Vicente Blasco Ibañez
Die blutige Arena
Vicente Blasco Ibañez

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V

»Ruhe da draußen oder pack dich zum Teufel. Kann man denn nicht ungestört schlafen?«

Der Nacional hörte diese Worte durch die Tür und übermittelte sie einem Burschen, der auf der Treppe wartete. Es war ungefähr 8 Uhr. Der Banderillo trat ans Fenster und blickte dem Boten nach, der aus dem Hofe ins Freie lief. Weit draußen sah er einen Reiter, der infolge der Entfernung wie ein kleines Spielzeug aussah. Der Bursche wechselte mit dem Unbekannten einige Worte und kam dann zurück. Neugierig gemacht durch das Hin- und Hergehen, erwartete ihn der Nacional am Fuße der Treppe.

»Sie müssen mit dem Herrn sprechen,« sagte der Knecht, »ich glaube, er wird schlechte Nachrichten bekommen.«

Der Nacional kehrte noch einmal zur Tür zurück, ohne sich um den Protest seines Toreros zu kümmern. Gallardo mußte aufstehen. Für das Land war es schon spät und jener Mann konnte eine interessante Botschaft bringen.

»Ich komme schon«, rief der Stierfechter übellaunig, ohne sich vom Bette wegzurühren. Der Nacional sah wieder durchs Fenster und erblickte den Reiter, der sich dem Hofe näherte.

Der Stallbursche eilte ihm mit der Antwort entgegen und lief sofort in den Hof zurück. Der Nacional hörte ihn hastig die Treppe hinaufkommen.

»Es ist Plumitas, Señor Sebastian, er hat mit dem Herrn zu sprechen. Oh, meine Ahnung hat es mir gleich gesagt.«

Plumitas! Die Stimme des Burschen schien trotz der Ermüdung nach seinem hastigen Lauf den Raum mit diesem Namen auszufüllen. Der Banderillo blieb vor Überraschung stumm. Im Zimmer des Torero vernahm man einige Flüche, das Rascheln von Kleidern und die Bewegungen eines Körpers, der schnell das Bett verläßt. Auch Doña Sol schien die Bedeutung der allgemeinen Unruhe erfaßt zu haben, denn der Vorhang an ihrem Fenster bewegte sich.

»Zum Teufel mit ihm. Was will er denn von mir? Warum kommt er nach La Rinconada und gerade jetzt?«

Gallardo stürzte aus seinem Zimmer, nur mit Hose und Rock bekleidet. Er lief dem Banderillo voraus, und sprang mehr als er ging, die Treppe hinunter. Vor dem Hauseingang stieg gerade der Reiter vom Pferde. Ein Knecht hielt die Zügel und die übrigen Arbeiter blieben respektvoll abseits, während sie den gefürchteten Gast mit Neugier und achtungsvollen Blicken betrachteten.

Es war ein mittelgroßer Mann, eher klein, blond mit vollem Gesicht und kurzen, starken Gliedern. Er trug eine graue, mit schwarzen Fransen verzierte Bluse, dunkle, abgetragene Hose mit Tuchbelag auf der Innenseite der Beine und Ledergamaschen zum Schutz gegen Regen und Schmutz. Unter der Bluse bemerkte man, durch eine dicke Schärpe halb verdeckt, den Patronengürtel, in dem zwei Revolver und ein Messer staken. In der Rechten hielt er einen Repetierstutzen. Seinen Kopf bedeckte ein Hut, dessen Krempe durch die Unbill der Witterung jede Form verloren hatte. Ein rotes, um den Hals geschlungenes Tuch war der auffallendste Schmuck seiner Person.

Sein dickes, pausbackiges Gesicht glich dem Vollmond. Auf den Wangen, welche trotz der sonnverbrannten Gesichtsfarbe ihre ursprüngliche Weiße verrieten, sah man die Stoppeln eines blonden, schon geraume Zeit nicht rasierten Bartes, der dem Gesicht einen roten Schimmer verlieh. Die kleinen, geschlitzten, unter Fettpolstern verdeckten Augen waren das einzig beunruhigende in diesem freundlichen Pfarrergesicht. Mit ihrem stechenden Blick und ihren boshaft schimmernden blauen Pupillen gaben sie ihm die Physiognomie eines Schweines.

Er erkannte Gallardo sogleich, als sich dieser in der Türe zeigte, und hob seinen Hut über seinen runden Kopf empor: »Gott gebe euch einen guten Tag, Herr Juan!« sagte er mit der ernsten Höflichkeit des andalusischen Bauern. Gallardo erwiderte den Gruß und nun musterten sich die beiden Männer mit der Selbstverständlichkeit, als wären sie zwei Reisende, die sich unterwegs begegneten. Der Torero war vor Aufregung ganz bleich und nagte an den Lippen, um seine Bewegung zu verbergen. Wenn der Räuber etwa glaubte, ihn einschüchtern zu können ... Es vergingen einige Augenblicke des Schweigens. Alle Männer des Hofes, welche nicht auf das Feld zur Arbeit gegangen waren, betrachteten mit einem Erstaunen, welches etwas Kindliches an sich hatte, jene schreckliche Persönlichkeit, welche sie durch den furchtbaren Ruf ihres Namens in Bann hielt. »Könnten die Leute das Pferd nicht in den Stall führen, daß es sich ausruhe?« fragte der Bandit. Gallardo gab ein Zeichen und ein Bursche führte das Pferd am Zügel weg.

»Paß auf!« sagte Plumitas, »es ist mein bester Kamerad, und ich habe es lieber, als Frau und Kinder!«

Ein neuer Gast gesellte sich zu den beiden Männern, es war Potaje, der, seinen athletischen Körper dehnend und reckend, zu ihnen trat. Er rieb sich seine Augen, welche infolge des übermäßigen Alkoholgenusses immer blutunterlaufen und entzündet waren, näherte sich dem Banditen und ließ mit ungekünstelter Vertraulichkeit, als ob er sich freute, den Räuber unter seinen Pranken zu haben und ihm gleichzeitig seine rohe Sympathie ausdrücken zu können, seine gewaltige Hand auf die Schulter des Banditen fallen. »Wie geht's, Plumitas?«

Der Angesprochene duckte sich, als wollte er unter dieser rauhen und unehrerbietigen Liebkosung zurückspringen und seine Rechte hob das Gewehr. Doch seine Blicke schienen den Picador wiederzuerkennen. »Du bist Potaje, wenn ich mich nicht täusche. Ich habe dich in Sevilla gesehen. Sapperment, das waren Stürze! Du bist ein Kerl, wie aus Eisen!«

Und wie um den Gruß zu erwidern, faßte er mit seiner schwieligen Hand einen Arm des Picadors und prüfte den Bizeps mit dem Lächeln der Bewunderung. Die beiden schauten sich freundlich an. Der Picador lächelte. »Ich hielt dich für größer Plumitas, doch das macht nichts, im ganzen bist du ein tüchtiger Kerl!«

Der Räuber wandte sich an Gallardo. »Kann ich hier frühstücken?« Gallardo nahm die Miene eines großen Herrn an. »Niemand, der nach La Rinconada kommt, geht ohne Bewirtung weg!« Sie betraten die Küche. Diese war infolge ihrer Größe der gewöhnliche Versammlungsort aller Bewohner des Hofes.

Der Torero setzte sich in einem Lehnstuhl und ein Mädchen zog ihm die Schuhe an, da er in der Eile der Überraschung nur mit Pantoffeln in den Hof gelaufen war.

