzig, die Fittichlänge neunzehn und einundzwanzig Zentimeter, die Schwanzlänge ebensoviel.

»Dieser wohlbekannte Vogel«, bemerkt Jerdon, »findet sich in ganz Indien, von Ceylon bis Burmah, und außerdem auf den malaiischen und philippinischen Inseln. Er bewohnt Gärten, Haine, Alleen und lichte Waldungen, frißt fast ausschließlich Früchte verschiedener Arten, namentlich Feigen, Bananen und dergleichen, und hält sich, obgleich er nicht gesellig ist, doch zuweilen in kleinen Trupps zusammen. Er ist keineswegs scheu, hat aber die uns bekannte, ruhige, zurückhaltende Lebensart des gewöhnlichen Kuckucks, solange er sich im Gezweige aufhält, während er laut aufschreit, sobald er fliegt. Der Flug unterscheidet sich von dem des Kuckucks; denn er ist nicht so ruhig und gleitend, sondern erfordert zahlreichere Flügelschläge. Gegen die Brutzeit hin wird der Koel lärmend und läßt sich jederzeit vernehmen, selbst mitten in der Nacht, indem er unablässig seinen wohlbekannten Schrei, ein an Stärke anschwellendes ›Koel koel‹ ausstößt. Übrigens besitzt das Männchen noch einen andern Stimmlaut, der wie ›Huwihu‹ oder ›Hoäo‹ klingt, und wenn er fliegt, läßt er noch ein drittes, etwas klangreicheres Geschrei vernehmen.«

Über den Brutparasitismus des Koel bemerkt Jerdon noch das Nachstehende: »Das Koelweibchen legt, wie in Indien längst bekannt, seine Eier fast ausschließlich in das Nest der Glanzkrähe, viel seltener in das der Aaskrähe. Gewöhnlich legt es nur ein Ei in jedes Nest, und meist, aber nicht immer, zerstört es gleichzeitig eines der Kräheneier. Es ist ein Volksglaube in Indien, daß die Krähe den Betrug merke, wenn der junge Koel fast ausgewachsen ist, und ihn dann aus dem Neste stoße. Die Regel kann dies aber in Wahrheit nicht sein, denn ich habe den jungen Vogel oft von Krähen füttern sehen, nachdem er schon das Nest verlassen hatte. Übrigens scheinen es die Krähen recht wohl zu merken, wenn sie durch den Koel zum Hahnrei gemacht werden.« Durch Swinhoes neuere Beobachtungen erfahren wir, daß der Koel keineswegs einzig und allein die von dem vorher erwähnten Forscher genannten Vögel zu Pflegeeltern seiner Brut erwählt, sondern seine Eier auch in die Nester anderer, obschon immerhin noch den Raben entfernt verwandter Vögel, insbesondere der Grakeln und Mainas legt. Ein Koel flog vor Swinhoes Augen nach einem Baume und wurde dort von seinem Weibchen begrüßt, das sich in der Nähe des Nestes einer Grakel zu schaffen gemacht hatte. Als der rechtmäßige Besitzer des Nestes von einem Ausfluge zurückkehrte, stürzte er sich auf die Eindringlinge, wurde jedoch von diesen besiegt und in die Flucht geschlagen.

Zu meiner Freude sah ich bei einem meiner Besuche des Londoner Tiergartens einen der Koels, die Babu Rajendra Mulik, ein indischer Vogelliebhaber, der genannten Anstalt geschenkt hatte. Der Vogel war damals bereits seit zwei Jahren in London und befand sich so wohl, daß man mit Recht hoffen durfte, ihn noch jahrelang am Leben zu erhalten. Seine Gefangenkost besteht aus gekochtem Reis und verschiedenen Früchten und Beeren, frischen und gedörrten. Es schien mir übrigens, als ob sich der Koel in der Gefangenschaft durch große Lebhaftigkeit auszeichne und dadurch von seinen europäischen Verwandten sehr zu seinem Vorteile unterscheide.

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Die prachtvollsten aller Kuckucke bewohnen die heißen Länder Afrikas, Asiens und Neuhollands. Der Name Goldkuckucke ( Chrysococcyx) ist für ihre Schönheit noch nicht bezeichnend genug; denn ihr Gefieder schimmert in so prachtvollen Farben, wie sie keine Metallverbindung hervorbringen kann. Sie sind sehr klein, gestreckt gebaut, langflügelig und langschwänzig. Der Schnabel ist mittellang, noch ziemlich schwach und im ganzen wie bei unserem Kuckucke gebildet, der Fuß kurzläufig und langzehig, der Fittich ziemlich spitz, in ihm die dritte Schwungfeder die längste, der Schwanz mehr als mittellang, seitlich etwas abgerundet, das Gefieder knapp, aber großfederig.

Der Goldkuckuck oder Didrik ( Chrysococcyx cupreus) ist auf der ganzen Oberseite, mit Ausnahme einiger lichten Stellen, glänzend goldgrün, kupferig schillernd; doch zeigen viele von den Federn auch einen bläulichen Schiller an ihren Rändern, und einzelne einen oder zwei derartige Flecke. Längs der Scheitelmitte, vor und hinter dem Auge verläuft ein weißer Streifen; ein anderer, goldgrün gesäumter, geht vom Mundwinkel aus. Die ganze Unterseite ist lichtbräunlich oder gelblichweiß, aber die Farbe hier so zart, daß sie sich bloß unmittelbar nach der Mauser in voller Schönheit zeigt, durch das Sonnenlicht jedoch auch beim lebenden Vogel bald in weiß ausgebleicht wird. Das Auge ist lebhaft gelbbraun, während der Paarungszeit beim Männchen koschenillerot, das Augenlid korallrot, der Schnabel dunkelblau, der Fuß licht graublau. Die Länge beträgt 19,5, die Breite 33, die Fittichlänge 11, die Schwanzlänge 8,5 Zentimeter. Das Weibchen ist ein wenig kleiner und minder schön, unterscheidet sich auch leicht durch seine gefleckte Unterseite. Das Jugendkleid ist dem der alten Vögel sehr ähnlich.

