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2. März 1885.

Ich kann nicht mit Sicherheit vorhersagen, welche Aufnahme die Bewilligung eines Pauschquantums statt der Einzelforderungen bei den verbündeten Regierungen finden wird; so viel aber kann ich vorhersagen, daß ich meinerseits sie befürworten würde. Ich halte den Zweck, den wir erstreben, für jetzt durch ein Pauschquantum ebensogut erreicht, ja ich würde vielleicht in der Lage gewesen sein, bei den verbündeten Regierungen sofort ein Pauschquantum beantragt zu haben, wenn ich hätte glauben können, daß in dieser Form Ihre Annahme der Sache wahrscheinlicher wäre als in der detaillierten; ich fürchtete aber, daß, wenn wir ein Pauschquantum gefordert haben würden, Sie dann von uns die Detaillierung verlangt hatten (Heiterkeit), und ich habe sie nur widerstrebend bis zu dem Maße, wie wir sie gegeben haben, gedruckt gesehen. Wir können ja nicht mit voller Sicherheit voraussehen, ob die Organisation, die wir Ihnen vorschlagen, nachdem wir ein Jahr Zeit gehabt haben werden, über Land und Leute, über die Begrenzung der Besitzungen, die von unseren Landsleuten erworben sind, über die Haltung, welche die auswärtigen Regierungen zu unseren Unternehmungen beobachten, Erfahrungen zu sammeln, teils durch den Lauf der Ereignisse in diesem Jahr, teils durch die Berichterstattung amtlicher, ad hoc von uns abgesandter Persönlichkeiten, – ob die Organisation sich bewähren werde; erst dann werden wir in der Lage sein, Ihnen mit voller Überzeugung Detailvorschläge zu machen. Die, die wir bisher gemacht haben, haben wir in fidem auf das Urteil des Syndikats in Hamburg gemacht; wir haben das vorgeschlagen, was das Syndikat für nötig hielt, prima facie. Ob unsere eigene Überzeugung übers Jahr vollständig damit übereinstimmt, kann ich nicht vorhersagen, und insofern ist es meines Erachtens, ohne den verbündeten Regierungen vorzugreifen, sogar nützlicher, ein Pauschquantum zu bewilligen, als die einzelnen Details.

Ich bedaure, daß bei dieser Gelegenheit in Form von Resolutionen eine erhebliche Anzahl von Fragen gestellt wurde, die weder von mir noch von sonst irgend jemand haben beantwortet werden können. Ich glaube, daß kein lebender Mensch auf dieser Welt sie alle mit voller Sicherheit und Richtigkeit beantworten kann; ich bin wenigstens ganz sicher nicht in der Lage. Ich habe darauf diejenigen Antworten gegeben, die sich aus den Akten schöpfen lassen; den zukünftigen Entschließungen der verbündeten Regierungen kann und will ich nicht vorgreifen, um so weniger, als es sich für mich selbst doch um eine terra incognita handelt, über die ich ganz sichere Vorschläge nicht vertreten kann.

Über diejenigen Rechtszustände, welche späterhin in diesen Kolonien Platz greifen werden, habe ich mir bisher wenigstens eine feste Ansicht nicht bilden können, eine Ansicht, die ich entschlossen wäre zu vertreten. Ich weiß nicht, ob einer der Herren in der Kommission, die die Fragen gestellt haben, in der Lage gewesen wäre, darüber bestimmte Vorschläge zu machen. Wenn er es ist, und wenn er sich dabei auf Erfahrung und Sachkunde stützt, so würde ich ihm außerordentlich dankbar sein, wenn er seine mir unbekannte Wissenschaft mitteilen wollte.

