Georg Bötticher
Schnurrige Kerle und andere Humoresken
Georg Bötticher

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5. De scheenste Nacht meines Läwens.

Aufs erschte deitsche Schitzenfest anno eenensechz'g in Gotha werd sich mancher von Sie noch besinn kenn. Auf den Feste hawe ich de scheenste Nacht meines Läwens erläbt. Das lassen Se sich erzähl'n, meine Herrn!

's war an ä wunderhibschen Junitage, – an ä Montag, ich weeß es noch wie heite. Meine Frau hatte große Wäsche un war froh, daß 'ch fortmachte. – Da rickten mir, zehn Mann hoch, von Oschatz aus: ich, damals Haubtmann, Herzer Gottlieb als mei Adjetande un noch acht Mann von der Kombanieh. Das war änne fidele Fahrt, meine Herrn, ei du liebe Zeit! Schon unterwegs gab's auf jeder Schtazjohn ä Heidendehbs, wenn de Leite uns zu Gesicht kriegten. Awer ärscht wie mer in Gotha einfuhren, heeren Se, da konnte mer von däm Hurrarufen, dän Gejuwel un Vivatschreien reene taub wärn! Kaum ausschteigen ließen se een! Alle wollten se uns umärmeln un abschmatzen un besonders de Weibsbilder, die waren wie aus'n Heischen! Na, 's gab welche drunter, nich von Babbe, von denen konnte mer sich das schon gefallen lassen, aber de mehrschten waren schon iewer de erschten Kinderfreiden naus, un das waren gerade de verricktesten! Herzer-Gottlieben, dän hatten ä baar Festjungfrauen von ä verz'g, fufz'g Jährchen so in der Mache, daß'ch'n kaum loseisen konnte.

Wie mer dän Schturm glicklich iewerschtanden hatten, ging's ins Loschierbieroh, Gottlieb un ich kamen ins gleiche Quartier, zu änn Herrn von Quietschdorf. Där hatte Anno Dobak in Oschatz gelägen un wollte sich nu, weil's'n dort sehr gefallen hatte, rewangschirn.

Na, mir gaben änn Dienstmann meine Reesetasche, daß er se in de Wohnung schaffte, un dann ging's, Gewehr iewer! direktemang auf de Festwiese naus.

Na, das bißchen Skandal dort – ei du gerechter Schtrohsack! Bei jeden Schitzenzuge, der de anmarschiert kam, brillte allemal 's ganze Empfangskomiteh: »Hurra!« un »Vivat hoch!« un dann ging's an's Gibben un Briederschaftmachen, daß een der Kopp werbelte! Aus jedem Zelte, an den mer voriewerkam, schrien se: »Hierher ihr Brieder!« un de Bierdebbchen flogen nur so in der Luft rum! Von Schießen war fer heite keene Rede nich. Egal essen un trinken und trinken un essen – so ging's den ganzen Tag bis zum Dunkelwärn. Abends um zehne war ich reene fert'g un so schtockheiser, daß 'ch kaum giebsen konnte. »Du,« sagt 'ch zu Herzer-Gottlieben, »jetzt mach' mer awer, daß mer heemkomm'!« Ja, das war balde gesagt, awer nu hieß es: ärscht de Wohnung von den Herrn von Quietschdorf finden. Un das war in där Verfassung keene Kleenigkeit! Wo mer alles rumgerennt sinn, eh mer das Haus ergatterten, das weeß'ch heite noch nich, awer das weeß'ch, daß mer nach änner halben Schtunde wieder auf'n Festplatze ankamen un nu von neien auf de Suche gehen mußten un daß'ch meinen Schepfer dankte, als mer endlich vor den richt'gen Hause schtanden, ich war miede zum Umfallen!

Awer, sehnse, de Miedigkeit war doch wie wäckgeblasen, wie auf unser Klingeln nu de Hausdier mit enn Ruck aufsprang un ä Schticker sechs Bediente in himmelblauer Liwreh vor uns schtanden und egal dienerten un uns bekombelmentierten: »was den Herrn gefällig wäre, ob de Herrn vielleicht zu speisen winschten oder ob de Herrn gleich zu Bett zu gehn vorzeegen« un dergleichen feine Redensarten – kurz, als wenn Herzer-Gottlieb ä Graf un ich ä Färscht gewesen wäre. Na, mir sagten denn nu, daß mer uns am liebsten gleich in de Falle legen wirden, wodrauf denn so ä Lakai mit änn silwernen Leichter wie ä Eechhernchen vornewäck hibbte un uns heeflich ersuchte, daß m'r'n folgen mechten.

