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1. Kapitel.

Auf dem Wege zur Lindenwirtschaft schritt rüstig ein junges Mädchen.

»Elsbeth, Mädel!«

Die Kleine stand und sah sich um.

Keuchend stieg eine dicke Person, mit einer Kiepe beladen, den Hügel hinauf.

Das junge Mädchen blieb nur ungern stehen.

Nun war die Dicke heran. »Ach, wär' ich doch auch noch so fix!« stöhnte sie.

Die Kleine zog lächelnd die Lippen kraus, sagte aber nichts.

Keuchend ächzte die andere nebenher. »Ueber achtzig Pfund wiegt die Kiepe heut! Du hast's gut! Deine Wäsche wiegt noch keine zwanzig. Da kann man wohl schnell weiter. Aber ich alte Person!«

Wieder lächelte die Kleine; sie merkte wohl, daß die Alte sich ihrer Bürde entlasten wollte, aber sie tat, als hätte sie nichts gemerkt.

»Und wie schmuck du wieder aussiehst, wie eine Dame!«

Jetzt lachte die Kleine hell auf und antwortete: »Sie gehen mir zu langsam; ich muß pünktlich oben sein.« Schnell stieg sie ihren Pfad.

Und die Alte keuchte hinterher – sie sagte nichts, um so mehr aber dachte sie: Dir zahl' ich's schon heim! So ein Putzaff'! Hält sich für wunder was!

Wütend keuchte sie weiter.

Inzwischen war Elsbeth bereits oben in der Lindenwirtschaft angekommen; sie begrüßte mit einem frohen »guten Morgen!« den alten Gärtner, winkte dem Wirt zu und verschwand dann in den Familienräumen.

Gerade als sie durch die Tür trat, kam von der anderen Seite des Hügels ein junger Mann herauf, und als er durch das Gartentor schritt, hatte er gerade noch Zeit, das blonde Mädchen verschwinden zu sehen.

Donnerlüchting!, dachte der Fremde. Was für ein netter Balg!

Mit stiller Freundlichkeit begrüßte der alte Wirt den neuen Gast: »Wünsch' recht guten Morgen!«

Der Fremde fragte: »Kann ich ein bißchen was zu essen bekommen? Das Wandern hat mir Appetit gemacht.«

Lächelnd erwiderte der Alte: »Das will ich glauben.«

Der Fremde wählte ein Gericht von der Karte, bestellte ein Glas Bier und ließ sich nieder.

Als der Wirt mit dem frischen Trunk wiederkam, sah er das Gepäck, und freudig rief er: »Ah, der Herr ist Maler und will hier Studien machen?«

Der junge Mann meinte: »Wenn es hier etwas zu malen gibt, warum nicht?«

Nun wurde der Alte lebhaft: »Und ob es hier was zu malen gibt! Seine helle Freude wird der Herr haben!«

»Nun, dann wird es mir wohl auch gefallen – was ich bis jetzt sah, war ja auch recht lieblich.«

»Und nicht nur die Gegend allein«, schwärmte der Alte weiter, »unsere Leute hier sollen Sie mal erst in ihrer Nationaltracht sehen – das wird Sie gleich anregen – und dann unsere Mädels hier –«

Schmunzelnd strich der Maler seinen Schnurrbart.

Die Speisen wurden gebracht, und der Maler machte sich ans Essen. Plötzlich begann er wieder zu fragen: »Wer war denn übrigens der hübsche Blondkopf, der da im Haus verschwand?«

Da lächelte der Alte und sagte: »Gelt, die hat Ihnen gefallen – wie?«

»O ja, scheint recht nett zu sein.«

»Das glaube ich. Das schönste Mädel im Ort ist es!«

»Was Sie sagen! – Na, und gehört hier zu Ihnen ins Haus?«

Der Alte verneinte: »Die Elsbeth Bürger ist es, die einzige Tochter der alten Leni – drunten an der Mühle wohnt sie.«

»Also eine kleine Müllerin?«

»O nein! Die alte Leni macht die feine Wäsch' sauber, und die Elsbeth plättet sie alsdann.«

Leichthin sagte der Maler: »Also eine Plättmamsell.«

Aber schnell erwiderte der Alte: »Nicht so was Gewöhnliches. Dafür würde sich die Elsbeth schön bedanken! Sie hält sich für was Besseres.«

»So, so«, meinte lächelnd der andere.