Es ist dies vorsichtige Vorgehen in der Sache ja ganz natürlich bei dem System, welches wir für die Kolonien überhaupt adoptiert haben, welches ich im vorigen Jahre entwickelte und welches im Prinzip damals Ihre Sanktion gefunden hat, nämlich dahingehend, daß wir nicht vollständige Systeme im Kopf und in der Theorie fertig machen und zur Annahme und Durchführung zu bringen suchen, die etwa wie die Minerva aus dem Haupte Jupiters vollständig lebensfähig und erwachsen dastehen würden, sondern daß wir die Sache sich organisch entwickeln, sich kristallisieren lassen. Wir haben nicht die Prätension, die Kolonisationsbestrebungen des deutschen Volkes zu führen nach einer bureaukratischen Vorschrift und nach einem bestimmten System, über das wir selbst uns im klaren wären; sondern wir haben die Absicht, ihnen zu folgen mit dem Schutze des Reiches da, wo wir eine Wahrscheinlichkeit der Entwickelung und Berechtigung auf diesen Schutz anerkennen. Daraus geht schon hervor, daß wir selbst lernbedürftig in der Sache sind und nicht alle Fragen beantworten können und konnten, die uns gestellt wurden. Ich bitte Sie, das also nicht dem Mangel an gutem Willen, sondern dem Mangel eigener Wissenschaft und eigenen Entschlusses über die weitere Behandlung der Sache zuzuschreiben.

Ich habe, als ich mich zuerst über unsere Kolonialabsichten ausgesprochen habe, vor allem betont, daß eine Kolonialpolitik überhaupt nur dann möglich ist, wenn sie von einer Mehrheit des nationalen Willens mit Entschlossenheit und Überzeugung getragen wird. Eine Regierung, die sich mühsam abquält, gegen eine starke Minorität auch nur, oder gar gegen eine parlamentarische Majorität, um künstlich Kolonien ins Leben zu rufen, würde eine Danaidenarbeit verrichten, die ermüdend ist, die allenfalls ein neues Kapitel in den Budgetdiskussionen und in den jährlichen Tadelsvoten, die der Regierung ausgesprochen werden, liefern könnte, aber einen praktischen Erfolg für unser deutsches wirtschaftliches Leben kaum haben würde. (Sehr richtig! rechts.)

Ich muß mich nun fragen, ob eine solche Stimmung im deutschen Volke überhaupt vorhanden ist. Ich habe den Eindruck gehabt, daß durch das Volk selbst ein frischer Zug nach dieser Richtung ging; aber ich habe nicht gefunden, daß er in der Majorität des Reichstags Widerklang gefunden hätte. Wenn wir dahin kämen, daß der Reichstag eine Kolonialpolitik, zu der die Regierung zögernd und vorsichtig schreitet, seinerseits ihr empfiehlt, darauf dringt, sie mahnt, – ja dann wäre unsere Situation eine ganz andere. Statt dessen sind wir – und damit will ich keinen Vorwurf machen, Sie wissen ja, warum Sie es tun – in diesen kolonialen Fragen im ganzen doch nur einer zögernden, dilatorischen Behandlung begegnet. Die Majorität in der Kommission hat durch ihre Fragen, die wir wenigstens nicht beantworten konnten, durch die ganze Behandlung der Sache in ihren Sitzungen, und auch die Beschlüsse des Plenums haben uns nicht den Eindruck gemacht, als ob in der Majorität des Reichstags ein Enthusiasmus für die koloniale Entwickelung des deutschen Volkes vorhanden wäre. Ich verlange keine »Schützenfeststimmung«, wie das hier geringschätzig bezeichnet worden ist; aber eine gewisse tiefe Überzeugung, die entschlossen ist, die Regierung zu tragen und zu stützen, allen Ansprüchen und Schwierigkeiten gegenüber, die ihr vom Auslande auf diesem Wege entgegentreten, – die müssen wir haben, meine Herren. Wenn das nicht der Fall ist, wenn die Unterstützung übers Jahr ebenso matt, ebenso lau ist, dann, glaube ich, muß ich den verbündeten Regierungen raten, auch diesen Versuch als einen verfehlten zu behandeln, ihn – wie ich mich schon früher ausdrückte – zu den Akten »Samoa« zu legen und abzuwarten, ob vielleicht ein Nachfolger von mir diesen dritten Teil der sibyllinischen Bücher wiederum der deutschen Nation anzubieten imstande sein werde. Ich würde nicht dazu raten, einen unfruchtbaren Weg einzuschlagen, auf dem der passive Widerstand und die Obstruktion, die dilatorische Behandlung die Kräfte, die anderweit notwendig sind, ermüdet, und ihn gegen den Willen der Majorität weiter zu verfolgen. In einem solchen Falle würden die verbündeten Regierungen die Verpflichtung haben, sich zu überzeugen, ob die Stimmung des Volkes bei den Neuwahlen (Aha!) die Zurückhaltung, die die jetzige Reichstagsmajorität den kolonialen Bestrebungen gegenüber äußert, teilt – nun, dann ist das Urteil über unsere kolonialen Bestrebungen wiederum gesprochen –, oder ob das deutsche Volk es anders will, ob die Mehrheit unserer Landsleute von dem, was ich einen frischen Zug nannte, sich berührt und getragen fühlt. Ja, meine Herren, da muß es dieser Stimmung durch die Wahlen Ausdruck geben und die Regierungen in die Lage bringen, daß sie, wenn dieser Stimmung nicht entsprechend hier votiert wird, wiederholentlich an die Stimmung der Wähler, an das Votum der Wähler appellieren. (Bewegung.)

