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Vorwort

Indem ich deutschen Lesern hiemit eine Übertragung von Barbeys Brummell vorlege, will ich mir keineswegs verhehlen, dass nicht ein Bedürfnis mich bestimmt, sondern Laune mich geleitet, vielleicht auch, da denn einmal das Wort ausgesprochen, der Plan eröffnet worden war, die Befürchtung mich getrieben hat, es möchten minder vorsichtige Hände sich das heikle Unternehmen anmassen.

Ich erachte Übersetzungen dichterischer Werke im allgemeinen als überflüssig, ja als schädlich. Wer sich ihnen einzig vertraut, ist übel daran. Sie fälschen – und dies fast immer gröblich – das Original, dem sie zu dienen vorgeben. Zumal bei uns und vornehmlich in den letzten Jahren wütet das Übersetzertum wie eine verheerende Seuche. An die köstlichsten Schätze wagt sich trauriger Mut und Übermut. Das Ergebnis ist für die deutsche Sprache beschämend, für die fremde nichtig. Es ist immerhin fraglich, ob die Vermittlung bequemer oberflächlicher Kenntnis des in fremden Literaturen Vorhandenen den Schaden aufwiege, den so die üblichen herzlosen Übersetzungen wirken. Ich selbst bekenne mich unbedingt als Verneiner der zweifelnden Frage.

Und dennoch übersetze ich hier ein sicherlich bloss neben der grossen Literatur gültiges Buch eines Autors, den man nicht in der ersten Reihe der schöpferischen Geister seines Vaterlandes wird anführen wollen. Warum dieser Mangel an Folgerichtigkeit? Ganz abgesehen davon, dass ich durch das Unterlassen meines vielleicht nicht einmal glücklichen Versuches meine Gegnerstellung zwar befestigt, dem zu bekämpfenden Übel der Übersetzerei jedoch keinen auch noch so geringen Eintrag getan hätte, ist der Zweck dieses verdeutschten Brummell ein ganz andrer als der jener gescholtenen, nie genug zu scheltenden Unternehmungen. Es hat mir fern gelegen, deutsche Leser mit Barbeys feiner Studie bekannt machen zu wollen. Ich setze sie im Gegenteil voraus. Ich schreibe nicht für Menschen, die den »Dandysme« im Original zu lesen unvermögend wären. Ich schreibe für einige wenige, die meine Leistung zu würdigen in der Lage sind. Ich habe mich nämlich bestrebt, ein gutes deutsches Buch zu schaffen. Das ist alles.

Ich kenne und schätze das originelle Genie Barbeys seit etwa acht Jahren. Die grandiosen »Diaboliques« haben mich zum »Chevalier des Touches«, zur »Ensorcelée«, zum Brummell geführt. Einige neuere Erscheinungen der französischen Essay-Literatur Roger Boutet de Monvel George Brummell et George IV. Paris, Librairie Plon 1906 – Jacques Boulenger Sous Louis Philippe: Les Dandys, Paris Librairie Paul Ollendorff 1907 hatten mir die verführerische Erscheinung des »grossen Dandy« wieder herangebracht. Und da mein zu so unerwarteter Beachtung gelangter »Andreas von Balthesser«, der mich in den Jahren 1906 und l907 vorübergehend beschäftigte, – er ist fragmentarisch entstanden, seine Ergänzung ist in »Grossmutter« und »Kreisler« zu suchen – von der Betrachtung des gegenwärtigen Zeitalters ausgehend, zu ähnlichen »Paradoxen« gelangt sein mochte wie der elegante Autor des »Dandysme«, war es nur durch die Umstände gerechtfertigt, dass mich dieses einst mit Behagen gelesene Buch wieder anzog. Ich äusserte die Geneigtheit, einmal einen »Brummell« zu schreiben, etwa Barbeys Essay teilweise zu übertragen; mein Verleger griff die Idee einer Übersetzung des »Dandysme« auf, und so – nach manchem Sträuben und Liebäugeln – »sank ich hin«. Ich habe im Verlauf der verzogenen, oft auf Wochen unterbrochenen Arbeit an dem Werkchen, das ich erst während der Übertragung wieder gelesen hatte, mein Unternehmen, wenn nicht bereut, doch verwünscht. Wozu mir, der ich, vielfach beschäftigt, wahrlich nicht über ein Übermass an Musse zu klagen habe, eine solche Sache aufhalsen, die, einmal aufgenommen, nur immer schwerer und schwerer geworden war und meine Geduld, meine Fähigkeiten oft und oft auf die härteste Probe gesetzt hat! Das graziöse Ding ist nämlich ein überaus schwierig zu handhabendes Gefüge flüchtigster Worte. Der auf Jakob Grimm eingeschworene, allem undeutschen Gewortel bitterfeindliche Puritaner, der in meiner sattsam facettierten Autorhülle steckt, musste, wollte er bei der Wiedergabe der temperament- und geistvollen Schrift gerecht, deutlich und annäherungsweise »leicht« sein, sich der geschmeidigsten Diplomatie versehen.