In diesem Augenblick klangen aus dem Innern des Gasthauses helle Stimmen heraus, so daß die beiden Männer aufhorchten.

Elsbeth hatte an die Mägde die Plättwäsche abgeliefert und wurde nun noch im Gespräch festgehalten.

»Gelt, Elsbeth, diesmal kommst du doch auch zur Kirchweih, nicht wahr?« fragte die Margrit.

»Natürlich wird sie kommen«, meinte die andere Magd.

Die blonde Elsbeth aber erwiderte höflich zwar, doch bestimmt: »Es tut mir leid, aber ich kann nicht.«

Mit spöttischem Lächeln sahen sich die Mägde an.

»Vielleicht darf man fragen, weshalb du denn wieder nicht kommen kannst?« rief die Margrit.

»Weil ich keine Zeit hab' – und weil ich auch kein Vergnügen daran find'«, erwiderte die Kleine mit immer gleicher Ruhe.

Wieder lächelten die beiden anderen, und Margrit sagte obenhin: »Wir sind eben nur einfache Leut', die noch Vergnügen an so was finden.«

Da rief Elsbeth lachend: »Na also, dann freut euch doch! Ich wünsch' euch viel Vergnügen!« – Und schnell, weil sie die alte Mutter Liese eben ankommen sah, hob sie ihren Korb auf und ging.

Keuchend, mit wütendem Seitenblick auf Elsbeth, trat die Alte ein, und als sie die beiden verärgert aussehenden Mägde dastehen sah, wußte sie schon Bescheid.

»Aha«, begann sie zu stöhnen, »sie hat sich wohl wieder aufgespielt, wie?«

Die Mägde nickten und gingen mit der Alten in die Küche, wo diese ihre Kiepe entleerte und dann – zum Ergötzen der Mägde – über das »eingebildete Ding« herzog.

Inzwischen war Elsbeth mit höflichen Gruß vorbeigehuscht an Wirt und Gast, der mit leuchtenden Augen dem hübschen Mädchen nachblickte.

»Hab' ich zu viel gesagt?« fragte schmunzelnd der Alte.

Der Maler nickte nur.

»Aber wieso ist sie so stolz oder gar eingebildet?«

»So war sie schon immer, von frühester Jugend an.«

»Sehr sonderbar, daß ein Kind einfacher Leute sich so abseits hält von seinen Altersgenossen. Ist Ihnen das noch nie aufgefallen?«

»O doch! Aber in einem kleinen Ort gewöhnt man sich schnell an so was. Uebrigens waren ihre Eltern gar nicht so einfache Leute.«

»Sie sagten doch, daß die Mutter Waschfrau sei.«

»Jetzt ja, oder vielmehr seit vier Jahren, solange sie Witwe ist – die Not hat sie dazu getrieben, und nebenbei bessert sie aus und macht feinere Handarbeiten.«

»Also ging es den Leuten früher besser?«

»Nun, besser wohl auch nicht, aber solange der Vater lebte, sorgte er für den Unterhalt – aber das war auch nur so – so – er war nämlich Musiklehrer – und er trank über den Durst – so daß wohl oft Not im Hause war.«

Sinnend schwieg der Maler – sein Interesse wurde immer mehr rege.

