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Der Juli war weiter siedend heiß. Es gab Tage, wo Hempels um die Mittagsstunden glauben konnten, allein auf dieser heißen Welt zu sein. Kein Atem rührte sich. Die Luft stand still, erfüllt von dem Duft gerösteter Kiefernnadeln. Der See lag unbeweglich wie ein Stück schmutziges Glas, das man ins Grün geworfen hatte. In diesen Stunden kam niemand. Die Menschen waren zu matt geworden, um sich zu wehren. Sie verbargen sich in den dunklen Häusern vor der Macht dieses gewaltigen gelben Balls, der nahe wie ein Luftschiff über ihren Dächern rollte.

An einem solchen stillen Mittag klopfte es unvermutet an das Fenster, das man geschlossen hatte, um Hitze und Fliegen auszusperren. Es war eine Frau mit einem kleinen Kinde auf dem Arm. Erst als man die Tür öffnete und zu ihr heraustrat, erkannte man, daß es Ida war, die kraushaarige, gutmütige Ida, Bombachs einstige Köchin und Lauras Gefährtin in Frau Leutnants aufgeregtem Haushalt. Sie hatte jetzt das Gesicht einer alternden Frau, und Laura schluchzte plötzlich laut auf, schlang ihre Arme um Idas Hals und küßte sie.

Davon begann das Kind zu schreien. Über Idas gelbliches Gesicht glitt ein sanftes, glückliches Lächeln, sie drehte den Kopf zu Frau Hempel und sagte:

»Ein Junge von acht Pfund.«

Es war Ida nicht gut gegangen. Heute morgen hatte sie das Krankenhaus verlassen. Aber sie schämte sich vor den Menschen. Da war ihr Frau Hempel eingefallen.

Frau Hempel unterbrach sie und sagte, daß sie wie gerufen käme, um ihr als Bademädchen zu helfen. Das Haus hatte noch eine kleine Kammer, aus der sich mit gutem Willen ein Stübchen machen ließ. –

Als der Feierabend kam und der Schutzmann mit Soldatenschritten auf das kleine Haus zumarschierte, saß Laura in der Abendsonne und wiegte ein kleines Kind auf dem Schoß.

Der Schutzmann räusperte sich und fragte nach einer Weile, ob das ein Findelkind wäre.

Laura sagte, ein Schutzmann müßte doch einem Kinde ansehen können, woher es komme, und hielt es ihm dicht vor die erstaunten Augen. Er prallte zurück, als ob ihn jemand mit Steinen werfen wollte, und Laura fragte lachend, ob er kleine Kinder nicht leiden möge.

Da bog der Graf um die Ecke. Er wurde rot im Gesicht, als er Laura mit dem Kind im Arm sah.

Dann lachte er und beugte sich herab, um das Kind ein wenig unter der Nase zu kitzeln, denn er hielt es für eine große Puppe. Aber kleine Kinder mögen das nicht, und Idas Junge begann wütend zu brüllen.

Der Graf prallte zurück.

»Pfui Teufel, das lebt ja«, rief er und sah erschreckt auf Laura.

»Das tun die meisten Kinder«, sagte Frau Hempel, die aus dem Haus kam, das Kind aus Lauras Arm nahm und damit ins Zimmer ging.

Verliebte Männer trauen ihren Angebeteten stets Besonderes zu. Wer weiß, auf welche Gedanken diese beiden gekommen wären, wenn nicht Hempel hinzugekommen wäre und Aufklärung gegeben hätte.

Er erzählte, daß das Kind von einem Mädchen sei, das überaus brav und nett sei und perfekt kochen könnte.

Zuerst verbarg sich Ida, aber nach und nach wurde sie doch mit allen bekannt. Besonders Degenbrecht versuchte sie bald ins Gespräch zu ziehen. Der Polizist in ihm regte sich. Er witterte Verdächtiges. Wer sich versteckt, will verbergen.

»Haben Sie etwas begangen, was niemand wissen soll?« fragte er.

Ida senkte errötend den Kopf.

»Das Kind«, stotterte sie.

»Ist es denn nicht Ihr Kind?« fragte Degenbrecht streng.

