Ernst Barlach
Schriften in eigener Sache
Ernst Barlach

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Wider den Ungeist

Das Organ des Königin-Luise-Bundes macht sich am 24. November 1928 über angebliche Unterzeichner des kommunistischen Volksbegehrens in der Panzerkreuzerfrage her, so gut es eben geht. 600 Namen von Künstlern waren zu Propagandazwecken in der Zeitung Klassenkampf vom ... Oktober 1928 aufgeführt, darunter auch der meine, und so sitzt man denn zu peinlicher Befragung unschuldig angeschuldigt da und muß auf sich mit Fingern deuten lassen. Der schrille Ton des Organs schreckt mich, ich bekenne, wo Ausdrücke knallen, wie »Gipfel der Selbstentmannung« (Gipfel?), »Bankerotterklärung des Nationalgefühls«, »Künstler, die sich als Führer des Volkes aufspielen«, »Geistesführer«, »Russisch asiatischer Brei«, »Abtötung des deutschen Nationalgefühls« und ähnlich klappernde Hergebrachtheiten – da muß ich mich taub stellen, da ist eine Vernunft am Werke, vor deren Äußerungen ich das Hasenpanier entrolle und um Schonung signalisiere. Ich bitte die geehrten Damen, mich feiglings flüchten zu dürfen, das Hohngelächter vom Gipfel, wo der Luisenbund sich aufgebaut hat, nehme ich in Kauf.

Es genügt zu veranlassen, daß ernsthafte Männer die Köpfe zusammenstecken und munkeln, weil ein Bildhauer bei der Bewerbung um einen Auftrag – wodurch seine Würdigkeit fraglich gemacht? Hat nicht selbiger Bildhauer, während er einerseits Entwürfe für ein Ehrenmal der Gefallenen des Weltkrieges in der Nachbarschaft vorlegt, andererseits und vorher, damals als das Volksbegehren wegen des Panzerkreuzers schäumte, seinen Namen in die kommunistische Liste geraten lassen? Nein, er hat es nicht, denn der Name hat nicht darin gestanden, aber immerhin soll er darin gestanden haben. Es steht nun so, daß vom Stahlhelmbund die Rede sein muß, weil sonores Aufschwellen und Abgrollen von Männerrede wegen des Verdachts brandet, ich könnte einen Knopf kommunistischer Färbung an meiner Weste haben. Es wird also gemunkelt, anläßlich meiner Bewerbung um ein Ehrenmal, aber freilich nicht offiziell. Der Kreisführer im Stahlhelm B. d. F. stellt unter dem 29. 1. 1929 fest: »... daß in meinem Befehlsbereich offiziell die Sache des Herrn Barlach nicht behandelt worden ist, sondern daß es sich höchstens um Gespräche einzelner Kameraden über diese Angelegenheit gehandelt haben kann.« Die Entwürfe wurden abgelehnt, und es war dieselbe Munkelei aus dem gleichen Vorstellungskreise, die die Ablehnung bewirkte, freilich, ohne daß ich einen andern als den geräusch- und geruchlos wirkenden weltanschaulichen Zusammenhang zwischen dem hiesigen und dem nachbarstädtischen Gerede nachweisen könnte. Was meiner Mißliebigmachung noch ein bißchen förderlicher wurde, indem man mich als jüdischen und von Juden »gemachten« Bildhauer stigmatisierte, war ein Hilfsapparat, der zwar auf einem Nebengeleise in Schwung gebracht wurde, aber auf den gleichen Zielpunkt meiner Verfemung hinwirkte. Die antisemitischen Artgenossen zwinkerten den mit ebenso falschen Tatsachen bedienten zu, und sie machen dabei gewiß auf monopolisierte Rassetugenden Anspruch, vermutlich unter den zahllosen andern auf exemplarische Lauterkeit des Gemüts, Gradheit und, wie sich von selbst versteht, auf Mut und völkisch angeborene Treuherzigkeit, lauter vermeintliche Einzigkeiten. Aber warum stehen die dergestalt von mir Abrückenden, indem sie von fern auf mich hindeuten, mit ihren Signalpfeifen an einem schimpflichen Ort? Denn wer aus anonymer Verantwortungslosigkeit heraus agiert, dessen Standort ist der einer schäbigen Verborgenheit. Gehören Gradheit, Mut, Treuherzigkeit an einen schimpflichen Ort? Wer bringt sie dahin? Sie, die antisemitischen Artgenossen! Und wie gedenken sie mir in der Meinung der Leute zu schaden? Eben dadurch, weil Rassenstolz kein Werk eines Juden bei einem Anlaß wie der Errichtung eines Ehrenmals erträgt. Hier muß ich der Versuchung widerstehen, breiter auszuführen, wie ich mich dieses reinen Rassegenossen schäme. Als Nichtjude gerate ich auf den Holzweg des Nichtverstehens, denn ich habe jüdische Freunde und nehme an ihnen die Eigenschaften der Gradheit, der exemplarischen Lauterkeit, des Mutes und angeborener Treuherzigkeit wahr, lauter Einzigkeiten, auf die sie nicht einmal stolz sind, weil sie ihnen als selbstverständlich eigentümlich sind. Mir will aber scheinen, daß ein Artgenosse, und sei er noch so antisemitisch, solange er sein schäbiges Geschäft mit der Signalpfeife an einem schimpflichen Ort betreibt, bei allem inbrünstigen Stolz wohl im Ernst auf Gradheit, Lauterkeit, Mut und die andern exemplarischen Rasserügenden nicht Anspruch erheben kann. So sage ich, wer versteht, wie man auf mangelndes Gut dennoch stolz sein kann, der versteht es eben auf die Art der zeitgenössischen Gesinnungsbrüder mit der Signalpfeife. Hier ist eine schief angesetzte Raison zu enthülsen.