Der Nacional, der sich nun seinerseits bemerkbar machen wollte, erschien, beruhigt durch die gesellschaftliche Form dieses Besuches, mit einer Flasche Wein und Gläsern. – »Dich kenne ich auch,« sagte der Bandit mit der gleichen Einfachheit, »ich habe dich bei der Arbeit gesehen. Wenn du aufgelegt bist, machst du deine Sache gut, nur mußt du manchmal näher kommen!«

Potaje und der Meister lachten über diesen Rat. Als Plumitas das Glas nehmen wollte, fühlte er sich durch das Gewehr behindert, welches er zwischen den Knien hielt. »Gib es doch weg!« sagte der Picador, behältst du denn das Schießeisen auch dann, wenn du auf Besuch weilst?« – Der Räuber wurde ernst. Sein Stutzen begleitete ihn immer, sogar wenn er schlief. Und diese Anspielung auf seine Waffe, welche sozusagen ein Glied seines Körpers war, bannte seine Schwerfälligkeit, er schaute mit einer gewissen Ängstlichkeit nach allen Seiten herum. Auf seinem Gesichte zeigte sich Argwohn und die Entschlossenheit, niemandem zu trauen, sich nur auf seine eigene Kraft zu verlassen und in jedem Augenblick eine ihm drohende Gefahr zu wittern.

Ein Bursche ging durch die Küche und näherte sich der Türe. »Wohin geht er?« Bei diesen Worten drückte er sich auf seinen Sitz und zog mit seinen Knien das geladene Gewehr bis an die Brust. Der Bursche ging auf ein nahes Feld, auf dem die Arbeiter des Hofes arbeiteten, und Plumitas beruhigte sich.

»Hört Señor Juan, ich bin gekommen, um Euch zu sehen, und da ich weiß, daß Ihr ein Ehrenmann seid, der nichts verrät ... Außerdem werdet Ihr ja von Plumitas gehört haben, es ist nicht leicht, ihn zu erwischen, und der es versucht, dem geht es schlecht.«

Der Picador vermittelte, ehe noch sein Herr antworten konnte. »Plumitas, mach doch keine Geschichten, hier bist du unter Kameraden, daher sei schön brav!« – In der Tat beruhigte sich der Räuber gleich wieder und die beiden Männer vertieften sich in ein lebhaftes Gespräch über Pferde, welchen sie größere Zuneigung entgegenbrachten als Personen.

Gallardo, der noch etwas unruhig war, ging in der Küche auf und ab, während die Frauen des Hofes das Feuer schürten und den berühmten Banditen mit scheuen Blicken betrachteten.

Der Torero näherte sich bei diesem Auf- und Abgehen dem Nacional. Dieser sollte zu Dona Sol gehen und sie bitten, nicht herunterzukommen. Der Räuber würde sicher nach dem Frühstück wegreiten, warum also herunterkommen, um diese traurige Persönlichkeit zu sehen? – Der Banderillo verschwand und nun wandte sich der Räuber mit der Frage an den Hausherrn, wie viele Stiergefechte er dieses Jahr noch zu erledigen hätte. »Ich bin »Gallardist«, wie Ihr wissen müßt. Ich habe Euch öfters applaudiert als Ihr glauben werdet, so in Sevilla, Jaén, Cordoba und vielen anderen Städten.«

Gallardo wunderte sich darüber. Wie konnte er sich nur, wo ihm doch ein ganzes Heer von Verfolgern auf den Fersen war, so zu den Stiergefechten wagen? Plumitas lächelte mit dem Gefühl der Überlegenheit. »Bah, ich gehe, wohin ich will, ich bin überall zu Hause.«

Dann sprach er von den Gelegenheiten, bei denen er dem Torero begegnet war, einmal in Begleitung, dann wieder allein. Gallardo war in seinem Wagen hart an ihm vorübergefahren, ohne auf seine Person zu achten, als wäre er ein armseliger Hirte, der seinem Herrn irgend eine Botschaft brachte. »Als Ihr von Sevilla heraufkämet, um die zwei Mühlen zu kaufen, die dort unten liegen, habe ich Euch unterwegs getroffen. Ihr hattet 5000 Duros bei Euch. Nicht wahr? Dann wieder sah ich Euch auf so einem Teufelstier, das man Automobil nennt, mit einem anderen Herrn aus Sevilla, der, wie ich glaube, Euer Vertreter ist. Da Ihr damals zur Unterzeichnung eines Kontraktes führet, hattet Ihr auch eine hübsche Summe mit.«

Gallardo erinnerte sich langsam an diese Einzelheiten und wunderte sich über die Genauigkeit, mit der dieser Mann alles wußte. Und um seinen Großmut dem Torero gegenüber zu betonen, sprach der Bandit von der Geringschätzung, die ihm alle Hindernisse einflößten.

»Die Automobile? Lächerlich! Diese Tierchen fange ich damit!« – und er zeigte auf sein Gewehr. »In Cordoba hatte ich einmal mit einem reichen Herrn, der mein Feind war, eine Rechnung zu begleichen. Ich wartete mit meinem Pferde auf der einen Seite der Straße, und als mein Tierchen in einer Staub- und Dampfwolke daherkam, rief ich: Halt! Da es nicht stehen bleiben wollte, gab ich ihm eine Kugel in das Rad. Kurz, das Automobil war schon ziemlich weit weg und ich gallopierte nach, um den Herrn einzuholen und meine Rechnung zu begleichen. Ein Mann, der gut trifft, kann alles unterwegs haben.«

Gallardo hörte staunend, wie Plumitas seine Straßenabenteuer mit einer gewerbsmäßigen Natürlichkeit schilderte.

»Euch dagegen wollte ich nicht anhalten. Ihr gehört ja nicht zu den Reichen. Ihr seid ein armer Teufel so wie ich, nur mit mehr Glück in Eurem Berufe, und wenn Ihr Geld habt, so ist es ehrlich verdient. Ich schätze Euch, weil Ihr ein wackerer Torero seid und ich eine Schwäche für tüchtige Leute habe. Wir zwei sind sozusagen Kameraden, wir setzen beide unser Leben aufs Spiel, deshalb stand ich, obgleich Ihr mich nicht kanntet, dort an der Straße und sah Euch vorüberfahren, ohne nur das Geringste von Euch zu verlangen. Ich tat es, damit Euch niemand überfalle und sich etwa für Plumitas ausgebe, Dinge, die schon alle vorgekommen sind ...«

Ein unerwarteter Gast unterbrach die Erzählung des Banditen und ließ eine Bewegung des Unwillens im Gesichte des Torero hervortreten. Doña Sol war eingetreten. Zu dumm! Hatte ihr denn der Nacional nicht seinen Rat mitgeteilt? ... Der Banderillo kam hinter der Dame und machte schon von der Küchentüre her verschiedene Bewegungen, um seinem Herrn anzudeuten, daß seine Bitten und Ratschläge unnütz gewesen waren.

Doña Sol kam in ihrem Reisekleid, ihr Goldgelock war in aller Eile durchkämmt und aufgeknotet. Der Plumitas im Hofe! Was für ein Glück! Sie hatte einen Teil der Nacht mit wonnigen Schauern an ihn gedacht und sich vorgenommen, am Nachmittag die Verstecke um La Rinconada zu durchstreifen, da sie hoffte, ihr Glücksstern werde sie mit dem Banditen zusammenführen. Und wie wenn ihre Gedanken über weite Entfernungen einen Einfluß nehmen und die Personen anziehen konnten, gehorchte der Räuber ihren Wünschen und stellte sich noch in der Frühe im Hofe ein.

