Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

IX.
Spaßkoje

Tolstoi und Dostojewsky sind wenig über die Grenzpfähle der russischen Kultur hinausgekommen; sie sind Russen von ganzer Seele, Russen mit Blut und Nerven; Turgenjew aber glaubt man bei der leisesten Berührung anzufühlen, daß seine Künstlerpersönlichkeit unter der Sonne Deutschlands und Frankreichs gereift ist. Das Geschick hatte ihm die liebenswürdigsten Charaktereigenschaften, einen nach aller Schönheit greifenden Geist und einen wehmütig warmen Gefühlston geschenkt, aber es vergaß nicht, den Fluch hinzuzufügen, mit dem es den gesamten geistigen Vortrab des erwachenden Rußlands getroffen hat: den Fluch der Heimatlosigkeit. Doch Heimatlosigkeit ist nicht gleichbedeutend mit Vaterlandslosigkeit.

Auf russischem Boden spielen – mit wenigen Ausnahmen – alle seine Geschichten, und seine Gestalten sind russische Individuen. Die Heimaterde blieb ihm die Mutter, die ihn stets mit neuer Kraft versah, wenn er sie berührte. »Lache, wenn du willst,« schrieb er 1879 auf einem Sprunge nach Rußland an Flaubert, »aber der Gedanke, mich in diesen bourbier zu stürzen bis an den Hals, hat mich beruhigt und meine nervöse Überspanntheit beseitigt.« Und in einem anderen Briefe (1872) schwärmt er von seinem russischen Landsitze: »Diese Alleen eines alten Gartens auf dem Lande, ganz voll von ländlichen Düften, von Erdbeergeruch und Vogelgesang, von Sonnenstrahlen und Schatten! Alles verschlafen und ringsum zweihundert Morgen wogenden Roggens – o, das ist köstlich! Man taucht wie aus einem kräftigenden Bade daraus hervor.« Hier ward ihm jene Ruhe, jene vollkommene Ruhe, deren Reiz darin besteht, stumm und fast mechanisch die breiten, mächtigen Lebenswogen zu beobachten, die unaufhörlich in uns und um uns fluten.

Nach dem großen Brande, der 1870 Turgenjews Vaterhaus in Spaßkoje zerstört hatte, war von dem umfangreichen hufeisenförmigen Herrenhofe nur ein bescheidenes Stück wieder aufgebaut. Ein helllila gestrichener Holzbau. Die obere Etage ist unbewohnt, ihre Fensterläden sind vernagelt. Der Einrichtung fehlt der moderne Komfort, aber sie ist altmodisch bequem. Im dämmerigen, niederen Arbeitszimmer steht der Schreibtisch mit dem Rohrsessel davor und an der Wand das breite, gemütliche Ledersofa, das den Dichter so oft zur Untätigkeit verlockt. Kupferstiche von nicht hohem Wert hängen hier und dort, und aus der Ecke schaut ein altes Heiligenbild von byzantinischer Arbeit, in Silber gerahmt. Ganz geschwärzt ist es schon, daß man nur noch den großen, starren, geisterhaften Ausdruck des Gesichts wahrnimmt. Eintönig zirpt das Heimchen, als leide es unter der Langeweile; die kleine Wanduhr tickt, und hinter der Tapete nagt und kratzt eine Maus. Haus und Feld draußen sind ringsum in ewigen Schlaf versenkt. Ein bleicher Goldton überzieht den Himmel und auch die Erde mit all' ihrem Grün, und nur die langen Linien, die weiten, einförmigen Flächen geben der unbewegten Landschaft einen Zug von Großartigkeit. Hier tobt kein Kampf, bebt keine Erregung, und das Leben, das sich immer gleich bleibt, zieht den in seinen Bann, der sich ihm ergibt. – Man denkt wohl daran, wie Lawretzky aus der Fremde in sein »Adliges Nest« heimkehrt und nun an seinem alten Fenster sitzt und unbeweglich vor sich hinstarrt: Ein feines, leises Stimmchen läßt sich vernehmen, aus den Nesseln scheint der summende Ton herüberzudringen; eine Mücke nimmt die Weise auf und begleitet sie. Nun ist das erste Lied verstummt, aber die Mücke schwirrt und summt noch immer. Durch das eintönige Sumsen der Fliegen vernimmt man jetzt das Brummen einer Hummel, die fortwährend ihren dicken Kopf an die Zimmerdecke stößt … Auf der Straße kräht ein Hahn und zieht den letzten Ton mit unglaublicher Hartnäckigkeit in die Länge … Nun vernimmt man das Rasseln eines Wagens und dann das Kreischen einer Türe, die sich in den Angeln dreht …