»Gerade doch, weil's meins ist«, antwortete das Mädchen und brach in Tränen aus.

Degenbrecht wurde gerührt.

»Es ist doch ein ganz hübsches Jungchen«, sagte er tröstend.

Von diesem Augenblick an waren sie Freunde. Als Ida sich erholte und wieder frisch und schlank wurde, fand Degenbrecht, daß braunes, krauses Haar und eine rote Sommerbluse sehr hübsch zusammenpaßten. Das Netteste aber an dem hübschen Mädchen war, daß man mit ihr von Laura sprechen konnte.

Er fragte sie, ob sie auch glaube, daß Laura noch niemals verliebt war. Und sie bejahte es. Er fragte, ob sie auch Laura schöner fände als andere Mädchen. Und sie bejahte es. Er fragte, ob sie es für möglich halte, daß Laura an einem Schutzmann Gefallen finden könne. Und sie bejahte es ebenfalls. Sie war ein reizendes Mädchen. –

Man war im August. Die Sonnenblumen waren verblüht. Laura knabberte schon ihre Kerne.

Am Ende dieses Monats der fallenden Sterne hatte Frau Hempel Geburtstag. Im vorigen Jahr bekam sie von Hempel eine Flasche Kölnisches Wasser, über die sie sich sehr gewundert hatte. Aber Hempel hatte nicht sagen wollen, wie er auf diesen Gedanken gekommen war. Diesmal stand auf ihrem Stuhl am Frühstückstisch ein Paar wunderschöne Winterstiefel, fest und mit Doppelsohlen. Hempel hatte sie trotz Hitze und Arbeit heimlich gezimmert.

Um die Kaffeetasse herum lagen kleine Gaben von Laura, und in der Mitte des Tisches stand ein großer Napfkuchen, den Ida gebacken hatte.

Frau Hempel kam aus dem Naseputzen gar nicht heraus» und der erste Badegast glaubte, daß ein Unglück geschehen sei.

Der Schutzmann brachte einen großen Strauß Georginen, Graf Egon aber überreichte ein Nähkästchen, fein und kostbar, als wäre es für eine Frau Bankdirektor bestimmt. Frau Hempel wollte es gar nicht annehmen und meinte, daß er es aufheben solle, bis er eine Frau haben werde.

Der Graf sagte, seine Frau würde nicht besser sein können als Frau Hempel, höchstens ihr ähnlich.

Er sah sich nach Laura um, aber sie ging gerade in das andere Zimmer, um sich in den Spiegel zu sehen..

Der Abendtisch war heute um einige Personen vergrößert. Herr und Frau Kempke kamen aus der Stadt, um feiern zu helfen.

Als man schon recht vergnügt war, fand sich auch Herr Fabian für einen Augenblick ein. Er sah nicht froh aus und hatte eine Kratzwunde über der Nase. Herr Otto fragte, ob er seine Löwenrolle heute jemand anderem überlassen hätte. Herr Fabian nickte, tastete nach seiner Nase und sagte trübe: »So weit kommt es, wenn man sich zu gut kennt. Warum ist das Heiraten nicht polizeilich verboten?«

Schutzmann Degenbrecht richtete sich auf. Er sagte, daß kein Mensch Ordnung in den Polizeilisten halten könnte, wenn man die Ehe abschaffte, und daß immer noch genug anständige Kerle da wären, die das Herz auf dem rechten Fleck hätten und ihr Mädchen heiraten wollten. Man hörte Thusneldas Klingel die letzte Abendvorstellung ankünden, und Herr Fabian mußte davonspringen, ohne Antwort geben zu können.

Von dem nahenden Mond schlich sich eine matte Helle über das Dach. Kempkes standen auf, um den See im Mondschein zu sehen. Degenbrecht ging zu Ida und fragte, ob sie glaube, daß es Laura übelnehmen würde, wenn ein Mann mit ehrlichen Absichten sie zu einem kleinen Gang im Mondschein aufforderte.

Ida schüttelte den Kopf. Sie sah sehr blaß aus in dem grünlichen Licht des Mondes.

Reichliche Überlegung bewahrt uns vor vielem. Als Degenbrecht sich umdrehte, war Laura verschwunden.