Der Plumitas! Dieser Name ließ in ihrer Einbildungskraft die Gestalt des Banditen, so wie sie sich ihn vorstellte, erstehen. Sie hatte es eigentlich gar nicht notwendig, ihn kennen zu lernen. Sie sah ihn vor sich, groß, schlank, mit mattbrauner Gesichtsfarbe, den Hut über seinem roten Tuch, unter welchem sich dunkles Gelocke hervorstahl, um die Hüfte eine rote Seidenschärpe, dunkelbraune Ledergamaschen an den Beinen, kurz, ein fahrender Ritter der andalusischen Steppe mit dem Aussehen der herausgeputzten Tenore, welche sie in Carmen die Uniform mit dem Schmugglerkostüm vertauschen sah, weil sie als Opfer der Liebe in die Berge geflüchtet waren.

Ihre Augen, welche die Erwartung vergrößert hatten, schauten durch die Küche, ohne ihr erträumtes Bild zu finden. Sie sah einen unbekannten Mann der aufstand, eine Art Flurwächter mit einem Karabiner, kurz, einen Mann, wie sie deren viele auf den Besitzungen ihrer Familie getroffen hatte.

»Guten Tag, Contessa, ist Ihr Onkel, der Herr Marquis gesund?« Die auf den Mann gerichteten Blicke aller Anwesenden verrieten ihr die Wahrheit. Was, dieser Mann sollte der Plumitas sein?

Er hatte, durch die Gegenwart der Dame eingeschüchtert, mit einer ungeschickten Bewegung seine Kopfbedeckung abgenommen und sprach nun weiter, während er den Hut in der einen und das Gewehr in der anderen Hand hielt.

Gallardo wunderte sich über die Worte des Banditen. Der kannte doch wirklich jeden. Er wußte, wer Doña Sol war und gab ihr als Beweis seiner Achtung alle Titel ihrer Familie.

Doña Sol, welche sich von ihrer Überraschung erholt hatte, gab ihm ein Zeichen, den Hut aufzusetzen und seinen Platz wieder einzunehmen. Er gehorchte ihrem Wunsche, ließ aber den Filz auf dem Stuhle liegen. Und als ob er eine Frage in den Augen der Doña Sol erriet, fügte er hinzu: »Ihr dürft Euch nicht wundern, Gräfin, wenn ich Euch kenne. Ich habe Euch sehr oft mit dem Marquis und anderen Herren gesehen, wenn Ihr auf die Jagd rittet. Ich habe auch aus der Ferne zugeschaut, wie Ihr die Stiere mit der Lanze anginget. Ihr seid sehr mutig und wohl das tüchtigste Weib, das ich in diesem Lande kenne. Es ist wirklich eine Freude, Euch reiten zu sehen. Die Männer müßten sich Eurer Engelsaugen wegen mit dem Messer in der Hand bekämpfen.« Der Bandit ließ sich von seiner südlichen Begeisterung fortreißen und fand neue Lobesworte zu Ehren der schönen Frau. Diese aber erbleichte und ihre Augen wurden, im angenehmen Gefühl des Gruselns, größer, während sie den Banditen schon interessant fand. Wenn er nur ihretwegen auf den Hof gekommen wäre oder sich etwa gar vorgenommen hätte, sie zu entführen, sie mit der wilden Gier eines Raubvogels in sein einsames Versteck auf die Berge zu bringen?

Der Torero wurde stutzig, als er diese Äußerungen einer rohen Bewunderung vernahm. Zum Teufel, auf seinem eigenen Hofe! Und in seiner Gegenwart! Wenn der Räuber so weiterfuhr, dann würde er seine Flinte holen, und wenn der andere auch Plumitas hieß, so würde man schon sehen, wer zuerst losdrückte!

Der Bandit schien aber schnell die üble Wirkung seiner Worte zu bemerken und er nahm eine achtungsvolle Haltung an. »Sie verzeihen, Contessa, es ist nur Geschwätz, sonst nichts. Ich habe eine Frau und vier Söhne und die Arme weint mehr über mich als die schmerzensreiche Maria über ihren Sohn.« Und als ob ihm daran gelegen wäre, sich bei Doña Sol angenehm zu machen, brach er in eine Lobrede auf ihre Familie aus. Der Marquis de Moraima war einer der Männer, welche er am meisten verehrte. Doch machte die Begeisterung, mit der er von seiner Dankbarkeit sprach, auf Doña Sol keinen Eindruck. So sah also der berühmte Plumitas aus! Es war ein armer Teufel, ein armseliger Feldhase, den alle, getäuscht durch seinen Ruf, wie einen Löwen fürchteten.

»Es gibt gar viele schlechte Reiche,« fuhr der Bandit fort, »wie die oft die Armen behandeln! In der Nähe meines Dorfes wohnt einer, der leiht Geld auf Wucherzinsen und ist schlechter als Judas. Ich ließ ihm mitteilen, seine Leute nicht so zu schinden, und der Schurke benachrichtigte, statt mir zu folgen, die Behörden, um mich fangen zu lassen. Ich zündete ihm einen Strohschober an und spielte ihm noch andere Streiche, doch es vergeht über ein halbes Jahr, ehe er sich aus dem Dorfe herauswagt, da er ein Zusammentreffen mit dem Plumitas fürchtet. Neulich wollte er eine arme Witwe hinauswerfen, weil sie den Zins für eine alte Hütte nicht bezahlen konnte. Ich stattete dem Herrn eines abends, als er sich zu Tische setzte, einen Besuch ab. »Mein Freund, ich bin Plumitas und brauche 100 Duros.« Er gab sie mir und ich eilte zur Alten. »Großmutter, da nimm und bezahle den Juden, was darüber ist, gehört dir und soll dir viel Glück bringen.« – Doña Sol betrachtete den Banditen mit größerem Interesse. – »Und Tote?« fragte sie, »wieviel habt Ihr getötet?« »Señora,« erwiderte der Bandit ernst, »sprechen wir nicht darüber, ich würde Sie erschrecken und ich bin nur ein armer Teufel, ein Unglücklicher, der sich verteidigt, wie er kann....«

Es folgte ein langes Schweigen.

»Sie wissen ja nicht, wie ich lebe«, fuhr der Räuber fort. »Den wilden Tieren geht es besser als mir. Ich schlafe wo ich kann, oder überhaupt nicht. In der Frühe hier, am Abend dort. Ich muß die Augen offen halten und eine harte Hand haben, daß die Leute mich achten und mich nicht verraten. Ich habe nur zwei Freunde, mein Pferd und mein Gewehr. Oft erfaßt mich das Verlangen, Frau und Kinder zu sehen, dann gehe ich des Nachts in mein Dorf und alle Nachbarn sind stumm und blind. Doch eines Tages wird es schlimm enden! ... Manchmal kommt es über mich, daß ich die Einsamkeit verlassen und unter Leute gehen muß. Schon lange wollte ich in La Rinconada vorsprechen. Warum soll ich nicht Herrn Juan Gallardo besuchen, da ich ihn doch so schätze? Doch sah ich Euch stets nur mit Freunden und hier im Hause hielt sich immer die Frau und die Mutter mit den Kleinen auf. Und Ihr wißt ganz gut, sie wären vor Angst gestorben, wenn sie den Plumitas gesehen hätten. Doch jetzt ist das anders, jetzt seid Ihr mit der Gräfin hier und ich habe mir gesagt: »Begrüßen wir die Herrschaften und bleiben wir ein wenig in ihrer Gesellschaft.«

Und das feine Lächeln, welches diese Worte begleitete, zeigte den Unterschied zwischen der Familie des Torero und Dona Sol, wobei er auch zu verstehen gab, daß ihm die Beziehungen der Beiden kein Geheimnis waren. In seiner einfachen Bauernseele hatte er sich die Achtung vor der Ehe bewahrt und er glaubte sich gegenüber der adeligen Freundin des Torero zu größerer Freiheit berechtigt als gegenüber den armen Frauen, welche seine Familie bildeten.