Der Wirt aber fragte schmunzelnd: »Wie es scheint, wird der Herr nun wohl ein Weilchen bei uns bleiben, nicht wahr?«

Jetzt lächelte auch der Maler. »Schon möglich«, sagte er. »Uebrigens, was meinen Sie, wird die Kleine sich malen lassen?«

Der Alte zuckte die Schultern, zog die Augenbrauen hoch und erwiderte: »Ja, junger Herr, das glaub' ich nun wohl kaum.«

Der andere runzelte die Stirn.

Da sagte der Wirt schnell: »Aber wer weiß, vielleicht gelingt Ihnen, was noch keinem Burschen hier gelungen ist.«

Jetzt lächelte der Maler schon vertrauensvoller, stand auf, zahlte und wollte gehen.

»Haben der Herr denn schon eine Wohnung?« fragte der Wirt.

»Ja, so! Nein, noch hab' ich keine.«

»Vielleicht bleiben der Herr bei mir – gut aufgehoben sollen Sie hier schon sein.«

Der Maler überlegte einen Augenblick, dann sagte er: »Nun ja, vorerst werde ich hier bleiben.«

Man einigte sich über den Preis, und der Fremde blieb. »Hier haben Sie meine Karte«, sagte er, während er ins Haus ging.

»Fritz Fröhlich«, las der Alte und rieb sich vergnügt die Hände. – –

Inzwischen stieg Elsbeth Bürger flott und behend den Hügel hinab. Sie war heute so froh und lustig, wie sie lange nicht war. All die kleinen Spitzfindigkeiten, die sie oben von den Mägden hatte mitanhören müssen, waren schnell vergessen. Und nun freute sie sich des blauen Himmels und der lachenden Sonne.

Jubelnd stieg eine Lerche vor ihr aus, pfeilgerade schoß sie in die blaue Höhe und schmetterte ihr Loblied heraus.

Wie in Andacht versunken stand Elsbeth da, sah erst in die blaue Luft, dann aber senkte sie den Blick talwärts, wo im Rahmen der grünenden Saaten das idyllische kleine Städtchen lag.

Sinnend stand sie und sah hinab in das so liebliche Tal. Jeden Weg, jeden Baum, jeden Fleck kannte sie da – – ihre erste Jugendzeit erstand vor ihr, die herrliche, sorgenlose Zeit, wo sie dahintollte und noch nicht wußte, wieviel Kummer und Qualen ein armes Menschenherz ertragen kann – – und dort hinten, eingefaßt von hohen grünen Tannen, lag der kleine Friedhof, die Stätte, wo ihr lieber Papa unter feinem grünen Nasenhügel ruhte – – »Papi, liebster«, flüsterte sie und sah mit tränenvollen Augen hinüber. »Papi, liebster!«

Aber die Sonne lachte, und in den Zweigen, die im ersten duftigen Grün prangten, jubelten die Vögel, und es war eitel Wonne und Jauchzen weit umher – da konnte dann auch das reine, junge Menschenherz nicht lange traurig sein.

Plötzlich, wie aus der Erde gewachsen, stand ein junger Förster vor ihr.

Sie erschrak, daß sie fast aufschrie.

»Nun, hat man denn so 'n böses Gewissen?« fragte lachend der Grünrock.

»Wie unrecht, mich so zu erschrecken!« sagte sie leicht erzürnt.

Er jedoch in größter Ruhe: »Ja, ein tüchtiger Forstmann muß immer unverhofft kommen.«

»Ich bin doch kein Wilddieb«, scherzte sie nun schon ein wenig.

»Aber es könnte doch sein, daß Sie Ihr Körbchen da mit trockenem Holz füllen möchten«, neckte er weiter.

»Und das hätten Sie mir dann natürlich verboten, nicht wahr?«

»Aber das müßte ich doch tun.«

Kopfschüttelnd sah sie ihn an, jetzt war sie ernst; dann sagte sie: »Wie kann man nur den armen Leuten das bißchen dürre Holz nicht gönnen!«

Nun wurde auch er ernster: »Gönnen tu' ich's den Armen gewiß! Sogar noch viel mehr gönne ich ihnen! Meine Instruktion verbietet es mir. Sie sehen also, – ein Keil treibt den anderen.«

Sinnend nickte sie: »Ja, das Leben ist hart.« Langsam ging sie weiter.