Über das Leben hat zuerst Levaillant einiges berichtet. »Ich fand den Didrik«, sagte er, »im größten Teile Südafrikas, vom Elefantenflusse an bis zum Lande der kleinen Namaken, und zwar so häufig, daß ich Tausende von ihnen hätte erlegen können.« In Mittelafrika, wo der Vogel von Rüppell, Heuglin, Antinori und mir beobachtet wurde, ist er nicht entfernt so gemein. Soviel ich mich erinnere, traf ich ihn immer nur im Urwalde an. In meinen Maßtafeln ist ausdrücklich bemerkt, daß er sich in den höchsten und dichtesten Bäumen der Wälder aufhält. Heuglin beobachtete ihn am Weißen und Blauen Nil und in Abessinien, zuweilen in kleinen Gesellschaften, im Habesch nicht selten auch in unmittelbarer Nähe menschlicher Wohnungen oder in der Nachbarschaft von Viehgehegen. Nach Angabe desselben Beobachters erscheint er in letztgenanntem Lande mit Anfang der Regenzeit und verläßt seine Standorte mit den flüggen Jungen im September oder Oktober wieder; laut Antinori trifft er im Bogoslande um die Mitte des Juni ein, und zwar immer in Gesellschaft seines Weibchens. Seinen Standort wählt er im Gebirge auf waldigen und sonnigen Gehängen zwischen dreihundert bis zweitausend Meter über dem Meere. Ihn zu entdecken hält nicht schwer; denn das Männchen macht sich bald bemerklich, sei es durch sein Geschrei oder sei es durch seine Streitlust mit anderen seiner Art. Der Lockton ist ein lautes, flötendes Pfeifen, das Levaillant durch »Dididididrik«, Heuglin durch »Huidhuidhuidi«, Fischer durch »Tü, tue, tü« ausdrückt. Das Weibchen soll bloß einen leisen Ton, wie »Wikwik« klingend, vernehmen lassen und mit ihm auch dem verliebten Männchen antworten oder es herbeirufen. Während der Zeit der Liebe sind die Männchen, die an Zahl die Weibchen nicht merklich zu überwiegen scheinen, fast ebenso eifersüchtig und streitlustig wie unser Kuckuck. »Läßt ein Männchen irgendwo seine weitschallende Stimme hören«, sagt Heuglin, »so antwortet gleich ein zweites aus der Nachbarschaft, und nicht selten sieht man zwei oder drei derselben unter heftigem Geschrei tüchtig sich balgen.« Die Paarungslust erhöht die Regsamkeit des Vogels überhaupt in jeder Weise. Wie alle seine Verwandten ist er ein sehr gewandter Flieger und sein Flug dadurch ausgezeichnet, daß er tiefe Bogenlinien beschreibt: einzelne Beobachter vergleichen den Flug deshalb nicht mit Unrecht mit dem der Bachstelze.

In den Magen der von Fischer untersuchten Stücke fanden sich ziemlich große haarige Raupen vor, woraus also hervorgeht, daß der Kuckuck in dieser Beziehung seinen Artverwandten gleicht.

Levaillant fand, wie er angibt, dreiundachtzig Eier des Goldkuckucks in den Nestern kerbtierfressender Vögel und versichert, beobachtet zu haben, daß das Weibchen sein Ei ebenfalls mit dem Schnabel in die Nester der von ihnen zum Pflegeelterngeschäft erwählten Vögel trägt. Seiner Angabe nach entdeckte er dies zufällig, als er einem getöteten Weibchen einen Pfropfen in den Rachen schieben wollte, um das Beschmutzen des Gefieders durch auslaufendes Blut zu verhüten, schließt aber ganz richtig, daß auch alle übrigen Kuckucke in derselben Weise Verfahren dürften. Das Ei ist glänzend weiß. Heuglin fand in den Eierstöcken der von ihm zergliederten Weibchen im Juli und September fast reife Eier und bemerkte, daß eine namhafte Anzahl derselben befruchtet war.

Verschweigen will ich nicht, daß wir auch über die Fortpflanzungsgeschichte dieses Kuckucks verschiedene Mitteilungen erhalten haben. Während durch Levaillant berichtet und durch Ahres, wenn auch nur mit wenigen Worten, bestätigt wurde, daß er nicht brütet, sind Heuglin und Fischer geneigt, das Gegenteil anzunehmen. Heuglin hat, wie er bemerkt, etwas Bestimmtes darüber nicht erfahren können, ob der Goldkuckuck und seine nächsten Verwandten selbst brüten oder nicht. »In ersterem Falle«, meint er, »würden nach meinen Beobachtungen die alten Vögel der jungen halb flüggen sich wieder annehmen. Denn ich habe im Oktober 1861 bei Keren mehrere Male gesehen, wie ein schon etwas flugfähiger Goldkuckuck, der schreiend auf dem Gipfel niedriger Büsche und Hecken saß, von alten, also wohl von seinen wirklichen Eltern, gefüttert wurde. Einmal waren sogar zwei Junge beisammen, beide jedoch offenbar verschiedenen Alters.« Mit diesen Angaben stimmt nun auch die Mitteilung Fischers überein. Nachdem der Goldkuckuck durch sein Geschrei sich bemerklich gemacht und die Aufmerksamkeit des Genannten auf sich gelenkt hatte, erhielt dieser Gelegenheit, ihn genau zu beobachten. Ein Pärchen siedelte sich nämlich in einem mitten in der Stadt gelegenen, sehr kleinen, d. h. nur stubengroßen, ringsum von Mauern umgebenen Garten an, besuchte diese Örtlichkeit zuerst täglich und baute später in den aus wenigen Melonenbäumen und dichtem Strauchwerk bestehenden Baumbeständen sein Nest. Das Weibchen empfing das Männchen jedesmal mit Geschrei, wenn letzteres zum Neste kam, bei dem ersteres zurückblieb. »Das Nest«, so schreibt er unter dem vierten Mai dieses Jahres (1877), »ist gegenwärtig vollendet, und so hoffe ich, wenn mir der Besitzer des Gartens die Erlaubnis dazu gibt, Ihnen Nest und Eier dieser Kuckucksart einsenden zu können.« Damit wäre dann der Beweis geliefert, daß der Goldkuckuck selbst brütet.

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In Neuholland lebt das größte Mitglied der Familie, Vertreter der Sippe der Fratzenkuckucke ( Scythrops), deren Schnabel eher dem eines Tukans als dem eines Kuckucks gleicht. Dieser Schnabel, der unserem Vogel die Ehre verschafft hat, als Verbindungsglied der Kuckucke und Pfefferfresser angesehen zu werden, ist mehr als kopflang, groß, dick und stark, an der Wurzel ziemlich hoch und breit, seitlich zusammengedrückt, auf der Firste stark und an der Spitze hakig herabgebogen, woran der Unterschnabel teilnimmt. Je nach dem Alter des Vogels zeigen sich im Oberschnabel mehr oder weniger Längsfurchen, die gegen den Kieferrand hin in schwache, zahnartige Einkerbungen auslaufen. Die Füße sind stark und kurzläufig, ihre Zehen kräftig, jedoch nicht besonders lang. Der Fittich, in dem die dritte Schwinge die längste ist, erreicht ungefähr die Mitte des verhältnismäßig kurzen, abgerundeten Schwanzes, der, wie gewöhnlich, aus zehn Federn gebildet wird. Das Gefieder ist ziemlich reich, in der Färbung dem unseres Kuckucks nicht ganz unähnlich. Zügel und Augengegend sind nackt.