Sie hatte mit dem Grafen gewettet, daß es in dem nahen Waldgehölz nicht hell sein könne, wie er hartnäckig behauptete. Jetzt waren sie auf dem Wege dahin, weil sie nachsehen mußten, wer von ihnen recht hatte.

Graf Egon fragte Laura, ob sie wisse, warum er jeden Abend hinausgekommen sei.

»Weil es Ihnen zuträglich ist«, antwortete Laura.

»Ganz richtig«, sagte der Graf, aber ob sie auch wisse, Warum es ihm so zuträglich wäre.

Sie erwiderte, daß sie leider kein Arzt sei.

Dabei stolperte sie über eine der Kiefernwurzeln, die sich wie Schlangen über den Moosboden wanden. Es war gut, daß ihr Begleiter rasch seinen Arm um sie legte.

Sie sagte, er werde nun einsehen, daß sie die Wette gewonnen habe, denn es sei stockdunkel hier.

Er meinte, daß daran nur die hohen Bäume schuld sein könnten.

Auch Laura glaubte das. Sie sagte, daß sie nun umkehren wolle, und drehte sich mit raschem Schwung herum. Eine schnelle Wendung kann vieles ändern. Zumal im Dunkel. Zwei fremde Münder stießen plötzlich zusammen Und konnten sich nicht mehr ausweichen. Es war unmöglich. Aber nichts ist schlimm, wenn man will, was man muß.

Unabwendbarer Zufall aber wird auch im Bürgerlichen Gesetzbuch als höhere Gewalt angesehen und entschuldigt.

Endlich hatte die Sonne begriffen, daß die Menschen ihre glühende Freundschaft nicht wollten. Und weil sie, wie alle weiblichen Wesen, zur Übertreibung neigt, blieb sie sogleich ganz fort.

Der erste Septembermorgen war grau und griesgrämig, und schon in den ersten Vormittagsstunden begannen schwere Tropfen niederzufallen, so als ob große beleidigte Augen da oben weinten.

Von der Wunderwiese verschwanden die bunten Farben, die Klingeln und Trompeten waren plötzlich verstummt. Vor den verhangenen Buden war ein rascher Bach entstanden, auf dem die Kinder der Dame ohne Unterleib Schiffchen gleiten ließen. Unter einem tropfenden Zelt saßen die Löwenbraut und die Brunnenfee, warme Tücher um die Schultern. Sie stopften Strümpfe und sprachen von ihren Männern. Gewohntes schätzt man gering. Die Löwenbraut sagte gähnend:

»Wenn man ein gewisses Alter erreicht hat, kann man ohne sie bestehen.«

Melusine war erst seit dieser Saison mit ihrem Neger verheiratet. Sie seufzte und sagte:

»Wenigstens sollte man bei derselben Farbe bleiben.«

Thusnelda wußte nicht recht, ob sie vom Neger oder vom Stopfgarn sprach, aber sie war zu faul, um zu fragen. Auch die Neugierde hat ihre Jahre.

Die Männer hörte man im Nebenzelt fluchen. Sie spielten Skat mit dem Riesen.

»Der Skat ist das einzige, was nicht teurer geworden ist«, sagte die Löwenbraut nach einer Weile.

Der Regen strömte heftiger, und mancher Tropfen verirrte sich unter das dünne Zelt. Die Brunnenfee erklärte, daß ihr Nässe widerlich sei, und stand auf, um sich eine Tasse Kaffee auf dem Spirituskocher zu wärmen.

Um Hempels Dach gurgelte die blecherne Regenrinne wie ein Sänger, der Halsschmerzen hatte. Der See wogte wie ein kleines Meer, aber niemand kam in die Badeanstalt, auf die der Regen wütend zum Appell trommelte.

Erst um die Mittagsstunde hörte man Schritte. Der Herr Stammgast Dr. Simrock eilte unter einem großen Regenschirm näher. Unter dem Arm trug er ein Paar Schlittschuhe.