Wie selbstverständlich folgte er und blieb an ihrer Seite. Und wieder heiter werdend, sagte er: »Das hat's immer schon in der Welt gegeben, und das wird's auch weiter geben! Deshalb meine ich, wir sprechen von etwas anderem, zumal an einem so herrlichen Frühlingstage, wo einem doch das Herz im Leibe lachen muß, wenn man in all diese Pracht hineinsieht. Na, hab' ich vielleicht nicht recht?«

Auch sie wurde ein wenig heiter. »Wissen Sie auch, daß man all diese junge Pracht viel besser genießt, wenn man gar nicht spricht?« sagte sie neckisch.

Worauf er sarkastisch erwiderte: »Nun gut, gehen wir also stumm nebeneinanderher.«

»Und am besten genießt man sie, wenn man ganz allein so dahingeht.«

»Mit anderen Worten – ›mach, daß du fortkommst!‹ – Aber nein, Fräulein Elsbeth, das ist doch nicht Ihr Ernst! Gestatten Sie mir doch die Freude! Ich unterhalte mich wirklich gern mit Ihnen.«

»Weshalb eigentlich?«

»Weil Sie so ganz anders sind, als all die anderen jungen Mädchen hier.«

Wehmütig nickte sie nur.

Er aber fragte weiter: »Woher kommt das eigentlich? Darüber habe ich schon so oft nachgedacht. Sie sind doch, wie ich gehört habe, noch nie von hier fortgewesen.«

»Mein Vater hat mir eben eine andere Erziehung gegeben«, antwortete sie still und schlicht.

Er nickte und schwieg. Und langsam gingen sie weiter.

Die Sonne stieg höher und höher, die Luft wurde immer reiner und klarer, und die Vögel jubilierten, daß es eine Lust war. Von fern drang ein Lied her, ein lustiges Lied, das ein Knecht beim Pflügen sang. Und der Windhauch wehte einen Duft von frischer Erde heran, einen würzigen, kräftigen und reinen Duft.

Plötzlich fragte er: »Fräulein Elsbeth, darf ich Sie denn zur Kirchweih abholen?«

Sie verneinte. »Sie wissen doch, daß ich solche Vergnügungen nicht liebe.«

»Aber Sie brauchen ja auch gar nicht zu tanzen.«

»Nein, nein, ich komme nicht!«

Er biß die Lippen zusammen, machte ein betrübtes Gesicht und sah sinnend vor sich nieder.

Nach einem Weilchen sagte er: »Schon der Leute wegen sollten Sie es doch tun, Fräulein Elsbeth.«

Jetzt stand sie und sah ihn an. »Der Leute wegen? Ach nein! Da kennen Sie mich schlecht, Herr Förster! Mit den Leuten will ich nichts zu tun haben! Wenigstens nicht mehr als notwendig. Ich liefere ihnen die saubere Wäsche; dafür zahlt man mir, was ich zu verlangen habe, und damit fertig.«

»Aber wenn Ihnen das Leben hier nicht behagt, weshalb bleiben Sie dann hier?«

»Weil ich muß! Weil Mutter nicht von hier fort will; na, und die alte Frau kann ich doch nicht allein lassen.«

Ein paar Minuten schwieg er, dann sagte er begütigend: »Ich glaube, Sie kennen die Menschen hier noch nicht genug.«

Mit bitterem Lachen entgegnete sie: »O nein, Herr Förster! Im Gegenteil, nur zu gut kenne ich sie! Seit vierzehn Jahren lebe ich hier, und da habe ich Gelegenheit gehabt, sie sehr genau kennenzulernen.«

»Aber denken Sie, Fräulein Elsbeth, wenn Sie sich ein bißchen mehr anpassen könnten, wieviel besser könnten Sie es da haben.«

»Ich will nicht, nein! Nein! Ich will nicht!« Mit blitzenden Augen, im ehrlichen Zorn, stand sie da, alles an ihr bebte.