Ich betrachte diese Frage nicht als abgeschlossen und bin weit entfernt, sie zu beantworten; ich spreche bloß von dem, was ich mit völlig kaltem Blute für die Pflicht der verbündeten Regierungen halte, nämlich die Kolonialpolitik fortzusetzen, solange sie Hoffnung haben, von der Mehrheit des deutschen Volkes dabei getragen zu werden, sie fallen zu lassen dann, wenn sie diese Hoffnung aufgeben müssen, und nicht unfruchtbaren Utopien im Kampfe mit der Mehrheit des Reichstags dauernd nachzugehen.

Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, daß auch die Stellung, die das Ausland zu unseren kolonialen Verhältnissen einnimmt, maßgebend ist. Ich darf wohl annehmen, daß die eine andere wäre, wenn der deutsche Reichstag einheitlich und mit einem gewissen Enthusiasmus den kolonialen Bestrebungen der verbündeten Regierungen zur Seite stände, und daß das Ausland – man untersucht ja die Verhältnisse, wie die Majorität entsteht, in einem fremden Lande nicht so genau – eine Ermutigung, den deutschen kolonialen Bestrebungen fest gegenüberzutreten, daraus schöpft, daß man in allen Zeitungen lesen kann, den ausländischen wie den inländischen, daß die Mehrheit des Reichstags bisher nicht davon überzeugt ist, daß es für das deutsche Volk nützlich sei, Kolonialpolitik zu treiben. Wenn Sie heutzutage die englischen Blätter lesen, so finden Sie das mit derselben Motivierung wie in unseren deutschen Oppositionsblättern, mit einer so übereinstimmenden Motivierung entwickelt, daß man versucht ist, an einen direkten Zusammenhang (Hört! Hört! rechts) und an die Internationalität der Oppositionspresse gegenüber der deutschen Reichsregierung im allgemeinen zu glauben. Es finden sich die gleichen Artikel ziemlich gleichzeitig wieder in der »Times« und in Blättern, die zu dem Cobdenschen System gehören; die machen gegen mich, den unglücklichen Repräsentanten der deutschen nationalen Politik, mit einer Übereinstimmung Front, die ich für positive Zwecke der gesamten Nation wohl wünschen möchte. Sicher ist, daß die Tonart in der Korrespondenz, die von englischer Seite mit uns geführt ist, unter dem Eindrucke dieser Parlamentsverhandlungen während derselben – ob post hoc oder propter hoc, lasse ich unentschieden – eine schärfere und unfreundlichere geworden ist. Man hat dazu gegriffen, Aktenstücke, wie zum Beispiel ein Schreiben eines australischen Königs an Se. Majestät unseren Kaiser, in englischen amtlichen Sammlungen früher zu drucken, als Se. Majestät der Kaiser es erhalten hatte. Wie es in englische Hände geraten ist und in die amtlichen Sammlungen, weiß ich nicht. Es sind Aktenstücke ziemlich vertraulicher und ziemlich einschneidender Natur, die an uns gerichtet waren, in England amtlich gedruckt worden, ehe wir sie erhalten hatten. Es sind vertrauliche Besprechungen, die ich hier mit den Vertretern Englands gehabt habe – Besprechungen der vertraulichsten Natur, die sich auf sehr langjährige persönliche Bekanntschaften gründeten, die aber natürlich zur Meldung berechnet waren –, in amtlichen Aktenstücken resümiert und zum Druck bestimmt worden. Das alles sind Zeichen einer Verstimmung, die ich nicht für eine berechtigte halte und die ich nur lebhaft bedauern kann. Auch hier spitzt sich diese Verstimmung leider gegen meine Person zu, in dem Maße, daß bei den jüngsten Verhandlungen des englischen Parlaments Lord Granville sich in einer Weise geäußert hat, als ob unsere durch mich vertretenen Ansprüche so weit gingen, daß sie England nötigten – ich muß den englischen Text zitieren –, » to abdicate all liberty of action in colonial matters«, daß England also in jeder Freiheit der Bewegung auf kolonialem Gebiet durchaus beeinträchtigt würde. Die Tragweite dieser Redewendung geht über das bescheidene Maß unserer Kolonialpolitik weit hinaus.