Der Riesen- oder Fratzenkuckuck ( Scythrops australis), der die einzige Art der Sippe bildet, ist auf Kopf und Hals schön aschgrau, auf der Oberseite, Flügel und Schwanz inbegriffen, graubraun, jede Feder des Mantels, der Schultern, des Bürzels und der oberen Schwanzdecken breit umberbraun gerandet, auf der Unterseite hell aschgrau, auf Bauch, Schenkeln und unteren Schwanzdecken graulichweiß, dunkel in die Quere gebändert. Die Schwanzfedern, deren Innenfahnen auf rostfarbenem, gelblichweißem Grunde mit sieben schwarzen Binden gezeichnet sind, haben ein ebensolches Band vor dem breiten, weißen Schwanzende. Das Auge ist braun, die nackte Stelle um dasselbe scharlachrot, der Schnabel gelblich hornfarben, der Fuß olivenbraun. Das Weibchen unterscheidet sich nur durch etwas geringere Größe. Die Länge beträgt fünfundsechzig, die Fittichlänge vierunddreißig, die Schwanzlänge sechsundzwanzig Zentimeter.

Laut brieflicher Mitteilung von Rosenbergs bewohnt der Riesenkuckuck keineswegs Neuholland allein, sondern findet sich auch auf Neuguinea, Celebes, Ternate, Ceram und den Aruinseln. Gould begegnete ihm in Neusüdwales, wo er ein Zugvogel ist, der im Oktober erscheint und im Januar wieder wegzieht. Nach Latham sieht man ihn gewöhnlich früh und abends, zuweilen in kleinen Trupps von sieben bis acht Stück, öfters aber paarweise. Sein Anstand und seine Sitten, seine Bewegungen, seine Ernährung und die Art und Weise seiner Fortpflanzung kennzeichnen ihn auf das entschiedenste als Kuckuck. Im Sitzen nimmt er sich prächtig aus, weil er den langen Schwanz oft fächerartig ausbreitet; im Fluge erinnert er oft täuschend an einen großen Falken. Der erste Riesenkuckuck, den Bennett im Pflanzengarten zu Sidney schoß, wurde von ihm zuerst als ein Falke angesehen. Gleich einem solchen kreiste er in hoher Luft umher, unterbrach diese Bewegungen zuweilen, um zu rütteln, ließ sich dann langsam herab, setzte seinen Flug dicht über den Spitzen der hohen Gummibäume und Kasuarinen fort, schwenkte sich auch rund um diese Bäume, bald volle Kreise beschreibend, bald von einem Zweige zum andern ziehend und dort anhaltend, um nach Heuschrecken und andern großen Kerbtieren zu spähen, stieß endlich wiederholt auf diese herab und nahm sie von den Blättern oder selbst von den Stämmen der Bäume weg, gelegentlich laut und kreischend aufschreiend und mit ausgebreiteten Schwingen vor den äußersten Spitzen rüttelnd, alles ganz wie Falken zu tun pflegen. Erst nachdem er die verschiedensten Übungen dieser Art ausgeführt und sich seine Morgenmahlzeit gesichert hatte, ließ er sich auf einem sehr hohen Zweige nieder, von dem er herabgeschossen wurde. Das erwähnte durchdringende Geschrei läßt er im Sitzen wie im Fliegen, insbesondere aber dann vernehmen, wenn ein Falke oder ein anderer Raubvogel ihm zu Gesicht kommt. Elsey, der den Vogel im Norden beobachtete, sagt, daß er mitunter fünf Minuten lang sein klägliches Geschrei ausstoße. Der Magen des von Bennett erwähnten Vogels enthielt Goldkäfer und große Heuschrecken in Menge. In den Magen anderer Fratzenkuckucke wurden neben Kerbtieren auch Früchte und Samen, insbesondere solche vom roten Gummi- und Pfefferminzbaum, gefunden.

Über die Fortpflanzung fehlen noch ausführliche Berichte, doch scheint so viel festzustehen, daß auch der Riesenkuckuck seine Eier fremden Eltern anvertraut. Gould erhielt einen, der angeblich von zwei anderen fremden Vögeln gefüttert worden war. Strange fand in dem Legschlauche eines von ihm erlegten Weibchens ein reifes Ei, das auf graulichem Grunde überall mit rötlichbraunen Flecken und Punkten gezeichnet war.

Ein junger Riesenkuckuck wurde in ein Bauer, das bis dahin ein Riesenfischer innegehabt hatte, gebracht und hier von Bennett beobachtet. Sofort nach seiner Ankunft öffnete der Neuling, anscheinend hungrig, den Schnabel, und siehe da, der Riesenfischer erbarmte sich der Waise. Gutmütig nahm er ein Stückchen Fleisch, bearbeitete dasselbe mit seinem Schnabel so lange, bis es ihm die nötige Weiche zu haben schien, und steckte es seinem Schützlinge sorgfältig in den Schnabel. Dieses Pflegegeschäft setzte er so lange fort, bis der junge Kuckuck fähig war, selbst zu fressen. »Als ich ihn sah«, schreibt Bennett, »saß er auf der höchsten Spitze des Käfigs, erhob sich gelegentlich, schlug mit den Flügeln und bäumte dann wieder, nach Art gewisser Falken, mit denen er überhaupt Ähnlichkeit zeigt. Wenn ihm des Morgens Futter gebracht wurde, kam er herab, kehrte aber augenblicklich wieder zu seinem erhabenen Sitzplatze zurück. Von dem, was ich gesehen habe, möchte ich schließen, daß er in der Gefangenschaft sehr zahm werden muß.«

 

Die Kuckucksvögel, die die Neue Welt bewohnen, hat man Fersenkuckucke (Coccyginae) genannt und ebenfalls in einer besonderen Unterfamilie vereinigt. Ihre Kennzeichen liegen in dem verhältnismäßig kräftigen Leibe, den mehr oder weniger kurzen Flügeln, dem oft sehr langen, aus zehn, ausnahmsweise aus zwölf Federn gebildeten Schwanze, dem ziemlich kräftigen Schnabel und den verhältnismäßig hochläufigen Füßen, die bei einzelnen so entwickelt sind, daß sie zum Leben auf dem Boden befähigen. Das Gefieder zeichnet sich durch außerordentliche Weichheit aus. Das Weibchen pflegt größer als das Männchen zu sein, ähnelt diesem jedoch in der Färbung. Auch die Jungen unterscheiden sich kaum von den Alten.