Ernst Barlach in seinem Atelierhaus am Heidberg vor dem »Fries der Lauschenden«, 1935
Links die »Mutter mit Kind«, Teakholz 1935 (heute im Barlach-Haus Hamburg-Kleinflottbek, Sammlung Reemtsma); rechts neben Barlach sein Hund »Boll«

Hier machen Denkpfuscherei und Rechtfertigung durch Weltanschauung gemeinsame Sache.

»Er soll unterzeichnet haben, also ...« »Also« heißt hier nicht: daraus folgt (nämlich als organisch wachsendes Ergebnis ), sondern: wir folgern (nämlich mit der organisierten Spezialanschauung unsrer unter uns Kameraden gültigen Parteilogik). Den Herren ist ein Ehrenmal für Gefallene von der Hand eines Künstlers, die eine kommunistische Liste unterzeichnet haben soll, ein Werk, nicht geeignet, Tote zu ehren, sondern geeignet für Rechthaberei und Meinungszwang – ein Gedankengang in Krümmungen, und wer ihn betritt, sind die lieben Parteikinder, die das Bundesschema vielstimmig im Chore absingen. Weltanschauung rechtfertigt? Ach Gott, hinter den Bergen wohnen auch Leute, aber Onkel Doktor Dogma verschreibt gar zu leckere Sachen, und Selbstverhätschelung und leichtlöslichen und halbverdauten Brocken kommt sich im Spiegel der Eigenliebe wunder wie brav vor.

Ich frage, wenn ich Jude und Kommunist wäre, könnte ich nicht vielleicht für meine Arbeit eine die Erinnerung beschwörende Formel gefunden haben, ein Mahnbild hinstellen können, das die Hunderte in einer Gestalt symbolisch wiederkehren hieß, damit sie wissen, wie unausgelöscht ihr Wirkliches und Letztes, ihr gemeinsamer Verzicht auf das, was andern blieb, im Gedächtnis haftet? Ist es danach gegangen? Nein, und was geschieht, da man erfährt, wie falsch die mißliebigmachenden Umstände waren? Man hätte sich doch sagen können: obgleich – vielleicht – doch wohl – am Ende das kameradschaftliche Gemunkel den Verlauf nicht bestimmt hat, so sind die Ursachen und Gründe des Gemunkels doch in dem so beschaffenen Falle hinfällig, also »folgt«, daß die hinfälligen Gründe nicht gelten und es an der Zeit ist, sie hinfallen zu lassen wie andre Peinlichkeiten, die man auch nicht bei sich behält.

Wenn ich nun zu bedenken mahne, daß hinter den Bergen auch Leute wohnen, so flüstert eine melancholische Frage, wer will es denn wissen? Daß die Welt weit ist, sagt man so; die Welt ist nicht geräumiger als die Köpfe, die sie in sich fassen, und die Köpfe sind zumeist enge Nester für selbstbehaglich schmorende Gedanken.