Ich hatte gerade noch Zeit, Herzer-Gottlieben, der mächt'g angerissen war, ä Gunks zu gäwen un'n zuzeflistern: »Dhu de Babbel aus'n Maule!« – denn der hatte sich doch weeß knebbchen enne frische angeschteckt – in dän Lokale! – da riß ooch schon der Kammerdiener enne Diere auf un sagte: »Das Schlafzimmer der Herrn! Ich winsche den Herrn enne wohlschlafende Nacht.«

Heernse – ich denke, der Affe beißt mich, wie ich daneinträte! Was mer so von Schlessern heert, das war Sie, weeß der Härre, der reene Kiehn d'rgegen! Von den Glanz, da kann sich keener von Sie ooch nur eine Vorschtellung machen: alles Seide un Gold un Gold un Seide, daß es nur so blitzerte und glitzerte, Spiegel von'n Fußboden bis an die Decke, zehn Ehlen hoch, un Stiehle un Tische von allen Greeßen un Fermern, 's ganze Zimmer ee Debbch, in den mer einsank wie in Flaumkuchen, ä Kronleichter wie in'n Dräs'ner Deater un auf enn Disch noch extra zwee silwerne Leichter mit sechs, heernse! sechs brennenden Lichtern, 's reene Wachs, Gott straf mich, zwee Finger dick! Awer 's allerscheenste war ä kolossales Himmelbette, ganz von feierroter Seide und von enner Greeße, daß bequem ä baar Familichen drinnen hätten iewernachten kenn – enne Bracht, sag ich Sie! So was hatt'ch in mein Leben noch nich gesehn un Herzer-Gottlieb erscht recht nich. Uns stand nur egal 's Maul offen, so bass waren m'r.

Na, 's ärschte war nu nadierlich, daß mer de Schtiebeln auszogen, denn mer mußte sich je fermlich schämen, mit dän Dräckdrambeln auf den härrlichen Debbch rumzelatschen. Hernach blies'n mer de Lichter aus bis auf zweee, denn 's kam uns doch wie änne Verschwändung vor: so viele Wachslichter bloß unsertwegen, un dann beguckten mer uns so recht gemiedlich un gonamore de scheenen Sachen, die in dän Saale rumherstanden.

Ei, verdanneboom! ich kennte schtundenlang erzähl'n, was es da alles gab: Waschbecken, wie de Badewannen groß, ä Marmorkamin von enner Greeße, daß mer enn Ochsen drinn hätte braten kenn und dadruf Vasen mit Schtreißern drei Ehlen hoch un als Haubtschtick enne goldne Schtutzuhr mit enner Landschaft auf'n Zifferblatte – ä butziges Dink! In där Landschaft, vorne an enn Deiche, saß enne Fraunsberson, die angelte, un wemmer an der drickte, da zog se enn Fisch aus'n Wasser un wenn se den Fisch rausgezogen hatte, nachher klingelte's – zum Dodtschießen! Mir hamm se wohl enne Vertelstnnde lang klingeln lassen. Awer zuletzt wurde mersch himmelangst, denn Herzer-Gottlieb hatte so viel dranrumgedrickt, daß se schließlich gar nich mehr angelte.

Na, wie mer uns nu mit'n Ansehn so ne rechte Giede gedahn hatten, hernach rickten mer uns ä jeder ä baar Schtiehle ran, zogen de Recke aus un machten uns zum Schlafen fert'g. Denn in das seidne Bette neinlegen, das gab's nadierlich nich, das schtand bei uns bombenfeste – 's wäre ja ooch enne Gemeinheit gewesen.

Herzer-Gottlieb lag schon, un ich hatte ähm 's Licht ausgeblasen, mich auf meine Schtiehle gelegt, mit mein Rocke zugedeckt un wollte ähm eindusseln, als es mit eemal unter unsern Fenstern losging: »Dschingda – dschingda – dschingdarada –« »Alle Bonnehr!« sagt'ch, »Gottlieb, das is ä Dusch, baß auf, se bringen uns was!« Un richt'g: die schbielten un schbielten da draußen ee Lied un ee Schtick nach'n andern, daß de Fenster wackelten. Jetzt besann ich mich ooch, daß mer heite nachmittag der Vorsitzende von Empfangskomiteh, wie ich'n erzählen dhat, daß ich bei Herrn Quietschdorf loschierte, mit so enn eegenmerz'gen Lächeln gesagt hatte: »So, so. Nu, heite nacht warn Se was erläwen.« Där wußte also ums Schtändchen!

Na, wie se nu vielleicht so ä Schticker zehn Schtickchen geschbielt haben mochten, sagt'ch zu Herzern: »Du, mer missen uns eegentlich ämal zeigen, wemmer ooch keene Rede halten, das schickt sich so.« Herzer wollte awer nischt davon wissen un meente meeseldräht'g, er wollte schlafen, ich kennte meinswegen zum Fenster naushubben, er rihrte sich nich von der Schtelle un wenn se mit Bellern schessen!