Die Fersenkuckucke sind über ganz Amerika verbreitet, besonders aber im Süden des Erdteiles zu Hause. Sie vertreten im Westen die Kuckucke des Ostens, mit denen sie in ihrem Wesen manche Ähnlichkeit haben, halten sich in den Wäldern oder Baumpflanzungen auf, sind scheu, der Einsamkeit zugetan, leben meist in den dichtesten Teilen der Gebüsche, schlüpfen hier geschickt durch das Gezweige und kommen gelegentlich wohl auch auf den Boden herab. Ihre Nahrung besteht in Kerbtieren und Früchten, vorzugsweise aber in den haarigen Raupen gewisser Schmetterlinge. Nebenbei plündern sie die Nester kleinerer Vögel, schlucken wenigstens deren Eier hinab und können hierdurch lästig werden. Dafür vernichten sie wiederum keine Bruten durch das Unterschieben ihrer Eier; denn sie brüten in der Regel selbst und legen, wie es scheint, nur ausnahmsweise, vielleicht im größten Notfalle bloß, eins ihrer Eier fremden Vögeln unter.

 

Durch Wilson, Audubon und andere Forscher ist uns eine Art der Familie, der Regenkuckuck ( Coccygus americanus), bekanntgeworden. Die Sippe der Fersenkuckucke ( Coccygus), die der Vogel vertritt, kennzeichnet sich durch kopflangen, schwachen, zusammengedrückten, leicht gebogenen, spitzen Schnabel, kurze Füße, lange Flügel, in denen die dritte Schwinge die längste ist, und langen, abgestuften, aus zehn schmalen, zugerundeten Federn bestehenden Schwanz. Das Gefieder der Oberseite, einschließlich der Flügeldeck- und beiden mittelsten Schwanzfedern, ist licht graubraun mit schwachem Erzschimmer, ein verwaschener Ohrstreifen dunkler, die ganze Unterseite, einschließlich der Halsseiten, milchweiß, zart graulich überflogen; die dritte bis siebente Schwinge sind in der Wurzelhälfte zimmetrötlich, die übrigen außen und an der Spitze braun wie der Rücken, die Schwanzfedern, mit Ausnahme der mittelsten, schwarz, weiß an der Spitze, die äußersten auch weiß an der Außenfahne. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel oben bräunlichschwarz, der Unterschnabel gelb, der Fuß blaugrau. Die Länge beträgt 33, die Breite 42, die Fittichlänge 15, die Schwanzlänge 17,5 Zentimeter. »Ein Fremder«, sagt Wilson, »der die Vereinigten Staaten besucht und im Mai und Juni durch unsere Wälder geht, vernimmt zuweilen tiefe Kehllaute, die den Silben ›kau kau‹ ungefähr ähneln, langsam beginnen, aber schneller werden und so rasch endigen, daß die Laute ineinander zu laufen scheinen. Diese Töne kann er oft hören, ohne daß er den Vogel bemerkt, von dem sie herrühren; denn derselbe ist scheu und einsam und sucht sich stets die dichtesten Gebüsche zu seinem Wohnsitze aus. Dies ist der gelbschnäbelige oder Regenkuckuck, ein Sommervogel der Vereinigten Staaten, der um die Mitte oder, weiter nach Norden hin, zu Ende des April, auch wohl erst Anfang Mai, einzutreffen pflegt und bis Mitte September im Lande verweilt, dann aber, und zwar zu großen Scharen vereinigt, nach Mittelamerika zieht, um dort zu überwintern.« Der Vogel verbreitet sich über sämtliche Vereinigte Staaten, von Kanada bis Florida, und von der Atlantischen Küste bis zu der des Stillen Meeres, kommt ebenso, und zwar zum Teil als Brutvogel, im südwestlichen Texas und auf allen Hauptinseln Westindiens vor. In den südlichen Teilen dieses Wohnkreises dürfte unser Kuckuck wohl nur Strichvogel sein; im Norden gehört er unter die regelmäßigen Zugvögel. Die Flüge, die gelegentlich des Zuges gebildet werden, verbreiten sich auf weithin, ohne eigentlichen Zusammenhang zu haben, obgleich ein Vogel der Gesellschaft dem andern folgt. Werden die Wanderscharen durch Stürme heimgesucht, so geschieht es wohl auch, daß sie auf kleineren Inseln im Antillenmeere Zuflucht suchen und dann weite Strecken buchstäblich erfüllen. Eine solche Wandergesellschaft sah Hurdis im Oktober auf den Bermudainseln. Der Schwarm, der Tausende zählte, kam nach einem starken Südwestwinde mit Regen und ließ sich zwischen den Wacholderbüschen der Südküste nieder, setzte aber schon am folgenden Tage seine Reise fort.

Der Regenkuckuck ist ein Schlüpfer, kein Läufer. Im Gezweige der Bäume bewegt er sich mit meisenartiger Gewandtheit, zum Boden kommt er selten herab, und wenn er hier wirklich einmal umherhüpft, geschieht es in einer ungemein täppischen Weise. Der Flug ist schnell und geräuschlos, wird jedoch selten weit ausgedehnt, sondern beim ersten geeigneten Baum unterbrochen, da sich der Vogel im Innern dichtwipfeliger Baumkronen am sichersten zu fühlen scheint. Wenn er seinen Weg durch die Zweige nimmt, läßt er, laut Audubon, bald die Ober-, bald die Unterseite sehen.

Die Nahrung besteht aus Kerbtieren und Früchten, namentlich Schmetterlingen, Heuschrecken, haarigen Schmetterlingsraupen und dergleichen, und im Herbste aus verschiedenen Beeren. Wohl nicht mit Unrecht steht auch er in dem Verdachte, die Nester kleinerer Vögel auszuplündern.