Es wird damit unsere Haltung auf anderen politischen, aber auch afrikanischen Gebieten in Verbindung gebracht und vorausgesetzt, daß ich persönlich eine » unfavourable view«, eine ungünstige Meinung über die ägyptische Politik Englands hätte, und als Motiv dieser ungünstigen Meinung wird bei mir eine persönliche Empfindlichkeit darüber angenommen, daß von englischer Seite ein Rat, den ich früher bezüglich Ägyptens gegeben hätte, nicht befolgt worden sei. Ich bedaure, daß mein englischer Kollege mich in die Lage bringt, seiner Kundgebung widersprechen zu müssen. Ich habe ihm gegenüber nie die englische Politik bezüglich Ägyptens getadelt. Ich erlaube mir überhaupt über fremde Politik nicht leicht ein Urteil, und am allerwenigsten habe ich das getan wegen einer Nichtbefolgung eines Rates von mir. Ich habe aber auch den Rat, der hier, als von mir stammend, angeführt ist, niemals gegeben. Lord Granville befindet sich im Irrtum, wenn er annimmt, daß mein Rat in bezug auf Ägypten dahin gelautet habe, » to take it«, Ägypten zu nehmen. Das ist ein Irrtum (Hört! Hört!), auf dessen Berichtigung ich halte und der mich nötigt, meinerseits in der Offenlegung vertraulicher Verhandlungen weiter zu gehen, als es sonst in meiner Gewohnheit liegt.

Ich darf als bekannt voraussetzen, daß der diplomatische Verkehr von englischer Seite neuerdings vorwiegend und fast ausschließlich in der Form schriftlicher Noten betrieben wird, also in der Gestalt von Noten, die in London redigiert werden, deren Text hierher geschickt wird, von dem hiesigen englischen Botschafter unterschrieben und mir dann der Form nach vorgelesen, eingehändigt oder in Abschrift belassen wird, je nachdem der Inhalt der Note ist. Aber im ganzen ist es eine Korrespondenz, der ähnlich, wie eine Privatkorrespondenz vom Schreiber zum Empfänger direkt schriftlich geht, fertig abgeschlossen, ohne Möglichkeit, etwas zu ändern auf Grund des Eindrucks, den sie etwa macht, und bei der der Botschafter nur die Rolle des Überbringers hat. Jeder andere Beamte würde das auch tun können; ja die Post würde die Note mit derselben Sicherheit besorgen wie die Botschaft, wie die Diplomatie. Wenn dieses System das zweckmäßige ist, dann ist unsere ganze kostspielige Diplomatie überflüssig (Hört! Hört! Heiterkeit rechts), dann kann der Weltpostverein, mein Herr Kollege Stephan, den sämtlichen diplomatischen Verkehr in seine Hand nehmen. (Heiterkeit rechts.)

Ich habe aber oft gefunden, daß es für das Verständnis unter Kabinetten nützlich ist, wenn man Geschäfte machen will, zunächst dem eigenen Vertreter den Auftrag zu geben, mündlich zu sondieren, welches die Aufnahme einer Eröffnung sein wird; ist sie ungünstig, kann man unter Umständen die Sache fallen lassen, modifizieren oder, wenn man glaubt, es muß sein, sagen: Wir werden es doch tun in irgendeiner Form, ihr müßt euch dazu stellen in irgendeiner Weise. Auf die Art bereitet man auf die Sache vor, und man kommt ohne Schwierigkeit über eine Sache hinüber, die, wenn man sie fertig, schriftlich einer fremden Regierung mit der Post zuschickt, für dieselbe empfindliche Dornen haben kann, auf die man beim Schreiben gar nicht gerechnet hat. Es gehört schon eine ungewöhnlich genaue Kenntnis des fremden Hofes, der Leitung der fremden Politik dazu, wie sie die meisten Staaten wohl nicht haben, um mit Sicherheit die Wirkung einer geschriebenen Mitteilung vorher zu berechnen. Der Botschafter an Ort und Stelle ist eher in der Lage, anzufühlen und vorzubereiten.