Erstaunt wiederholte er: »Sie hassen sie?«

»Jawohl, ich hasse sie!«

»Aber Fräulein Elsbeth, weshalb denn?«

Schluchzend schrie sie auf: »Weil sie es waren, die meinen armen Papa haben verkommen lassen!«

Betroffen stand er da und blickte sie an.

Sie aber raffte sich auf und überwand die weiche Stimmung. Mit ruhigen Worten sagte sie: »Nun wissen Sie, weshalb ich so bin, und nun bitte ich Sie aber auch, daß wir niemals wieder davon sprechen.«

Er nickte nur, und stumm gingen sie weiter.

Als sie am Fuße des Hügels waren, kamen sie an dem kleinen Friedhof vorbei.

Da sagte der Förster: »Fräulein Elsbeth, Sie sprachen neulich mal einen Wunsch aus – ich habe mir erlaubt, ihn zu erfüllen: ich habe am Grabe Ihres Papas einen jungen Birkenbaum eingepflanzt.«

Voll freudigen Erstaunens sah sie ihn an. »Das haben Sie getan? Oh, das war lieb von Ihnen, sehr, sehr lieb!« Und schnell schritt sie durch die Friedhofspforte.

Langsam und zögernd folgte er ihr.

Ganz in der Ecke lag der grüne Hügel, unter dem der alte Mann schlummerte; am Kopfende war eine schwarze Glastafel, auf der mit Goldschrift stand: »Hier ruht in Frieden der Musiker Gottlieb Bürger. Geboren am 3. Mai 1850. Gestorben am 1. Oktober 1896.«

Hinter diesem Hügel stand nun eine schlanke, junge Birke, die ihr langes, eben ergrünendes Gezweig fast bis auf die Namenstafel herunterhängen ließ.

In stiller Freude stand Elsbeth da. Ganz versunken in den Anblick, vergaß sie alles, und plötzlich streichelte sie über den Rasen des Hügels und sagte zart: »Nun hast du auch deinen Lieblingsbaum und kannst in seinem Schatten schlummern.« Sie trat ein paar Schritte zurück, reichte dem Förster die Hand und sagte: »Sie haben mir einen großen Liebesdienst damit erwiesen, herzlichen Dank dafür!« Mit offenen, ehrlichen Augen sah sie ihn an.

Stumm verließen sie den Friedhof.

Gerade als sie aus der Pforte heraustraten, kam die alte Mutter Liese vom Hügel zurück und ging an ihnen vorbei; sie grüßte zwar, aber das galt nur dem Förster, für Elsbeth hatte sie nur einen Seitenblick.

Während sie so weitergingen, sagte sie plötzlich: »Eigentlich ist es doch recht ungezogen von mir, daß ich Ihnen Ihre Freundlichkeiten so schlecht lohne. Sie haben doch wohl sicher darauf gerechnet, daß ich mit Ihnen zur Kirchweih gehen würde, nicht wahr?«

Nur zögernd antwortete er: »Wenn auch nicht fest darauf gerechnet, so habe ich doch gehofft!«

»Aber ich kann wirklich nicht! Glauben Sie es mir«, bat sie mit weicher Stimme.

»Gewiß glaube ich es. Und ich rede ja auch gar nicht mehr«, beruhigte er sie.

»Und wenn Ihnen daran liegt, mit mir zusammen zu sein, so will ich ja gern einen Spaziergang mit Ihnen machen, vielleicht auf den Hügel, nach der ›Linde‹, oder sonst wohin, nur nicht nach dem Festplatz. Sind Sie damit einverstanden?«

Glückstrahlend nickte er: »Aber gewiß, Fräulein Elsbeth.«

»Nun, dann holen Sie mich um drei Uhr ab.«

»Mit Freuden.«

»Also Sonntag.« Sie reichte ihm die Hand.