»Wenn der Sommer vorbei, kommt der Winter heran«, sagte er und übergab die Schlittschuhe Frau Hempel. Sie sollte sie ihm für den ersten Eistag bereit halten. Dann verschwand er hinter den Brettern, um noch ein kurzes Bad zu nehmen.

»Ein drolliger Zwickel«, sagte Frau Hempel, als er fort war.

»Da sollten Sie erst einmal zu uns kommen«, erwiderte Herr Otto und meinte damit die Irrenanstalt, in die er morgen zurückkehren wollte.

Schon in der Frühe hatte er zu packen begonnen und erklärt, daß für diesmal der Sommer vorbei sei. Er zog die Stecknadeln aus den Bildern seiner treuen Patienten, pustete den Staub von ihren melancholischen Gesichtern und schob sie in seine Morgenschuhe, die er in den Rucksack steckte. –

Hempel hatte seine Werkstatt am Küchenfenster aufgeschlagen, wo er an einem Paar alter Schuhe hämmerte.

Als sie um den Mittagstisch saßen, sah Frau Hempel lächelnd auf Laura. Seit langer Zeit hatte sie wieder einmal die richtige Ruhe, um sich ihr reizendes Mädchen anzusehen.

»Du siehst ja so geheimnisvoll aus«, sagte sie.

Laura wurde rot und erwiderte, daß es sicher bald gutes Wetter werden würde.

»Hübsche Mädchen prophezeien immer gutes Wetter«, sagte Herr Otto ärgerlich, denn er war schon ganz im Winter und in der behaglich durchheizten Irrenanstalt.

Der Regen wurde stärker, und ein scharfer Wind jagte den klagenden Sommer davon. Auf der Wunderwiese packte man zusammen, was man im Frühjahr aufgebaut hatte. Zwischen den sausenden Wasserstreifen standen magere Pferde, die zusammenzuckten, wenn man auf den Karren hinter ihnen Bretter, Balken und feuchte Flitterfetzen schleuderte. Wie ein großer Leichenzug bewegten sich die bepackten Wagen langsam durch die aufgeweichte Allee zwischen fallenden Blättern dem Bahnhof zu.

»Wie früh es heute dunkel wird«, sagte Frau Hempel und zündete die kleine Lampe an, die über dem Herd hing. Sie wollte Kartoffelpuffer braten, um Herrn Otto den Abschied schwerzumachen.

»Bald wird es hier tüchtig einsam sein«, sagte Herr Otto zufrieden und streute sich mit Finger und Daumen Salz auf den Kartoffelkuchen, wobei er die Augen zukniff. »Bei uns ist es anders«, erklärte er weiter, nachdem er das Essen gekostet und gelobt hatte. »Die halbwegs Normalen machen des Abends Musik, und die andern verüben andern Radau. Ich bin Leben um mich gewohnt. Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei.«

Hempel meinte kauend, daß das seine Richtigkeit habe und ein einzelner Schuh zu nichts tauge.

Laura dachte: gestern um diese Zeit ...

Frau Hempel schwieg. Sie brauchte bei einem solchen guten Essen keine Unterhaltung. Nur einmal sagte sie:

»Schwatzt nicht so viel. Man merkt ja gar nicht, was man ißt.«

*

Der Graf hatte es nicht so gut wie seine künftige Gräfin, die träumen und warten durfte, während sie Kartoffelpuffer aß. Er stand vor seiner Mutter, die von Tag zu Tag stolzer geworden war, seit sie einem Dienstmädchen viele Stunden am Tage von der früheren Größe der Prillbergs und der eigenen Ahnen erzählen konnte. Das Mädchen wußte nicht, was Ahnen waren, aber sie merkte, daß es etwas sein müßte, was früher großen Wert hatte. Sie stellte sich darunter eine Art alter Taler vor, die jetzt nichts mehr galten. Im übrigen war es ihr einerlei, worüber die traurige Gräfin klagte, weil sie meist an ihren Fritz dachte, der ein Grenadier war.

Die Lampe brannte über dem Tisch und der kleinen Schüssel mit Aufschnitt, in dem ein silberner Spieß steckte, der als Adler endete. Neben jedem Teller lag das alte, dünn gewordene Silber der Prillbergs, und die goldene Krone am Halse der Mutter leuchtete gelb.

