Berthold Auerbach
Das Landhaus am Rhein / Band V
Berthold Auerbach

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Fünftes Capitel.

Auf Villa Eden herrschte Stille und Trauer; draußen aber setzten die leichtblütigen Rheinländer ihr Leben in gewohnter Weise fort. Die Schoppengäste saßen beisammen. Da war die Rede von Paris, von London, von Amerika, der geht hin, der ist dort, der kommt heim; das ganze bewegliche Wesen der Rheinländer wurde laut; das lebt beständig wie auf die Welle gesetzt.

Der grüne Strauß war im Nachbarstädtchen aufgesteckt, die treuen Verehrer des Heurigen, der noch auf der Zunge tanzt, versammelten sich. Zuerst kam der Holzhändler, man kann eigentlich nicht sagen, er kam, denn er war immer da; er ging nur bisweilen nach seinem Hause, um nach dem Geschäfte zu sehen, dann war er wieder in der guten getäferten Wirthshausstube, wo es im Sommer so kühl und im Winter so behaglich warm und so früh dunkel ist, daß man bald bei Licht trinken kann.

Nun kamen sie nach und nach alle heran mit jenen zufriedenen Mienen, die die Zuversicht eines guten Trunkes und einer behaglichen Unterhaltung verleiht.

Sie saßen endlich beisammen. Zuerst ging's an ein Besprechen über das Benehmen des Pfarrers beim Begräbniß der Frau Ceres. Man stritt hin und her, ob der Kirchenfürst den Auftrag hiezu gegeben oder mindestens einverstanden sei. Weiter wagte man sich nicht, denn der Holzhändler, oder vielmehr die Frau des Holzhändlers hielt streng zur Geistlichkeit.

Das Gespräch wendete sich bald vom Pfarrer weg und haftete um so ergiebiger bei Sonnenkamp. Man hatte eigentlich doch Respect vor ihm; die Kraft imponirt, und ein Kraftstreich war es, wenn auch ein verwerflicher, nicht nur Sklaven zu verkaufen, solch ein Haus zu bauen, den ganzen Hof an der Nase herumzuführen, sondern auch noch zuletzt die Gräfin mitzunehmen.

Der Agent, der mit Manna und Fräulein Perini rheinabwärts gefahren war, wollte wissen, daß Prinz Leonhard in Unterhandlung stehe, die Villa zu kaufen; er suchte dadurch eigentlich nur vorzubeugen, daß Niemand sich mit der Sache einlasse, da er selber einen Käufer ausfindig machen wollte.

Der Holzhändler, der in Permanenz beim Schoppen war, sagte, das Beste wäre eigentlich, es machte sich eine Gesellschaft zusammen und kaufte die Villa mit aller fahrenden Habe. Das war nun guter Stoff. Ein Weinhändler, der jedes Jahr verkündete, daß er sein Geschäft aufgebe, und die letzte Versteigerung hielt, dann aber auch jedes Jahr sein Geschäft erneuerte, sagte, daß ihm einige Weinberge Sonnenkamps gut anständen; auch die Kellereien zu miethen und den gesammten Vorrath anzukaufen, wäre er nicht abgeneigt; die Pferde, die Hunde wurden vorläufig zur Versteigerung ausgesetzt. Es fragte sich nur, was man aus dem Hause machen solle. Wer nicht eine Million hat, kann das Haus nicht bewohnen, und schade wäre es doch für das schöne Haus und den gewählten Punkt, wenn man eine Fabrik daraus machte.

»Hellauf! da kommt der Sputzenmacher!« hieß es plötzlich.

Es war der Mann, mit dem Erich damals, als er beim Doctor übernachtet hatte, eine Strecke heimwärts fuhr; er hatte eines jener weinseligen gerötheten Gesichter, die kein Alter erkennen lassen jenseits der Vierziger-Jahre; dabei war sein Antlitz so beweglich, als ob es von Guttapercha wäre.