Das Fortpflanzungsgeschäft bietet insofern etwas Merkwürdiges dar, als der Vogel seine Kuckucksnatur doch nicht ganz verleugnet, sondern wenigstens zuweilen seine Eier in anderer Vögel Nester legt. Noch merkwürdiger ist, daß das Weibchen die Eier, die es legt, sofort bebrütet und daß demzufolge die Jungen nicht gleichzeitig ausschlüpfen. Das Nest besteht aus wenigen trockenen Zweigen und Gras, ist sehr einfach, flach, dem der gemeinen Taube ähnlich und ebenso auf wagerechten Zweigen befestigt, oft in Manneshöhe. Die vier oder fünf Eier sind länglich und von lebhaft grüner Färbung. »Als ich mich«, sagt Audubon, »im Jahre 1837 im Anfang des Juni zu Charleston befand, wurde ich von einem Herrn Rhett eingeladen, auf sein Grundstück zu kommen, um dort das Nest eines Vogels in Augenschein zu nehmen. Es stand nahezu in der Mitte eines Baumes von mäßiger Höhe und wurde von dem Sohn des genannten Herrn leicht erreicht. Einer der alten Kuckucke, der darauf saß, verließ seinen Platz erst, nachdem ihm der Kletterer mit der Hand bis auf wenige Zentimeter nahegekommen war; dann flog er lautlos einem andern Baume zu. Zwei junge Kuckucke, die fast schon imstande waren zu fliegen, verließen eiligst ihre Wiege und krochen zwischen den Ästen hinaus, wurden hier aber bald gefangen. Das Nest enthielt noch drei Kuckucke, jedoch alle von verschiedener Größe. Der kleinste von ihnen war anscheinend eben erst ausgekrochen, der nächstfolgende sicherlich auch nur ein paar Tage alt, während der größte von ihnen, der schon ziemlich befiedert war, im Verlaufe einer Woche hätte ausfliegen können. Neben diesen Jungen lagen auch noch zwei Eier im Nest, eins, das schon ein Junges enthielt, und ein anderes, das noch frisch war, also erst kürzlich gelegt sein konnte. Als wir alle die jungen Kuckucke nebeneinander betrachteten, entdeckten wir zu unserer größten Verwunderung, daß auch nicht zwei von ihnen dieselbe Größe hatten. Sie mußten zu verschiedenen Zeiten ausgeschlüpft und die größten drei volle Wochen älter sein als die übrigen. Rhett versicherte mich, dasselbe bei einem zweiten Nest beobachtet zu haben, und erzählte, daß in demselben von einem Paar während einer Brutzeit nach und nach elf junge Kuckucke ausgebrütet und großgezogen worden wären.« Audubons Entdeckung wurde später durch Brewers Beobachtungen bestätigt. »Das Weibchen«, schreibt dieser seinem Freunde, »beginnt offenbar zu brüten, sobald es das erste Ei gelegt hat. Ich habe in dem Nest ein Ei noch frisch gefunden, während in einem zweiten das Junge soeben die Schale durchbrechen wollte, und ebenso habe ich Eier ausgehoben, die zum Ausschlüpfen reif waren, während nicht bloß kleinere, sondern zum Ausfliegen fertige Junge in demselben Neste saßen.« Während das Weibchen brütet, hält sich das Männchen in seiner Nähe, hält treue Wacht und warnt die Gattin vor jedem sich nahenden Feinde. Nach dem Ausschlüpfen der Jungen vereinigen sich beide in aufopfernder Weise, um die gefräßige Brut großzuziehen.

In Amerika wird der Regenkuckuck selten verfolgt, und dies erklärt die geringe Scheu, die er an den Tag legt. Nach Audubon soll er den Edelfalken oft zur Beute werden.

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Zu den absonderlichsten aller Kuckucke gehören einige auf den Süden Nordamerikas beschränkte Mitglieder dieser Unterfamilie, die Erdkuckucke ( Geococcyx). Sie kennzeichnen außer ihrer bedeutenden Größe der mehr als kopflange, kräftige, seitlich zusammengedrückte, an der Spitze hakig gebogene Schnabel, die sehr hochläufigen, aber kurzzehigen, mit großen Nägeln bewehrten, vorn durch Platten getäfelten Füße, die ungewöhnlich kurzen, ausgehöhlten Flügel, unter deren Schwingen die fünfte, sechste und siebente, unter sich fast gleichlangen, die andern überragen, der lange, aus schmalen, stark abgestuften Federn gebildete Schwanz und das reiche, lockere, auf dem Hinterkopfe zu einer kurzen Haube verlängerte und um den Schnabelrand zu kurzen Borsten umgewandelte Gefieder.

Der Hahnkuckuck ( Geococcyx californianus), eines der größten Mitglieder der Familie, erreicht eine Länge von fünfzig bis sechzig Zentimeter, wovon auf den Schwanz einunddreißig bis fünfunddreißig Zentimeter kommen, wogegen die Flügel nur siebzehn Zentimeter lang sind. Das Gefieder ist bunt, aber düsterfarbig, der Oberkopf schwarz, jede Feder breit rostfarben gekantet, ein aus fahlweißen Federspitzen gebildeter Augenstreifen hell, aber undeutlich, der Mantel schwarz, jede seiner Federn seitlich breit rostfarben gesäumt, die Kopfseiten weißlich, ein undeutlicher Ohrstrich dunkel, der Vorderteil der Unterseite rostfarben, jede Feder schmal gesäumt, die übrige Unterseite weißlich, der Bürzel graubraun. Die Iris ist braun, der nackte Augenkreis gelb, der Schnabel wie der Fuß hellbläulich.