Dona Sol überhörte diese Worte und bat den Räuber, ihr zu erzählen, wie er dazu gekommen war, sein heutiges Gewerbe zu ergreifen.

»Aus Ungerechtigkeit, wie sie nur uns Arme treffen kann. Ich war einer der Gescheitesten unseres Dorfes und die Arbeiter machten mich immer zum Sprecher, wenn sie etwas von den Reichen zu fordern hatten. Ich kann lesen und schreiben, in der Jugend war ich Sakristan und als kleiner Bursche bekam ich den Spitznamen Plumitas (Federnhansel), weil ich den Hennen Federn ausriß, um mir Schreibkiele zu verschaffen. Ich heiratete dann und unser erstes Kind kam. Eines Abends erschienen zwei Gendarmen und führten mich aus dem Dorfe. Man hatte auf die Tür eines Reichen ein paar Schüsse abgegeben und jener ehrenwerte Herr behauptete, ich sei es gewesen. Ich erklärte seine Worte für Lügen und sie traktierten mich mit den Gewehrkolben. Um kurz zu sein, sie schlugen mich die ganze Nacht hindurch, bis ich besinnungslos liegen blieb. Sie hatten mir Hände und Füße gebunden, prügelten mich, als ob ich ein Sack wäre, und sagten dabei: ›Bist du nicht der Stärkste im Dorfe? Wohlan, verteidige dich, laß uns sehen, wie kräftig du bist.‹

Diesen Spott spürte ich am meisten. Meine arme Frau pflegte mich, so gut sie konnte, doch ich fand weder Ruhe noch Rast, wenn ich an die Schläge meiner Peiniger dachte. Kurz, eines Tages fand man den einen der beiden Gendarmen tot, und um weiteren Unannehmlichkeiten zu entgehen, floh ich in die Berge.«

»Mann, du hast eine gute Hand,« sagte Potaje voll Bewunderung, »und der andere?«

»Ich weiß nicht, wo er ist. Er verschwand aus dem Dorfe und ließ sich versetzen. Doch ich vergesse ihn nicht. Ich muß noch mit ihm abrechnen. Er soll am anderen Ende Spaniens sein und ich werde ihm nachfolgen, selbst wenn ich kriechen müßte. Ich lasse mein Pferd und den Karabiner bei einem guten Freund und nehme den Zug. So bin ich schon in Barcelona, Valladolid und sieben anderen Städten gewesen. Ich setze mich vor die Polizeistube und sehe, wie die Leute ein- und ausgehen. Man erteilt mir oft falsche Auskünfte, doch das macht nichts. Ich suche ihn schon seit Jahren und werde ihn finden, vorausgesetzt, daß er nicht tot ist, was aber eine Ungerechtigkeit wäre.«

Dona Sol folgte dem Berichte voll Spannung. Ein ganz eigener Kerl, dieser Plumitas. Sie hatte sich getäuscht, ihn für einen Feldhasen zu halten.

Der Räuber schwieg und runzelte die Augenbrauen, als fürchtete er, zu viel gesagt zu haben, und wie um neue Fragen abzuwehren.

»Mit Eurer Erlaubnis«, sagte er zum Torero »will ich in den Stall gehen, um nachzusehen, was sie meinem Pferde geben. Kommst du mit, Kamerad?«

Potaje nahm die Einladung an und verließ die Küche.

Als die beiden allein waren, zeigte der Torero seine üble Laune. Warum war sie heruntergekommen? Es war eine Unvorsichtigkeit, sich einem solchen Manne zu zeigen, einem Räuber, dessen Name der Schrecken aller Leute war. Doch Donna Sol, welche über den Erfolg ihres Kommens sehr befriedigt war, lachte über die Furcht des Toreros. Ihr erschien der Bandit als ein guter Kerl, ein Unglücklicher, dessen Taten durch die Phantasie des Volkes vergrößert wurden. Er war doch sozusagen ein Diener ihrer Familie.

»Ich stellte ihn mir ganz anders vor. Doch freue ich mich, ihn gesehen zu haben. Wir werden ihm ein Almosen geben, wann er geht. Wie ist dieses Land so eigen. Welche Gestalten zeigt es! Und wie interessant ist seine Jagd durch ganz Spanien nach einem Polizisten ... Schon mit diesem Stoff könnte man ein spannendes Feuilleton schreiben.«

Die Frauen zogen zwei Bratpfannen, welche einen angenehmen Geruch nach gebratenen Würsten verbreiteten, aus dem Ofen. »Zum Frühstück, Leute!« rief der National, welcher sich im Hause des Toreros die Würde des Majordomus angemaßt hatte.

In der Mitte der Küche stand ein großer Tisch, der mit runden Broten und zahlreichen Weinflaschen bedeckt war. Auf den Ruf des National kamen Plumitas, Potaje und andere zahlreiche Bedienstete des Hauses herbei. Sie setzten sich alle auf die zwei Bänke, welche an der Längsseite des Tisches standen, während Gallardo unentschlossen Donna Sol betrachtete, ob sie nicht lieber in ihrem Zimmer essen wolle. Doch sie lächelte über sein Zögern und setzte sich oben an den Tisch. Mit der Gebärde des Hausherrn lud sie den Torero ein, Platz zu nehmen, und ihre Nasenflügel sogen mit Behagen den verlockenden Bratenduft der dampfenden Würste ein. Es war ein reichliches Essen und sie hatte Hunger.

»So ist es gut,« sagte Plumitas mit Nachdruck, als er den Tisch betrachtete, »Herr und Diener essen zusammen, wie es früher der Brauch war. Ich sehe dies seit langem wieder zum ersten Mal.« Und er setzte sich zum Torero, ohne den Karabiner wegzulegen, den er zwischen den Knien hielt. »Setz dich hierher«, sagte er zum Potaje und gab ihm dabei einen Stoß.

Der Picador, der ihn mit rauher Kameradschaftlichkeit behandelte, erwiderte die Einladung mit einem ähnlichen Puff und die beiden Männer lachten, als sie sich so balgten, während die anderen Tischgenossen diesen Späßen belustigt zusahen.

»Zum Kuckuck,« sagte der Potaje, »leg' doch deinen Schießprügel weg. Du stoßt ihn mir ja in den Bauch und es könnte dabei ein Unglück passieren.« Der Karabiner des Banditen neigte seine schwarze Mündung bedrohlich gegen den Picador.