Eine freimütige Widerrede an mich könnte so lauten: Allerdings, aufgeregter Herr, rechtfertigt Weltanschauung und so auch uns die unsre, wir lassen uns nichts Fremdes aufdrängen, Jude hin, Jude her, Kommunist oder nicht, das ist alles Geschmus drumrum. Munkelei oder nicht, laut geworden gegen Sie, geltend gemacht in öffentlichem Abtun Ihrer Sache, ist nichts dergleichen. Man kann es bei Seite schieben, und was dann bleibt, ist das, worum es geht. Und es geht darum, daß Sie in Ihren Entwürfen dem verderbenden Walten des Geschicks zuvörderst, vielleicht nicht ohne Gelingen, ein Wahrzeichen errichten wollen. Die Idee des Opfers, die Sie sodann hervorheben, selbst wenn Seelenstärke im Unterliegen aufstrahlt, gründet nicht den Bau unsres Trostes. Uns geht es um Aufrichtung, wir sind »kampffrohe Christen«, und unser ist das Reich und die Herrlichkeit der flammenden Zuversicht. Auf dem Grunde der Ungebrochenheit stillt sich der unsterbliche Glaube an das Heil der germanischen Weltordnung ... Darum stillgestanden im Gehorsam gegen den Führergedanken, und keinen Platz in unsrer Weltanschauung haben Leute, die hinter den Bergen in der Welt wohnen sollen.

Kummer und Elise, Holzschnitt, 1922
12,7 X 11,4 cm
»Der Findling«, Blatt 13

Darauf erbiete ich mich zu antworten: Meine Aufgabe war, ein Erinnerungszeichen zu schaffen, die Toten wären vielleicht berechtigt zu fordern, daß man nicht um Sinn oder Unsinn ihres Sterbens zankt, die Zeit, die über Trauer und Schmerz hinschreitet, wird im Hineilen durch ein Mal gehemmt, ihr Schritt hält an, sie soll im fortfahrenden Hasten, Weiterwerden und Neugestalten die Spur des Augenblicks in sich fassen – Nichtvergessenwerden sei als Ehre ohne Vorbehalt gewertet, aber durch keinerlei Dialektik darf den Toten, die nicht zustimmen oder ablehnen können, eine Teilnahme an den Zwecken der Überlebenden aufgedrängt werden. Unter den Hunderten Gefallener in der Nachbarstadt sind vielleicht einige Juden und Kommunisten, deren Tod rechthaberisch gegen sie ausgenutzt werden würde, wenn man sie mir nichts, dir nichts zu Eideshelfern einer fremden Anschauung machen wollte. Das ist ja nicht der Sinn des Wortes von der freien Meinung, daß sie nach freiem Belieben geknechtet wird, und dies wäre grade das Ergebnis, wenn man ein Gedenkendürfen als Gelegenheit zum Vorschreiben und Unterstellen einer strammen Gesinnung ersähe, wie sie sich aus spezieller Weltanschauung ergibt. Die Toten sind politischen Notwendigkeiten entronnen, und sollte die Frage nach dem Fortleben im Reich des Geistes bejaht werden, so würden sie sich gewiß verbitten, in unsrer Vorstellung als Geistesgruppen verschiedener Nationalitäten oder als Parteimitglieder in absentia fortzuleben. Vielleicht wünscht der Tote, hienieden unvergessen zu sein, aber wohl hat der Nicht-mehr-Mensch alle Ursache, mit seiner Befreitheit aus dem Kerker des menschlich zwanggläubigen Denkens zufrieden zu sein, und spottet einer Zumutung, die ihn erniedrigt – aber vielleicht fordert die »Vaterländische Einstellung« doch ein Fortkämpfen der Entkörperten in Gedanken an die Legende von der Hunnenschlacht in Gebundenheit an schwarz-weiß-rote Ideenkomplexe, dann spreche ich allerdings nicht mehr von Leuten hinter den Bergen.