Na, ich schtand aber doch auf, ging ans Fenster un guckte mal sachtchen naus, konnte Se awer gar nischt weiskriegen. Die mußten sich sehr verschteckt aufgeschtellt hamm, um's recht heemlich zu machen. Ich klappte also 's Fenster wieder zu un wickelte mich wieder auf meinen Schtiehlen ein. Wie's awer ooch gar nich aufheeren wollte mit der Musik, heernse, da wär' ich Sie beinahe fast ooch ä bißchen ungemiedlich geworden. Mit'n Schlafen warsch nu schon lange vorbei un außerdem wurde mersch bei dän ewigen Gedeese mit eemal wieder so hundemiserabel schlecht zu Mute – 's fing sich bletzlich alles um mich rum an zu drehen – herrjeses, dacht'ch, 's werd d'r doch nich etwa was Menschliches in dän scheenen Loschier bassieren? »Gottlieb,« sagt'ch, denn ich fiehlte, daß mir der Angstschweiß auf de Schterne trat, »Gottlieb, ich gloobe, mir bassiert was« . . . – »Dir ooch?« sagte Herzer-Gottlieb und steehnte so eegendiemlich, »bei mir – werd's gleich – losgehen« . . .

Das heern un aufspringen war bei mir eens! »Un das kannste noch so ruhig sagen, Mensch, mer blamirn uns ja hier auf de scheißlichste Weise! Da muß Rat geschafft wärn – ei Greiz, ei Greiz! Zum Fenster naus geht's nich, da werde 's Haus leiden. Gottlieb, besinne dich, un warte noch ä bißchen, mer missen än Ausweg finden!«

Heernse, da kam m'r ä glicklicher Gedanke, den m'r der Himmel eingegeben hamm mußte: ich hatte ja meine Reesedasche! Se war zwar ganz nei, meine Frau hatte se mer vor vier Wochen zum Geburtstag geschtickt: enne wunderhibsche Katze war drauf, nach en'n Bilde von'n Katzen- Flinzer – aber das war jetzt schnubbe, die mußte herhalten. Fix de Hemden un de Kragen raus, Schtiebeln un Schtrimpe – so – nu da hatt'ch se ooch schon Herzer-Gottlieben iewer Kopp geschtilpt – un 's war de heechste Zeit, keen Oogenblick länger hätt'ch warten derfen! Un kaum, daß de Herzer-Gottlieb fert'g war, da ging's ooch mit mir los, denn so was, wissen Se, beschleinigt de Sache – – Na, de Reesedasche war jetzt vor de Katze, awer de Ehre war gerettet!

Na, mir krochen nu wieder auf unsere Schtiehle, de Musik hatte nu aufgeheert, awer mit'n Schlafen wollte's nischt mehr wärn. Kaum, daß mir ä bißchen eingenickt waren, da ging unten ä Gerumble un ä Gebumble los – das waren de Bauerwagen, die zu Marchte reingefahren kamen. Helle warsch ooch schon geworden un ä bißchen sehr kihle in Zimmer, mich schauerte 's, na, schlafen konnte mer doch nich mehr, ich schtand also auf un ging ä Schtickchen im Zimmer auf un nieder, denn ä bißchen schteif, wissen Se, war ich doch von dän Liegen auf'n Schtiehlen geworden. De Lähne, 's war so enne hohe, sehre scheene geschnitzte Lähne, hatte mich ä bißchen sehre in Greiz gedrickt un ä gewisser Kerperdeel war mer, mit Respekt zu sagen, eingeschlafen. Wie ich awer erscht ä Vertelstindchen rumgegangen war un ä baarmal so recht tief Atem geholt hatte, hernach gab sich's. Ich wusch mich nu vor allen Dingen, denn ich hatte änn Kopp wie ä Brummochse, kämmte mich, zog mein'n Rock an – alles ganz leise, um Herzern nich zu wecken, der wie ä Bär schnarchte.

Ich hatte vor, in aller Heemlichkeet mit meiner Reesedasche auszuricken, um die Geschichte erscht in Sicherheet zu bringen. Awer's Schicksal schbielt oft wunderlich! Wie ich so auf de Thier zugehe, um meine Schtiebeln reinzulangen, da kloppt's, un ä Lakai reicht ä Briefchen rein, das an mich adressiert war. Meine Frau telegrafierte mer, se wäre sehre krank geworden, ich sollte auf der Schtelle heeme komm.

Da warsch alle mit'n Vergniegen! Ich nahm meine Reesedasche in de Hand, sagte Herzern, daß'r mer meine Sachen nachschicken sollte, gab dän eenen Lakai, der mer eene Droschke holte, zwee Dahler Drinkgeld – weniger konnte mer anstandshalwer nich geben – un fuhr nach Oschatz.

So is es gekommen, meine Herren, daß ich von dän scheenen Feste eegentlich gar nischt zu sehn gekriegt habe un mich nich ämal bein Herrn von Quietschdorf habe bedanken kenn! Der eefält'ge Brofesser von der Gewerbeschule, Hickedier, der ooch mit in Gotha war, hat hernachens ausgeschbrengt: das Schtändchen, was mer gekriegt hätten, wäre gar keens gewesen, sondern nur änne Nachtbrowe von der dortgen Kabelle. Awer mer weeß ja, was mer von dän sein Gelawre zu halten hat! – Fer mich is un bleibt de Nacht in Gotha de scheenste Nacht meines Läwens.


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