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VII. Kämpfe selbst

1. In beiden Lagern

Nach Millas Brief verschwand Nora aus den Zimmern, ja, sie war mehrere Tage nicht imstande, ihre Beschäftigung wieder aufzunehmen; sie war wie gelähmt.

Erst Tora in ihrer Weise und jetzt Milla ... das war zu viel für sie; sie, die in ihrem gemeinsamen Leben die leitende Stellung eingenommen hatte, die so fest an das, was sie ausrichten wollten, geglaubt und ihr Bestes dazu gegeben hatte. In letzter Zeit hatte sie viel Spott herunterschlucken müssen – nicht am wenigsten von ihrem Vater –, als es sich herausstellte, daß ihre Eigenschaft als Präsidentin ihr nur Gelächter einbrachte. Sie hatte versucht, standhaft zu bleiben, aber nach Millas Brief knickte sie zusammen.

Auch früher schon hatte sie manchmal ihr Leben als oberflächlich und äußerlich empfunden. Aber wie erst jetzt! Wieder und wieder ging sie alle die Stimmungen und Erlebnisse unter den Freundinnen durch, seitdem sie hierher gekommen war; und überall fand sie dieselbe große Sehnsucht und dieselbe jämmerliche Feigheit, wenn es ernst wurde – nicht am wenigsten bei sich selbst. Leichtbegeistert, unsäglich flüchtig, die Köpfe voll von Tand, Eitelkeit, Eifersucht, bei vielen eine widerliche Lüsternheit, die unter hundert Verkleidungen sie selbst zum Narren hielt. Verdorben durch das Jahrtausende alte Erbübel: dem Stärkeren gefallen zu wollen. – –

Nein, sie wollte nicht mehr Vorsitzende sein! ja, womöglich nicht einmal Mitglied. Es nützte ja doch alles nichts, und sie hatte übergenug mit sich selbst zu tun. Sie betrachtete sich selbst wie eine Sammlung von Anlagen ohne Halt, »Geist mit Störungen«, wie ihr Vater die Mutter nannte. Auch war gerade jetzt das Verhältnis zwischen ihren Eltern gar nicht besonders. Nora klammerte sich an die Schule. Sie versteckte sich dort förmlich.

Weihnachten kam. Sie hatte frei und sollte nach Hause; aber sie bat, bleiben zu dürfen. Sie war viel allein. Tinka war ganz von ihrem Fredrik in Anspruch genommen, der für die Weihnachtszeit nach Hause gekommen war. Die Verlobung war jetzt fast öffentlich. Anna Rogne studierte mit Rendalen Philosophie und war so gelehrt und glücklich, daß mit ihr nichts anzufangen war.

Oft, wenn jemand hereinkam, saß Nora da und weinte. Sie hatte dann eine ihr eigne hastige Art, ihre Tränen abzuwischen: die Hand fuhr so schnell über beide Augen, als jagte sie eine Fliege fort. Und dann lächelte sie den Eintretenden freimütig entgegen, gleichviel, wer es war; die Ursache ihrer Verstimmung konnte also nicht im Hause wohnen. Nora mißmutig? Nora mutlos? Man wußte wohl, das konnte mal passieren. Aber diesmal dauerte es doch gar zu lange. Natürlich fragte man sie aus; aber dann machte Nora sofort ein so vornehmes Gesicht, daß keiner es zweimal wagte. –

Endlich um Weihnachten kam der lange erwartete Brief von Tora. Rendalen lud alle Freundinnen Toras aus der Schule daraufhin ein. Gleich die Einleitung des Briefes klärte auf, was man so gern hatte wissen wollen; Tora erinnerte an eine Begebenheit, deren sie sich alle sofort entsannen, aber die sie sich bis heute nicht hatten erklären können, nämlich, wie es Tora erging, als sie und Fürst sich zum erstenmal sahen, jenen Vormittag im Turnsaal, als sie erregt und angestrengt durch die Übungen war und er auf sie zugekommen war, seine Augen in die ihren bohrend und sie festnagelnd, bis er dicht vor ihr stand.

Die bewegte Erzählung des Briefes, fortwährend unterbrochen durch Einschiebungen, Umschreibungen, Versicherungen, gab ein treffendes Bild Toras. Hatte sie es früher nicht immer »genau« genommen, so war sie es jetzt in geradezu rührender Weise, vielleicht gerade, weil sie wußte, daß jener Verdacht nicht ohne Grund auf ihr ruhte.

Anna Rogne las den Brief vor. Sie konnte ihn auswendig und las ihn etwas abgemessen, mit gleichmäßiger Betonung. Dadurch wirkte der Brief, selbst die vielen Häkchen und Einwürfe sprangen köstlich hervor; die Beteuerungen schossen wie Strahlen daraus hervor. Man lachte und war gerührt.

Während des Vorlesens hatte Rendalen Nora fortwährend angesehen. Er hatte soeben gehört, daß sie nicht mehr Vorsitzende des Vereins sein wollte, und nun mußte er wohl endlich mal die Zurückhaltung, die er sich auferlegt hatte, aufgeben.

Da die andern ganz mit dem Brief beschäftigt waren, jede mit ihrem Nachbar, setzte Rendalen sich zu Nora und sprach sehr lange und sehr lebhaft mit ihr, – bis die eine oder andre entdeckte, daß sie sehr oft mit der Hand über ihre großen Augen fuhr. Da verstummte das Geplauder. Man fing an, die beiden zu beobachten.

Frau Rendalen schlug vor, doch etwas zu musizieren und wandte sich an ihren Sohn. »Gern,« sagte er, blieb aber gedankenvoll sitzen. »Oder was meint ihr dazu, wenn ich erst mal versuchte, der Mutlosigkeit zu begegnen, von der die Frau so leicht befallen wird, wenn ihr die Augen für alle ihre erblichen Gebrechen aufgehen?«

Ja, das wollten alle hören! Er sagte, der heutige Abend habe ihn wieder daran gemahnt, wie er vor mehr als einem Jahr in einer Vereinssitzung so niedergeschlagen und verzagt über die Erblichkeit geredet habe. Das sei damals nur der Ausfluß einer unglücklichen Stimmung gewesen. Seine Ansicht von der Erblichkeit sei gerade die, daß Erbe gegen Erbe kämpft; man braucht durchaus nicht zu verzagen. Im Laufe der Zeiten seien die Geschlechter in so hohem Grade vermischt, daß eine böse Erblinie, die durch Nichtgebrauch zurückgedrängt werden müsse, fast immer eine gute neben sich habe, die durch Gebrauch verstärkt werden könne. Es gälte nur, nie den Zufall walten zu lassen, sondern daß zuerst der Erzieher, später der Selbsterzieher beizeiten darauf aufmerksam sei.

Dieses Thema war ihm so geläufig, daß er auf der Stelle eine Reihe von geschichtlichen Beispielen anführen konnte. Auch andre, gesammelt aus eigner und fremder Erfahrung, fügte er hinzu. Seit seinen Knabenjahren hatte ja diese Frage ihn beschäftigt. In seiner Familie war Anlage zum Wahnsinn. Jedes Beispiel, das er nachweisen konnte, zeigte deutlich, daß nur da, wo die Schwäche, die zum Wahnsinn führte, sich auszubreiten Gelegenheit bekäme, die Krankheit zum Ausbruch kommen konnte. Wo man dieser Schwäche durch kräftige Blutmischung, Erziehung und Selbsterziehung entgegenarbeitete, ginge das Individuum gerettet an sein Werk. Ein Erbteil sei keine Bestimmung, nur eine Disposition.

Bisweilen würde behauptet, Kenntnisse und persönlicher Einfluß nützten gar nichts. Aber was zeigte uns der Brief, der da soeben vorgelesen worden war? Zunächst zeigte er deutlich Toras anererbte Schwächen; sodann, daß, wenn Miß Hall ihren Vortrag vier Monate früher gehalten hätte, Tora trotz ihrer Schwächen gerettet worden wäre.

Also müssen wir sagen: Helft einander mit Kenntnissen und unerschrockenen Ratschlägen. Das Weib ist bis jetzt zur Absonderung verurteilt gewesen; der Mann dagegen hat nach Gemeinschaft und Kenntnissen gesucht.

Erst in der Gemeinschaft lehren auch die Frauen einander, für ihre eigne Sache zu kämpfen.

»Die innere Entwicklung macht oftmals Krisen durch, und da ist Verkehr beschwerlich. Damit muß nun ein jeder sich nach bestem Können abzufinden versuchen; aber keiner zweifle daran, daß unsre innere Entwicklung nur durch Erfüllung unsrer Pflicht gefördert wird.«

Mehr war es nicht; doch von diesem Abend an, von den sich an den Vortrag anschließenden Gesprächen datierte das kräftige Zusammenhalten aller der Frauen, die in der nun folgenden Zeit die Sache der Schule in der Stadt führten. Von diesem Abend datierte auch der mächtige Einfluß des Vereins auf die Schule. Jedweder Mißklang wurde, ehe er einen der Lehrer erreichte, gedämpft. Auch vorher schon hatten sich die Mitglieder des Vereins in den Stunden der Schulaufgaben über alle Klassen verteilt, um den Schwächeren zu helfen; das hatte ihnen Einfluß verschafft, und den gebrauchten sie. Von diesem Abend datierten auch – und das war wohl schließlich das beste von allem – Rendalens Vorträge im Bethause drüben am Berge. Jeden Samstagabend erklärte er naturgeschichtliche Gesetze, beleuchtet durch Zeichnungen und Experimente; und jeden Sonntagabend kulturgeschichtliche Bilder, ebenfalls durch Zeichnungen erläutert. Nils Hansen gab die Mittel dazu her; er selbst fehlte nicht ein einziges Mal unter den Zuhörern. Rendalen hatte diese Sache angefangen, um sich auch in diesen Schichten der Gesellschaft Anhänger zu verschaffen; »er wolle nicht in der Luft schweben«. Aber sobald er dastand, wurde er ergriffen von der Aufgabe, die hier vorlag, und brachte auch Miß Hall dazu, jeden Sonntag von drei bis vier Uhr Vorträge für die Frauen dort zu halten. Und das tat sie, abwechselnd über Kinderkrankheiten und Frauenkrankheiten. Der Andrang war sehr stark. Das kam wohl nicht am wenigsten davon, daß die kleine, schlagfertige Amerikanerin gleich erklärte, daß diese beiden Krankheitsarten zum nicht geringen Teil ein und dieselbe Ursache hätten, nämlich: die Unsittlichkeit der Männer. –

Doch zurück zu jenem Abend.

Es gibt Augenblicke, in denen die Willen sich freudig sammeln, als seien sie nie zersplittert oder zweifelnd gewesen; große Erntemomente, Momente neuer Aussaat. Solch ein Abend war dieser neunundzwanzigste Dezember auf dem Gute; dieser Tag wurde notiert und später oft erwähnt.

Es war über Mitternacht, als man sich trennte; singend zogen die Mädchen die Allee hinab.