Ich halte also den mündlichen Verkehr für zweckmäßig; von englischer Seite wird der schriftliche vorgezogen. Wir haben seit dem vorigen Sommer an Noten – ich habe die Ziffer feststellen lassen, weil es mir auffiel, daß es so sehr viele waren; ich muß jede solche Note beantworten, und ich überwache die Redaktion selbst und prüfe sie; es hat mir viel Arbeit gemacht – wir haben seit dem vorigen Sommer einhundert und – ich glaube achtundzwanzig schriftliche Noten vom englischen Kabinett bekommen, die zusammen zwischen sieben bis achthundert Seiten lang (Hört! Hört! rechts) und zu beantworten waren. So viel haben wir von allen übrigen Regierungen in den dreiundzwanzig Jahren, daß ich Auswärtiger Minister bin, nicht bekommen. (Heiterkeit.) Jede Nation und jede Regierung hat ja das Recht, die Geschäfte zu betreiben, wie sie es nützlich hält, und es ist ja gewiß, daß eine Auswärtige Politik, wenn sie in gedruckten und veröffentlichten Noten betrieben wird, unter Umständen auf das eigene Parlament einen tieferen, günstigeren Eindruck machen kann als der mündliche, unbekannt bleibende Verkehr durch Diplomaten; aber man läuft dann unwillkürlich Gefahr, einigermaßen auch für den Eindruck im Parlament und nicht ausschließlich für den Eindruck auf die fremde Regierung und für den Frieden, das gute Einvernehmen mit ihr zu schreiben.

Die Anspielungen, die in verschiedenen von England veröffentlichten – und zum Teil zu meiner Überraschung veröffentlichten – Aktenstücken enthalten sind, auf frühere Verhandlungen über Ägypten, und die in der jüngsten Rede des Grafen Granville vorhanden sind, werden sich richtig stellen durch das, was ich zu sagen im Begriff bin.

Ich habe niemals einen Rat über die Behandlung Ägyptens an die englische Regierung erteilt. Wohl aber bin ich um solchen befragt worden zu verschiedenen Malen sowohl von meinem verstorbenen persönlichen und politischen Freund Lord Ampthill hier im Auftrage seiner Regierung als auch durch Vermittelung unserer in England anwesenden Organe und mündliche Aufträge, die denen zur Bestellung an mich gegeben worden sind, und in allen Fällen lautete die Anfrage an mich dahin, ob ich bereit wäre, der englischen Regierung einen Rat oder einen Wink – » an advise or a hint« – zu geben über das, was sie augenblicklich in Ägypten tun möchte und was bei uns Billigung finden würde. (Sehr gut! rechts. Heiterkeit.)

Darauf habe ich jedesmal – und einige Male bin ich sogar in der Lage, darüber die schriftlichen Aufzeichnungen der Organe zu besitzen, die ich mit der Beantwortung beauftragt habe – die Antwort in dem Sinne gegeben, wie in dem Schriftstück aus dem September 1882, welches ich hier mitgebracht habe: daß ich mich in meiner Eigenschaft als Auswärtiger Minister des Deutschen Reiches enthalten müsse, der englischen Politik einen Rat zu geben, weil ein solcher Rat, in der amtlichen Eigenschaft erteilt, doch eine gewisse Verantwortlichkeit anderen Kabinetten gegenüber und auch für die Folgen, die er haben kann, mit sich brächte. Ich müßte es also ablehnen, ihn zu erteilen.