Am Abend tritt der Dichter auf die epheuberankte Veranda hinaus mit einem Briefe Flauberts in der Tasche, den ihm der Tag gebracht hat. Die Gedanken, die zu dem fernen Freunde wandern wollen, reißt der Augenblick zurück. Da ist ein Bild, das der Pariser Grazie freilich ermangelt: Sechzig russische Bäuerinnen tanzen auf dem Rasen wie die Murmeltiere und die Bären; die roten Röcke fliegen, und sie singen mit krächzender und harter, aber richtiger Stimme. Häßlich sind sie alle, nur eine junge sechzehnjährige Frau, die eben vom Fieber gesundet ist, hat das Madonnengesicht der Dresdener Sistina.

In Daudets »Briefen aus meiner Mühle« ist eine kleine Geschichte vom Heimweh. Ein Trommler kam aus Paris auf Urlaub in sein Heimatdorf gegangen; nun, schon nach den ersten Tagen, langweilt er sich auf dem Lande und nimmt eine Trommel und schleicht in den Wald und trommelt und trommelt und träumt dabei von seiner Kaserne, – – und in dem Dichter, der ihn trommeln hört, rüttelt das Ran plan plan dieselbe Sehnsucht plötzlich auf … »Dort in den Pariser Kasernen vermißten wir die blauen Voralpen und den Geruch des wilden Lawendels; hier mitten in der Provence fehlt uns die Kaserne … Krank vor Heimweh glaube ich beim verhallenden Trommelschall mein ganzes Paris zwischen den Fichten vorüberkommen zu sehen … Ach, Paris, … Paris … immer Paris!«

So sehnte sich Turgenjew aus dem Straßenlärm der Seinestadt nach der Stille von Spaßkoje, und in Spaßkoje überkam ihn der Überdruß an der ländlichen Ruhe. Dann fühlte er sich in seinem Pathmos triste comme un bonnet de nuit. Aber eins steht fest, daß ihn nirgends größerer Schaffensdrang berauschte als daheim. An diese fruchtbaren Stunden hat er im Alter genug denken müssen. »Früher liebte ich die Arbeit,« sagte er zu einem Freunde, »wie man eine Frau liebt, Es war mir eine wahre Wonne, zu dichten und zu sinnen. Dann hatte ich auch nie ein Bedürfnis nach menschlicher Gesellschaft. Ich isolierte mich auf meinem Landgute. Dort hatte ich ein kleines Zimmer, eine Art Bauernstube; nur ein weißer Holztisch und ein Stuhl standen darin, – und da arbeitete ich monatelang.« … »Wenn du nach Spaßkoje kommst, grüß' mir mein Haus, grüß' mir den Garten und meine Lieblingseiche, grüß' mir die Heimat, die ich wahrscheinlich niemals wiedersehen werde!«