Frau Rendalen hatte sich schon auszukleiden begonnen, als sie zu ihrem Erstaunen hörte, daß Tomas wieder ausging. Sie öffnete die Tür halb. »Aber, mein Gott, wohin so spät?«

»Ach, es ist so sternklar draußen ...«

So recht eigentlich, was man »poetisch« nennt, war Mama Rendalen nicht; sie ging ans Fenster und lugte durch die Gardine. Ja, es war sternklar. Damit basta. Eine Schulmutter hat auch an gar zu vieles zu denken, für die Sterne bleibt da keine Zeit übrig ... Aber der Ton, in dem er von den Sternen sprach ... Eigentlich war Tomas seit langem nicht so froh gewesen, wie heute abend; auch hatte er's ja den ganzen Abend bis nach Mitternacht bei ihnen ausgehalten ... Sicherlich fing er jetzt an, Wurzel zu fassen. Oder war es hauptsächlich Kampflust? Er hatte doch recht viel »Kurtsches« an sich. –

»Frau Rendalen!?«

»Gott!«

»Ich bin's ja nur.«

»Aber, Nora, Kind, noch nicht im Bett? ... Wart nur, ich schließe auf ... Was sehe ich, noch in vollem Staat?«

»Ja, es war so sternklar!«

»Tomas ist auch noch ausgegangen.«

»Ich hab's gehört ... Ach Gott, Frau Rendalen!«

»Was ist denn, mein Kind? ... Entschuldige mal, aber ich krieche wieder ins Bett ... So ...! Na ...?«

»Ich bin so glücklich.«

»Wirklich? ... Das freut mich, Kind; du bist lange Zeit gar nicht so recht froh gewesen.«

»Alles, was Herr Rendalen sagte – – –«

»Ja, heut abend war er ausgezeichnet ...«

»Frau Rendalen, ob es wohl anginge, ihm dafür zu danken?«

»Ob das angeht –? Ja, was meinst du denn damit, mein Kind?«

»Ich hatte keine Ruhe, und da hab ich's ihm geschrieben?«

»Geschrieben? Wenn man in demselben Haus wohnt?«

»Ich möcht's ihm noch heut abend schicken.«

»Heute nacht, meinst du! Warte nur lieber bis morgen, mein Kind ... und dann kannst du es ihm ja sagen ... Du weißt, Tomas ist oft etwas eigentümlich.«

»Aber heut abend ist er doch in guter Laune, nicht?«

»Du willst ihm also durchaus den Brief aufs Zimmer legen?«

»Um Gottes willen, ich doch nicht. Denken Sie nur, wenn Pastor Wangen oder Herr Rendalen selbst gerade käme ...!«

»Du möchtest also gern, daß ich ...?«

»Liebe, liebe Frau Rendalen!«

»Gib die Brille her, Kind ... laß mal sehen!«

»Hier.«

Und Frau Rendalen las:

»Herr Rendalen, ich kann nicht schlafen, ehe ich Ihnen für alles heute abend gedankt habe; ich möchte so ungern, daß Sie von mir glaubten, ich fühlte kein Bedürfnis dazu. Aber ich fand da unten keine Gelegenheit. Haben Sie Dank!

Ihre ergebene
Nora Tue.«

Es knackte in Frau Rendalens Bett, sie richtete sich auf. »Das soll ich ihm auf den Tisch neben das Licht legen ...? Ein Kuvert hast du doch? Gut ... und schon die Adresse drauf? Na, gib her!«

»Ja ...«

»So, nun Rock und Pantoffeln! ... Das ist hübsch von dir, Nora ... Ja, heut abend war er ausgezeichnet ...«

Und Frau Rendalen tappte hinaus.

Als sie wieder im Bett lag: »Aber, Nora, nun sag mir mal, warum hast du ihm denn nicht gleich gedankt?«

Statt aller Antwort schmiegte Nora ihr Köpfchen an Frau Rendalen, gab ihr einen Gute Nacht-Kuß und lief leichtfüßig fort.

In der Tür wandte sie sich um:

»Soll ich das Licht auslöschen?«

»Nicht nötig, Kind; gute Nacht!«

* * *

Der Winter ging zu Ende; man begann zu hoffen, daß auch der Krieg vorüberziehen würde, wie damals.

Aber wenn die Gemüter erregt sind, gehört nicht viel dazu, sie wieder anzufachen. Der politische Streit raste gerade jetzt am ärgsten; die sogenannte »Volkspartei« hatte eine eigne Zeitung gegründet; sie war der Ansicht, daß der »Zuschauer« das Maß der Ungerechtigkeit gefüllt habe. Zwischen dieser Zeitung und der neuen, mit dem Namen »Der Freimütige«, entbrannte bald der heftigste Krieg, der tüchtig an den Nerven rüttelte.

Gegen den Frühling hin, zu Rendalens Geburtstag, kam der Verein auf den unglückseligen Einfall, auf dem Turm eine große Flaggenstange anzubringen, und von dort wehte nun an dem großen Tage eine ungeheure norwegische Fahne ohne Unionszeichen.

Offenbar dachten die Mädchen gar nicht an den alten Flaggenstreit, aber Rendalen hatte der ganzen Schule Abbildungen von den Fahnen sämtlicher Staaten der Erde gezeigt und ihnen dabei erklärt, ein Unionszeichen führten von altersher nur solche Staaten, die ineinander aufgegangen wären, wie z. B. Schottland, Irland, England und die amerikanischen Freistaaten. Das sei also die Weltauffassung eines Unionszeichens trotz der verschiedenen Farben der Flaggen. Uns, dem kleineren der beiden Staaten, würde also das Unionszeichen das Aussehen geben, als wären wir in Schweden aufgegangen.

Aber die Fahne wurde als eine »Demonstration« ausgelegt. Das hieße ja »in der Schule Politik treiben«. Rendalen ließ also die Fahne nicht wieder hissen; er wollte einen neuen Streit vermeiden.

Aber das half ihm gar nichts; die bösen Geister waren geweckt; und alle die alten Anklagen tauchten wieder in den Spalten des »Zuschauers« auf. Im Klub trat plötzlich der Stadtschultheiß mit einer Gabe von 5000 Kronen hervor für »eine neue Schule ohne Politik, ohne tendenziösen Unterricht und ohne eine Methode, die wider die Moral verstieß«. Der Geber wollte ungenannt bleiben.

Damit war der entscheidende Schritt getan.

Der Stadtschultheiß und seine Frau fügten je 1000 Kronen hinzu; er war es ja, der auch das vorige Mal die Einrichtung einer neuen Schule in Vorschlag gebracht hatte; jetzt trat er öffentlich hervor; er war »in Harnisch gebracht«. Das anonyme Geschenk war gerade so groß wie das Vermächtnis der Frau Engel seinerzeit ... Sollte Konsul Engel der Geber sein? – – – Auf der Stelle wurden mehrere Beiträge gezeichnet; aber es waren nur kleinere Summen.

Unverzüglich meldete Tomas Rendalen sich zum Mitglied des Klubs; gleichzeitig auch mehrere seiner Freunde, darunter Karl Wangen und Nils Hansen. Alle die letzteren wurden in einer zahlreich besuchten Versammlung in den Klub aufgenommen, Nils Hansen jedoch mit knapper Majorität. Und auch das hatte er wohl nur dem Zufall zu verdanken, daß das Klubhaus zum Teil auf seinem Grund und Boden lag. Rendalens Aufnahme dagegen wurde »vertagt«. Zwar bestimmten die Statuten, daß jedes Aufnahmegesuch in der ersten Sitzung erledigt werden sollte; aber zum Glück waren so viele Juristen anwesend, daß diese Bestimmung beliebig verdolmetscht werden konnte, und da stellte sich denn heraus, daß die Worte »in der ersten« eigentlich bedeuteten »in der nächsten«.

Diese nächste Sitzung war sehr besucht. Der Stadtschultheiß eröffnete sie mit der überraschenden Erklärung, daß Herr Rendalen »im Interesse des Friedens« dem Verein ferngehalten werden müsse.

Nun waren aber eine Anzahl Männer von ihren respektiven Frauen abgeschickt worden, um für Rendalen zu stimmen, und einer dieser artigen Pantoffelhelden machte die schüchterne Bemerkung, daß durch den Antrag des Herrn Stadtschultheißen der »Friede« bereits gestört sei. Hierüber ward der Stadtschultheiß so erbittert, daß er längere Zeit keine Worte fand, so daß der Advokat des Konsuls Engel, der beste Redner der Stadt, es für angemessen hielt, ihm zu Hilfe zu eilen. Er hieß Bugge und war von einer fetten Beredsamkeit. Verschiedene andre Advokaten traten in seine Fußtapfen, und alle redeten mehr oder weniger von Frieden, Moral und Christentum – Themata, die sie doch jedenfalls vom Hörensagen kannten.

Karl Wangen fragte, was in aller Welt diese großen Fragen damit zu tun hätten, daß Rendalen Mitglied eines gesellschaftlichen Vereins werden wolle. Doch kaum hatte Karl Wangen sich erhoben, so zog der Stadtschultheiß eine lange Liste aus der Tasche und fragte, ob er Herrn Pastor Wangen einige Fragen vorlegen dürfte.

»Bitte, gern.«

»Erste Frage: Ist es wahr, daß Herr Rendalen gesagt hat, der Geschichtsunterricht könne nicht gut Leuten anvertraut werden, die glaubten, die Erde habe als Paradies und ihre ersten Bewohner als vollkommene Menschen angefangen?«

Atemloses Schweigen; dann bemerkte Karl Wangen etwas zögernd:

»Ja, das ist wahr, aber –«

»Bitte sehr, ich habe das Wort,« unterbrach ihn der Stadtschultheiß.

»Aber nein,« meinte einer der artigen Pantoffelhelden, »Pastor Wangen hat doch wirklich das Wort. Sie haben ja eine Frage an ihn gerichtet.«

Große Aufregung; aber zum Glück waren die wirklichen Männer in der Mehrheit, die artigen Pantoffelhelden hatten nicht einmal so kräftige Kehlen.

»Zweite Frage: Ist es wahr, daß Herr Rendalen gesagt hat –?«

»Aber, meine Besten,« rief da Nils Hansen, »soll denn Rendalen in den Klub aufgenommen werden, um komfermiert zu werden?«

Ein brüllendes Gelächter war die Antwort. Im ganzen Saal, ohne jeden Parteiunterschied, große Heiterkeit. Der Stadtschultheiß wartete, bis die Ruhe wieder hergestellt war. Dann begann er von neuem:

»Zweite Frage: Ist es wahr –?«

Das Gelächter platzte wieder los, ärger als zuvor.

Der Stadtschultheiß packte zusammen und zog ab durch die Mitte.

Jetzt stand Karl Wangen auf. Sein Freund Rendalen sei der Ansicht, der Geschichtsunterricht müsse gewissenhaft alle Phasen der Entwicklung, so wie sie vorlägen, berücksichtigen, also auch die Entwicklung des Christentums; das Menschenleben als ein Werk Gottes zu schildern, das komme dem Religionsunterricht zu.

»Ist er denn kein Christ?« fragte Rechtsanwalt Bugge.

»Damit haben wir hier gar nix zu schaffen!« rief Nils Hansen.

»Ist er denn kein Christ?« wiederholte Bugge.

»Nein, ein Christ ist er nicht,« antwortete Karl Wangen, rot wie ein Schulknabe.

»So 'n Schafskopp!« hörte man Nils Hansen halblaut sagen; jetzt zog auch er sich zurück.

»Dann hat er uns betrogen!« rief Bugge.

» Das hätte er gleich sagen müssen,« meinte ein zweiter. Jetzt riefen verschiedene durcheinander, Unruhe, Lärm, Heiterkeit. Alle die braven Pantoffelhelden hielten erschrocken den Mund.

Ein ruhiger, angesehener Bürger bat ums Wort:

»Ja,« begann er, »ich konnte mir's beinah denken, daß Herr Rendalen kein Christ ist. Die Frau dem Manne gleichstellen – das widerstreitet dem Christentum.«

Nun stand Pastor Wangen wieder auf der Rednerbühne, und jetzt sprach er mit großer Wärme. Rendalen habe durchaus ehrlich gehandelt. Solange das Christentum das moralische Bewußtsein des Menschen trägt, müsse jeder Schulvorsteher darauf achten, daß die Kinder vom Geiste des Christentums so wahrhaft und innig durchdrungen würden wie möglich. Und so habe Rendalen gehandelt. Es sei mir zu bedauern, daß das Werkzeug so gebrechlich wäre, denn das sei er, Karl Wangen, selbst. Er könne aber der Versammlung die Versicherung geben, daß er vollauf Gelegenheit habe, zu geben, was er zu geben vermöchte.