»Leg' ihn doch weg,« wiederholte der Bedrohte, »brauchst du ihn denn auch beim Essen?«

»Er ist da recht gut aufgehoben, habe nur keine Angst«, erklärte kurz und mürrisch der Räuber, als wollte er an seinen Vorsichtsmaßregeln keine Kritik üben lassen. Er nahm den Löffel in die Hand, erfaßte ein großes Stück Brot und sah auf die anderen, um sich zu überzeugen, ob der Augenblick gekommen wäre, das Mahl zu beginnen. »Guten Appetit, ihr Herren!«, und er griff nach der gewaltigen Schüssel, die man für ihn und die beiden Stierfechter hingestellt hatte. Ein gleich großer Napf dampfte am anderen Ende des Tisches für die Leute des Hauses.

Seine Gefräßigkeit schien ihn aber gleich zu gereuen und nach einigen Löffeln hielt er inne und glaubte eine Erklärung geben zu müssen.

»Seit gestern habe ich nur ein Stück Brot und etwas Milch zu mir genommen; guten Appetit!« Und er warf sich wieder auf das Essen, während er mit einem Augenzwinkern und fortwährendem Kauen die Spötteleien des Potaje über seinen Heißhunger einsteckte.

Der Picador wollte ihn zum Trinken ermuntern. Eingeschüchtert durch die Gegenwart seines Herrn, betrachtete Potaje begehrlichen Blickes die Weinflasche, welche in Reichweite vor ihm stand.

»Trinke, Plumitas, ein trockener Bissen ist ungesund. Man muss ihn anfeuchten.« Und ehe der Bandit seiner Einladung gefolgt war, trank der Picador schon in hastigen Zügen. Doch Plumitas berührte kaum das Glas. Er fürchtete den Wein, da er ihn nicht mehr gewohnt war und der Alkohol den ärgsten Feind für einen Mann bedeutete, der wie er immer munter und seiner Sinne mächtig bleiben mußte.

»Hier bist du unter Freunden,« erklärte der Picador, »hier tut dir keiner etwas. Und wenn zufällig die Gendarmen kommen sollten, dann trete ich an deine Seite, nehme meine Lanze und wir lassen keinen dieser Tagediebe am Leben. Ich möchte gerne in die Berge gehn, das hat mich immer gereizt.«

Trotz seiner Zurückhaltung im Trinken hatte der Bandit schon ein rotes Gesicht und aus seinen Augen glänzte die Fröhlichkeit. Er hatte sich der Küchentüre gegenüber gesetzt, so daß er den Hof und einen großen Teil der einsamen Straße überblicken konnte. Von Zeit zu Zeit ging draußen eine Kuh, ein junger Stier, eine Ziege vorbei und der Schatten ihrer Körper genügte, daß sich der Plumitas sofort aufrichtete und schnell den Löffel mit dem Gewehre vertauschte. Er plauderte mit seinen Tischgenossen, ohne aber in seiner Aufmerksamkeit bei der Beobachtung der Umgebung nachzulassen. Nach dem Essen nahm er von Potaje noch ein Glas, das letzte wie er sagte, und blieb dann, das Kinn auf die Hand gestützt, träumend unter der Wirkung des Weines und des genossenen Mahles sitzen.

Gallardo bot ihm eine Havanna an.

»Danke, Herr Juan, ich rauche nicht, doch werde ich sie für einen Kameraden aufheben, der das Rauchen lieber hat als das Essen. Es ist ein Bursche, der Pech hatte und mir hilft, wenn ich viel zu tun habe.«

Er steckte die Zigarre unter seine Bluse und die Erinnerung an seinen Gefährten, der in diesem Augenblicke sicher weit weg war, ließ ihn mit wilder Freude lächeln. Der Wein hatte den Plumitas angeregt, sein Gesicht war ein anderes geworden. Die Augen schimmerten in einem metallischen, beunruhigenden Glanze, das feiste Gesicht zog sich zu einem Grinsen zusammen, welches den gewöhnlichen Ausdruck der Güte zurückzudrängen schien. Er zeigte den Wunsch zu sprechen, sich seiner Taten zu rühmen und die Gastfreundschaft dadurch zu belohnen, dass er seine Wohltäter durch seine Erzählungen unterhielt.

»Sie werden schon davon gehört haben, was ich vergangenen Monat auf der Straße von Fregenal aufführte? Wirklich, Sie wissen nichts davon? ... Ich legte mich mit einem Gefährten in einen Hinterhalt, um die Postkutsche zu erwarten und einem Reichen eine Lehre zu geben, an die er sieh zeitlebens erinnern sollte. Ich hatte von ihm 100 Duros für einen Armen verlangt und er schrieb sogleich an den Statthalter von Sevilla, brachte die ganze Gegend bis nach Madrid in Bewegung, so dass man mich mehr denn je hetzte. Außerdem verlangte er, dass man meine Frau einsperrte, als ob sie wüßte, wo ich zu fangen wäre ... Der Judas traute sich vor Angst nicht aus seiner Stadt heraus. Doch inzwischen verschwand ich und ging auf Reisen, eine der Reisen, von denen ich vorher erzählte. Unser Mann gewann Vertrauen und ging eines Tages in Geschäften nach Sevilla, wo er außerdem noch die Behörden gegen mich aufhetzen wollte. Ich wartete auf die Postkutsche und sie kam. Mein Gefährte hielt den Kutscher an und ich steckte den Kopf und den Gewehrlauf durch die Tür. Da kreischten Frauen, Kinder weinten und Männer wurden vor Angst stumm. Ich erklärte den Anwesenden: Mit Ihnen habe ich nichts zu tun, beruhigen Sie sich, meine Damen, guten Tag meine Herren und glückliche Reise. Nur der Fettwanst dort möge sich herausbemühen.« Und unser Mann, der sich beinahe unter den Kitteln der Weiber verkroch, mußte aussteigen. Er war weiß, als hätte er einen Aderlaß gehabt, und torkelte wie ein Betrunkener. Die Kutsche entfernte sich und wir blieben allein mitten auf der Straße. »Höre, ich bin Plumitas und will dir einen Denkzettel hinterlassen.« Ich gab ihm einen, aber so, daß er noch 24 Stunden lebte und den Gendarmen sagen konnte, daß es der Plumitas war, der ihn getötet hatte. So gab es keinen Irrtum und andere konnten sich der Tat nicht rühmen.«

Dona Sol hörte bleichen Gesichtes und mit vor Schreck geöffneten Lippen zu, während ihre Augen in einem seltsamen Feuer erglänzten. Gallardos Gesicht dagegen wurde düster, da ihn diese blutige Erzählung anwiderte.

»Jeder versteht sein Handwerk, Señor Juan«, sagte der Räuber, als erriete er die Gedanken des Torero. »Wir zwei leben vom Töten. Ihr tötet Stiere und ich Menschen. Nur seid Ihr reich, Ihr findet Ruhm und schöne Frauen, ich dagegen bin nicht selten toll vor Hunger und werde, wenn ich mich nicht vorsehe, eines Tages mit durchlöchertem Körper auf einem Felde liegen, wo mich die Raben fressen. Mir bringt das Gewerbe nichts ein, Señor Juan. Ihr wißt, wohin Ihr den Stier zu treffen habt, daß er zu Boden kommt. Auch ich weiß, wohin ich zu zielen habe, daß einer gleich weg ist oder noch einige Wochen voll Raserei an den Plumitas denkt, der jedermann ungeschoren lassen will, während er sich derer zu entledigen weiß, die ihm gegenübertreten.«

Doña Sol fühlte wieder die Neugier, die Zahl seiner Mordtaten zu wissen.