Mit freundlichem Gruß schritt sie von ihm.

Als Elsbeth allein war, vermied sie es, durch die Stadt zu gehen, um den neugierigen Blicken zu entkommen, und wählte den Gang am Bach entlang.

Nach fünf Minuten war sie daheim.

Die Mutter deckte den Mittagstisch.

»Nun, du hast Begleitung gehabt? Ich weiß es schon, die alte Liese hat's erzählt; in einer Stunde wird es wohl die Stadt wissen.«

»Aber Mütterchen, was tut das?« Fröhlich sah Elsbeth die alte Frau an. »Laß erzählen, was sie will. Wenn der Herr Gestner mich begleitet, so ist das doch kein Unrecht.«

»Das sage ich ja auch nicht, ich weiß, daß du nichts Unrechtes tun wirst – aber die anderen!«

»Laß sie reden, Mutting, immer laß sie reden, soviel sie mögen. So, und nun wollen wir von etwas anderem sprechen, ja?«

Als sie beide bei dem einfachen Mittagsmahl saßen, erzählte die Tochter, welch große Freude ihr der Herr Förster bereitet habe.

Die alte Frau nickte und sagte: »Ja, er ist ein sehr guter Mensch, das ist wahr, aber das weiß ich schon, solange wir ihn kennen.«

Elsbeth nickte auch, schwieg aber.

Nach einem Weilchen begann die Mutter wieder: »Der müßte ein prächtiger Ehemann werden, alle guten Eigenschaften dazu hat er.«

Wiederum schwieg die Kleine, aber heimlich mußte sie lächeln, denn sie wußte schon, was nun kommen würde, sie kannte ja der Mutter schwache Seiten.

Und richtig lobte die alte Frau denn auch weiter: »Glaube nur, wenn der wollte, die reichsten Mädchen aus der Stadt könnte er kriegen.«

»Gewiß, Mutting, das glaube ich auch.«

»Aber er will nicht, er fragt gar nicht nach Geld, er will das Mädel haben, das er gern hat.«

Jetzt wurde Elsbeth rot und sah auf ihren Teller.

»Hast du denn das noch nicht gemerkt?« fragte die Alte weiter und sah ihre Tochter scharf an.

»Was denn, Mutting?«

»Daß er dich gern hat!«

»Aber Mütterchen, lassen wir doch dies Thema, bitte, bitte!«

»Nein, nein! Ich muß mal mit dir ernsthaft darüber reden. Warum willst du ihn nicht? Nun, bitte, erkläre dich mal.«

»Noch einmal, Mutting, bitte, lassen wir es!«

»Kind, ich verstehe dich absolut nicht! Du findest einen Mann, der dich liebt, der dich mit einem Schlage aus der Armut heraushebt, einen braven und einen guten Mann, wie du ihn vielleicht nie im Leben wieder finden Wirst. Weshalb willst du ihn nicht?«

»Aber ich kann nicht, Mutter, ich kann nicht!« Wie ein Seufzer kam es heraus.

»Warum denn nur nicht?«

»Weil – weil ich es nicht ertragen würde, dauernd hier zu leben! Es zieht mich hinaus in die Welt.«

»Kind, Kind, du kennst die Welt noch nicht. Wohl dem Mädchen, das schon in jungen Jahren einen treuen Mann und ein Heim gefunden hat!«

»Aber Muttchen, ich bin noch so jung! Das Leben und die ganze Welt liegt ja noch vor mir!«

Sinnend nickte die alte Frau. »Du wirst an mich denken, mein Kind, wenn ich einmal nicht mehr bin und du dann allein und verwaist dastehen wirst.«

Da umfaßte Elsbeth sie und bat: »Nein, Muttchen, davon wollen wir auch nicht reden! Du wirst mich so bald noch nicht verlassen.«


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