Diese Worte machten einen guten Eindruck, und einen Augenblick ließ es sich an, als wäre die Sache damit abgetan. Aber der Mann von vorhin trat wieder auf; man sah ihn an, daß es ihm ernst war. »Hätte Tomas Rendalen das gesagt, als er vor zwei Jahren da oben im Turnlokal die Rede hielt, hätte er damals gesagt: ›Ich bin kein Christ!‹ so wäre nie was aus der Schule geworden.«

Darauf wußte Karl Wangen in der Eile nichts zu antworten; das schien ihm selbst plausibel. Unmittelbar darauf fand die Abstimmung statt, und mit überwältigender Mehrheit wurde Rendalen ausgeschlossen.

»Nicht etwa,« bemerkte Rechtsanwalt Bugge, »weil Herr Rendalen nicht gläubig ist – denn hier ist man tolerant –, sondern weil er nicht ehrlich gewesen ist.«

Sobald Rendalen konnte, versammelte er seine Freunde und alle, die sonst wollten, im Turnsaal. Diesmal war das Haus gedrängt voll. Das war ein Kampf, den alle verstanden und der die meisten interessierte. Auch über die eigentliche Frauenfrage war man jetzt mehr aufgeklärt als vor zwei Jahren. Rendalen konnte frei von der Leber reden. Er begann damit, man habe hier »die Religion als letzten Notanker« gebraucht. Das habe er längst erwartet. Er gab der Versammlung ein belustigendes Bild von der religiös-sittlichen Verantwortung in Tabaksqualm und Punschduft um den Spieltisch. Auch von der Mannstugend, die darin bestände, strenge Forderungen an – die Frau zu stellen; sie sei namentlich ein Leckerbissen für die Männer selbst.

Eine Arbeit für die Gleichstellung von Mann und Weib dürfe nimmermehr eine christentumsfeindliche genannt werden, falls nicht etwa der bekannte Beitrag des Judentums zu den christlichen Grundsätzen gutgeheißen werden sollte. Täte man aber das, d. h. also, hieße man die Anschauungen von dem Verhältnis der Frau vor zweitausend Jahren im Lande der Juden gut, ja, dann könnte er den Christen erzählen, damit würden sie nicht die modernen Forderungen, sondern sich selbst sprengen.

Niemandes Beistand begehre er so herzlich, als den der ernsthaft Gläubigen. Er meinte auch, ein jeder gläubige Christ, der nicht etwa reaktionäre Zwecke habe, müsse sich auf den Standpunkt des großen französischen Geistlichen Pressensé stellen.

Er selbst habe als Lehrer der Geschichte allzeit gewissenhaft die Taten des Christentums nachzuweisen gesucht.

Als Lehrer in den Naturwissenschaften dagegen könne er nicht umhin, hervorzuheben, daß verschiedene Ergebnisse der neueren Wissenschaft sich gegen die jüdische Tradition wendeten; selbst in der christlichen Schule müsse ein ehrlicher Lehrer der Naturwissenschaft in diese Lage kommen. Aber die Hauptdogmen, der Glaube an Gott, an die Erlösung durch Christus, blieben unangetastet.

Der Christentumsverkündung seiner Schule sei nicht die mindeste Schranke gesetzt; sie sei in den Händen eines Geistlichen, der von allen hochgeachtet werde. Er selbst aber befände sich in seinem guten Recht, wenn er verlange, das man seinen eignen Glauben aus dem Spiele lasse.

Diesmal stieß die der Schule feindliche Strömung auf eine sehr kräftige Gegenströmung. Und es war ein sehr gutes Zeichen, daß Miß Halls öffentliche Vorlesungen in der Schule auch fernerhin gut besucht waren.

Aber was würden Rendalen und seine eifrigen Vorkämpfer gesagt haben, hätten sie gewußt, daß die ganze Bewegung von der Flaggengeschichte an von außen her inszeniert war? Daß die besten Angriffe des »Zuschauers« nicht einmal in der Stadt selbst geschrieben worden waren? Daß der Stadtschultheiß nichts als eine Schachfigur in einer eleganten, aber starken Hand war? Daß die 5000 Kronen, die seine – und seiner Gattin – Moral so ungemein entflammt hatten, durchaus nicht von Konsul Engel herrührten? Was würden der Stadtschultheiß, was der Advokat Bugge und seine Kollegen gesagt haben, hätten sie gewußt, daß der große Ungenannte, der ihre Beredsamkeit so in Schwung gebracht hatte, ein Schelm war, der genau berechnet hatte, just so würden diese Kerle sich benehmen, wenn sie glaubten, Konsul Engel sei der Geber? Was würden alle diese achtungswerten Männer und Frauen, die für Moral und Christentum kämpften, gesagt haben, hätten sie gewußt, daß da in Stockholm ein Mann saß, der ihren Eifer und ihre Vorurteilslosigkeit, sowie andrer Unterwürfigkeit und Speichelleckerei mit derselben Überlegenheit berechnete, mit der wir die Kraft der plumpen Naturmächte für unsere Zwecke in Gebrauch nehmen?

Dennoch vermochte ein Abwesender die Kraft des Widerstands nicht auf ein Haar zu berechnen; wo Frauen mit im Spiele sind, ist das Rechenexempel nicht immer so leicht. Trotz der großen Anstrengungen hatte man nur wenig – viel, viel zu wenig Geld in Händen.

Also hieß es eine Mine legen und etwas von der Widerstandskraft wegsprengen. Und das tat er ...

Das Gerücht von Leutnant Nils Fürsts Verlobung mit Milla Engel war in den Sand verlaufen. Doch plötzlich lebte es wieder auf und mit ihr die Erbitterung der gesamten Frauenpartei! Aus Rendalens Umgebung wurden höhnische, beißende Worte über die Stadt geschleudert; sie trafen, und kränkten sowohl die Fürsts wie die Engels aufs empfindlichste. Namentlich fühlte Konsul Engel sich aufs tiefste verletzt über eine Äußerung, die Rendalen getan haben sollte: »An dem Tage müßten sämtliche Maitressen des Konsuls als Brautjungfern vorangehen.«

Konsul Engel ließ Rendalen sagen, er habe sich bis jetzt dem Streit ferngehalten. Aber wenn die Hochzeit zustande käme, so sollte die neue Schule mit einem Haus und reichlichen Geldmitteln bedacht werden.

Der Überbringer dieser Botschaft an Rendalen erhielt stehenden Fußes die Antwort:

»Ja, es ist gut, daß der Herr Konsul ein ›wenn‹ hinzugefügt. Denn in einer Kirche dieser Stadt wird Milla Engel es nicht wagen, sich mit Nils Fürst trauen zu lassen.«

Das ging denn doch über alle Grenzen, das fanden auch andre als der Konsul; jetzt fühlte er sich gedrungen, zu handeln.

Milla war nämlich gar nicht aufs neue mit Nils Fürst verlobt; das Gerücht beruhte auf Unwahrheit, es war nur ein Kniff gewesen. Bisher hatte der Konsul vermieden, sich in die Sache zu mischen. Er hatte sich damit begnügt, Milla Ausschnitte aus dem »Zuschauer« und kleine Geschichten, Anekdoten usw. zu schicken ... Auch hatte er andre veranlaßt, ihr zu schreiben; sie stand ja mit keinem auf dem »Gut« mehr in Briefwechsel. Aber jetzt schrieb er selbst direkt an sie. Das Glück wollte, daß er ihr einen Aufsatz aus einer lutherischen Wochenschrift senden konnte, worin ein hochangesehener Geistlicher gerade die Behauptung analysierte, daß die Frau vom Manne mit demselben Recht ein keusches Leben verlange, wie der Mann von der Frau. Das streng logische Ergebnis der Analyse war, daß diese Forderung unchristlich wäre.

»Da siehst du's,« schrieb der Vater, »was weiter steht denn im Wege? Du liebst ja Nils Fürst. Hast Du noch irgend eine Bedingung für diese Heirat zu setzen, so nenne sie ruhig, mein Kind! Dein und mein Ansehen erfordert es, daß Du unsern Verhältnissen entsprechend in Deiner Vaterstadt getraut wirst.«

Und Milla nannte die Bedingung. Wenn der Seelsorger ihrer teuren Mutter, der alte Propst Green, der das Vermächtnis ihrer Mutter der Schule überbracht hatte, sie persönlich trauen wolle, so möge Papa den Hochzeitstag nur sofort bestimmen.

Also der alte Green, der angesehenste Mann der Stadt, sollte für die Partei gut sagen! Das schien dem Konsul undenkbar. Er schrieb an Nils Fürst, jetzt habe er nur noch wenig Hoffnung.

Aber Fürst war andrer Meinung. Die meisten alten Leute haben eine Schwäche für Kompromisse. Er instruierte seinen Schwager, und nachdem dieser mit dem Propst Rücksprache genommen hatte, schrieb Fürst an den Konsul, die Sache stehe vielleicht besser, als er glaube. Der Konsul begab sich sofort selbst hin. Allerdings wunderte es ihn ein wenig, daß der alte Herr bestimmt erklärte, dann müsse es aber auch mit den Angriffen auf die Schule ein Ende haben.

Ein eigentümliches Lächeln glitt über des Konsuls Gesicht, als er bedauernd bemerkte: So mächtig wäre sein Einfluß nicht. Der alte Geistliche beantwortete Lächeln mit Lächeln und meinte, mit dem Einfluß habe es keine Not. Und dabei blieb es ...

An einem Freitag Morgen gingen gedruckte Einladungen an die Freunde in der Stadt und den Nachbarstädten aus. Konsul Engel bat, ihm die Ehre zu geben, der Trauung seiner Tochter Milla mit dem Marineleutnant Herrn Nils Fürst beizuwohnen.

Schon Montag in acht Tagen, nachmittags vier Uhr, sollte die Trauung in der Kreuzkirche stattfinden; da tat Eile not. Den Einladungen an die ältesten Freunde des Konsuls fügte er eigenhändig bei, daß der alte Seelsorger der Familie, der Freund seiner unvergeßlichen Gattin, der alte Propst Green, dem jungen Paare die Ehre erweisen werde, sie zu trauen.

An demselben Tage um Mittag ging Konsul Engel an der Landungsbrücke vorüber, just in der Zeit, da die Geschäftsleute von dort kamen oder hinuntergingen. Allgemeines Grüßen mit strahlenden Gesichtern und lebhaftes Hutschwenken; und alle, die es sich gestatten durften, drückten lachend die glückliche Hand.

Es hatte die Leute geärgert, daß Tomas Rendalen vorschreiben wollte, wer sich verheiraten durfte und wer nicht – just wie in alten Tagen der Max Kurt. So 'n armer verschuldeter Teufel, dem seine Schule jeden Tag über dem Kopf zusammenstürzen konnte!

Die Nachricht von der Trauung und daß Propst Green sie vollziehen sollte, segelte am Sonnabend mit den Dampfschiffen nach beiden Seiten, sprang an den Inseln an Land und schlüpfte durch die Wälder weit ins Land hinauf. Überall brachte sie Leben in die Bude. Die Sommerfrischler der einen Partei jubelten, die der andern waren im höchsten Grade entrüstet. Aber keine Frau, auf welcher Seite sie stehen mochte, unterließ, zu erklären, an dem Tage wollte sie in die Stadt und sehen. Die Kinder bettelten, ob sie nicht mitdürften; die Trauung wurde schon in den Wäldchen und in den Schären aufgeführt; der alte Pastor Green stand in kurzen Röckchen und mit nackten Ärmchen und segnete das Brautpaar mit bebbernder Stimme.