Ich bin dann weiter gefragt worden, ob ich denn nicht eine Meinung äußern wollte über das, was geschehen könne. Ich habe darauf gesagt: ich könne mich in den Fall hineindenken, daß ich englischer Minister wäre, und als Dilettant in der englischen Politik und als ein Liebhaber, vielleicht auch Kenner der Sache, hätte ich meine Ansichten, und wenn ich englischer Minister wäre, so würde ich in diesem Augenblicke nicht dazu raten, Ägypten zu annektieren, wohl aber sähe ich ein, daß es für England ein Bedürfnis wäre, eine gewisse sichere Stellung in diesem Bindeglied seines europäischen und seines asiatischen Etablissements zu haben. Es könnte aber diese Stellung meines Erachtens, ohne mit den Verträgen in Kollision zu kommen, nur durch den Sultan gewinnen. Ich würde daher, wenn ich englischer Minister wäre, die Vermittelung des Sultans suchen, um durch ihn in Ägypten eine Stellung zu erlangen, vermöge deren die englischen Interessen sichergestellt würden. Ich wäre auch der Meinung, daß diese Form bei anderen Nationen kaum Anstoß erregen würde, einmal wegen ihrer Verträglichkeit mit den Verträgen, dann aber auch, weil sie den Hauptinteressenten an den ägyptischen Finanzen, den französischen sowohl wie den englischen bondholders und auch denen der übrigen Nationen, mit Wahrscheinlichkeit eine sichere, geschickte und geordnete Verwaltung Ägyptens durch die englischen Organe voraussehen ließe. Damit würden, beispielsweise bei der Bedeutung, die die finanziellen Interessen in Frankreich hätten, wahrscheinlich keine französischen Rivalitäten und Unzufriedenheiten provoziert werden. Wenn dagegen England eine direkte Annexion Ägyptens vornehmen wollte, so könne sich ein Verhältnis von ziemlicher Spannung mit mehreren europäischen Mächten bilden, die auch Interessen dort hätten, namentlich aber mit dem Sultan und zu dem gesamten Mohamedanismus. Diese Spannung würde fortfallen, wenn sie dort unter der Firma des Sultans erschienen, und ich gebrauchte noch den Ausdruck – vielleicht wird mein englischer Herr Kollege sich dessen erinnern –, ich gebrauchte in englischer Sprache den Ausdruck eines » lease-holder« des Sultans in Ägypten. Damit würden sie vermeiden, Frankreich und andere zu verstimmen, und uns sei der gute Vertrag zwischen England und Frankreich dringend wünschenswert, denn ein Bruch zwischen diesen beiden großen Mächten in der Mitte Europas sei eine Kalamität für ganz Europa, in erster Linie aber für uns Deutsche als die nächsten Nachbarn, und ich legte deshalb einen großen Wert darauf, daß England mit Frankreich in guten Beziehungen bliebe. Dies wäre der Weg, auf dem ich, wenn ich englischer Minister wäre, versuchen würde, to obtain influence in Egypt. Ich habe dem hinzugefügt: Wenn England vorziehen sollte, Ägypten zu annektieren, so würden wir es nicht als unsere Aufgabe betrachten, dies zu verhindern. Die Freundschaft mit England wäre für uns wichtiger – ich kann nur langsam lesen, weil ich übersetze –, wäre für uns wichtiger als das zukünftige Schicksal von Ägypten. Ich sei nicht willens, ihnen einen Rat zu geben, aber ich sähe voraus, daß durch eine Annexion Ägyptens England sich Schwierigkeiten bereiten würde, welche es vermeiden könne, ohne auf den Zweck gesicherter Verbindung zu verzichten, wenn England sich damit begnügen wolle, unter türkischer Souveränität seinen Einfluß in Ägypten auszuüben.

Dann folgt eben die schon erwähnte Betrachtung, daß die großen französischen Finanziers damit zufrieden sein würden in der Hoffnung, daß ihre geschäftlichen Interessen durch die englische Verwaltung ebensogut gewahrt werden würden als früher durch die gemeinsame Leitung und daß bei dem augenblicklichen Vorwiegen der finanziellen Interessen die öffentliche Meinung in Frankreich vielleicht sogar die Annexion Ägyptens ertragen würde, daß aber in dem Falle immer doch some ill-feeling and uneasiness, eine üble Empfindung und – es ist schwer zu übersetzen – und Mißstimmung zurückbleiben werde, welche die Beziehungen dieser beiden Länder verbittern und Gefahren für den zukünftigen Frieden mit sich bringen könnte. Ich habe also nicht geraten, » to take it«, sondern von der Annexion so dringend abgeraten, wie in meiner unbeteiligten Stellung tunlich war. Ich habe dann noch hinzugefügt: Die Erledigung dieser Frage liegt ja ohne Zweifel der englischen Regierung ob, und ich meine ihr dieselbe ausschließlich zu überlassen; aber wie auch der Entschluß Englands ausfallen möge, wir werden ihm nicht im Wege stehen, wir empfehlen nur die Vorsicht und die Achtung vor den Verträgen und vor den Rechten des Sultans.

