Charles Baudelaire
Gedichte in Prosa
Charles Baudelaire

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Ein Pferd von Rasse

Sie ist sehr häßlich. Sie ist dennoch reizend!

Die Zeit und die Liebe haben sie mit ihren Krallen gezeichnet und sie grausam gelehrt, was jede Minute und jeder Kuß an Tugend und an Frische rauben.

Sie ist wirklich häßlich; sie ist eine Ameise, eine Spinne, wenn ihr wollt, selbst ein Gerippe; aber sie ist ebenso Balsam, Arzt und Zauberin! kurz, sie ist einzig.

Die Zeit konnte weder die wiegende Harmonie ihres Ganges vernichten, noch die unzerstörbare Eleganz ihrer Kleider. Die Liebe verdarb nicht die Lieblichkeit ihres kindlichen Hauches; und die Zeit raubte nichts ihrem vollen Haare, aus dem in fahlen Düften die ganze teuflische Lebenskraft des französischen Südens atmet: Nîmes, Aix, Arles, Avignon, Narbonne, Toulouse, sonnengesegnete, liebliche und wunderbare Städte!

Die Zeit und die Liebe haben vergeblich ihre schönen Zähne zernagt; sie nahmen nichts dem unbestimmten, aber ewigen Reize ihrer knabenhaften Brust.

Vielleicht verbraucht, aber nicht ermüdet und immer eine Heldin, erinnert sie an jene Pferde edler Rasse, die das Auge des wahren Liebhabers erkennt, selbst wenn sie einer Mietkutsche oder einem schweren Lastwagen vorgespannt sind.

Und dann ist sie so süß und so glühend! sie liebt, wie man im Herbste liebt; man könnte sagen, daß der nahende Winter ein neues Feuer in ihrem Herzen entzündet, und die Ergebenheit in ihrer Liebkosung hat niemals etwas Ermüdendes.

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