Kurz darauf kam das Gerücht nachgehumpelt, der, welcher die 5000 Kronen für die neue Schule hergegeben – habe den Beitrag zurückgezogen. Konsul Engel habe den »Skandal« mit der Schule ernstlich getadelt! Ginge das Treiben so weiter, so sehe er sich veranlaßt, das Vermächtnis seiner seligen Gattin effektiv zu stützen; ihr Andenken fordere das von ihm.

War hier ein Kompromiß geschlossen worden? Sollte Milla als Friedensengel zurückkommen? Wer das Christentum und die Moral, wie ging's damit?

Man war aufgebracht und man lachte. Einige, und darunter der Stadtschultheiß, wollten nicht klein beigeben. Aber wo wollte man hin mit einer neuen Schule ohne Konsul Engel? Und schließlich: alle wollten gern Frieden haben, als man mit kühlerem Blut die Vorteile desselben erwog ... Die Tochter der Testatorin heiratet Nils Fürst ... das war ein Sieg, das verschlug. Noch ein paar ähnliche Heiraten – womöglich mit den hervorragendsten Zöglingen der Schule – und die gute, alte Konstitution, die gute, alte Tugend- und Machtverteilung zwischen den Geschlechtern stand unerschüttert. Dann können Rendalen und der Verein und Miß Hall gern machen, was sie wollten ... Von Tora war nicht mehr die Rede.

Am Montag sollte Milla getraut werden und noch an demselben Abend abreisen. Am Freitag abend wollte sie kommen. Keine drei Tage in der Stadt! ... Das deutete nicht auf viel Mut, meinten ihre ehemaligen Freundinnen.

Wirklich war auch keine von ihnen hinunter an die Landungsbrücke gegangen, um sie zu empfangen. Aber das war auch gar nicht nötig; trotz strömenden Regens war es gedrängt voll. Die Hochzeit, zu der sie heimkehrte, war, selbst wenn auch gar nichts vorausgegangen wäre, schon an sich das denkwürdigste Ereignis seit Menschengedenken. Der Bräutigam konnte, unterstützt von dem ungeheuren Vermögen, über das er zu verfügen haben würde, vom Hofe aus eine Karriere beginnen, die ihn zu den höchsten Stellungen im Lande führen würde. Alle, die ihn kannten, nannten ihn einen »geborenen Politiker« – nicht gerade sehr schmeichelhaft für diesen Stand, aber dafür kann ich nichts.

Die Braut war eine Schönheit, hatte zudem Anlagen zu einer vollendeten Weltdame, auch blieb sie nur so kurze Zeit zu Hause, daß man sich die Gelegenheit sichern mußte, ihren Anblick zu erhaschen.

Überall hatte man geflaggt; aber die Fahnen hingen beschämt wie schäbige Farbenklexe an den Stangen herab. Die schönen bewaldeten Berge rings um die Stadt waren fast ganz von Nebel verhüllt; die Häuser, die Gärten, der Hafen – alles lag in einer Schachtel mit grauem Polster drüber. Die Dächer waren nicht rotbraun, sondern schwarz; die Häuser selbst nicht weiß, sondern aschgrau, nicht gelb, sondern schmierig. Alle Farben waren um ein paar Töne herabgedämpft, so daß die Häuser dichter zusammenkrochen und sich wunderlich klein und bucklig ausnahmen in den Augen der jungen Dame, die da aus Paris kam und im Regen auf dem Oberdeck stand, während das Schiff zwischen die Holme hineinglitt. Nur das lange Hauptgebäude des Gutes mit den starren Mauern an den Alleen lag unverhältnismäßig klotzig in seinem Kranz von Bäumen und Grün. Die Ziegelsteinfarbe war drohend dunkel, die Fensterreihen pechschwarz. Der stumme, verdrießliche Turm saß auf der Lauer.

Als sie näher kam, sah sie eine ungeheure weiße Flaggenstange oben drauf, aber ohne Flagge. – – Das Gut lag verschlossen, breit und drohend da. Ihre Augen schweiften in andrer Richtung, hinunter nach der Kreuzkirche und ihrem schlanken Turm, unter dem Max Kurts fidele Seele zum Himmel gefahren war. Übrigens daran dachte Milla nicht; aber unter diesem Turm sollte sie trotz ... Gott im Himmel, was ist das? All das Schwarze, Bewegliche da oben an der Landungsbrücke? ... Ganz bis an die Häuser heran? Regenschirme? Wahrhaftig, nichts als Regenschirme ohne Ende ... Was hatte das zu bedeuten?

Aus den Mitteilungen, die man ihr gemacht hatte, und vielleicht noch mehr aus denen, die ihr nicht gemacht worden waren, hatte sie die Vorstellung gewonnen, daß, wenn auch nicht alles so sei, wie sie es wünschte, doch jedenfalls jetzt hier Frieden herrschte und keinerlei Gefahr. Pastor Greens Autorität deckte sie, und sie selbst wollte sicherlich keinem Menschen was zuleide tun. Aber beim Anblick dieser Menschenmenge zuckte ihr die Erinnerung durch den Kopf, wie die arme Frau Rendalen begrüßt worden war, als sie von ihrer Reise mit Tora zurückkehrte. Und Milla wurde totenblaß – ein namenloses Entsetzen packte sie. So sehr sie auch mit aller, aller Kraft dagegen anging, sie begann zu zittern – zu zittern bis in die Knie hinein, so daß ihr Körper klapperte; sie mußte sich festhalten, sich setzen. In der kurzen Zeit von vier Minuten litt sie – mehr, weit mehr, als damals, als ihre Mutter starb; denn damals hatte ein Tröster sie umschwebt, eine leuchtende Verheißung auf ein Wiedersehen, eine Klarheit über dem Dunkel. Aber das hier war kurz, abgehauen, in den Abgrund geworfen. Unbarmherzig lachend rings um sie her packte es nach ihren Händen, – wo sollte sie sich nur verkriechen?

Ihr Vater war mit auf dem Schiffe, aber in diesem Augenblick war er unten, um das Reisegepäck zu verzollen und zu sammeln. Er hörte das Schiff plätschernd wenden, darauf ein Hurra wie von Hunderten, und wieder eins und wieder eins. Er eilte hinauf – da stürzte ihm seine Tochter entgegen, tastete nach ihm und schmiegte sich, am ganzen Körper heftig bebend, an ihn. Sie, die für gewöhnlich aus festem Holz geschnitzt war, war in diesem Augenblick aus nichts wie aus losen Spänen zusammengesetzt.

»Aber, Milla, sie rufen ja Hurra für die Braut! Milla!«

»Halt mich fest!« flüsterte sie, »ich muß mich erst fassen, das wußte ich nicht ... ich dachte –« Und sie fing an zu weinen – o, wie sie weinte!

Zum Glück war an der Landungsbrücke irgend etwas nicht in Ordnung; es dauerte daher einige Zeit, ehe das Schiff anlegen konnte. Der Kapitän fluchte; ihre Erregung legte sich, während sie zuhörte, so daß sie, als sie an ihres Vaters Arm ans Land stieg, zwar noch immer blaß, noch immer ein wenig zitternd, doch lächeln konnte in ihrem allerliebsten Reiseanzug, unter dem koketten Hut. Es stand ihr reizend, daß sie geweint hatte!

Abermals donnernde Hurras für die Braut und Konsul Engel! Fast nur Männer, und keinen, den sie kannte ... doch, da waren ja Fürsts Schwestern und Frau Gröndal. Da kamen auch Wingards und andre, und Blumen und Willkommsrufe, nichts als Huldigungen, nichts als freudiges Begrüßen. Und Blumen, immer neue Blumen! Der Wagen war schon ganz voll. Als sie drin saß – in demselben Wagen, in dem sie vor vierzehn Monaten mit Tora hinunter zum Schiff gefahren war – doch sie hatte keine Zeit, daran zu denken. Der Empfang war zu großartig, wirklich ideal! – –

* * *

In derselben Nacht, kur; nach zwei Uhr, fuhr ein Einspänner langsam die Allee hinauf nach dem Gute. Darin saß eine verschleierte Dame mit einem Kind im Arm. Sie wurde erwartet, denn Rendalen kam sofort herunter, um sie zu empfangen und hinaufzuführen. Auf der Treppe stand Frau Rendalen ... Es war ein bewegtes Wiedersehen.

2. Flaggen über Stadt und Hafen

Zwischen zwei und drei Uhr nachmittags trabten zwei arme Druckereiteufel nach verschiedenen Richtungen mit dem »Zuschauer« los. Sie warfen ihn in die Hausflure, schoben ihn durch die Fenster in die Zimmer, steckten ihn unter die Türen – weiter, immer weiter! ... Die Kirche war schon längst voll; jetzt war auch der Markt »proppenvoll« von oben bis unten.

Wenn die biedern Bürger heimkämen und den »Zuschauer« fänden, sollten sie folgendes zu lesen bekommen: »In diesem Augenblick, da das Blatt in die Presse geht, bietet unsere Stadt einen festlichen Anblick. Herr Marineleutnant Nils Fürst und Fräulein Emilie Engel, beide den ältesten und geachtetsten Familien der Stadt angehörend, werden heut um vier Uhr in der Kreuzkirche von unserm allverehrten Herrn Propst getraut. Vom Lande, wo sämtliche Familien, denen es ihre Mittel gestatten, die Sommerferien zubringen, ist alles zur Feier herbeigeströmt. Auch eine ansehnliche Menge Fremde füllt unsere Straßen. Wie verlautet, hat Herr Konsul Engel durch den Oberkammerherrn am norwegischen Hofe die Glückwünsche Sr. Majestät des Königs empfangen. Herr Konsul Engel hat aus Anlaß dieses erfreulichen Familienereignisses dem ›Verein für unterstützungsbedürftige Wöchnerinnen‹ eine Summe von 10 000 Kronen übersandt. Sämtliche Arme der Stadt werden heut auf Kosten des Herrn Konsuls gespeist. Ferner hören wir in diesem Augenblick, daß er auf ein spezielles Gesuch eine Summe von 2000 Kronen behufs zeitgemäßer Verbesserung der ausgezeichneten Orgel unserer Kreuzkirche zur Verfügung gestellt hat.

Flaggen über Stadt und Hafen.«

Um die Mittagszeit hatte eine frische Brise die glühend heißen Straßen abgekühlt; jetzt bewegte nur hin und wieder ein launisches Windchen die Fahnen, und jedesmal, wenn sie sich hoben, schwebte ein reicher Farbenflor über der ganzen Stadt und dem Hafen; mehrere Schiffe waren vom Mast bis zum Deck bewimpelt. Eine Barke – die reichst geschmückte von allen – war weiter hinausgefahren, um von dem Augenblick an, wo das junge Paar getraut sein würde, bis zu dem Moment, wo der Brautwagen vor dem Hause des Konsuls hielt, Salutschüsse abzufeuern; auch später während des Hochzeitsmahls sollte geschossen werden.

Über Berg und Halde und See und Stadt ein Himmel in strahlender Laune. Wie traulich, wie heimlich war doch die Stadt im Sonnenschein!

Die Häusergevierte lagen viereckig geschnitten und provinzlich zierlich zwischen den runden Pflastersteinen, die warm und äußerst zufrieden nach der Festwaschung in der Sonne dalagen. Die Schlagschatten waren sehr stark; wenn ein friedlicher Spaziergänger aus einem derselben heraus und wieder in den grauweißen Glanz der Straße trat, hatte er ein Gefühl, wie in alten Tagen die Talglichtschnuppe, wenn sie der Lichtputzschere entschlüpfte. Die Katze nieste im Sonnenschein; heut durfte sie sich hinüberwagen, denn heut waren die Hunde faul. Der Rinnstein – sonst die Freude und Wonne des kleinen Schuhzeugs – gähnte hoffnungslos; die Zeitungsbuben sprangen kreuz und quer darüber hinweg, aus einem leeren Haus ins andre leere Haus.