»Wieviel Leute habt Ihr schon getötet?«

»Sie werden noch Ihre Sympathie für mich verlieren, Gräfin, doch da Sie darauf bestehen, glaube ich, daß es wohl so 30 bis 35 sein dürften. Ich weiß es nicht genau. Wer denkt bei diesem Leben auch daran, Buch zu führen. .. Doch ich bin ein Unglücklicher, ein Ausgestoßener. Die Schuld fällt auf jene zurück, welche mich schlecht machten. Mit dem Töten verhält es sich so wie mit den Kirschen. An einer zieht man, ein Dutzend anderer geht mit. Man muß töten, um leben zu können, denn wenn einer Mitleid hat, so fressen die andern ihn auf.«

Ein langes Schweigen folgte diesen Worten. Doña Sol betrachtete die kurzen, dicken Hände des Banditen. Doch Plumitas kümmerte sich nicht viel um die Gräfin. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf den Torero gerichtet, dem er seine Dankbarkeit für die geleistete Gastfreundschaft beweisen wollte. Er suchte den schlechten Eindruck seiner Worte zu verwischen.

»Ich achte Euch, Señor Juan«, fuhr er fort. »Seitdem ich Euch das erstemal sah, sagte ich mir: Das ist ein tüchtiger Bursche. Ihr habt viel Bewunderer, auch ich gehöre dazu! Bedenket nur, um Euch zu sehen, bin ich oft in die Stadt gekommen, ohne der Gefahr, erwischt zu werden, zu achten. Ist das keine Anhänglichkeit?

Und Gallardo lächelte unter zustimmendem Kopfnicken, denn er war bei seiner künstlerischen Eitelkeit gepackt worden.

»Außerdem kann niemand sagen,« fuhr der Räuber fort, »daß ich nach La Rinconada gekommen bin, um ein Stück Brot zu erbetteln. Oft habe ich Hunger gehabt oder ich hätte mir 5 Duros von hier holen können und dennoch bin ich erst heute in den Hof gekommen. ›Señor Juan ist heilig für mich‹, sagte ich mir immer, ›er verdient so wie ich unter Lebensgefahr sein Geld, wir müssen Kameradschaft halten‹. Und Ihr werdet nicht leugnen, Señor Juan, daß wir beide, obwohl Ihr eine Persönlichkeit seid und ich nur ein Ausgestoßener bin, auf gleicher Stufe stehen, da wir beide davon leben, mit dem Tode zu spielen. Jetzt sind wir alle zwei ruhig beim Essen, doch eines Tages, wenn Gott die Hand von uns abzieht und unser müde wird, werden sie mich wie einen tollen Hund am Wege erschlagen und Euch wird man aus einer Arena tragen. Und wenn auch die Zeitungen vier Wochen über Euren Tod schreiben, so weiß ich nicht, ob Ihr Euch in der anderen Welt so besonders darüber freuen werdet.«

»So ist es, ja so ist es«, sagte der Torero, der bei diesen Worten des Banditen bleich geworden war. In seinem Gesichte drückte sich der abergläubische Schrecken aus, der ihn beim Herannahen der Gefahr ergriff. Sein Geschick schien das gleiche zu sein wie das Los des schrecklichen Räubers, der eines Tages unausweichlich in seinem ungleichen Kampfe unterliegen mußte.

»Doch glaubt Ihr,« fuhr Plumitas fort »daß ich an den Tod denke? Ich bereue nichts und gehe meines Weges. Auch ich habe meine Eigenheiten und meinen Stolz, wie Ihr, Herr Juan. Stellt Euch vor, daß ganz Spanien von dem Plumitas spricht, daß alle Zeitungen die größten Lügen über mich verbreiten, daß man mich nach ihren Berichten bis in die Theater verfolgt und sogar die Abgeordneten sich alle Wochen mit mir befassen. Und erst die Genugtuung, ein ganzes Heer, das ich, ein einzelner Mann, zum besten halte, meinen Spuren nachlaufen zu sehen. Unlängst kam ich in ein Dorf und hielt vor einigen Blinden an, welche sangen und Gitarre spielten. Die Leute starrten offenen Mundes auf ein Bild, auf dem ein strammer, prächtig angezogener Bursche, den Stutzen über dem Rücken, mit einem hübschen Mädchen auf flüchtig dahineilendem Rosse zu sehen war. Ich erfuhr auf meine Frage, daß es ein Bild des Plumitas sei. Das freut einen, wenn man auch ganz heruntergekommen ist. Es ist immer gut, wenn sich die Leute ein anderes Bild von uns machen. Ich kaufte das Bild und den Text, den sie sangen und da habt ihr beides. Ein Loblied auf Plumitas, mit viel Lügen, aber alles in Verse gebracht und eine ganz famose Sache. Wenn ich mich im Gebirge versteckt halte, lese ich es, um den Text auswendig zu lernen. Das muß ein Mann geschrieben haben, der viel weiß.«

Der furchtbare Plumitas zeigte einen kindlichen Stolz, wenn er so von seinem Ruhm sprach. Da verschwand die schweigsame Bescheidenheit, mit der er den Hof betreten hatte, und der Wunsch, seine Person im Hintergrunde zu halten, um nur als armer Reisender, den der Hunger zum Einkehren genötigt hat, zu erscheinen. Er begeisterte sich an dem Gedanken, daß sein Name berühmt war und seine Taten sogleich die Ehre der Veröffentlichung erfuhren.

»Wer würde mich kennen«, fuhr er fort, »wenn ich noch in meinem Dorfe lebte? Ich habe oft darüber nachgedacht. Wir armen Teufel haben ja keinen anderen Ausweg als für die anderen zu schuften oder das einzige Mittel zu ergreifen, das Reichtum und Namen ermöglicht: zu töten. Ich fand keine Gelegenheit, Torero zu werden. Mein Dorf liegt im Gebirge und hat kein entsprechendes Vieh, außerdem bin ich schwer und nicht geschickt genug ... Deshalb töte ich Personen. Das ist das Beste, was ein Armer tun kann, um Achtung und freien Weg zu finden.«

Der Nacional, welcher bisher mit tiefem Ernst den Worten des Banditen gelauscht hatte, glaubte nun seinerseits sprechen zu müssen.

»Was der Arme braucht, ist Bildung. Er soll lesen und schreiben lernen ...«

Diese Worte des Nacional lösten bei allen, welche seine fixe Idee kannten, ein lautes Gelächter aus.

»Du hast deinen Beitrag geleistet, Kamerad,« sagte Potaje, »laß den Plumitas fortfahren, denn was er sagt, ist gut.«

Wegwerfend antwortete der Räuber auf diesen Zuruf des Banderillo, den er wegen seiner Vorsicht nicht sehr einschätzte:

»Ich kann lesen und schreiben, doch wozu dient mir das? Als ich noch in meinem Dorfe lebte, da brauchte ich es, um mich hervorzutun, um mein Los weniger hart zu empfinden. Der Arme braucht Gerechtigkeit ... Man gebe ihm, was er nötig hat, und wenn man es ihm verweigert, so soll er es sich nehmen. Er muß ein Wolf werden und Furcht um sich verbreiten. Ist er aber feig und kraftlos, stellt sich sogar das gutmütige Schaf gegen ihn.«

Potaje, der schon betrunken war, brüllte den Worten des Räubers begeistert Beifall. Er verstand seine Rede nicht mehr recht, doch durch den Nebel seiner Trunkenheit glaubte er, die Quintessenz der selbstverständlichsten Wahrheit zu hören.

