Björnstjerne Björnson
Kapitän Mansana
Björnstjerne Björnson

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XIV.

Den Schluß mag ein Brief mitteilen, welchen Teresa Leaney an Mansanas Mutter richtete. Derselbe war kurze Zeit nachher auf ihrem Gute in Ungarn geschrieben.

»Theuere Mutter!

– – Endlich erhältst Du eine zusammenhängende Darstellung aller Ereignisse von dem Tage an, da wir in Neapel schieden. Erzähle ich aber etwas, das Du schon erfahren, so entschuldige mich!

Also: Seine anfängliche Scheu ging bald nach der Trauung in einen eilfertigen, demütigen Diensteifer über, der mir bange machte; dies glich ihm so gar nicht! Im ganzen war er weder vertraulich noch seiner selbst sicher, ehe wir nicht in seiner letzten Garnisonstadt gewesen. Er verstand recht gut, warum Du uns vor allem dorthin haben wolltest. Ach, wie war er liebenswürdig! Sogleich, und ich darf sagen, unerschrocken, begann er seinen Spießrutengang zwischen seinen Kameraden. Übrigens kenne ich eine junge Frau, die ihm half. Du mußt nämlich wissen, daß sie nie eleganter, nie heiterer gewesen, als da sie ihren stolzen Freund durch die Demütigung geleiten sollte; in jeder Bewegung, in jeder Miene, in jedem Wort schien sie zu fragen: »Wenn ich nichts dagegen sage, wer darf etwas dagegen sagen?« –

Leider bin ich noch so sehr kokett, daß ich nicht übel Lust hätte, Dir zu erzählen, wie ich an jedem dieser drei Tage gekleidet war. (Ich hatte nämlich die Kammerzofe mit der Garderobe aus Ancona kommen lassen!) Allein ich schweige in Demut.

Und ich bin auch ganz sicher, so wie die gewisse junge Frau nach diesen drei Tagen Spießruten in der kleinen Bergstadt geliebt wurde, so ist noch nicht oft ein Weib geliebt worden; es ist eine Kraft in dieses Mannes Seele, zu welcher Du etwas von Deiner eigenen Seele hinzugegeben hast, Du herrliches Geschöpf!

Auch darf ich nicht vergessen, den Mann Sardi zu loben; denn er ist ein Mann! Er hatte es so klug angestellt, daß er Mansana für krank ausgab, – was er im Grunde auch war! – und Dich und mich für seine Ärzte. Zum Glück besitzt auch jener, den seine Kameraden schätzen, in ihrem Herzen ein Kapital, von dem er lange zehren kann, ehe es aufgebraucht ist. Man wollte von Giuseppe Mansana nur gut denken; dies empfand er, der Teuere, und dies machte ihn so demütig; denn es drückte ihn gar sehr, daß er es nicht verdiene.

In Ancona war es nur ein Spiel; der Stachel war gebrochen. Und nun, nun besitze ich ihn; – ich besitze die stärkste Natur, gereinigt und edel, – besitze den rücksichtsvollsten Herrn, den aufmerksamsten Diener, – besitze den mannhaftesten Geliebten, den je ein italienisches Weib gewonnen; – – verzeihe meine großen Worte; ich weiß, Du magst sie nicht; allein sie gehören dazu!

In Bologna – Du siehst, ich fliege! – gingen wir umher und kamen auch am Rathause vorbei. Da hängen zwei Marmortafeln mit den Namen jener, welche im Kampf für die Freiheit der Stadt gefallen. Es zuckte in Giuseppes Arm, und diesem Umstand ist's zu danken, daß wir mit einander ein Gespräch hatten, welches die Grundlage unseres Zusammenlebens noch mehr befestigte.