Der Sputzenmacher winkte dem Wirthsmädchen, es wußte, von welchem er trank; er setzte sich behaglich nieder, die Cigarrenspitze aus der Tasche nehmend und das Futteral öffnend.

»Was gibt's Neues?« wurde gefragt.

Der Sputzenmacher gab die gewöhnliche Antwort: »Schön Wetter und nichts darauf.«

»Wo bist Du denn seit drei Tagen gewesen, daß man Dich nicht gesehen?«

»Da, wo man sein Leben verlängert.«

»Was ist denn das wieder?«

»Ich bin in der Hauptstadt Uniformingen gewesen; da kann man sein Leben verlängern, denn da wird einem die Zeit doppelt lang.«

»Alt! alt!« schrieen die Schoppengäste. »Mußt was Neues geben!«

»Ja wohl, was Neues! Ich sage Euch, manche Lügen sind nicht wahr, und das sind oft gerade die schönsten. Geht aber hinaus auf das Schiff; sie sitzen in der großen Cajüte, das ist ein Leben! Jedes bringt sein eigenes Kochbuch in die Ehe und dann verheiraten sie die Braten mit einander.«

Von allen Seiten wurde der Sputzenmacher gehänselt, weil er so Albernes vorbringe.

»Wenn Ihr ruhig sein wollt, erzähle ich Euch die Geschichte, aber erst muß Eins hinausgehen an den Rhein, damit ich hernach einen Zeugen habe, daß meine Geschichte eine wirklich wahre ist, wie der alte Oberförster sagt.«

Ein Küfer wurde nach dem am Rhein vor Anker liegenden Schiffe abgeschickt; der Sputzenmacher gab Anweisung, was er erkunden sollte, dann sagte er:

»Ja, ich hab' einmal das Glück, daß ich die besten Geschichten erlebe; sie laufen mir in die Hände.«

»Erzähl'! erzähl'! Ist's was vom starken Sonnenkamp, oder von der schönen Gräfin?«

»Ah bah! Das wäre altbacken. Ich habe eine neue, frisch von der Pfanne, und meine Geschichte heißt: Die Liebe von der »Lorelei« und dem »Beethoven«, oder ein Spanferkel als Ehestifter. Ja, lacht nur, werdet sehen, daß es eine wirklich wahre Geschichte ist. Also, Ihr kennt doch den Wirth auf der »Lorelei«? Sie heißen ihn das große Einmaleins, ein bestandener Mann und ein ehrlicher dazu, denn er gesteht ehrlich, daß er durch geschickte Addition bei den Rechnungen sich ein hübsches Vermögen zusammenaddirt hat. Nun ist er ledig . . . schrecklich ledig; Essen und Trinken schmeckt ihm, aber . . .«

