Friedrich von Bodenstedt
Die Lieder des Mirza-Schaffy
Friedrich von Bodenstedt

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Zuléikha

Die Liebe ist der Dichtung Stern,
Die Liebe ist des Lebens Kern;
Und wer die Lieb' hat ausgesungen,
Der hat die Ewigkeit errungen.
Rückert.

 

1.

      Nicht mit Engeln im blauen Himmelszelt,
Nicht mit Rosen auf duftigem Blumenfeld,
Selbst mit der ewigen Sonne Licht
Vergleich' ich Zuléikha, mein Mädchen, nicht!

Denn der Engel Busen ist liebeleer,
Unter Rosen drohen die Dornen her,
Und die Sonne verhüllt des Nachts ihr Licht:
Sie alle gleichen Zuléikha nicht!

Nichts finden, so weit das Weltall reicht,
Die Blicke, was meiner Zuléikha gleicht –
Schön, dornlos, voll ewigem Liebesschein,
Kann sie mit sich selbst nur verglichen sein!

 

2.

        Sing' ich ein Lied, hüpft freudereich
Das Herz der jungen Mädchen,
Denn Perlen sind die Worte gleich,
Gereiht auf seidnen Fädchen!

Und Düfte steigen auf daraus,
Von Houris' Hauch getränkte –
Gleichwie aus jenem Blumenstrauß,
Den mir Zuléikha schenkte.

Erstaunt nicht, daß des Sängers Mund
So Herrliches vollbringe,
Und daß die Weisheit hier den Bund
Mit Jugendtollheit schlinge!

Wißt ihr, wer mir die Weisheit gab?
Sie kam vom rechten Orte,
Ich las sie ihren Augen ab
Und hüllte sie in Worte!

Was Wunder, wenn so anmutvoll
Euch meine Lieder tönen,
Ist doch, was meinem Mund entquoll,
Ein Abglanz nur der Schönen!

Sie ist dem Becher Dshemschid gleich,
Ein Quell der Offenbarung,
Der mir erschließt ein Zauberreich
Der Weisheit und Erfahrung.

Und sagt: erklingt nicht mein Gesang
Von wunderbaren Tönen?
Und ist nicht meines Liedes Gang
Leicht wie der Gang der Schönen?

 

3.

        Mein Herz schmückt sich mit dir, wie sich
Der Himmel mit der Sonne schmückt –
Du gibst ihm Glanz, und ohne dich
Bleibt es in dunkle Nacht entrückt.

Gleichwie die Welt all ihre Pracht
Verhüllt, wenn Dunkel sie umfließt,
Und nur, wenn ihr die Sonne lacht,
Zeigt, was sie Schönes in sich schließt!

 

4.

        Was ist der Wuchs der Pinie,
        Das Auge der Gazelle,
Wohl gegen deinen schlanken Wuchs
        und deines Auges Helle?
Was ist der Duft, den Schiras' Flur uns
        herhaucht mit den Winden,
Verglichen mit der Düfte Hauch, die
        deinem Muud entschwinden?
Was sind die süßen Lieder all, die
        uns Hafis gesungen,
Wohl gegen eines Wortes Ton, aus
        deinem Mund entklungen?
Was ist der Rosen Blütenkelch, dran
        Nachtigallen nippen,
Wohl gegen deinen Rosenmund und
        deine Rosenlippen,
Was ist die Sonne, was der Mond, was
        alle Himmelssterne?
Sie glühen, zittern nur für dich, lieb-
        äugeln aus der Ferne!
Was bin ich selbst, was ist mein Herz,
        was meines Liedes Töne?
Als Sklaven deiner Herrlichkeit, Lob-
        singer deiner Schöne!

 

5.
Minnewerben.

        Der Dorn ist Zeichen der Verneinung,
Des Mißgefallens und des Zornes,
Drum: widerstrebt sie der Vereinung,
Reicht sie das Zeichen mir des Dornes.

Doch wirft die Knospe einer Rose
Die Jungfrau mir als Zeichen hin,
So heißt das: Günstig stehn die Lose,
Nur harre noch mit treuem Sinn!

Doch beut den Kelch der Rose offen
Die Jungfrau mir als Zeichen dar,
So ist erfüllt mein kühnstes Hoffen,
So ist die Liebe offenbar.