Der Hahnkuckuck verbreitet sich vom südlichen Kalifornien und dem mittleren Texas an bis Mexiko, ist seiner auffallenden Gestalt und seines eigenartigen Wesens halber überall wohlbekannt und führt bei den Eingeborenen wie bei den Eingewanderten verschiedene Namen. Seine kurzen Flügel gestatten ihm nur höchst beschränkten Flug, die langen Lauffüße dagegen außerordentlich schnelle Bewegung auf dem Boden. Er gehört deshalb zu den Standvögeln im vollsten Sinne des Wortes und wechselt das einmal bewohnte Gebiet bloß im höchsten Notfall mit einem andern. Mit seinesgleichen hält er wenig Gemeinschaft. Jeder einzelne lebt für sich und treibt sich möglichst still und verborgen auf seinem Wohnplatz umher. Ungestört sieht man ihn hier gemächlich auf und nieder wandeln, den langen Schwanz meist gestelzt, den Vorderteil des Körpers etwas niedergebeugt, jedoch in mancherlei Stellungen sich gefallend. Ganz anders bewegt sich derselbe Vogel, wenn er sich bedroht fühlt. Im Laufe nimmt er es fast mit dem Rennpferd auf, wird wenigstens in dieser Beziehung von keinem andern nordamerikanischen Vogel erreicht, geschweige denn übertroffen. Denn er vermag springend bis zu drei Meter über den Boden sich zu erheben und demzufolge, obgleich er zur Unterstützung des Sprunges nur einen Augenblick die Flügel breitet, wirklich gewaltige Sätze auszuführen. Er ist nebenbei aber auch imstande, fliegend dahinzueilen, obschon er der kurzen Schwingen halber selten mehr als zwei Meter hoch über dem Boden wegstreicht. Seine eigenartige Bewegungsfähigkeit verleitet die Mexikaner nicht selten zu einer Hetzjagd, die wohl weniger des zu erlangenden Fleisches halber, als in der Absicht unternommen wird, die Geschicklichkeit des Reiters gegenüber einem so ungemein behenden Vogel zu zeigen. Oberst Mac Call erzählt, daß er bei einer Gelegenheit einen Hahnkuckuck auf offener Straße bemerkt und zu seinem Vergnügen die Jagd auf ihn begonnen habe. Der Vogel befand sich ungefähr hundert Meter vor dem Pferde und begann zu flüchten, als er dieses hinter sich herrennen sah. Volle vierhundert Meter verfolgte der Genannte den Kuckuck auf dem schmalen und engen Wege, auf dem dieser mit ausgestrecktem Nacken und leicht entfalteten Flügeln springend dahineilte; aber einzuholen vermochte der Reiter ihn nicht, und als er endlich in einem Dickicht Zuflucht suchte, hatte er nicht mehr als fünfzig Meter verloren.

Allerlei Kerb- und Weichtiere, insbesondere Schnecken, bilden die gewöhnliche Nahrung des Hahnkuckucks. Die Schnecken werden in der Regel erst auf bestimmten Plätzen enthülst, und man findet daher in den von solchen Kuckucken bewohnten Waldungen vielfach die Überreste seiner Mahlzeiten. Außer besagtem Kleingetier geht unser Vogel aber auch kleinere Wirbeltiere, insbesondere Kriechtiere, an und gilt in den Augen der Mexikaner geradezu als einer der hauptsächlichsten Vertilger der ebenso gefürchteten als verhaßten Klapperschlangen, die er, wenigstens solange sie noch jung sind, ohne Schwierigkeit bewältigen soll. Dank der Gewandtheit im Springen erwischt der Kuckuck, wie man sagt, nicht selten auch fliegende Beute, steht überhaupt an Gefräßigkeit und Raublust, ebenso an Raubtüchtigkeit andern Mitgliedern seiner Familie nicht im geringsten nach. Die einzigen Laute, die man bis jetzt bei den Erdkuckucken beobachtet hat, bestehen in einem schwachen, selten ausgestoßenen Geschrei oder in einem Girren, das dem einer Taube bis zum Verwechseln ähnelt und durch Heben der Haube und Stelzen des Schwanzes begleitet wird.

Über die Fortpflanzung des Vogels fehlen eingehende Berichte. Herrmann fand ein leicht aus Zweigen zusammengebautes Nest zwischen dem Blattwerk eines Kaktus, das zwei große weiße Eier enthielt.

Die Zuneigung, die die Mexikaner dem Erdkuckuck geschenkt haben, begründet sich auch auf die Leichtigkeit, mit der er sich zu einem halben Haustier gewinnen läßt. Man hält ihn häufig in Gefangenschaft, und er gewöhnt sich binnen kurzer Zeit derartig an die veränderten Verhältnisse, daß man ihm nicht allein gestatten darf, nach Belieben im Hause umherzulaufen, sondern auch sich in Hof und Garten zu bewegen. Einmal eingewöhnt, wird er auch hier bald heimisch und erwirbt sich durch Aufzehrung von Mäusen, kleinen Schlangen und andern Kriechtieren, Kerfen aller Art und sonstigem Ungeziefer wirkliche Verdienste, eingebildete aber durch sein Fleisch, das von den Mexikanern als in vielen Krankheiten besonders heilsam angesehen wird und ihm zwar die Ehre, zum Hausgenossen erhoben zu werden, einbringt, aber auch das Los, gegebenenfalls das Leben lassen zu müssen, bereitet. An mehreren von ihnen hat man beobachtet, daß sie mit der erhaschten Beute eine Zeitlang spielen, wie die Katze mit der Maus, und sie dann mit Haut und Haaren verschlingen.

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Höchst eigentümliche Kuckucksvögel sind ebenso die Madenfresser ( Crotophagae), eine wenig zahlreiche, auf Süd- und Mittelamerika beschränkte Unterfamilie. Sie kennzeichnen sich besonders durch ihren auf der Firste zu einem scharfen Kamm erhöhten Schnabel. Das Innere des Oberschnabels ist hohl, und die Hornmasse selbst besteht aus sehr dünnwandigen Zellen, fast wie bei den Pfefferfressern und Hornvögeln. An erstere erinnern die Madenfresser auch durch das knapp anliegende Gefieder, das ihren Leib beständig mager erscheinen läßt, und so hat man sie gewissermaßen als ein Übergangsglied von andern Kuckucksvögeln zu den Tukans anzusehen.

Die Lebensweise hat etwas sehr Auffallendes; denn die Madenfresser leben durchaus nicht nach anderer Kuckucke Art, sondern eher in derselben Weise wie unsere Elstern oder Krähen, gleichen aber auch wiederum den Pfefferfressern. Man sieht sie immer in Gesellschaft, und zwar in der Nähe menschlicher Wohnungen ebensowohl wie im Innern der Steppenwaldungen; am liebsten aber treiben sie sich in der Tiefe der Täler auf feuchten Wiesenplätzen umher, und regelmäßig gesellen sie sich den Viehherden zu. Die Nähe des Menschen scheuen sie nicht, bekunden im Gegenteil zuweilen eine Dreistigkeit, die uns geradezu unbegreiflich erscheint. Ihre Fortpflanzung ist ebenso eigentümlich wie sie selbst. Die Madenfresser brüten nicht bloß in Gesellschaften, sondern in einem und demselben Nest, in dem viele Weibchen ihre Eier ablegen, das Brutgeschäft gemeinschaftlich besorgen und die Jungen großziehen. Aus den Berichten der Naturforscher geht hervor, daß die Lebensweise der verschiedenen Arten im wesentlichen dieselbe ist.