»Ja, ja, wir kennen ihn. Weiter.«

»Unterbrecht mich nicht! Meine Geschichte muß nicht erzählt sein, mir ist's genug, wenn ich sie allein weiß. Also die Sache ist so: Der Capitän von der »Lorelei«, Ihr kennt ihn ja, der große Baumlange, er ist mehrere Jahre Steuermann auf dem »Adolph« gewesen . . . Also, der Capitän weiß seinem Restaurateur den Mund wässerig zu machen nach der Wirthin auf dem »Beethoven«, die seit zwei Jahren Wittwe ist, eine runde, appetitliche Frau. Es werden Grüße gewechselt von der weißen Mütze hüben und der weißen Haube drüben; zu einander gekommen sind sie aber nicht, bis vor vierzehn Tagen in Köln auf einige Minuten; da legten die »Lorelei« und der »Beethoven« an einander an, und dann war's wieder vorbei. Seitdem schmunzelt das große Einmaleins auf der »Lorelei« gar munter, aber vom Heiraten will er nichts wissen. Sich ein gutes Essen bereiten, wo Niemand etwas dreinreden kann, ist sein Hauptspaß; und da hat er nun ein säuberliches Spanferkel zurecht gemacht, das er sich auf morgen braten wollte. Sein Capitän weiß, daß die beiden Schiffe auf morgen, das heißt auf heute, hier übernachten. Er stiehlt nun das Spanferkel, gibt es dem Nachbar-Capitän und dieser der Wittwe vom »Beethoven«, daß sie es gut bereite und noch etwas dazu; sie thut das mit allem Willen. Nun ladet der Capitän seinen Wirth zum Abendessen auf dem »Beethoven« ein, und da die Wirthin das Essen stellt, ist es nicht mehr als billig, daß der Einmaleins von der »Lorelei« den Wein dazu gibt. Sie setzen sich auf dem »Beethoven« zum Schmaus, die Wirthin ist natürlich auch dabei, und es geht überaus lustig her. Der Einmaleins sagt, besser könne man ein Spanferkel nicht herrichten, und es sei fast gar so fein, wie das seinige. Nun kommt die Schelmerei bald heraus, aber lustig sind sie, und kurz und gut – beim Spanferkel ist die Verlobung gefeiert worden.«

Kaum hatte der Sputzenmacher so weit erzählt, als der Küfer mit dem Capitän der »Lorelei« kam und Alles der Wahrheit gemäß bestätigte. Die Lustigkeit war lärmend und übermüthig, und der Capitän erzählte, daß die Neuverlobten die gleiche Liebhaberei hätten; sie sammelten während des Sommers möglichst viel Gold, und jetzt sitzen sie beisammen und putzen mit Seifenwasser das Gold blank und lachen dazu.

Da trat der Steuermann ein; er mußte noch einmal die Geschichte erzählen, wie bei stürmischem Wetter die Gräfin Wolfsgarten mit Sonnenkamp rheinab gefahren sei; er hatte sie deutlich erkannt.

Jetzt wendete sich das Gespräch wieder, und es schien eine Vereinigung zu Stande zu kommen, daß eine Gesellschaft das Landhaus mit allem Zubehör kaufe und dann den Gewinn aus dem Wiederverkauf theile.

Der Agent, der diese Gesellschaft nicht zu Stande kommen lassen wollte, lachte über das Vorhaben und sagte jetzt, es sei eigentlich nur Scherz gewesen, daß er erzählt habe, Prinz Leonhard wolle das Landhaus kaufen; es sei so viel als sicher, daß die Kinder das Landhaus gar nicht veräußern. Und warum sollten sie nicht in der Gegend bleiben? Jedermann habe sie lieb, hier sei nun einmal bekannt, wer sie seien; man habe sie trotzdem lieb. Auch Andere stimmten bei, daß man den Kindern nur rathen könne, im Lande zu bleiben, zumal da ein so tüchtiger Mann, wie der Hauptmann Dournay, das Ganze in Besitz nehmen werde. Man sprach lebhaft und der Wein mundete gut dazu; Schoppen auf Schoppen wurde getrunken. Als man endlich davon ging, hielt der Holzhändler in einem Seitengäßchen zwei Kameraden fest und sagte, es wäre nicht gut, solch ein Geschäft in großer Gesellschaft abzumachen, sie drei mit einander wollten suchen, es in die Hand zu bekommen; er habe erfahren, daß Herr Weidmann auf Mattenheim eine Art Vormund und Bevollmächtigter sei; er sei ein Mann, mit dem sich gut verkehren lasse, und so müsse es das Erste sein, daß man mit ihm in Verbindung trete.

Andern Tages erschien der Agent bei Weidmann und bat, daß man ihm die Vermittlung beim Verkauf des Landhauses übergeben möge, er werde das Beste herausbringen. Kaum hatte Weidmann ihn abgewiesen, als die drei Männer vom Heurigen kamen; auch diese lehnte Weidmann ab, da vorerst keine Rede davon sei, das Landhaus zu verkaufen.


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