In hoffendem, in treuem Sinn
Nah' ich der Liebe Heiligtume
Und werfe dieses Lied dir hin,
Dies duft'ge Lied als Frageblume.

Nimm es in Freude oder Zorn hin,
Gib Tod dem Herzen oder Nahrung,
Wirf Knospe, Rose oder Dorn hin:
Ich harre deiner Offenbarung!

 

6.

          Seh' ich deine zarten Füßchen an,
So begreif' ich nicht, du süßes Mädchen,
Wie sie so viel Schönheit tragen können!

Seh' ich deine kleinen Händchen an,
So begreif' ich nicht, du süßes Mädchen,
Wie sie solche Wunden schlagen können!

Seh' ich deine rosigen Lippen an,
So begreif' ich nicht, du süßes Mädchen,
Wie sie einen Kuß versagen können!

Seh' ich deine klugen Augen an,
So begreif' ich nicht, du süßes Mädchen,
Wie sie nach mehr Liebe fragen können,

Als ich fühle. – Sieh mich gnädig an!
Wärmer als mein Herz, du süßes Mädchen,
Wird kein Menschenherz dir schlagen können!

Hör' dies wonnevolle Liedchen an!
Schöner als mein Mund, du süßes Mädchen,
Wird kein Mund dir Liebe klagen können!

 

7.

        Hochauf fliegt mein Herz, seit es sein Glück aus deines
    Glücks Offenbarung zieht –
Und immer kehrt's wieder, wohin es der Liebe
    Süße Erfahrung zieht –
Dem Springquell ähnlich, der himmelauf in
    Toller Gebarung zieht,
Und doch immer zurückkehrt, von wo er gekommen ist
    Und seine Nahrung zieht.

 

8.

        Wenn dermaleinst des Paradieses Pforten
Den Frommen zur Belohnung offenstehn
Und buntgeschart die Menschen aller Orten
Davor in Zweifel, Angst und Hoffen stehn,

Werd' ich allein von allen Sündern dorten
Von Angst und Zweifel nicht betroffen stehn,
Da lange schon auf Erden mir die Pforten
Des Paradieses durch dich offen stehn.

 

9.

        Kind, was tust du so erschrocken,
Was hebt schüchtern sich dein Fuß!
Fass' ich tändelnd deine Locken,
Naht mein Mund sich dir zum Kuß –
    Was ich biete, was ich suche,
    Laß dich's, Mädchen, nicht betrüben:
    Denn so steht's im Schicksalsbuche
    Mir urzeitlich vorgeschrieben!

Ja, voll hohem Glauben bin ich,
Glaub' an Allah und Koran!
Glaube, daß ich dich herzinnig
Lieben muß und lieben kann!
    Andern ward ihr Los zum Fluche,
    Mir zum Segen und zum Lieben:
    Denn so steht's im Schicksalsbuche
    Mir urzeitlich vorgeschrieben!

Beut die Liebe dir Bedrängnis?
Scheuche lächelnd Angst und Pein,
Denn erfüllt muß das Verhängnis
Meines stolzen Herzens sein!
    Ob ich sinne, ob ich suche,
    Keine andre kann ich lieben:
    Denn so steht's im Schicksalsbuche
    Mir urzeitlich vorgeschrieben!

Hoffst du einst dort auf Belohnung
Nach vollbrachter Erdenbahn,
Nimm dich selbst auch hier voll Schonung
Meines armen Herzens an!
    Keines andern Minne suche,
    Füge, zwing dich, mich zu lieben!
    Denn so steht's im Schicksalsbuche
    Mir urzeitlich vorgeschrieben!

Nimm dies duft'ge Lied und lies es,
Lausche seinem Zauberton –
Es verheißt des Paradieses
Seligkeit auf Erden schon!
    Andres Glück dort oben suche,
    Doch hienieden laß uns lieben:
    Denn so steht's im Schicksalsbuche
    Uns urzeitlich vorgeschrieben!

Wie vom Hauch des Morgenwindes
Sich der Kelch der Rose regt,
Sei das Herz des lieben Kindes
Von des Liedes Hauch bewegt!
    Sie gewähre, was ich suche,
    Was mich toll zu ihr getrieben:
    Denn so steht's im Schicksalsbuche
    Ihr urzeitlich vorgeschrieben!