Die bekannteste und verbreitetste Art der gleichnamigen Sippe ( Crotophaga) ist der Ani der Brasilianer ( Crotophaga ani). Er kommt, trotz seines längeren Schwanzes, unserm Kuckuck kaum an Größe gleich. Die tiefschwarzen Federn schimmern auf dem Flügel und dem Schwanze in stahlblauem Scheine, die des Kopfes und Halses enden mit breiten, erzbraunen, die des Mantels und der Schultern, des Kropfes und der Brust mit breiten, schwarzblau scheinenden Säumen. Der Schnabel ist von der Wurzel an mit einem hohen, scharfen Kiele, vor der Spitze mit einer sanften Ausbuchtung versehen, an den Seiten glatt und ohne Längsfurchen, seine Färbung wie die der Beine schwarz, die des Auges graubraun.

Der Ani verbreitet sich über den größten Teil Südamerikas östlich der Kette der Anden. Sein Wohngebiet reicht vom Osten Brasiliens bis Mittelamerika, einschließlich Westindiens und der Antillen. Gelegentlich kommt er auch in den südlichen Vereinigten Staaten vor. In Brasilien findet er sich überall, wo offene Triften mit Gebüschen und Vorwaldungen abwechseln, meidet aber entschieden die großen geschlossenen Wälder; in Guayana tönt sein heiseres Geschrei dem Reisenden entgegen, sobald er die Ansiedlung verlassen hat; auf Jamaika steht man ihn auf allen Ebenen, insbesondere in den Steppen und auf den Weiden, die von Roß- und Rinderherden besucht werden, und zwar so häufig, daß Gosse behaupten kann, er sei möglicherweise der gemeinste aller Vögel der Insel. Auch auf St. Croix ist er sehr häufig und wegen seiner auffallenden Erscheinung allgemein bekannt.

Sein Betragen ist nicht unangenehm. »Der Ani«, sagt Hill, »ist einer meiner Lieblinge. Andere Vögel haben ihre Jahreszeit, aber die Madenfresser sind beständige Bewohner des Feldes und während des ganzen Jahres zu sehen. Wo immer es offenes Land und eine Weide gibt, die mit einigen Bäumen oder Sträuchern bestanden ist, da bemerkt man auch gewiß diese geselligen Vögel. Dreist und anscheinend furchtlos, verabsäumen sie nie, die Ankunft eines Menschen durch lautes Geschrei anzuzeigen. Nach einem vorübergegangenen Gewitter sind sie gewiß die ersten, die das Dickicht verlassen, um ihre Schwingen zu trocknen und hierauf im freien Felde sich wieder zu zeigen; selbst die stets sangfertige Spottdrossel tut es ihnen nicht zuvor. ›Qui jotsch qui jotsch‹ hört man von einem nicht fernen Gebüsch, und ein kleiner Flug von Madenfressern wird sichtbar, mit lang ausgestrecktem Schwanze einem Platze zugleitend, auf dem die Frische und Feuchtigkeit der Erde das Kerbtierleben geweckt hat. Die Sonne sendet ihre Strahlen schief auf die Ebene hernieder, die Seebrise verbreitet ihre Frische, und ein schnell und ängstlich wiederholtes ›Qui jotsch qui jotsch‹ wird wieder vernommen. Ein Falke stiehlt sich geräuschlos an der Buschgrenze dahin und schwebt gelegentlich über die Savanne hinaus; die Sturmglocke der schwarzen Vögel aber ist längst der gesamten Bewohnerschaft des Feldes geläutet worden; nicht ein Laut wird mehr gehört und nicht ein einziger Flügel bewegt! In den glühend heißen Tagen, wenn kein Tau mehr fällt und die ganze Pflanzenwelt verschmachtet, sieht man die Madenfresser in früher Nachmittagsstunde den Flüssen sich zuwenden und hier in kleine Gesellschaften zerteilen. Haben sie einen Ort erkundet, wo ein entwurzelter Baum in den Strom gefallen ist, so gewahrt man sie jetzt, in den verschiedensten Stellungen sitzend, den Schwanz nach oben richtend und von dem Gezweige aus trinkend oder still und in sich gekehrt, das Gefieder säubernd und sich auf dem Sande des Ufers beschäftigend. Hier verweilen sie bis gegen Sonnenuntergang, dann fliegen sie nach einigem Zaudern von dannen, nachdem einer des Haufens das Zeichen gegeben hat, daß es nun Zeit ist, die nächtliche Ruhe zu suchen.«

In ihren Bewegungen sind sie keineswegs ungeschickt. Auf dem Boden hüpfen oder springen sie gewöhnlich umher, indem sie die Füße gleichzeitig erheben; gelegentlich aber sieht man sie auch Hals über Kopf dahinrennen und dann mit einem Fuße um den andern ausschreiten. Im Gezweige der Bäume klettern sie ziemlich behend umher, und zwar ebenso kopfaufwärts wie umgekehrt. Sie fußen auf dem Ende eines Hauptzweiges, gewinnen die Mitte der Krone, indem sie rasch auf dem Zweige dahinlaufen, durchsuchen den ganzen Baum ordentlich nach Kerbtieren und verlassen ihn von der andern Seite, entweder einzeln in derselben Ordnung oder plötzlich alle zusammen unter lautem Geschrei. Der Flug ist schwerfällig, langsam und unregelmäßig; der fliegende Ani sieht dabei auch sonderbar aus, weil er den dünnen Leib mit dem langen Schwanze, dem großen Kopfe und dem gewaltigen Schnabel gerade ausstreckt und die Schwingen nur wenig bewegt und so, wie Gosse sagt, eher einem Fisch als einem Vogel ähnelt. Die Nahrung ist gemischter Art. Kriechtiere, Kerfe und Würmer bilden wahrscheinlich das Hauptfutter; zeitweilig aber halten sich die Madenfresser fast ausschließlich an Früchte. Die Forscher fanden in dem Magen der von ihnen getöteten die Reste verschiedener Kerbtiere, namentlich der Heuschrecken, Schmetterlinge, Fliegen und dergleichen, aber auch Beeren verschiedener Art und andere Früchte. Den Kühen lesen sie die Schmarotzer ab, und deshalb eben halten sie sich gern auf Weiden auf. Man sieht sie auf dem Vieh umherlaufen, ohne daß dieses Unwillen bekundet; zuweilen hängen mehrere Vögel zu gleicher Zeit auf ein und demselben Rind, gleichviel ob es liegt oder sich bewegt. Der Prinz von Wied sah sie in Gesellschaft der Schwarzvögel und des weißen Caracara auf dem Rücken des Rindviehs sitzen; Gosse beobachtete, wie sie eifrig beschäftigt waren, eine Kuh von ihren Quälgeistern zu befreien; auch andere Reisende erwähnen der Freundschaft zwischen ihnen und den Rindern, übrigens bedrohen sie nicht bloß laufende Kerbtiere, sondern jagen auch fliegenden nach.