Buchleser, Federzeichnung, 1908/09
Aus den Illustrationen zu dem polytechnischen Lehrbuch »Figürliches Zeichnen«, Strelitz/Meckl. 1909, 5. neubearbeitete Auflage

Es ist zweifelhaft, ob die Abneigung zur Scheidung zwischen Denkschusterei und echter Einsicht in persönlicher Mißratenheit wurzelt. Durch Paukenschlag und billigen Rhythmus werden mit der Gewalt des Schlagwortes die Gemüter berauscht, die Allerweltsseele will übergern beseligt werden, und rednerische Überschwungtheit reißt die unbedachte Bereitwilligkeit in ihren Strudel; denn es verhält sich so, daß das Kauderwelsch zeitgenössischer Hast, der massenhafte Auftrieb von halbgaren Vorstellungen, in lauter platzende Unfertigkeiten des Worts ausbrechend, wie Fusel die Fähigkeiten der Köpfe lähmt. Das Ungefähr, der Schein der Schlüssigkeit dünkt sich überleidig gut genug, nur daß auch der Schein hübsch kunterbunten Schaum schlägt und die leckere Bereitwilligkeit den Mund recht voll geschleckt bekommt. Die Zeitläufte haben lange Beine, und dem bißchen Gerede über mich mag vielleicht bald der Atem ausgehen. Doch in den Köpfen spukt der schonungslos eingehämmerte Rhythmus, der den wilden Tanz von in Unfreiheit dressierten Vorstellungen zum Wüten und Wirbeln bringt. Wie heute mir, kann es morgen Andern ergehen, wie Andern morgen kann es bald ganzen Reihen und Schichten gehen, denn das Schlagwort hat einen furchtbaren Schwanz, und seine Schwänze treffen nicht nur in die Nachbarstädte, und der Vollzugswille der kameradschaftlich organisierten Artgenossen mag einmal wie im Kleinen gegen den Kurs meines Schiffleins machtfreudig gegen die »janze« nicht passende Richtung strömen.

Russische Bettlerin, Federzeichnung, 1908/09
Nach der gleichnamigen Plastik von 1907 »Figürliches Zeichnen«, 5. Auflage 1909

Wie steht der Künstler im elementaren Geschehen derart aufmarschierender Massenurteile da? Als ein Spänlein und verkrümeltes Nichts zwischen brechenden Erdschollen und Lavastürzen. Aber wohl mag er in unbetäubter Besinnung die Frage stellen nach der Verläßlichkeit von Ursachen und Gründen so mastiger Vorgänge.

Es gibt eine gespickte und gepolsterte Wirklichkeit und eine andre, sozusagen abgeschabte, unansehnliche, der als einziger Pomp und Pathos Selbstverständlichkeit und Notwendigkeit wortlos innewohnt. Ihr, die ihr die Dinge auspolstert, wißt nichts von dem Adel der Einfachheit, ihr setzt der Wirklichkeit solange zu, bis sie die Backen aufbläst und in Trompetenstößen Laut gibt, und wißt nichts von einem Ewigkeitswort, dessen Raunen nur aus der Stille vernehmbar wird. Donnergefühle müssen sein, und in Knallworten müssen sie sich entladen, nichts liegt bei euch zwischen den Zeilen als das Pfeifen eurer Blasbälge.

»Walpurgisnacht«, Blatt 3 Titelblatt zu Goethes Walpurgisnacht, Holzschnitt, 1922
18,9 X 14,3 cm

Kann man nun riskieren, von der Tragik des Seins überhaupt zu sprechen, dem Dämonischen einen Fingerzeig zu gönnen? Nichts da in eurem Wissen von Segen und Fluch, wie der Fluch den auftrumpfenden Erfolg infiziert, wie der Segen den Erliegenden mit Stolz beschenkt. Es gibt, wenn auch nicht in eurer Vorstellung, einen Ruhm der Einfachheit, aber nebenan prunkt zufrieden eure stampfende und weithin anrüchige Aufgewichstheit in augenrollender Verbiesterung.

»Unser der Sieg« ist euer Leitmotiv. Ein bißchen Nachspüren dem wehen Hauchen, das über Gräber zieht? Der »kampffrohe Christ« brüllt Racheschwüre, und der Hauch, der wie leichtes Seufzen sang, schauert in sich zusammen. Ein bißchen unverzagtes Hinblicken auf die Härte des Geschehens? Oh, nein, nur nichts Trauriges, beileibe kein andres Gefühl, als die hackenklappende Gesinnungsordre vorschreibt.

Blocksberggelichter, Holzschnitt, 1922
7,6 X 10,1 cm

Nicht viel ist anders geworden im geistigen Reglement, der weite Wald, der zu Kreuzen geworden, ist umsonst gefallen, der Schiffe, die im vergossenen Blut schwimmen könnten, ist eine gewaltige Flotte, aber: »Unser der Sieg«. Als ob es mit dem Niedertrampeln der Andern getan wäre, als ginge es ohne siegende Vernunft, ohne Sieg über sich selbst, ohne Verständnis für die Besiegten, worin ihr es unsern Feinden genau so ausgiebig hättet fehlen lassen wie diese uns. Gewalt wird gelobt, solange sie Andern gilt, aber von den Andern gegen uns gerichtet, heißt sie nicht »die in Herrlichkeit gerechtwaltende Gewalt«, sondern »barbarischer Vernichtungswille«.