Überall so reinlich und niedlich und still. Nur in den Straßen am Quai Geruch von faulendem Holz, Salzheringen, Tran »und diverse«; dort wurde auch gearbeitet. Fest am Toppmast, Schweißtropfen unter und über Deck. Sonst wurde heute fast alle Arbeit um drei Uhr eingestellt.

Vom »Berge« her sah man Scharen von Kindern dem Markt zutraben; etwas später Scharen von Frauen, alten und jungen. Man wußte sich dort oben auf dem »Berge« auch gar mancherlei von den beiden Familien zu erzählen, die sich heute vereinen sollten.

Welch ein herrlicher Tag! Die kurzen Landwindböen hauchten über die See hin; in einer unruhigen, dunklen Spitze liefen sie vorwärts, verloren sich aber in dem blaugrauen Wasser bei den Holmen. Das große Meer lag draußen in mächtiger Ruhe und schaute herein. Wie schön waren auch die waldigen Berge und Halden in ihren satten Farben von Laub und Tannenwald, und unten an den Hängen das Grummet, tiefer grün und einfarbiger als das Frühlingsgras.

Auf dem Wege am Kirchhof entlang ein langer Streifen von Fußgängern; die Landleute aus der nächsten Umgebung stiefeln im letzten Moment noch heran, um auch ein bißchen von all der Pracht zu erhaschen; der Mann voran, das Weib hinterher. Zwischen den Inseln schießt ein kleiner Dampfer plätschernd und prustend hervor. Er hat sich verspätet. Er führt Passagiere aus der Nachbarstadt mit sich und hat ein Hornistenquartett an Bord.

Der »Berg« stieg für den, der sich von der Meeresseite der Stadt näherte, wie ein Ameisenhaufen im Sonnenschein aus der See auf. Aber das Bild verschob sich, wenn man näher kam; dann sahen die kleinen Häuser auf dem »Berge« aus wie Strümpfe und Hemden, zum Trocknen aufgehängt. Und in der Nähe wurde er dann zu dem spaßigsten Heckenbauer für Menschenkinder von der Seevogelrasse. Die vornehmen Kleinen unten in der Stadt glotzten mit schrecklichem Neid darauf hin – besonders an einem Tage wie dem heutigen; denn die Flaggen bliesen die Phantasie auf.

Von Zeit zu Zeit wandten die Leute die Köpfe hinauf nach dem Gut. Das mächtige Gebäude funkelte mit Sonne in allen Fensterscheiben; aber keine Fahne wehte vom Turm.

Noch um halb vier Uhr ging Konsul Engel mit der Zigarre im Munde auf den Boden hinauf, um zu sehen, ob dort noch immer keine Fahne aufgezogen sei. Milla kam gerade die Treppe hinunter. Sie war schon ganz fertig, hatte aber noch ihr Peignoir an. Als sie ihrem Vater begegnete, wurde sie rot.

»Was machst du denn hier oben, Kleine?«

»Ach, ich suche bloß –«

Sie glitt vorbei, ohne zu sagen, was sie suchte.

Noch immer keine Flagge auf dem Turm!

Der Konsul dachte: Und wenn es selbst eine Fahne ohne Unionszeichen gewesen wäre, heut hätte sie doch unglaublich gut getan.

Seitdem sich das Gerücht verbreitet hatte, Tora Holm sei mit ihrem Kinde auf dem Gute – und das wurde schon am Sonnabend früh laut –, war ihm, als hinge eine Lawine dort oben auf dem Berge, bereit, sich auf sie alle herabzustürzen. Die hatte ihm auch alle die Gaben abgepreßt. Hätte nur irgend jemand um mehr gebeten, er hätte gleich noch mehr gegeben. Er hatte zwei schlaflose Nächte gehabt! War es denn wahr, daß Rendalen dem alten Propst einen Brief geschrieben hatte, worin er ihm, wenn auch mit aller Ehrerbietigkeit, erklärt habe, daß, wenn dies »Friede« sei, es sich wieder einmal bewahrheite, daß der Friede des Teufels, der Kampf aber Gottes sei!

Was hatten sie im Sinn? Einen Skandal? ... Die ganze Stadt fragte sich's.

Toras Erscheinen mit ihrem Kinde, gerade jetzt, – das war ein Richtspruch. Dann war also ihr Gewissen frei; dann würde etwas geschehen.

Keine Verteidigung hielt stand gegen die eine Tatsache: Tora Holm wagt es, sich zu zeigen, Tomas Rendalen und seine Mutter und alle ihre Freunde und Freundinnen glauben an sie.

Nun kam auch plötzlich Leben in Nils Fürsts Junggesellenabenteuer, d. h. alle die aus dieser Gegend herrührten. Für gewöhnlich hatten sie nur bewiesen, was für 'n Teufelskerl der Nils Fürst war, und waren mit einem galanten Gelächter weggerollt. Jetzt verstummte das Lachen. Die Geschichten konnten Toms Anwesenheit nicht vertragen; da nahmen sie andre Farbe an, einige wurden geradezu anrüchig.

Und dann dem Schwiegervater seine! Auch die wurden wieder hervorgezerrt. Zwar keine handelte von kühnen Verführungen, unerwarteten, Aufsehen erregenden Eroberungen, keine Skandalgeschichten – Gott behüte! Aber man kannte gewisse stille Verhältnisse, oft mehrere gleichzeitig. Auch von kostbaren Geschenken und kleinen Leibrenten wußte man zu tuscheln. Man kannte Kinder, die für die seinen galten; die eine unverschämte Ähnlichkeit mit ihm hatten. Alles erwachte wieder; selbst »Unvorsichtigkeiten«, die älter als zwanzig Jahre waren, tauchten wieder auf ... Ein solches Provinzstädtchen hat ein gar unbarmherziges Gedächtnis!

Erst kürzlich hatten die Leute darüber gejubelt, daß Frau Engels Vermächtnis ein Gegenvermächtnis hervorgerufen hatte, damit die »Unanständigkeiten« da oben in der Schule ein Ende nähmen. Jetzt, da die Frauen schon am Sonntag herbeiströmten und die Jüngeren eiligst aufs Gut hinaufliefen oder sich in Gruppen auf der Straße sammelten, glitt eine Erinnerung an Frau Engels schöne Beerdigungsfeier über die Stadt hin. Was ihre Tochter hier vollführte, war doch im Grunde eine Versündigung an dem Andenken der Mutter.

Sie selbst war die einzige, die nicht wußte, daß Tora in der Stadt war. Fürst war am Sonnabend Vormittag gekommen und hatte es sofort gehört. Er sowohl wie der Vater dachten sicher, Tora sei gekommen, um sich zu Milla vorzudrängen. Mit vollendeter Sorgfalt wurde daher aufgepaßt, daß weder Tora selbst, noch eine Botschaft, noch ein Brief oder irgend ein Zeichen von ihr zu Milla gelangte, ohne abgefaßt zu werden. Ihre ganze Umgebung war instruiert. Zudem bestand diese ausschließlich aus Mitgliedern der beiden Familien. Die Brautjungfern kamen am Sonntag an; auch sie waren Verwandte und mit Ausnahme einer einzigen alle von außerhalb. Milla wußte nicht anders, als daß die Gegenpartei geschlagen und bankrott sei; sie wünschte jetzt nichts sehnlicher als Frieden. Ihr Vater, meinte sie, habe den festen Willen, der Schule zu helfen; diese könne ja doch viel Gutes wirken, wenn sie einige ihrer Phantastereien fallen ließe. Für dieses Versprechen war Milla ihrem Vater besonders dankbar. Lieber Gott, warum nicht gut sein gegeneinander? Ja, das wollen wir ja gerade, versicherte Fürst. Die Schulpartei hat Frieden geschlossen: der alte Propst Green ist ja der Beweis dafür. – Es ist wahr, der alte Propst ist der Beweis dafür, wiederholte Milla, wenn ihr Zweifel kamen.

Am Sonntag war sie in der Kirche und hörte ihn predigen. Das tat ihr so wohl. Und am Nachmittag machte sie ihm mit ihrem Vater einen Besuch. Wie reizend liebenswürdig er war! Er ermahnte sie zur Geduld; wir Menschenkinder vermögen die Welt nicht zu ändern, aber wir können ihr ein gutes Beispiel geben; das habe ihre Mutter getan ... Milla kam in eine ganz gerührte Stimmung. Ach, wenn doch mir alle Menschen gut wären!

Nie war ihr Vater so lieb gegen sie gewesen wie jetzt. Seine unerschöpfliche Güte erinnerte sie an die Zeit, als ihre selige Mutter krank war. Und dann seine herrliche Wohltätigkeit. In keiner schöneren, zarteren Weise hätte er ihr Ehre erweisen können ...

Fürst war immer amüsant, und seine ganze Art so überlegen vornehm! Er erzählte vom Hofe, übrigens schrecklich boshaft; es war so behaglich und geistvoll da, wo er war! Milla fühlte sich wirklich glücklich – das heißt mit einem kleinen Beigeschmack von Entbehrung, einem gewissen Gefühl von Unruhe. Und diese war stark genug, daß sie im letzten Augenblick noch auf den Boden hinauf mußte, um nach der Flagge auf dem Turm zu sehen. Aber es war keine da. – Ob vielleicht niemand dort zu Hause war? Das wäre ja auch für beide Teile das beste. Sie konnten sich ja lieber später einmal wiederfinden ...

Jetzt das Brautkleid an! ...

Wenn Tora das gesehen hätte! ... Die arme Tora! ... Ja, ja, so geht's, wenn man nicht vorsichtig ist. Milla bat das Kammermädchen, doch ja darauf zu achten, daß die Falten recht weich fielen.

In demselben Augenblick kam auch Frau Wingard mit dem Brautkranz ...

* * *

Alle, die aus den nächsten Straßen auf den Marktplatz kamen, sahen an dem weit offenen eichenen Portal der Kirche etwas Rotes. Es war ein rotes Hemd und saß auf einem langen Matrosen. Der Kirchendiener hatte ihn forthaben wollen. Unmöglich. Rings herum standen Damen, die gern den besten Platz gehabt hätten. Aber er hatte nur ganz ruhig geantwortet, er habe ein ebenso gutes Recht darauf, wie jeder andre. Und das war ja nicht abzuleugnen. Er war nicht aus der Stadt, niemand kannte ihn. Ein eingebranntes Mal an der Hand zeigte, daß er auf einem Kriegsschiff gewesen war. Das erzählte er auch; und jetzt fahre er mit einem Holzdampfer. Es war ein riesiger Kerl.

Sonst standen auf der Treppe und an der Treppe und weit auf den Platz hinaus nur Damen, ältere und junge; alle, die in der Kirche keinen Platz mehr gefunden hatten. So oft die innere Tür aufging und man in die Kirche hineinblicken konnte, sah man auch dort auf beiden Seiten bis zum Chor hinauf nur Hüte mit Blumen und Federn und Schleiern. Ein einzelner kahler Mannsschädel in einer Stuhlreihe nahm sich aus wie eine vereinzelte überreife Stachelbeere oder Preiselbeere im Herbst. Hätte der selige Herr Max vom Chor, wo er ruhte, das sehen können, es wäre eine liebliche »Schau« für seine frauenhulden Augen gewesen, namentlich, da die Jüngsten überall vornweg waren. Sie waren die Hitzigsten gewesen, sich Platz zu schaffen.

Fast alle die Sonnenschirme, die man auf dem Markt sah, wimmelten um die Treppe und das Portal herum – ein vielfarbiges, bewegliches Schilddach, unter dem man sich Geschichtchen erzählte und ohne Ende lachte. Das mit den »bedürftigen Wöchnerinnen« schien allen ein außerordentlich glücklicher Einfall. Daß Engel, der so taktvoll war, wirklich ... Nun, das kam natürlich daher, weil Frau Wingard die Vorsteherin des Wöchnerinnenasyls war; sie hatte ihn dazu veranlaßt, der kleine Schelm. Zu beiden Seiten der Treppe standen auch die beiden boshaften Schwestern, die den Klub und das Hotel gehabt hatten, bis sie beide hatten abgeben müssen – an Engels Haushälterin. Sie fühlten durchaus keine Veranlassung, Engel oder seine Gäste, die Matadore der Küste, zu schonen.