Schon der Winter des Jahres 1855 hatte Turgenjew mit dem Grafen Leo Tolstoi zusammengeführt, dessen Gut Jasnaja Poljana nicht allzuweit von Spaßkoje entfernt liegt. Der siebenundzwanzigjährige Artillerieoffizier hatte damals den Soldatenrock ausgezogen, und die Schriftstellerkreise empfingen gern den jungen Dichter, den eben seine Sewastopol-Erzählungen schnell berühmt gemacht hatten. Wie eine Hornisse fuhr der heftige Neuling in den Petersburger Literatenschwarm, und es kitzelte ihn besonders, sich an dem um zehn Jahre älteren Turgenjew zu reiben. Es war einst in Nekrassows Wohnung. Nach einer heftigen Debatte schmollte Tolstoi und warf sich im Mittelzimmer auf das Sofa. Turgenjew aber lief, die Schöße seines langen Rockes auseinanderschlagend und die Hände in die Hosentaschen vergrabend, durch alle drei Zimmer auf und nieder. Der Hausherr trat, um einer Katastrophe vorzubeugen, begütigend an Tolstoi heran: »Aber mein lieber Leo Nicolajewitsch, regen Sie sich nur nicht auf, Sie wissen ja gar nicht, wie der Turgenjew Sie schätzt und liebt!« – »Ich kann ihm trotz alledem nicht erlauben, daß er mich provociert,« schreit Tolstoi, »jetzt läuft er wieder absichtlich immer an mir vorbei und wedelt mit den Rockschößen, obgleich er weiß, daß mir das zuwider ist!«

In Spaßkoje, in Petersburg, in Paris ist Tolstoi bei Turgenjew zu Gaste gewesen, und dieser hat die Besuche in Jasnaja Poljana erwidert. Mit der Neidlosigkeit einer großen Seele verfolgte Turgenjew den wachsenden Ruhm des Landsmannes, der ihn selbst in Schatten stellte; und die volle Anerkennung, die er dessen Werken zollte, fällt um so schwerer ins Gewicht, als das gute Einvernehmen zwischen beiden sehr oft gefährdet war. Auf der einen Seite der weltmännische Turgenjew, mit dem Schliff der vollen europäischen Kultur und mit dem weichen, sensiblen Gemüt, – und auf der anderen der starre, ungelenke Tolstoi, der, verschanzt hinter seinem Russentume, den freien Standpunkt einer universalen Bildung trotz seiner genialen Größe nicht gewinnen konnte.

Turgenjew begeisterte sich wie ein Jüngling für jeden, in dem er einen Funken von Talent erkannte. So begann er nach der ersten Bekanntschaft den jungen Nachbar zu hegen und zu pflegen und ihn unwillkürlich zu erziehen. Doch dem herben Tolstoi war nichts unbequemer als ein Mentor, dessen literarisches Prestige ihm nicht einmal sonderlich imponierte. Und dann fühlte Turgenjew wieder ein Unbehagen vor den funkelnden, tiefliegenden Augen des Zeloten, den im Disput die Sucht fortriß, den Gegner unbarmherzig festzunageln, wo er eine Schwäche verriet. Es stachelte Tolstoi förmlich, die ruhige Selbstbeherrschung des anderen durch paradoxe Einwürfe aus der Balance zu bringen, wie denn seine Behauptung, daß Shakespeares »König Lear« ein Blödsinn sei, selbst einen schlafenden Löwen reizen mußte. Sobald die beiden räumlich getrennt waren, sänftigten sich gewöhnlich schnell die Gemüter. Der Verkehr zwischen ihnen war so ein fortwährendes Brückenschlagen und Brückenabbrechen.

In Spaßkoje war 1861 Tolstoi mit dem Dichter Fet und einigen anderen Herren zu Gaste. Man saß eines Tages beim Frühstück, als jemand das Gespräch auf Turgenjews natürliche Tochter brachte und Tolstoi laut und taktlos eine verletzende Bemerkung dazwischen warf. Hier verlor Turgenjew seine Selbstbeherrschung, daß er mit erregter Stimme schrie: »Schweigen Sie, oder ich werfe Ihnen meine Gabel an den Kopf!« Eine scharfe Forderung folgte, und Rußland blieb nur mit knapper Not vor dem Schmerze bewahrt, daß wieder einer seiner großen Söhne das Schicksal Puschkins und Lermontows teilte. »Die Schuld liegt an mir,« schrieb Turgenjew mit Bezug auf die Scene an Annenkow, »aber alles dies war nur das Resultat einer alten Feindschaft und einer Antipathie unserer beiden Naturen … ich habe ihn nie geliebt.« Erst 1878 fand eine völlige Aussöhnung statt. Die Initiative ergriff diesmals Tolstoi mit einem sehr freundschaftlichen Brief, auf den sofort Turgenjew im wärmsten Tone antwortete. Als er dann bald darauf nach Rußland kam, eilte Tolstoi mit raschem Impuls zu ihm, umarmte ihn mit Herzlichkeit und führte ihn mit sich nach Jasnaja Poljana. Seitdem blieb das Einvernehmen ohne Störung, und Turgenjew dankte dem freundlichen Geschick, das die Menschen älter und vernünftiger macht. Als er zum letzten Male in Rußland weilte, bestand eine rege Gastfreundschaft zwischen Jasnaja Poljana und Spaßkoje, und fast übermütig froh gingen den Freunden die Tage dahin.