Über die Fortpflanzung liegen ausführliche, aber nicht ganz übereinstimmende Berichte vor. Azara bemerkt, daß der Ani, nicht aber eine andere Art der Gruppe, gesellschaftlich niste; Richard Schomburgk behauptet das Gegenteil, und d' Orbigny bestätigt Schomburgks Angaben. Das Nest des Ani ist, laut Burmeister, im Waldgebiet Brasiliens überall, auch nahe bei den menschlichen Ansiedelungen, in niedrigen Gebüschen zu finden. »Die Vögel, die sich paarweise zusammenhalten, verraten seine Stelle durch ihr beständiges Ab- und Zufliegen meist sehr bald. Vielleicht infolge der häufigen Störung, der sie hier ausgesetzt sind, bauen die verschiedenen Paare kein großes gemeinschaftliches Nest; vielmehr sind ihre Baue daselbst nur von sehr mäßigem Umfang; sie enthalten in den meisten Fällen nicht mehr als fünf oder sechs Eier. Das von Azara geschilderte Zusammenleben des Vogels in Ansiedlungen mag dagegen an solchen Orten, wo er von Menschen nicht viel beunruhigt wird, zwar ebenfalls noch vorkommen; in Brasilien jedoch ist diese Erscheinung nicht bekannt; ich habe ihrer auch von keinem Brasilianer erwähnen hören, obgleich die Leute gerade solche Einzelheiten der einheimischen Tiere sehr gut zu kennen pflegen und sogleich davon erzählen, wenn man sich bei ihnen nach der Lebensweise der Geschöpfe erkundigt.« Hiermit stimmt die Angabe von Schomburgk überein. »Die Indianer«, sagt er, »behaupten, daß nur eine Art ein gemeinsames Nest baue, während die beiden andern Arten diese Eigentümlichkeit nicht teilen, indem bei ihnen jedes Pärchen sein eigenes Nest besitzt.« Dagegen teilt uns Gosse folgendes mit. »Die Tatsache, daß der Ani in Gesellschaft baut und ein ungewöhnlich großes Nest aus Zweigen gemeinschaftlich herstellt, wird von allen Ansiedlern bestätigt. Gewöhnlich soll ein hoher Baum zur Anlage gewählt werden.« Hil, dessen Angaben durchaus glaubwürdig sind, bemerkt: »Etwa ein halbes Dutzend von ihnen baut nur ein einziges Nest. Dasselbe ist groß und geräumig genug, um alle aufzunehmen und die gesamte Kinderschar zu beherbergen. Sie betreiben die Bebrütung mit größter Hingebung und verlassen es, solange sie brüten, niemals, ohne die Eier mit Blättern zu bedecken. Im Juli fand ich ein Nest dieser Vögel. Es bestand aus einer großen Masse von verflochtenen Zweigen, die mit Blättern ausgekleidet waren. In ihm lagen acht Eier, aber gleichzeitig die Schalenstücke von vielen andern und noch ein gutes Teil derselben unter dem Baum.« Auch Gundlach bezweifelt das gemeinschaftliche Brüten mehrerer Weibchen nicht; denn er sagt, daß er Nester mit sehr vielen Eiern, unter ihnen auch solche gefunden hat, in denen eine oder einige Lagen Eier mit neuem Stoff bedeckt waren, weil noch sich hinzudrängende Weibchen fort und fort Niststoffe herbeitrugen. Der Nestbau oder wenigstens die Brutzeit dauert nach den Beobachtungen desselben Forschers auf Kuba vom April bis zum Oktober. Das Nest wird an dicht verzweigte Stellen von Bäumen oder auf Bambusrohr und zwischen dicht verwobene Schlingpflanzen gestellt und besteht aus kleinen Zweigen und trockenen Pflanzen. »Meine sechs Eier des Ani«, fährt Burmeister fort, »sind etwa so groß, wie gewöhnliche Taubeneier. Sie hatten, frisch gelegt, eine völlig weiße Farbe und ein kreidiges Ansehen, wobei jedoch ein grünlicher Ton hindurchschimmerte. Hier und da waren Streifen und Striche in die Oberfläche eingerissen, durch die ein schönes Seladongrün zum Vorschein kam.« Die Jungen verlassen, laut Schomburgk, das Nest, ehe sie noch flugfähig sind, und hüpfen in Gesellschaft der Alten mit gleicher Gewandtheit von Zweig zu Zweig. Sobald sich Gefahr naht, erheben sich die Alten mit wildem Geschrei, und in raschen Sprüngen eilen die Jungen vom Gebüsch oder von den Bäumen herab, um, auf dem Boden angekommen, im Gras zu verschwinden.

Dem Menschen gegenüber benehmen sich die Madenkuckucke verschieden. Vor Reitern entfliehen sie entweder gar nicht oder doch nur bei großer Annäherung, beziehentlich wenn der Reiter anhält; Fußgängern trauen sie weniger. Da, wo sie wenig mit dem Herrn der Erde verkehren, grenzt ihre Dreistigkeit an das Unglaubliche. »Gleich mehreren Vögeln dieser Einöden«, berichtet Humboldt, »scheuen sie sich so wenig vor dem Menschen, daß Kinder sie oft mit der Hand fangen. In den Tälern von Aragua, wo sie sehr häufig sind, setzten sie sich am hellen Tag auf unsere Hängematte, während wir darin lagen.« Nur das Pfeifen können sie, wie Schomburgk versichert, nicht vertragen; wenigstens fliegen sie augenblicklich davon, sobald man einen pfeifenden Ton ausstößt. Abgesehen von einzelnen Kubanern, die ihr Fleisch, trotz seines absonderlichen Geruches, verzehren, oder einem über ihr verräterisches Geschrei entrüsteten Jäger, der sich an ihnen rächen will, jagt man die Madenkuckucke nicht. Diejenigen, die man vom Baum herabschießt, fallen nicht immer in die Gewalt des Schützen, weil die Lebenszähigkeit dieser Tiere erstaunlich groß ist.


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