 

10.

      Es hat die Rose sich beklagt,
Daß gar zu schnell der Duft vergehe,
Den ihr der Lenz gegeben habe –

Da hab' ich ihr zum Trost gesagt,
Daß er durch meine Lieder wehe
Und dort ein ewiges Leben habe.

 

11.

          Wohl weiß ich einen Kranz zu winden
Aus Blumen, die ich selbst gepflückt –
Wohl auch das rechte Wort zu finden,
Ob ich betrübt bin, ob beglückt.

Solang' ich meiner Sinne Meister,
Solang' ich weiß, was mir gefällt,
Gehorchen dienstbar mir die Geister
Der Blumen- und der Feenwelt.

Doch in der heil'gen Glut des Kusses,
Im Wunderleuchten des Geschicks,
Im Augenblick des Vollgenusses,
Im Vollgenuß des Augenblicks:

Da fehlen mir zum Lied die Töne,
Gleichwie der Nachtigall der Schlag,
Weil wohl der Mensch das höchste Schöne
Genießen, doch nicht singen mag.

Wer kann die helle Sonne malen
In höchster Glut, im Mittagslicht?
Wer nur sie sehn mit ihren Strahlen
Von Angesicht zu Angesicht?

 

12.

    Die helle Sonne leuchtet
    Aufs weite Meer hernieder,
Und alle Wellen zittern
    Von ihrem Glanze wider.

Du spiegelst dich, wie die Sonne,
    Im Meere meiner Lieder!
Sie alle glühn und zittern
    Von deinem Glanze wider!

 

13.

        Ich fühle deinen Odem
    Mich überall umwehn –
Wohin die Augen schweifen,
    Wähn' ich dein Bild zu sehn!

Im Meere meiner Gedanken
    Kannst du nur untergehn,
Um, wie die Sonne, morgens
    Schön wieder aufzustehn!

 

14.

        Wenn der Frühling auf die Berge steigt
    Und im Sonnenstrahl der Schnee zerfließt,
Wenn das erste Grün am Baum sich zeigt
    Und im Gras das erste Blümlein sprießt –
        Wenn vorbei im Tal
        Nun mit einemmal
Alle Regenzeit und Winterqual,
        Schallt es von den Höhn
        Bis zum Tale weit:
        O, wie wunderschön
        Ist die Frühlingszeit!

Wenn am Gletscher heiß die Sonne leckt,
    Wenn die Quelle von den Bergen springt,
Alles rings mit jungem Grün sich deckt
    Und das Lustgetön der Wälder klingt –
        Lüfte lind und lau
        Würzt die grüne Au
Und der Himmel lacht so rein und blau,
        Schallt es von den Höhn
        Bis zum Tale weit:
        O, wie wunderschön
        Ist die Frühlingszeit!

War's nicht auch zur jungen Frühlingszeit,
    Als dein Herz sich meinem Herz erschloß?
Als von dir, du wundersüße Maid,
    Ich den ersten langen Kuß genoß!
        Durch den Hain erklang
        Heller Lustgesang,
Und die Quelle von den Bergen sprang –
        Scholl es von den Höhn
        Bis zum Tale weit:
        O, wie wunderschön
        Ist die Frühlingszeit.

 

15.

        Ich Glücklichster der Glücklichen! Derweil
Die Welt sich um sich selbst in Dummheit dreht
Und jeglicher auf seine Art dem Heil,
Das offenbar liegt, aus dem Wege geht;
Derweil der Mönch den eignen Leib kasteit
Und wähnt, daß ihn der Himmel einst entschädigt
Für die auf Erden wundgeriebnen Knie –
Derweil der Pfaff vom Jenseits prophezeit,
In frommer Wut den Leuten Dinge predigt,
Von denen er so wenig weiß wie sie:
Knie ich zu meines Mädchens Füßen nieder
Und schreibe meine wonnevollen Lieder
Aus ihren Augen ab. Es perlt der Wein
Zuneben mir im funkelnden Pokale;
Ich schlürfe ihn in vollen Zügen ein
Und denk': Es ist in diesem Erdentale
Bei Lieb' und Wein ein paradiesisch Sein!

 


 


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