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XII. Capitul. Wolffgang kommt wegen der schönen Liesel aus dem Traum.

Mein Herz klopfte mir schon von ferne, je näher wir aber kamen, je weniger hörten wir, welches sonsten bei solchen Zusammenkünften nicht gebräuchlich ist. Ich stund still, entweder eine Geige oder Pfeifen zu hören, aber da war alles mausestill. Es schien, als ob gar kein Mensch zu Hause wär. Darum schoß ich los, daß etwan jemand heraussehen möchte. Aber wie gesagt, man sah darnach so wenig als zuvor. »Wie ists, alter Vater,« sagte ich zu einem Bauern im Dorfe, »ist Euer Herrschaft nicht zu Haus?« – »Er ist wohl zu Haus,« sagte der Bauer, »aber wenn Ihr zu ihm wollet, müsset Ihr noch eine halbe Stund da hinunter übers Kornfeld reiten, da halten sie heut eine Hochzeit!« Damit mußte er uns den Weg weisen; und als wir den Berg hinunter waren, hörte ich schon etliche Trompeten, die allem Ansehen nach um dieselbe Revier herum geblasen wurden.

Nicht lange darnach kamen wir an dem Platz an, allwo die ganze hochzeitliche Compagnie in großen Freuden versammlet war, und weil dieser Ort etwas tief lag, konnte ich mich mit so vielen Leuten desto weniger verbergen. »Ha, ha!« ruften sie, »Herr Wolffgang, Herr Wolffgang! O du Tausendbruder! Willkommen; wie so spat? Wie so spat?« Ich tat, als hört ichs nicht, und wollte an dem Berg vorbeireiten. Aber sie paßten mir an dem Gattern auf, und dort konnte ich nicht so unhöflich sein, daß ich wider die Bitte aller anwesenden Gesellschafter sollte weitergeritten sein. Ich stund endlich vom Pferd, und sie ließen mir nicht so viel Weil, daß ich mich ausgestiefelt hätte, sondern mußte geschwinde mit an die Tafel, allwo ein sonderlicher Ort vor mich aufbehalten worden. Ich dachte mich bis auf den Tod zu verwundern, als ich sah, daß ich in meiner bisher gehabten Meinung ganz betrogen war, denn die Braut war weder die schöne Liesel noch eine unter ihren Schwestern, sondern ihre von weiter Gesippschaft verwandte Muhme, welche sich schon eine ziemliche Zeit, und zwar etliche Jahre her, bei ihnen auf dem Schloß zu Buchberg aufgehalten hatte. »O Schelm,« sagte ich zu Gottfriden, »wie hast du mir neulich vorgelogen!« – »Schweig!« antwortete er, »wir wollen mehr von der Sache reden, wenns Zeit ist.« Hiemit bewillkommte ich alle nach der Reihe und bat um Vergebung, daß ich sie verunruhigte, erzählete auch beinebens, daß ich meine Frau in höchster Krankheit hinterlassen und dieselbe schwerlich mehr bei Leben antreffen würde. Ich schickte darauf meiner Diener einen gar hinein nach St. Andre, alle diese Medicamenten mit sich herauszubringen, die in dem mitgegebenen Zettul würden enthalten sein. Diese Post, ob sie schon in der Wahrheit ihrer vielen nicht traurig vorkam, zumalen meines Weibs continuierliche Krankheit ohnedem landkündig war, so stelleten sie sich doch, als war es ihnen leid. Aber die schöne Liesel ließ sich deswegen den Schluchzen nicht ankommen, denn sie wußte am besten, wie wir miteinander stünden, und mich wunderte nichts, als wie Herr Gottfrid hinter meine Heimlichkeiten geraten wäre, weil er allem Ansehen nach von meiner fremden Liebe gute Nachricht haben mußte.

Meinen Pferden wurde allda in dem Grünen frisches Futter gegeben, und meinen Leuten wurde dergestalt stark zugetrunken, daß, als ich mich um sie umgesehen, fast schon ein jeder zu torkeln anfing. Denn bei solchen Begebenheiten muß man die Diener und Knechte fast besser bedienen als die Herrschaft selbsten, weil sie allenthalben in dem Land auskommen und hernach so spöttlich von der Filzigkeit reden können, daß einem die Ohren davon gellen möchten. Aber der Student war ein abgerichteter Gesell, welcher sich ehe voll stellte, ehe ers war, denn er forchte, der Reitknecht dörfte ihn wieder, gleich wie er ihm getan, hinter die Pferde legen. Als er aber von der adeligen Gesellschaft erkannt worden, wurde er zu uns samt dem alten Schmeckscheitierer an die Tafel gerufen, all wo sie auch so sternblind voll angesoffen worden, daß sie kaum aus den Augen sehen konnten. Der Student redete von der Schul und der Soldat vom Krieg, und unerachtet jeder seine sonderliche Materie vor sich hatte und also keiner wider den andern war, zerzankten sie sich doch weidlich miteinander; und der ihnen zuhörte, wußte doch nicht, was einer oder der andere wollte. »Ha!« sagte der Soldat, »der Wallensteiner war ein braver Soldat!« – »Was,« sagte der Student, »der Ariaga zu Prag, was mangelte diesem? Das war ein gelehrter Mann!« Also redete einer von Knoblauch und der andere von Zwiebeln. Endlich wollten sie gar aneinander bei die Köpfe kriegen, und weil keiner wußte, wo er war, gaben wir jedem eine Wurst in die Hand, und damit mußten sie uns zusammengehen. Da stieß einer den andern damit in die Fresse, daß ihnen der Speck an der Nase klebte.


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