Hier wollte Graf Egon von Laura und seinem Versprechen im Walde reden.

Man sagt, daß es immer Vergnügen macht, von Dingen zu sprechen, die man liebt. Der Graf merkte im Augenblick nichts davon. Er hatte sich dreimal geräuspert, aber noch immer nichts gesagt.

»Willst du dich nicht setzen?« fragte die Gräfin, die steif auf dem Sofa saß.

Der Sohn blickte sie an. Wie immer sah sie aus, als ob sie an ein großes Unglück dachte. Die Kehle schnürte sich ihm zu. Jetzt sollte er von Laura und allem Gutem sprechen, das er erhoffte. Er konnte es nicht. Er setzte sich stumm an den Tisch und begann Wurst zu essen.

Der Regen klatschte gegen die Scheiben. Die elektrischen Bahnen rasten klingelnd und dröhnend durch die Straßen. Der Graf dachte an gestern, an die vergangenen Wochen.

Plötzlich hob er den Kopf und sagte heftig:

»Ich bin doch kein Verbrecher. Ich habe wohl auch ein Recht auf Glück. Was schert mich das tote Vieh im Wappen?«

Die Gräfin ließ die Gabel sinken.

»Sprichst du von unserm Adler?« flüsterte sie starr und ängstlich, als ob sie von einem Kanarienvogel spräche, der neben ihr im Bauer schlief.

Der Graf würgte noch ein paar Wurstscheiben durch die Kehle und schwieg.

»Was ist denn das für ein herausfordernder Ton gewesen?« fragte die Gräfin nun im strengeren Tone. »Willst du dir einen neuen Paletot anschaffen? Ich habe schon selbst daran gedacht.«

Der Graf stand auf.

»Kurzum, Mutter, ich habe mich verlobt.«

»Ich ahnte es ja«, sagte die Gräfin und lehnte sich mit geschlossenen Augen an den hohen Sofarücken.

»Mit Laura Hempel«, schrie Graf Egon weiter.

»Wer ist das?« hauchte die Mutter.

»Die Tochter unserer tüchtigen Frau Hempel aus Bombachs Haus.«

»Das Portiermädchen?« Die Gräfin schrie auf, als ob ihr ein Zahn ohne Betäubung gezogen würde.

Das Mädchen kam schreckerfüllt ins Zimmer gestürzt. Aber da saß die Gräfin sofort aufrecht im Sofa, sagte, daß niemand geklingelt hätte und man anzuklopfen habe, ehe man ein Zimmer beträte.

Nachdem das Mädchen wieder verschwunden war, lehnte sich die Gräfin wieder zurück und erklärte in leise klagendem Tone, daß sie niemals in diese Heirat einwilligen werde. Sie wäre die Enkelin eines hohen Offiziers, hätte einen Grafen geheiratet, einen Grafen geboren und hätte es nicht nötig, als Schwiegermutter eines Portiersmädchens zu sterben.

Graf Egon sagte, daß er mit der Heirat warten müsse, bis er wieder einige Stufen vorwärts gekommen sei, aber daß er nun wenigstens die Hoffnung auf das Glück als Helfer haben möchte.

Er erinnerte sie, wie wenig Gutes er bisher im Leben genossen hätte.

Sie fragte, ob es ihr vielleicht besser gegangen wäre, und sagte, daß es wenig zartfühlend von ihm sei, ihr die unverschuldete Armut vorzuwerfen.

Der Graf antwortete, daß er das nicht tue und nie tun werde, aber daß sie doch versuchen sollte, sich an Lauras Anmut und heiterer Natürlichkeit zu erfreuen.

Die Gräfin stand auf, um in ihr Schlafzimmer zu gehen, und sagte feierlich:

»Ich brauche keine Heiterkeit, mein Kind. Laß du mir nur mein Unglück.« Damit ging sie hinaus, die edelste Verachtung in dem traurigen Gesicht.

Der eine liebt sein Unglück, der andere sein Glück, und es ist schwer zu entscheiden, was von beidem lohnender ist, besonders wenn man bedenkt, wie vergänglich das Glück ist.

*


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