Zunächst dieser Schar kam eine andre, die nicht ganz so viel Zeit gehabt hatte, sich Platz zu schaffen. Hier gab's wenig Sonnenschirme, aber desto mehr Kopftücher und barhäuptige Jugend. Überall ein Kichern und Zischeln und Tuscheln! ... Keine Andacht, keine feierliche Stimmung, keine Autorität, – gar nicht wie in einer Provinzstadt. Selbst wo die dunklere Schar der Menschen hinzuströmte, auch da herrschte kein Ernst, keine »Wohlanständigkeit«, wie der Herr Stadtschultheiß gesagt haben würde, und wie er wirklich sagte, als er dann ein Viertel vor Vier mit seiner Gattin am Arm in Galauniform unter den geladenen Gästen in das Portal einzog. Ein Gewitzel, ein Gelächter, ein Mustern der feierlich Eingeladenen, dessen Schlußresultat war, daß sie durchaus nicht imponierten; nein, man sah sie mit muntren Augen an, fast wie Kameraden.

Die Stadt war gar nicht wieder zu erkennen. Als zwei Jungen auf den Schornstein eines der der Kirche gegenüberliegenden Häuser kletterten, wurden sie mit lautem Beifallklatschen und Zurufen begrüßt. Und das gerade in dem Augenblick, als der Stadtschultheiß vorüberkam. Mitten unter den Hochzeitsgästen und fast unmittelbar hinter Stadtschultheißens kam der städtische Organist angetorkelt, total betrunken. Er war ein junger Kerl mit langen, blonden Haaren, ein Musikus aus Schwaben, der vor etwa vier Jahren auf einer Konzertreise hier nach der Stadt verschlagen worden war, wo er sich festgesetzt hatte. Der Organist hatte damals gerade das Zeitliche gesegnet; die Orgel war ausgezeichnet; und zudem waren hier kräftige Seebäder.

Ein weiches, phantastisches, echt musikalisches Menschenkind, das alltags aller Liebling war und mehr zu tun hatte, als er leisten konnte, aber an Feiertagen, das heißt, »wenn Konstantinopel erobert worde ischt«, wie er sich ausdrückte, gern unterschiedliche Glas über den Durst trank. Das geschah sehr selten, aber dann tat er alles, was ihm durch den Kopf schoß. Den Gipfelpunkt hatte er eines Tages erreicht, als ein Innenmissionär im Chor über unsere Sünden sprach und der Schwab, als er sah, daß alle gähnten, mit voller Kraft draufloszuspielen begann.

Heut hatte er den sehr glücklichen Einfall gehabt, ganz schlankweg zu Konsul Engel zu gehen und ihn um das Geld für die Orgel zu bitten. Und das bekam er in die Hand in Form einer Anweisung! Also war »Konstantinopel mal wieder erobert worde« und die Champagnerpfropfen knallten. Der erste beste durfte mittrinken. Selig und mit den Armen mächtig fuchtelnd kam er daher. Alle lachten und er lachte mit. Unmittelbar hinter dem Stadtschultheiß und seiner Frau kam er! Und das Ehepaar wurde so steif, so steif, als hätte der Organist ihm Zügel angelegt und führe jetzt mit den beiden in die Kirchtür hinein.

Großer Lärm entstand, als ein Wagen sich einen Weg bahnen wollte; bisher waren alle zu Fuß gekommen. Für Wagen ist hier kein Platz, antwortete man, und versperrte den Weg, so daß die Polizei zu Hilfe kommen mußte.

In dem Wagen saß eine hübsche pikante Dame von undefinierbarem Alter neben einem etwas wabbeligen Herrn mit schön geformtem Kopf und äußerst distinguierter Haltung; gegenüber saß ein ältlicher Herr mit rotem Gesicht, mächtigem Schnurrbart und Fliege und einer Menge Orden. Er redete die ganze Zeit und tat, als säßen die drei in einem verschlossenen Zimmer, wo niemand sie sehen könnte. Sie waren nicht aus der Stadt; niemand kannte sie, bis sie ausgestiegen waren und der Mann mit den Orden der Dame den Arm reichte. Da konnten die beiden Hotelwirtinnen erzählen, er sei ein Generalkonsul aus Christiania, die Dame an seinem Arme wäre nicht seine Frau, sondern die des neben ihm gehenden Herrn. Das war Konsul Garman von der Firma Garman & Worse. Unmittelbar hinter ihnen kamen zwei andre Freunde, die Konsuln Bernick und Ries. Alles bekannte Namen aus der modernen norwegischen Litteratur. Siehe Kiellands Roman »Garman & Worse«, Ibsens »Stützen der Gesellschaft«, Björnsons »Das neue System«. Der erstere ging zur Beerdigung mit dem Stock in der Hand, der andere zu Ball mit seinem Olafsorden an der Brust. Dann folgten noch verschiedene Matadore – mit und ohne Frau – Millionen in Holz, Eis, Bauholz, Hering.

Die schwarze Einförmigkeit wurde unterbrochen durch den Amtmann in großer Uniform und ohne Frau, neben ihm ein alter, gichtbrüchiger General, ein Verwandter von Fürst. Dann Beamte und Kaufleute durcheinander, die meisten mit ihren Frauen. Sie hingen in den Armen ihrer Männer wie vollgepackte, sehr kostbare Körbe, ohne die der respektive Mann sich hier nicht gut zeigen konnte.

Doch tiefstes Schweigen breitete sich jetzt von dem untersten Ende des Marktes her und floß wie ein langsamer Ölstrom über eine aufgeregte See daher. Es war der Bräutigam, der dort unten ausstieg in Begleitung seines Schwagers, Konsul Wingard. Aus einem zweiten Wagen stiegen ein paar Marineoffiziere und zwei Zivilpersonen, der eine von ihnen war Anton Dösen; diese vier schlossen sich den andern an.

Alle die brillanten Manöver, infolge deren der Marineleutnant Fürst heute hier durch die Menge nach der Kreuzkirche schreiten konnte, bewundert beneidet oder verabscheut – die hatte er selbst ausgeführt; insofern gebührte ihm der ruhmreiche Einzug eines Triumphators. Allein er schritt nicht wie ein Triumphator durch die Menge; das sah selbst ein Kind auf den ersten Blick.

Er war nämlich in der tödlichsten Angst. Tora hatte sich nicht gezeigt, hatte keine Botschaft, keinen Brief geschickt; weder sie noch irgend eine ihrer Freundinnen hatte sich in der Nähe des Engelschen Hauses gezeigt. Also nicht, um Milla zu überreden oder zu erschrecken war sie heimgekehrt. Aber warum war sie dann gekommen? Was hatte Rendalens Drohung zu bedeuten?

Bis zur Kirche war noch Gefahr vorhanden. Da drinnen schirmte sie die Heiligkeit des Orts und der ehrwürdige Priester. Aber hier –! Seine Augen suchten die Richtung nach dem Gute hinauf ... Eigentlich nur aus Versehen. Dort drinnen konnte sie nicht mehr vortreten. Auch andre nicht. – Aber hier – –! War sie doch nicht die einzige!

Seine halbgeschlossenen Augen spähten, in dem wettergebräunten Gesicht rührte sich keine Muskel, die Zugbänder an seinem Mund waren zerrissen, kein Lächeln. Die blonden Whiskers hingen schlaff herab und zogen das Gesicht in die Länge. Der Gang des eleganten Mannes war so ängstlich vorsichtig geworden ... jeder Schritt konnte ja Unglück bringen. Traf es nicht ihn, so wartete es auf die, die hinter ihm kam. Überall funkelnde Augen, oft gehässige, aber keine, die er fürchtete. Er war größer als die Weiber; er konnte weit sehen, – nein, nichts.

Er hatte gerade den Fuß auf die erste Treppenstufe gestellt, als der lange Matrose einen Schritt vorwärts trat:

»n schönen Gruß von der Anne-Marja!«

Die zunächst Stehenden hörten es, die ferner Stehenden sahen die Bewegung: »Sagte er was? Was sagte er?« ... All die »S« zischten weiter. Denen, die weiter hinten standen, klang es wie ein »hsssssssssssssss« um die Kirche herum.

Fürst blieb stehen. Die Augen sanken ein, als hätte man ihm seinen Staub übers Gesicht geblasen. Die behandschuhte Hand griff nach dem Taschentuch, ein feines Aroma verbreitete sich. Er putzte sich die Nase – und ging weiter. Seine Begleiter hielten sich dicht hinter ihm.

Drinnen in der Kirche war es dunkel, wenn man aus dem grellen Sonnenschein kam; aber in der Dunkelheit überall Augen, Frauenaugen! Augen!

Hier saßen Toras Freundinnen! Er kannte die ganze Stadt; er musterte sie, eine nach der andern. Sie saßen in der vordersten Reihe, gespannt, unruhig, drohend. Es mußte also doch etwas sein! In demselben Augenblick hörte man die großen Kirchenglocken läuten; jetzt wurde also der Brautwagen am Ende des Marktes sichtbar. Was wird jetzt geschehen?

Nora, Tinka, Anna Rogne saßen unmittelbar zu seiner Linken, als er zum Chor hinaufschritt. Unwillkürlich warf er einen Blick nach der entgegengesetzten Seite; dort stand die vorderste Bank leer. Im Chor stand man auf, als der Bräutigam kam.

Draußen entstand eine Bewegung. Nicht allein, daß jetzt draußen der Wagen der Braut, der der Brautjungfern und Frau Wingards erschien, auch der Kutscher in der grauen Livree wollte vor der Kirche vorfahren, und das ging nicht. Die zunächst Stehenden drängten zurück, um Platz zu schaffen, aber die Hintenstehenden wollten sich nicht drängen lassen und drängelten kräftig wieder, so daß mehrere gegen die Wagenfenster gedrückt wurden. Schreie, zornige Rufe, Kommandorufe und Angst in den Wagen. Konsul Engel steckte den Kopf heraus; aber man hörte nicht, was er sagte. Da stieg er aus. Die Polizei war gleich zur Hand und machte dem Geldfürsten Platz, während die Braut und gleich auch die Brautjungfern ausstiegen. Sie ordneten sich und schritten weiter. Überall wich man zur Seite.

Mit dem Myrtenkranz im goldroten Haar sah die Braut aus wie die untadelige Arbeit eines englischen Akademikers. Die Zeichnung des Gesichts regelmäßig und echt englisch; die Farbe zart und sehr weiß; die Schulterlinie etwas gesenkt; ein außerordentlich schöner Arm; die ganze Gestalt die mustergültige einer edlen, keuschen Jungfrau.

Sie ging mit gesenktem Kopf, ohne irgend jemand anzusehen. Die Hand ruhte leicht auf dem Arm des Vaters; etwas unterhalb seines Olafsordens sah man ihren Diamantschmuck funkeln; doch nur die, die vor ihnen oder höher standen. Eine altertümliche Agraffe, ein kostbares Schmuckstück, das man noch von der Mutter her, die es gerne getragen hatte, kannte, hielt ein Bukett an ihrer Brust fest. Ein Windstoß hob ihren Schleier, als sie die Treppe hinanstieg; er flatterte nach dem Gesicht des Matrosen, traf ihn aber nicht. Ein Strom von Duft wehte über die Menge hin.