»Ihr habt gesehen, was es für Leute gibt«, sprach der Bandit weiter. »Die Welt ist in zwei Gruppen geteilt: Hier Ausbeuter, dort Ausgebeutete. Ich lasse mich nicht schinden, ich bin zu etwas Höherem geboren, da ich mein Mannesgefühl habe, und niemanden fürchte.

»Auch ich, Señor Juan, habe das Gleiche durchgemacht wie Ihr, ich bin von unten hinaufgestiegen, doch Euer Weg war besser als der meinige.« Er schaute den Torero einen Augenblick an und fügte dann mit dem Ausdruck der Überzeugung hinzu:

»Ich glaube, daß wir beide etwas zu spät auf die Welt gekommen sind. Was hätten wir zwei zu anderen Zeiten und in einer anderen Welt für Taten ausgeführt. Ihr würdet nicht Stiere töten und ich brauchte mich nicht wie ein wildes Tier durch Wälder und Gebirge jagen lassen. Wir würden Statthalter, Großmogule oder sonst derartiges jenseits der Meere geworden sein. Habt Ihr nicht von einem gewissen Pizarro gehört, Señor Juan?«

Der Gefragte machte eine unbestimmte Bewegung, da er seine Unkenntnis des Namens, den er das erstemal hörte, nicht eingestehen wollte.

»Die Gräfin weiß es wohl besser als ich und wird mir verzeihen, wenn ich etwas Falsches sage. Ich las diese Geschichte, als ich noch Küster war und in den alten Romanen herumgestöbert habe, die unser Pfarrer hatte ... Also Pizarro war ein armer Teufel wie wir und ging mit einer Handvoll Burschen, die gerade soviel zu verlieren hatten wie er, in ein Land, ich sage Euch, ein wahres Paradies. Sie hatten, ich weiß nicht, wieviele Kämpfe mit den Eingeborenen zu bestehen und wurden schließlich die Herren des Landes, plünderten die Schätze der Könige und der Niedrigste füllte sein Haus bis zum Dache mit Gold an. Jeder wurde Marquis, General oder sonst eine große Persönlichkeit. Und den anderen ging es ebenso. Stellt Euch vor, Señor Juan, wenn wir damals gelebt hätten. Was hätte es uns für Mühe gekostet, mit noch so ein paar Kerlen, wie wir, ebensoviel oder noch mehr als Pizarro auszuführen?«

Und alle Männer, welche schweigend, mit vor Erregung glänzenden Augen dieser Wundergeschichte lauschten, nickten zustimmend.

»Ich wiederhole, daß wir zu spät geboren wurden, Señor Juan. Der Weg ist den Armen versperrt. Der Spanier weiß nicht, was er tun soll. Er kann nirgends mehr hingehen. Was noch in der Welt übrig war, um sich aufzuhelfen, haben die Engländer und die Franzosen eingesteckt. Die Tür ist verschlossen und wir Männer der Tat müssen innerhalb dieser engen Grenzen versauern und alle Verwünschungen einstecken, wenn wir unser Schicksal selbst bestimmen wollen. Während ich damals in Amerika oder einem anderen Weltteile sicher König oder Statthalter geworden wäre, muß ich hier als Bettler und Räuber durch das Land ziehen. Ihr seid ein tapferer Mann und müßt Stiere töten, was Euch zwar Ruhm und Ehren einbringt, doch weiß ich, daß viele Herren den Beruf des Toreros als niedriges Handwerk betrachten.«

Doña Sol griff nun mit einer Frage und einem Rate in den Monolog des Räubers ein. Warum ging er nicht unter die Soldaten? Da könnte er in fremde Länder kommen, wo man Kriege führte, und seine Kräfte auf edle Weise verwenden.

»Auch ich habe schon oft daran gedacht, Gräfin. Wenn ich in einem Hofe schlafe oder mich in meinem Hause für einige Tage verstecke, mich das erstemal wie jeder andere Christenmensch in mein Bett lege und warme Speisen esse wie hier, dann gefällt mir das alles sehr gut, doch bald sehne ich mich, wieder in meinem Mantel, auf einem Stein als Kopfkissen, im Walde zu schlafen ... Ja, ich würde schon als Soldat dienen, aber wohin soll ich gehen? Die wirklichen Kriege haben aufgehört, in denen ein Jeder, mit einer Handvoll Kameraden nach seinem eigenen Kopfe handelte. Heute gibt es nur Herden von Menschen, welche alle gleich angezogen und gedrillt sind und wie Schafe sterben. Es ist genau so wie in der Welt. Ausbeuter und Ausgebeutete. Führt man eine große Tat aus, hat der Oberste den Dank, kämpft man wie ein wilder Stier, wird der General belohnt... Nein, auch zum Soldaten bin ich zu spät auf die Welt gekommen.«

Und Plumitas senkte die Augen, um einige Augenblicke hindurch sein Mißgeschick zu überdenken, in dieser Zeit keinen Platz ausfüllen zu können. Plötzlich griff er nach dem Gewehr und wollte aufstehen.

»Ich gehe, vielen Dank Señor Juan, für Eure Aufmerksamkeit, lebt wohl, Gräfin.«

»Wohin gehst du denn,« sagte Potaje und zog ihn nieder, »setze dich, du Dummkopf, du findest es nirgends besser als hier.«

Der Picador wollte den Aufenthalt des Banditen verlängern, denn es freute ihn, mit ihm wie mit einem Kameraden über alles sprechen zu können, um dann in der Stadt sein interessantes Zusammentreffen zu erzählen.

»Ich bin schon drei Stunden hier und muß gehen. Ich bleibe niemals lange in einem offenen und flachgelegenen Orte wie La Rinconada es ist. Und diese drei Stunden sind wie im Flug vergangen.«

»Fürchtest du dich vor den Gendarmen?«, fragte Potaje. »Sie werden nicht kommen, und wenn schon, dann helfe ich dir.«

Plumitas machte eine verächtliche Bewegung. Die Gendarmen? Das waren Leute wie die übrigen. Es gab tüchtige Kerle unter ihnen, aber alle anderen waren Familienväter, welche scheu auswichen und nur zögernd kamen, wenn sie ihn in einem Orte wußten. Sie griffen ihn nur dann an, wenn sie der Zufall aneinander brachte, sodaß kein anderer Ausweg mehr blieb.