Du weißt, teuere Mutter, wie meine Augen sich in jener Zeit öffneten, als ich betrauerte, was ich in meiner abscheulichen, launenhaften Gewohnheit an Giuseppe verbrochen; dies hatte ihm fast Glück und Leben gekostet. Du weißt, jene öffentlichen Verhältnisse, welche unseren Trotz, unseren Haß, unseren wahnsinnigen Fanatismus, unsere strafwürdige Unduldsamkeit erzeugten, – meine Seele bekämpft sie seither in täglichem Zorn. Ungesunde, unnatürliche öffentliche Verhältnisse vergiften die Gesellschaft und thun mehr Schaden als der unglückseligste auswärtige Krieg; denn es ist nicht zu berechnen, wieviel geistige Arbeitskraft sie verzehren, wieviel Herzen sie aushöhlen, wie vielfaches Familienglück sie zerstören! Ich versichere Dir, meine Mutter, ein Land, welches z. B. eine ungerechte Eroberung gemacht, genommen hat, was einem anderen gehört, die ganze Gesellschaft zum Mitschuldigen macht, die Moral jedes einzelnen lockert, die Feder des Gesetzverdrehers, das Brecheisen des Diebes, das harte Wort des Vorgesetzten zuspitzt; – ach, es jagt das Herz aus seinem Rechte, in der Familie wie in der Gesellschaft.

Ein verliebter Narr hat einmal über mich ein dummes Lied gedichtet; nicht ein wahres Wort steht in demselben. Doch weißt Du, liebe Mutter, nun fühle ich es, hätte ich Giuseppe nicht getroffen, – das Lied wäre doch einmal zur Wahrheit geworden; denn so dumm und herzlos als es ist, so dumm und herzlos hätte ich schließlich werden müssen. Und weshalb? Weil die unglückseligen öffentlichen Verhältnisse Giftstoff in mein Dasein gestreut hatten.

Und meine Geständnisse begegneten jenen Giuseppes. Der trotzige, eitle Wille war so ganz sein Herr geworden, daß das allerzufälligste Hindernis ihn das Leben kosten, das allergewöhnlichste Ziel ihn vom Wege ablenken konnte. ... Aber dieser trotzige; eitle Wille, – in welcher Luft wurde er erzeugt!

Wir schenkten einander volles Vertrauen, an jenem Abend in Bologna. Und erst da wurde ich seiner sicher, ach, so sicher! –

Hier, auf meinem lieben Gute, hat er nun seine Arbeit begonnen. Hier herrschte ein wahres Chaos; hier fand er Gelegenheit seinen Willen zu üben.

Er will seinen Abschied nehmen; Offizier im Frieden mag er nicht länger sein. Er bedarf fester, naheliegender Ziele, und, wenn ich ihn recht errate, sind ihm Ziele, welche der Welt verborgen sind, die liebsten.

So wenigstens vorläufig; was sich später noch etwa entwickeln wird, weiß ich nicht. Nur das weiß ich, kommt Italien einmal in Gefahr, so stellt er sich in die erste Reihe, – und zwar in jeder Hinsicht.

Gott segne Dich, Mutter; komm nur zu uns! Du mußt ihn in seiner Wirksamkeit sehen; Du mußt ihn neben mir sehen! Hat jemals ein Weib einen so aufmerksamen Mann, einen so herrlichen Geliebten gehabt? – Ja richtig, ich darf ja meine starken Ausdrücke nicht gebrauchen, und doch, ich wiederhole es, sind es die einzigen, die ich gebrauchen kann!

Ich liebe Dich; ich sehne mich, Dich wieder und wieder zu umarmen und zu küssen. Du Mutter meines Glücks!

Teuere, Hartgeprüfte, von deren Auge Lobgesang ausgeht, von deren Lippen Worte des Trostes und der Hilfe so erquickend fließen! Du, ja Du mußt Dein weißes Haupt über unser Glück beugen, damit dasselbe Demut lerne! Hörst Du! Du mußt uns unterweisen, auf daß die künftigen bösen Tage uns nicht zu zeitig kommen!

Deines Sohnes Frau, Dein, Dein –
Teresa.«       


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