Wie fühlte Konsul Engel sich erleichtert, als er in der Tür stand! Das war das schwerste Stück Weges, das er je in seinem Leben zurückgelegt hatte. Und doch war er ohne jede Hast gegangen. Bescheiden, sachte, mild, fromm war er vorwärts geschritten; die Augen hielt er auf einen einzigen Punkt gerichtet – war es das Nadelöhr, durch das es hindurchzukommen galt? Sein regelmäßiges, hübsches Gesicht sah aus, als wäre es niemals von einem Gedanken berührt worden, der im Widerspruch stände mit ehrbaren Sitten, weisen Regeln von Eltern und Vorgesetzten. Ja, das Leben hatte ihm nicht einmal zum Bewußtsein gebracht, was das eigentlich ist. Sein Haus war stets ein Haus der Gottesfurcht gewesen; durch drei Generationen hindurch waren wohltätige Vermächtnisse gestiftet worden. Insofern könnte der Duft, der von ihm ausströmte, gern von Palästina sein. – Aber, du barmherziger Gott, jetzt ist ja die Gefahr vorüber? Wir sind ja in der Kirche! ... Die Orgel fiel ein mit der ganzen Inbrunst eines betrunkenen Schwaben; ihre vollen Akkorde durchströmten Engels Seele und erfüllten ihn wieder mit sich selbst. Es gibt kein Glück, das verglichen werden kann mit dem einer Gleichgewichtsnatur, die sich in Gefahr wähnte – und plötzlich entdeckt, daß gar keine Gefahr vorhanden war! Diese Glücksempfindung hüpft nicht, sie sprudelt nicht, – nein, still verteilt sie sich in alle Organe wie ein satter, edler Selbstgenuß. Sie gleicht der Freude über wiedererlangte gute Verdauung, einem lächelnden Überschauen, einem angenehmen Duft nach allem, was nun weiter begehrt werden darf.

Er hob sein hübsches Gesicht hinauf zur Kanzel, während er sich von allen den Augen ringsum tragen ließ. Er ahnte Neid, und das kitzelte so angenehm. Welche Zukunft führte er aber auch da am Arm.

Da erbebte die Hand der Braut. Hastig wandten seine Augen sich von der Kanzel ab. Totenblaß war sie; ihre Augen blickten starr, und sie konnte kaum weiter, oder wollte nicht ... Was war es denn? Nora, Tinka, Anna Rogne und noch mehrere saßen da, gerade, wo sie vorbei mußte ... Nun ja, war denn das so gefährlich?

Auf allen Gesichtern lag Erregung, eine Mischung von Schadenfreude und Schrecken – auf allen, allen, wohin er auch blickte ... und das steckte an. Was war das? Unwillkürlich suchten seine Augen den hohen Chor, wären sie nur erst da! Dort mußte doch wohl Friede sein. Aber alle im Chor hatten sich erhoben. Sie machten entsetzte Gesichter und blickten hier herunter, nicht nach der Seite, nein, nach der andern. Sogar seine Tochter stieß einen jähen Schrei aus und ging ein paar Schritte zurück, ihn mit sich ziehend ...

Dort in dem vordersten Kirchenstuhl, rechts von ihnen, war eben – also von der Sakristei her, also durch den Chor! – Pastor Wangen gekommen, hinter ihm Tora Holm mit etwas im Arm ... dann Miß Hall und dazu Tomas Rendalen. In dieser Reihenfolge wollten sie sich hinsetzen, gerade als das Brautpaar zur Tür hereinkam.

Tora hatte einen doppelten schwarzen Schleier vor dem Gesicht und über dem, was sie im Arme trug; und der hatte sich irgendwo festgehakt, so daß sie erst mit Miß Halls Hilfe frei wurde und sich jetzt mit offenem Antlitz und ihrem Kinde auf dem Arme der Kommenden zuwandte. Ein zorniges Verbot, eine gewitterschwüle Drohung lag in der Luft, und die Spannung und die Orgeltöne hoben sie bis unter die Decke empor.

Doch Milla wurde weitergeschleppt. Sie kam zum Chor wie ein weißseidenes Kleid unter eine Menge andrer Kleider. Ein Rascheln und Zischeln, ein Durcheinander von Händen und Köpfen und Buketts und Augen, so daß Milla kaum sich selbst und ihren eignen Stuhl, ihr eignes Bukett, ihr eignes Taschentuch herausnesteln konnte. Schließlich waren alle um sie mit kölnischem Wasser und Händen und Wirrwarr. Der letzte war das rote Ungeheuer mit dem großen Schnurrbart und den vielen Orden; er wollte ihr durchaus ihr eignes Bukett aufzwingen, und sie konnte doch den Geruch nicht vertragen. Als sie endlich frei war und aufatmen konnte, – da brach sie in Tränen aus. Sie zog ihren Schleier vors Gesicht. Sie hatte solches Mitleid mit sich. Das war ja entsetzlich, was man ihr angetan hatte! O, wie sie wütend war!

Konsul Engel bekam den ersten Blick – und zu alledem, was er hatte herunterschlucken müssen, wirkte dieser Blick wie der letzte Becher, der einem die Sinne verwirrt; er saß da und delirierte über sein eignes Ohnmachtsgefühl. War denn wirklich was dran?

Der elegante Fürst saß neben ihm. Bald nahm er den Hut in die rechte, bald in die linke Hand, bald legte er ihn aufs rechte Bein, bald aufs linke. Ihm galt also das alles, ihm; und der angehende Staatsmann hatte es noch nicht so weit gebracht, daß er still sitzen konnte, während man ihm die Haut über den Kopf zog, ihn in Würfel zerschnitt und in den Topf warf. Dösen, der unmittelbar hinter ihm saß, strich mit seinem weißen Handschuh die äußersten Spitzen seines blonden Schnurrbarts, jetzt rechts, jetzt links, rechts, links, schnell, schneller, am schnellsten. Er war unglaublich fleißig. Die Leute in der Kirche sahen die weiße Hand fortwährend unter der Nase blitzen und glaubten, er mache Kunststückchen oder gebe jemand ein Zeichen; man konnte nur nicht begreifen, wem. Die Matadore empfanden den Druck der Situation höchst peinlich. Aber trotzdem mußten sie doch noch einen schnellen Blick nach der mit dem Kinde werfen; Teufel, wie hübsch sie war, sie hatte etwas so – so Ausländisches an sich. Und sie drehten und wendeten sich und reckten die Hälse. Selbst Konsul Bernick verrenkte seinen Hals, wie junge Hähnchen, wenn sie krähen lernen.

Zu diesem Unglück kam noch, daß der Propst ausblieb; der Küster ging aus und ein, ein und aus mit der feierlichen Miene eines albernen Narren.

Der Organist spielte drauf los; ihn däuchte, die Sache zöge sich etwas in die Länge, ehe der Pastor kam; er ging deshalb zum Choral über. Das Pompöse hatte er längst verbraucht; er war jetzt zum geraden Gegenteil, zum Zärtlichen übergesprungen. Lauter Hirtenflötentöne im allerunmöglichsten Kükengepiepse. Seine Phantasie beschäftigte sich unzweifelhaft mit all den Kleinen, die aus dieser Ehe ersprießen würden; er tastete gleichsam mit dem Finger nach ihnen und sagte in der Quinte »ti-ti«.

Endlich hatte Engel sich soweit erholt, daß er wieder den Unterschied zwischen fein und grob, zwischen wohlerzogen und ungebildet fühlte. Für Leute der letzteren Sorte gab es kein höheres Vergnügen als Skandal. Aber dieser Skandal war ganz neu, ganz unerhört. Etwas so Wahnsinniges konnte nur von einem »Kurt« ausgeheckt und in Szene gesetzt werden.

Sein Taschentuch war ganz naß, seine Handschuhe fingen an, grau zu werden. Und während er sich fortwährend trocknete und Duft zufächelte, lugte er verstohlen und ängstlich zu Milla hinüber. Sie haßte ihn! Er betete zu Gott – ja, Konsul Emil Engel betete zu Gott! – aus innersten! Herzen flehte er Gott an, daß doch seine Sünden nicht über dieses unschuldige Kind kommen möchten! Sie hatten sie angeführt, ja, aber in der besten Absicht der Welt; das wußte Gott doch selbst am besten! Aber wer konnte auch wissen, daß etwas so Wahnsinniges unternommen werden könnte, wie diese Schändung des Heiligtums! Für gewöhnlich fluchte Konsul Engel nicht, dazu war er viel zu sein; aber unmittelbar nach jenem innigen Gebet zu Gott bat er aus tiefstem Herzensgrund und aller Kraft: »Daß doch der Satan das ganze Gesindel hole.«

Das nasse Taschentuch mußte wieder herauf, und gleichzeitig dachte Milla ganz richtig neben ihm: »Soll ich aufstehen und gehen?«

Konsul Engel las es in ihren Augen, sah es ihren unruhigen Bewegungen all. Auch Fürst bemerkte es. Beide fühlten es wie Millionen elektrische Stiche, aber sie konnten doch nicht die letzte Hoffnung fahren lassen, daß Milla zu wohlerzogen sei, um den Skandal noch zu vergrößern. Der erstere fühlte, daß er, auch wenn sie bliebe, von nun an ein entehrter, beschmutzter Mann sei ... Der andere fühlte, daß, wenn sie nur mit ihm zum Altar ginge, er seine Karriere schon noch machen würde!

Aber daß Pastor Green noch immer nicht kam! Jetzt sammelten alle Gedanken sich um diesen Punkt; es war entsetzlich peinlich! Aller Augen starrten nach der Tür der Sakristei. War er krank geworden? Oder stellte er sich krank, um von der Sache loszukommen? Wo steckte denn der Hilfsprediger? Her mit dem Hilfsprediger! Warum stand denn Karl Wangen nicht auf?

Die Frauen im Chor, die sich noch immer nicht von dem ersten Schreck erholt hatten – ein paar hatten sich mit der Hand am Stuhl festhalten müssen, um das Zittern zu verbergen –, wurden ganz krank durch diese neue Spannung; mehrere fingen an zu weinen. Ja, dachte Milla, habt nur Mitleid mit mir, ich armes, mißhandeltes Ding. Gott, wenn doch Mutter noch lebte! Und sie weinte herzbrechend. Alle Menschen hatten sich gegen sie verschworen, und sie hatte doch nichts getan. Wollte nun auch der alte Pastor Green sie hier so grausam sitzen lassen auf dem Mokierstuhl vor allen diesen gräßlichen, gräßlichen Menschen?

Und so ging es zu, daß sie die erste, die eigentliche Frage fahren ließ und in das Gefühl ihrer Verlassenheit hineintaumelte mit solcher Gewalt, daß sie, als Pastor Green nun endlich kam, das wie eine Erlösung, eine himmlische Belohnung empfand.

Aber hatte sie nicht einen Augenblick so weil ihre eigne Person aus den Augen verlieren können, daß sie darüber nachzudenken vermochte, warum das alles geschah ... nun wohl, so dachten die daran, die unterhalb des Chors saßen. Nicht bloß die Eingeweihten, das waren ja nur wenige – nicht bloß die Gegenpartei, und die war groß – nein, sämtliche Frauen empfanden das Empörende, daß Milla nach dem, was ihr in den Weg trat, doch noch weiter konnte, weiter wollte! Und wenn sie hierher geschleppt worden war, warum stand sie jetzt nicht auf? Warum riß sie sich nicht los? Von Sekunde zu Sekunde warteten sie darauf. Aber Milla blieb sitzen! War das wirklich möglich nach einem so mächtigen Appell an ihr Gewissen?

Jede brave Frau, die frei dasteht, nimmt unwillkürlich Partei für den Schwachen, für den, der unrecht leidet ... Die Gemüter wogten wie ein Meer; die Empörung wurde immer größer. Ist es denkbar, daß sie mit dem Schurken vor den Altar treten will? Schmach und Schande über diese ihre Beisitzer, die dafür gut sagen wollen.