In seiner gärenden Jugendzeit hatte Tolstoi, der einseitig allein die ethische Seite am Menschen gelten lassen wollte, in Turgenjew nur einen Phraseur gesehen und seine gesellschaftlichen Formen als Charakterschwäche gedeutet. Seine Erzählungen hat er später zwar gerechter gewürdigt, aber mit voller Sympathie hat er sie nie beurteilt, – abgesehen von dem »Tagebuch eines Jägers«. Im Jahre 1861 besuchte er den Einsiedler von Spaßkoje, der eben »Väter und Söhne« beendet hatte. Turgenjew legte auf Tolstois Beurteilung Gewicht und gab ihm das Manuskript. Der streckte sich auf das Sofa und begann zu lesen. Bald aber fand er den Roman unnatürlich konstruiert und im Grunde unbedeutend; er konnte der Müdigkeit nicht mehr wehren, die ihn überfiel, und schlief ein. Nach einer Weile erwachte er mit einer sonderbaren Empfindung und sah, als er die Augen aufschlug, wie gerade Turgenjews große Gestalt sich aus der Türe schob.

Keiner hat mehr getan, um Tolstoi in Frankreich bekannt zu machen, als Turgenjew, und immer wieder wärmte er in seiner Seele den Plan, die Romane des Landsmannes zusammen mit Madame Viardot ins Französische zu übertragen. In einem Briefe an Flaubert (1880) nennt er Tolstoi le premier écrivain contemporain, und nachdem er Flauberts Interesse für ihn erweckt hatte, beeilte er sich, die schwerwiegende Anerkennung des französischen Realisten an Tolstoi gelangen zu lassen.

Im Jahre 1881 weilte Tolstoi in seiner Bauernbluse auf Turgenjews Landgut. Nach seinem Abschied nahm Turgenjew wieder den Roman »Krieg und Frieden« zur Hand. Es entzückte ihn von neuem die Stelle, wo zwei Bataillone des sechsten Jägerregiments zum Angriffe vorgehen. Er las sie meisterhaft seiner Tafelrunde vor und schloß: »Ich kenne in keiner der europäischen Literaturen etwas Großartigeres als diese Schilderung. Das ist eine Schilderung! So muß man schildern!« Er ging dann im Gespräch auf »Anna Karenina« über und machte seine Ausstellungen an der Gestalt Lewins und seiner Liebe zu Kitty. »Glaubst du,« sagte er, zu einem Freunde gewandt, »daß Lewin überhaupt irgend jemand lieben könne? Nein, die Liebe ist eine jener Leidenschaften, die unser Ich vernichten, uns zwingen, gewissermaßen uns selbst und unsere Interessen zu vergessen, – Lewin aber ist durch und durch Egoist.«

Auf dem Wege seiner moralphilosophischen Ideen vermochte Tolstoi den Landsmann nicht nach sich zu ziehen. Turgenjews künstlerischer Lebensnerv bebte, wo man nach seinem Empfinden mit Keulenschlägen auf den Kulturbesitz der Menschheit losging.