Ist die Tragik des Erliegens euch so unverständlich? Wißt ihr nichts von der ewigen Unbefriedigung des Seins? Daß es immer zerstört, um neu zu werden, sich seiner selbst entledigt, um seiner selbst im Bessern habhaft zu werden, immer wieder das Unmögliche will, um am Möglichen zu scheitern? Nein, ihr wißt es nicht. Ihr wollt in unverdrossener Selbstbefriedigung was sein? Die ewig Gleichen, und ahnt nicht, daß das Gleiche immer verworfen ist, weil es mit seinem Anspruch den schöpferischen Trieb im Sturm des Weltgeschehens beleidigt.

Wollt ihr die Toten ehren, so laßt sie in ihrem Bereich der Ruhe. Spickt nicht die Tragik ihres Schicksals mit fetter Pietät, gebt zu, daß sie waren, aber nicht sind, indem ihr das Andenken vom Zweckschwall säubert, und gönnt ihnen die Vollendung, deren sie teilhaftig wurden durch Letztgültigkeit, durch Eingehen ins Unwiederbringliche, in zeitlos geordnete Ewigkeit. Ehrt vergangenes Sein, wie es am höchsten war, als Wertsetzung des Selbst trotz des Erlöschens. Der Begriff »Sieg« ist im innersten der eines neuen Beginns, einer frischen Aufgabe, aber Vergehen ist Krönung; die höchste Weihe ist dem gegeben, der zu Unvergänglichkeit im Unveränderlichen gelangte, und unvergänglich ist das Bild des Gewesenen, der in der hinrollenden Ewigkeit einen einmaligen Wert bewiesen und seine höchste Möglichkeit erschöpfte. »Ehrung« ist kein Preisliedsingsang, damit schafft man nur sich selbst eine herzliche Genugtuung in Schmerz und Sehnsucht. Eine Ehrung mag vornehmer beweisen, daß der Lebende den Toten im Heiligsten seines Herzens erkennt als vom Schicksal geformte und bedeutsam erhobene Einzigkeit ohne Hinzutun von einer Hand, die nun doch einmal von Ausdeutungslust stümperhaft geführt wird.

Das Lange und Breite von dem Allen ist, daß ihr Siegesdenkmäler haben wollt, hinten herum, wenns von vorn und ohne Umschweife nicht angeht, also Eitelkeitsbefriedigung, da ja die Toten nichts davon haben, bei den sich selbst einsetzenden Erben ihrer Taten. Mit Unterschätzung der Andern fängt es an, und mit Selbstbetäubung hört es nimmer auf. Nur immer unverzagt Jene beschuldigen und nie um die eigene Beschaffenheit gesorgt! Der ist schon ein schlechter Kerl, in dem sich einmal Selbstbesinnung aufraffen will. Wer den Parteianforderungen gewachsen ist, der habe das Bund statutengerechter Dietriche in der Tasche, und wehe, wollte er sich unterstehen, irgend ein Ding aus frei schaltender Vernunft zu erschließen!

Die Ehrfurcht des Künstlers vor dem unfaßbar Dunkeln im übermächtigen Geschehen mag immerhin als einseitig abgetan werden. Aber das Notwendige bei so mythischem Anlaß kann nur Abwendung von jeder Zeitbedingtheit sein. Keine Anlässe, die sich, heranmachen, haben Rang neben dem einen, der in dem Kreis eines Verlaufs von absoluter Größe gegen Vor- und Nachwelt beschlossen ist.

Man versage es sich doch endlich, Selbstiges vor solchem Kreise der im Segen ewiger Stille ruht, laut werden zu lassen, und trete in den Schatten schweigender Bescheidenheit zurück. Mit allem Zutun erweist ihr doch nur euch selbst einer. Gefallen und macht euch peinlich wichtig mit rauschenden Bannerreden, die so ewigkeitsfern sind von der Erhebung zur lächelnden Weisheit der Toten, die im Symbol der Zeitlosigkeit Gerechtigkeit sucht.


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