»Im vergangenen Sommer saß ich in einem Bauernhofe beim Frühstück. Die Gesellschaft war freilich nicht so angenehm wie hier. Da sah man plötzlich Gendarmen auftauchen. Ich war sicher, daß sie nichts von meiner Anwesenheit wußten und nur kamen, um auszuruhen. Es war ein böser Zufall, doch weder ich noch sie konnten vor so vielen Leuten davonlaufen. Das wird gleich weitererzählt und die Lästerzungen vernichten den ganzen Respekt und stellen einen nur als Feigling dar. Der Besitzer schloß das große Tor und die Gendarmen schlugen mit den Gewehrkolben daran, daß er aufmache. Ich befahl ihm und einem Knecht, sich hinter den beiden Torflügeln aufzustellen. ›Wenn ich ›Jetzt‹, sage, macht ihr gleichzeitig auf.‹ Ich stieg zu Pferde und nahm den Revolver in die Hand. ›Jetzt‹. Das Tor ging auf und ich sprengte hinaus. Ihr kennt mein Pferd nicht. Sie schossen mir gehörig nach, doch keiner traf. Ich hatte beim Hinausreiten auch losgedrückt und, wie man mir später erzählte, zwei verletzt. Kurz, ich ritt, auf den Hals des Pferdes gebückt, davon und die Gendarmen rächten sich, indem sie den Hofbesitzer blutig schlugen. Daher ist es das Klügste, nichts von meinem Besuche zu erwähnen. Denn dann kommen die Behörden und Ihr müßt Erklärungen und Aussagen machen, als ob man mich damit fangen könnte.«

Die Leute von La Rinconada waren im Stillen derselben Meinung. Sie wußten es schon. Sie mußten über den Besuch schweigen, um sich Unannehmlichkeiten zu ersparen, wie man es auf allen Höfen und Gütern machte. Dieses allgemeine Schweigen war die mächtigste Hilfe für den Banditen. Und außerdem waren alle diese Landleute Bewunderer des Plumitas. Ihre rauhe Begeisterung betrachtete ihn als einen Rächer, sie hatten nichts Böses von ihm zu befürchten, seine Drohungen galten nur den Reichen.

»Ich fürchte die Gendarmen nicht,« sprach der Bandit weiter, »ich fürchte die Armen. Sie sind alle gut, aber das Elend ist eine böse Sache. Ich weiß, daß die Landjäger mich nicht töten werden. Das wird vielleicht ein Armer tun. Man läßt ihn ohne Furcht herankommen, weil er ja sozusagen ein Bruder ist, und dann benützt er den Augenblick der Sorglosigkeit. Ich kenne Feinde, die mir den Tod geschworen haben. Es gibt genug Landstreicher, die für einige Pesetas Angeberdienste leisten, oder Kerle, die man um Dienste ersucht, ohne daß sie einem helfen, und da muß man eben, um überall Achtung zu finden, eine harte Hand haben. Und wenn einer dann mit seinen Drohungen ernst macht, muß man sich an die Familie halten. Ist der Betreffende sonst noch ein ›guter Kerl‹, dann begnügt man sich, ihm eine gehörige Tracht Prügel mit Disteln oder Brennesseln auf den nackten Rücken zu geben. An diesen Spaß pflegen sie sich ihr ganzes Leben zu erinnern ... Ja, gerade die Armen und Angehörigen meines Standes fürchte ich am meisten.« Plumitas hielt inne und fügte dann, den Torero ansehend, hinzu:

»Dann sind es die Bewunderer, die Nachahmer, das junge Volk, welches hinterher nachläuft. Señor Juan, sagt doch die Wahrheit, wer verursacht mehr Scherereien, die Stiere oder all diese Anhänger, welche der Hunger antreibt und welche ihrem Herrn am liebsten den Degen aus der Hand nehmen würden ...? So geht es auch mir. Ich sagte ja schon, daß wir gleich sind... In jedem Dorf ist irgend ein Kerl, der davon träumt, mein Erbe anzutreten, und sich der Hoffnung hingibt, mich im Schatten eines Baumes schlafend anzutreffen, um mir den Schädel einzuschlagen.«

Nach diesen Worten ging er mit Potaje in den Stall und eine Viertelstunde später führte er sein starkes Pferd, seinen treuen Begleiter auf allen Irrfahrten, in den Hof. Das knochige Tier schien in den wenigen Stunden der Rast und des Überflusses auf La Rinconada frisch und feurig geworden zu sein. Plumitas strich ihm über die Flanken. Er konnte mit der Behandlung des Pferdes zufrieden sein, denn bis jetzt hatte es selten gleiche Sorgfalt gefunden wie bei Gallardo.

»Und wohin gehst du, Kamerad?«, erkundigte sich Potaje.

»Danach fragt man nicht. Ins Ungewisse, ich weiß es selbst nicht. Wie es sich eben trifft.«

Während dieser Worte steckte er den Fuß in den verrosteten und lehmbespritzten Steigbügel, gab sich einen Schwung und saß aufrecht im Sattel.

Gallardo trennte sich von Doña Sol, welche mit vor Erregung blassen, zusammengepreßten Lippen die Vorbereitungen zum Aufbruch betrachtete.

Der Torero hatte die Hand in die Tasche seines Rockes gesteckt und ging zum Pferde, während er einige zusammengerollte Papierscheine in der Hand zu verbergen suchte.

»Was ist das?«, fragte der Räuber. »Geld? Danke, Señor Juan. Man hat Euch zwar gesagt, daß man mir Geld zu geben hat, wenn ich den Hof verlasse. Doch das geschieht bei anderen, bei Reichen, welche ihr Geld leicht verdienen. Doch Ihr setzt Euer Leben aufs Spiel, wir sind Kameraden. Behaltet es, Señor Juan.«

Gallardo behielt also seine Scheine, war aber über die Weigerung des Banditen, der ihn als seinesgleichen behandelte, doch etwas verstimmt.

»Ihr könnt mir zu Ehren einen Stier töten, wenn wir uns wieder einmal im Zirkus sehen sollten«, fügte Plumitas hinzu. »Das ist mir lieber, als alles Geld der Welt.«

Inzwischen war Doña Sol von rückwärts zum Pferde getreten und gab dem Scheidenden, ohne ein Wort zu sprechen, eine Rose, welche sie an der Brust trug.

»Für mich?« fragte der Bandit im Tone der Überraschung, »für mich?«

Und auf die bejahende Geste der Doña Sol nahm Plumitas mit sichtlicher Verlegenheit die Rose aus ihrer Hand und hielt sie so ungeschickt, als wäre sie eine schwere Last. Er war unschlüssig, wohin er sie stecken sollte, bis er sie endlich in einem Knopfloch seines Rockes befestigte.

»Das ist ein schöner Abschied,« rief er mit einem Lächeln seines pausbäckigen Gesichtes aus, »so etwas habe ich bis jetzt noch nicht erlebt...«

Der rauhe Bandit schien durch dieses frauenhafte Geschenk bewegt und verwirrt zu sein. Rosen für ihn, den Wegelagerer und Mörder!

Er griff nach den Zügeln:

»Gott zum Gruß, Ihr Herren! Auf Wiedersehen!«

Und er brach auf, nachdem er dem Picador einen festen Händedruck gegeben hatte, den der Stierkämpfer mit einem freundschaftlichen Schlag auf den Oberschenkel erwiderte, daß der muskulöse Körper des Banditen darunter erzitterte, Was war doch Plumitas für ein sympathischer Bursche!... In der Begeisterung seines Rausches wollte Potaje mit ihm in die Berge gehen.

»Lebt wohl, auf Wiedersehen!« Mit diesen Worten gab der Bandit seinem Pferde die Sporen und jagte aus dem Hofe. Gallardo war froh, ihn draußen zu haben. Dann betrachtete er Doña Sol, welche unbeweglich dastand und dem Reiter nachstarrte. »Was für eine Frau!« murmelte der Torero ganz mutlos, »welch ein tolles Weib!« Wäre der Plumitas nicht ein Mörder gewesen und zerlumpt und schmutzig dahergekommen, wäre sie mit ihm gegangen, um mit diesem Beherrscher der Straße die Sensationen zu verkosten, die ihr der Stierkämpfer nicht mehr gewähren konnte.


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