Anfangs – ich war von Mérimée und Flaubert gekommen – wollte mir die gleichsam zum Champagner philosophierende Betrachtung ein flüchtiges Feuilleton scheinen. Mit einigem Unwillen nur liess ich mich dazu herbei, für die zufällige Äusserung mit Sorgfalt gewählte, sicher einherschreitende Worte zu verwenden, an ein loses Impromptu die Ergebnisse sondernder Gedankenarbeit zu verschwenden. Aber bald lernte ich, einst ein behaglich gestimmter Leser, jetzt ein jeden Ausdruck wägender Vermittler, das Problem und den Problematiker höher einschätzen, lernte den nicht nur geschickten und behenden, sondern auch besonnenen und bestimmten Stilisten würdigen. In der Tat, das kleine Buch ist viel mehr als eine Reihe sorglos verknüpfter Feuilletons: es ist ein Ganzes, als Ganzes dichterisch empfangen und mit kaum je versagender Kraft als Ganzes gestaltet. Der Traktat über den Dandysmus ist wirklich eine Abhandlung, die nur durch den Reichtum an Einfällen, die Treffsicherheit des Ausdrucks für das kaum Ausdrucksame und die immer angenehm tönende Musik dieser plätschernden fontaine lumineuse des Geistes sich von andern Abhandlungen vorteilhaft unterscheidet. Man wird die mancherlei nicht zu leugnenden Flüchtigkeiten, die oft allzu kühn aufstürmenden und leider alsbald auch gelähmt herabtaumelnden Bilder einem Verfasser verzeihen, der so scharfsinnig, so überlegen und vor allem so unliterarisch von den Imponderabilien des sozialen Verkehrs und von einer der merkwürdigsten Epochen der Gesellschaftsgeschichte zu erzählen weiss. Und dass der Herausgeber von Andreas von Balthessers »leider nicht gesammelten« Meinungen gerade diesem weltmännischen Buche, dem ich im deutschen Bestande kein ähnliches an die Seite zu stellen wüsste, seine zärtliche-behutsame Aufmerksamkeit zugewandt, dass er seinen Stolz darein gesetzt, wenn man will, eine Schrulle daran befriedigt habe, einer kapriziösen wie auf hochgestöckelten Lackhalbschuhen auf spiegelglattem Parkett gewandt hingleitenden mondainen Erscheinung einen möglichst reinen Spiegel aus deutschem Sprachmetall vorzuhalten mit ruhiger Hand: kann das seine Freunde befremden und als eine überflüssige Kraftvergeudung Schätzer der erfüllten Form – nur an dieses Parterre von Kennern wendet sich mein Versuch – dem nach Vollendung strebenden Stilisten missgünstig stimmen?

Nochmals: Bewusst als Feind deutschen Übersetzungsunfugs gebe ich hier – in der Pause sozusagen zwischen dem I. und dem II. Bande meiner Mériméenachdichtung – eine Probe meiner Auffassung vom Berufe des wahrhaftigen Übersetzers: Er soll nur übersetzen, wozu er die lebhafte Neigung des Wahlverwandten hegt; er soll nur übersetzen, wo er sich gerüstet weiss; er soll so übersetzen, dass er in erster Linie ein achtbares deutsches Werk hervorgebracht zu haben sich berühmen dürfe. Keiner kann besser als ich wissen, dass mein Brummell an den Reiz des Originals nicht im entferntesten heranreicht. Das liegt im Wesen der Sache. Aber was ich ebenso bestimmt weiss, ist dieses, dass keiner die verantwortungsschwere Würde solcher Goldschmiedfeilekunst der Worte besser zu begreifen imstande ist, herrischer zu wahren sich verpflichtet fühlt als der die wunderbare Kraft beherrschter Sprache als ein zum höchsten Ringender demütig verehrende Diener und Lehrling am deutschen Worte, der Barbeys Brummell in deutscher Gestalt zeichnet:

Richard Schaukai

Wien, am 1. Mai 1908


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