Bei seinem letzten Besuche in Jasnaja Poljana saß er mit dem Gastfreunde beim Schach. Das philanthropische Thema wurde berührt, und Tolstoi äußerte sich, der Mensch müsse alles, was er besäße, den Armen geben; und wer sich dieser Pflicht entzöge, sei verächtlich wie ein Dieb. Turgenjew war geneigt, das Gespräch leichthin zum Scherzhaften zu wenden, und meinte, dann gebühre auch alles, was im Zimmer sich befände, den Armen – auch der Spieltisch. »Auch dieser!« stimmte Tolstoi ernsthaft zu.

Noch von seinem Sterbelager wandte Turgenjew die Gedanken dem fernen Freunde zu; er beschwor ihn, nicht der Literatur zu entsagen und nicht in seiner philanthropischen Tätigkeit aufzugehen.

Mit Turgenjews und Tolstois Namen verbindet man gern den Dostojewskys. Er war drei Jahre jünger als Turgenjew. Als im Jahre 1846 seine Novelle »Arme Leute« erschien, entflammte das Buch Belinsky zu stürmischer Freude. Turgenjew aber vermochte in diesem Enthusiasmus des Kritikers nur ein Zeichen abnehmender Geisteskraft zu sehen. In einem spitzen Epigramm hatte er selbst zu dem jungen Schriftsteller Stellung genommen, den der frische Lorbeer nach seiner Meinung zu frühzeitigem Dünkel trieb: »Dostojewsky, jung und aufgeblasen – Ritter von der traurigen Figur! – Wie ein Hitzbläschen entstanden – Auf dem Nacken der Literatur.« Ein freundlicher Briefwechsel bestand eine Zeitlang zwischen beiden. Durch Dostojewskys Schuld wurde er abgebrochen. Diese Kluft ward unüberbrückbar. Der Instinkt einer von der Natur tief angelegten Gegnerschaft auf allen Gebieten und in allen Anschauungen hielt sie auseinander, den liebenswürdigen, westeuropäisch geformten Grandseigneur und den starren Slawophilen, den Meister der Enterbten. Es war ein heimtückisches Attentat, als Dostojewsky in seinem galligen Roman »Die Dämonen« (1873) Turgenjew in der Figur des krankhaft eitlen, kleinlichen Schriftstellers Karmanzinow karikierte. Da verlor denn auch der Angegriffene seinen humanen Gleichmut, wenn er auf den Gegner zu sprechen kam, der ihm als Mensch und Schriftsteller durchaus antipathisch war und ihm ungeschliffen und doch überempfindlich erschien. Er nannte ihn wohl den Marquis de Sade der russischen Literatur, und als er von den Ovationen vernahm, die dem Verstorbenen gebracht waren, konnte er seinen bitteren Groll nicht zurückdrängen. »Unser Publikum,« sagte er, »ist in der Tat ganz eigentümlich; früher flocht es mir Kronen, der ich immer liberal gewesen bin, und jetzt feiert es das Andenken eines Dostojewsky, eines Reaktionärs, der immer und mit aller Macht die freien Ideen ersticken wollte, eines Anhängers von Katkow! … Man nennt ihn einen Moralisten … Der ein Moralist!«

Fürst Wolkonsky gedenkt in seinen »Bildern aus der Geschichte und Literatur Rußlands« eines persönlichen Erlebnisses, das ihn mit Turgenjew und Dostojewsky zugleich an einem Winterabend des Jahres 1879 in Petersburg zusammenführte. Da, bei einer öffentlichen Vorlesung, bezauberte Turgenjew die Hörer mit einer reizenden Erzählung aus dem »Tagebuch eines Jägers«. Und ein lodernder Jubel belohnte ihn. Als aber dann der kränkliche Dostojewsky ein Kapitel aus seinem Roman »Gebrüder Karamasow« vortrug, war das Auditorium zu einer schrankenlosen Begeisterung hingerissen, wie sie Menschen ergreift, wenn ihr ganzes Wesen mit all den Prüfungen der Vergangenheit und all den Hoffnungen der Zukunft bis auf den Grund erschüttert wird.

Vortrefflich versteht diese kleine Episode das Geheimnis der Popularität Turgenjewscher und Dostojewskyscher Erzählungskunst zu erklären.


 << zurück weiter >>