Nun, ich bin gegen meinen Willen genötigt gewesen, diese Aufklärung zu geben, um den Insinuationen endlich einmal bestimmt zu widersprechen, die oft dahin gemacht worden sind, als hätte ich mir seit Jahren angelegen sein lassen, die englische Regierung durch lockende Versprechungen von fremdem Besitztum von dem Pfad der Tugend abzulocken (Heiterkeit) und dadurch in Europa Verwirrung anzurichten. Das ist vollständig unrichtig. Ich habe mich im Vertrauen und nur auf ausdrückliches Befragen nach meinem Rat darüber geäußert, was ich tun würde, wenn ich augenblicklich englischer Minister wäre. Ich habe das widerstrebend und auf wiederholtes Verlangen getan; aber ich habe es schließlich getan in der Überzeugung, daß ich auch auf diesem Wege dem Ziele, welchem ich nachstrebe, der Erhaltung des Friedens in Europa und unter seinen großen Mächten, nützlich sein könnte (Bravo!), wenn ich der englischen Regierung Ratschläge der Mäßigung gäbe. Wären sie befolgt worden, so wäre manche Verwickelung seitdem vielleicht nicht eingetreten. (Bravo!)

Es ist dies eine Episode, die mit dem Gegenstand, der das Haus beschäftigt, nur äußerlich zusammenhängt und von der ich hoffe, daß sie mit der Verstimmung, die sich in England daran knüpft, bald vorübergehen werde. Ich suche den Grund dieser Verstimmung in der Erfahrung, daß man, wenn man überhaupt übler Laune ist, den Grund der Ereignisse, über die man verdrießlich ist, immer lieber bei anderen als bei sich selbst sucht. (Sehr richtig!) Aber ich werde tun, was in meinen Kräften steht, um sine ira et studio in der versöhnlichsten Weise die Sache wieder in das Geleise des ruhigen und freundschaftlichen Verkehrs zu bringen, der zwischen uns und England jederzeit bestanden hat und der natürlichste ist, weil keiner von beiden vitale Interessen hat, die einander widersprächen. Denn ich kann es doch nur für einen Irrtum in der Schätzung halten, wenn England uns unsere bescheidenen Kolonialversuche mißgönnt. Wenn man auch geneigt ist, auf die Stimmung jedes einzelnen Kolonialreeders und Kaufmanns englischer Nation Rücksicht zu nehmen, so kann ich doch nicht glauben, daß man die Art, unserer Kolonialpolitik entgegenzuwirken, wie sie sich in Kamerun sowohl wie in Australien, in Neuguinea, in Fidji und an anderen Orten gezeigt hat –, beibehalten werde, ohne Rücksicht auf die Stimmung zu nehmen, in welche die deutsche Nation dadurch versetzt wird. Bei den fremden Nationen machen die Vorgänge in Deutschland ja sehr leicht den Eindruck, daß bei uns zwar unter Umständen, wie 1870, wie 1813, die geharnischten Männer aus der Erde wachsen wie aus der Saat der Drachenzähne in der griechischen Mythe in Kolchis, aber daß sich dann auch stets irgendein Zaubersteinchen der Medea findet, welches man zwischen sie werfen kann, worauf sie über einander herfallen und sich so raufen, daß der fremde Jason ganz ruhig dabei stehen kann und zusehen, wie die deutschen gewappneten Recken sich untereinander bekämpfen. Es liegt eine eigentümliche prophetische Voraussicht in unserem alten nationalen Mythus, daß sich, sooft es den Deutschen gut geht, wenn ein deutscher Völkerfrühling wieder, wie der verstorbene Kollege Völk sich ausdrückte, anbricht, daß dann auch stets der Loki nicht fehlt, der seinen Hödur findet, einen blöden, dämlichen Menschen, den er mit Geschick veranlaßt, den deutschen Völkerfrühling zu erschlagen respektive niederzustimmen. (Lebhaftes Bravo.)


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