Alle starrten nach dem Altar. Kam denn der alte Pastor noch nicht? Im letzten Augenblick noch zaudert er, ihr den Segen der Kirche zu erteilen! Karl Wangen hätte es niemals getan! Der saß neben ihr, die verführt und betrogen worden war. Er war so einfältig im Herzen, daß er meinte, da wäre der Platz der Kirche. Wie viele dankbare Blicke sich in diesen Minuten aus sein gutes, langes Gesicht richteten, er hätte damit mehrere Kirchengewölbe und Bibeln und Gesangbücher zu Tausenden vergolden können.

Jetzt sah man denen im Chor an, daß endlich der alte Green erschien. Also doch noch! – – Langsam und krank kam er, ja, er war sehr krank. Er sähe ganz aus wie ein kirchliches Kompromiß, raunte man sich zu.

Kaum stand er vor dem Altar, so wurde der Choral angestimmt. Die ganze Versammlung auf dem Chor sang mit. In ihrem Eifer, in ihrer Erleichterung, in ihrer Dankbarkeit gegen die Vorsehung sangen sie mit, der Bräutigam, der Schwiegervater, der General und der Generalkonsul, Bernick, Dösen, Ries, die Matadore, der Amtmann – sie sangen von der ersten Braut, die Gott persönlich dem ersten Bräutigam zuführte. Nicht ein einziger von ihnen glaubte daran, aber sie sangen, sangen, so daß es fast schade war, daß die Orgel sie übertönte. Denn solche Choralstimmen sollten gehört werden. Auch ihre Frauen quintilierten mit; sie waren so aufgeregt, daß sie das Lied nicht fanden, aber sie konnten es so ziemlich auswendig. Diejenige, die am herzhaftesten anstimmte zum Preis des ehelichen Glückes, war Frau Garman.

Aber außer ihnen und dem Küster sang nicht einer in der ganzen Kirche mit. Die Entrüstung wurde so groß, so allgemein, daß viele nicht mehr sitzen bleiben konnten. Sie erhoben sich. Die, welche hinter ihnen saßen, wollten auch sehen und erhoben sich ebenfalls.

Vor allen andern aber Tora. Was die um sie her gefühlt hatten und fühlten, war in seiner Gewaltsamkeit matt gegen das, was sie selbst empfand, sie, die, wenn ihr tiefstes Innere aufgewühlt war, ganz die Tochter ihrer Mutter war. Seit der Reise hierher bis zu diesem Moment war sie in einer Spannung gewesen, die nur eine so kräftige Konstitution wie die ihre zu ertragen vermochte. Wenn um nichts andres, so mußte um Millas willen verhindert werden, daß sie diesen Schurken heiratete. Dazu war erforderlich, daß sie sich zeigte, sich und ihr Kind. Alles andre konnte fehlschlagen, aber das mußte Milla zwingen, noch im letzten Augenblick Halt zu machen; sie kannte sie! Es kam nur daraus an, ob Tora den Willen und den Mut dazu hatte. Ja, sie hatte den Mut! Denn ihre Freunde hatten ja Mut und Willen, mit ihr zu gehen. Es galt ja nicht bloß sie selbst es galt die Schule, galt Milla, galt eine große Sache, galt das wohl von Tausenden.

Keiner, am allerwenigsten sie selbst, hatte auch nur den leisesten Zweifel gehegt, daß dieses Mittel, sich der Braut mit dem Kinde auf dem Arm zu zeigen, genug sein würde. Doch von dem Augenblick an, als Milla da oben im Chor zu weinen angefangen hatte und dennoch sitzen blieb ... bis zu dem Moment, als der Pistor erschien, steigerte sich Toras Aufregung in einem Grad, daß die ihr Nächststehenden ängstlich wurden. Auch in der Bank gegenüber konnte man es sehen. Da fühlten sie, jetzt mußte etwas geschehen, das weder sie noch Tora selbst für möglich gehalten hätten, ehe es geschah. Tora war Tora, und ganz richtig ...

Leutnant Fürst, von Konsul Wingard geleitet, stand schon vorm Altar, vorsichtig schritt Engel über den Teppich hin, um ihm seine Tochter zuzuführen. Sie erhob sich und ließ Schleppe und Schleier von den Brautjungfern ordnen – da stürzte Tora aus der Bank heraus und nach vorn.

Alles dort oben sah jetzt gerade die Braut an, die ihrem Vater die Hand reichte und sich dem Altar zuwandte. Keiner sah Tora herausstürmen. Sie hörten hinter sich etwas wie eine Sturzwelle hereinbrechen – und in demselben Augenblick etwas Schwarzes an ihnen vorbeifahren.

Die Damen schrieen auf, die Herren erstarrten. Die am Altar wandten sich um, Konsul Engel taumelte zurück – Tora stellte sich zwischen ihn und Milla.

»Willst du, daß ich dir das Kind vor die Füße lege, Milla? Willst du darauf knieen?«

»Nein, nein!« rief Milla entsetzt.

Sie wich zurück, und die Hände vor sich ausstreckend, floh sie von: Chor – lang flatterte der Schleier hinter ihr her.

Alles war aufgesprungen. Tora war gleich weitergestürmt, in die Sakristei hinein. Sie fühlte, jetzt war sie am Ende ihrer Kräfte. Miß Hall folgte ihr.

Aber als Milla unten stand, wußte sie nicht wohin. Jemand mußte doch kommen, irgend eine Menschenseele mußte sich doch ihrer annehmen. Das sagte ihr ihr weiblicher Takt. Sie wandte sich und sah sich verzweifelt um. ging die Tür der Sakristei auf, und sie hörte ein herzzerreißendes, krampfhaftes Weinen – mir so lange, als man braucht, um eine Tür zu öffnen und wieder zu schließen, aber das genügte. Auch Milla brach in Tränen aus. Da legte sich ein Arm um sie und zog sie energisch fort. Es war Nora.

In dem Augenblick, da Milla sich ergeben hatte, war alles gut. Aller Zorn mit einem Mal verraucht; und das bei fast allen. Rendalen war sofort an ihrer Seite; dann ging er voraus, ihr den Weg zu bahnen.

Der Organist, der den Anfang nicht gesehen hatte und nach dem ersten Choralvers auf die Rede wartete, erhob sich, als die Bewegung da unten so groß wurde. Was war dem das? Er sah die Braut unten in der Kirche, die andern im Chor, die ganze Versammlung auf den Beinen ... Aber das isch ja kurios. Wird's nix draus? Hihihi, i hob meine 2000 im Sack!« Und er fing wieder an, draufloszuspielen. Man wollte ihn anhalten, aber er fragte: » Hvad de hafte gjort den Brut?« Der würde ein bissel Musik guttun.

Und kaum hörte der Küster die Orgel, so dachte er: »So, also jetzt sind sie getraut!« – und legte los aus aller Macht mit beiden Glocken.

Und kaum hörten die da draußen auf dem Salutschiff die Glocken, so ließen sie ihre Kanonen losdonnern. Die Weisung lautete, es sollte geschossen werden, bis die Braut vor dem Hause aus dein Wagen stieg; und da sie das vom Schiff aus nicht sehen konnten, sondern durch Zeichen benachrichtigt werden sollten, und man in der Verwirrung vergaß, die Zeichen zu geben, so schossen sie in einemfort bum, bum, bum ... Schließlich fanden sie selbst, es sei ein bißchen viel, aber das war ja nicht ihre Sache – so lange sie Pulver hatten, konnte immer draus losgeknallt werden. Denn auch die da draußen auf dem Schiffe hatten tapfer getrunken. Und das alles zusammen erregte Heiterkeit. Das Ganze schlug um aua Ernst in Komik – erst bei der Menge, die unter Orgelton und Glockenklang und Kanonendonner aus der Kirche kam; dann verpflanzte das Gelächter sich, immer wachsend, weiter zu denen auf dem Markt, und vom Markt über die ganze Stadt. Seit Menschengedenken war nicht so viel auf einmal gelacht worden, vom Flußufer bis aus äußerste Haus am Berg und auf Tangen. Auch die vom Lande kehrten unter dem Donner der Kanonen lachend heim; und überall, wohin sie kamen, wurde gelacht.

Flaggen über Stadt und Hafen!

Es wurde gedonnert und geflaggt, geflaggt und gedonnert – und gelacht! –

Die Hochzeitsgäste sahen sich zuerst voll Entsetzen an; zersprengt und zerstreut drängten sie sich aus der Kirche. Aber das Lachen da draußen war ansteckend; als sie nach Hause kamen und den »Zuschauer« lasen, mußten auch sie lachen. Ja, sogar der Stadtschultheiß lachte! ...

Die Allee hinauf gingen Nora und Rendalen. Es donnerte, und sie sahen zurück aus die Flaggen über Stadt und Hafen – und lachten. Karl Wangen stürmte mit seinen langen Beinen an ihnen vorbei. Tora war jetzt wieder bei Nils Hansen. Sie war ungeheuer matt, aber zufrieden.

Wangen wollte nur hinauf nach einem Wagen – und gleich stürmte er wieder fort.

Nicht weniger als fünfzehn junge Mädchen auf einmal kamen an den zweien vorbei zu Frau Rendalen hinauf. Eine zweite große Schar war auf dem Wege. Sie gingen nicht, sie stürmten und waren auch im Hui vorbei. Ein wenig später kam Frau Rendalen aus die Treppe heraus, um ihren Sohn und Nora zu empfangen, aber die beiden waren ganz anders wie die andern; sie blieben alle Augenblicke stehen ... Und gerade jetzt, wo sie sie so sehnsüchtig erwartete! Daß man sie auch so ganz und gar vergessen konnte.

Mit einem Mal riß sie sich die Brille ab und putzte sie ... Dann setzte sie sie langsam wieder auf. – –

Und Rendalen ging da unten in der Allee und sagte, in seiner ersten Rede habe sicherlich viel Einseitiges und Unklares, vieles von einer fixen Idee gesteckt. Und ebenso sei in seiner Entwicklung vieles, was noch lange nicht abgeschlossen, nicht halb fertig wäre. »Aber das Leben ist eine Schule,« sagte er, und in erster Linie für einen Schulmeister.

Das heißt, von alledem sagte er kein Wort. So was Steifes und Kaltes konnte er jetzt gar nicht gebrauchen. Kurz und gut: während man da in der Stadt und im Hafen unfreiwillig seinem eignen Lebensziel zu Ehren flaggte, ging er hier in der Allee und freite. Um die mit dem flammenden Haar freite er. Sie meinte, sie wäre seiner nicht würdig, und jagte eine Menge Fliegen von den Augen. Aber es war ja natürlich ganz, ganz undenkbar, nicht zu wollen, und trotzdem – –.

Und dann kamen sie überein über viele, viele Dinge – das erste war, daß, wenn man nur feststehe in seinem Tun, etwas draus werden könne, und das zweite war, daß es noch mal so gut von statten gehe, wenn zwei zusammenstünden. Oder vielleicht war das letzte das erste und das erste das letzte; sie waren eben nicht ganz zurechnungsfähig. – –

Aber oben auf dein Turm waren fünfzehn Mädchen auf einmal. Sie fühlten heut das Bedürfnis, eine Fahne zu hissen, in der kein Falsch war. Und zwar für eine Sache, in der auch kein Falsch war. Sie riefen ihm von oben her zu, ob sie dürften. Da stand Rendalen unten an der Treppe; er lachte zu ihnen hinauf. Nora war ihm fortgelaufen – die Treppe hinauf zur Mutter. Jetzt lag sie fest, o, so fest an ihre Brust geschmiegt ... vermutlich, um ihr die Brille zurechtzurücken.

»O, nicht doch,« rief Tomas zu denen im Turm hinauf, »heute lieber nicht ... Millas wegen! Aber nun fangen wir bald an.«


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