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Vierter Aufzug

1

(Weideplatz vor Neugleichen wie im ersten Aufzuge. Drei der Pilger, welche mit der Gräfin im ersten Aufzuge auszogen, treten als Schlächter gekleidet mit Schlachtmessern und Beilen in ihren Gürteln auf.)

Erster: Des Schlosses Glocke schlägt die Mittagsstunde,
Des Alters Last hängt sich an meine Füße.

Zweiter: Hier laß uns ruhn, die Flasche ist gefüllt,
Und gegen Hunger schützet euch mein Quersack;
Hier sind wir unter uns, mir wird Verstellung
So schwer, ich weiß als Schlächter nicht zu reden,
Mich wundert's, wenn die Leut' mir Vieh anbieten,
Die Leute sind viel dümmer als ihr Vieh,
Es riecht die Kuh, daß ich kein Schlächter bin,
Und scheut sich nicht, wenn ich ihr Kalb betaste. –
Ach, oftmals denk ich, ob's der Mühe wert,
Daß wir den heißen Orient durchschritten,
Um hier dem weltlichen Geschäft zu dienen
Und wie im Narrenspiel uns zu vermummen.

Dritter: Mir ist die Welt nun wieder heilig worden,
Seit ich am heil'gen Grab gebetet habe;
Nun mag ich wieder ernstlich säen, pflanzen,
Und dieser Welt Regierung, Recht und Ordnung
Bewegt sich mir im Herzen ganz lebendig,
Als müßte ich für alles stehn auf Erden.
Bedenke nur in deinem Überdruß,
Hätt' unser Herr und Gott wie du gedacht,
Im Himmel war's doch besser als auf Erden,
Er wäre nimmermehr zu uns gekommen,
Wir lebten alle noch als blinde Heiden;
Er hat nicht bloß gebetet, er tat Wunder,
Wir tun das Unsre, ist's gleich nichts Besondres.

Zweiter: Mir ist nur das Vermummen unerträglich,
Dies heimliche Belauschen aller Welt,
Was uns vom heimlichen Gericht geboten.

Erster: Gehorsam lernten wir im Kreuzeszuge,
Und grübeln wir, so ist's Gehorchen schwer.
Wir sollen uns erkunden nach dem Plesse,
Der an die Richter Botschaft hat gesendet,
Wie er dem Todesspruch entflohen sei,
Der in Venedig über ihn gesprochen,
Als ob er mordlich angefallen habe
Der Gräfin Mann, in deren Dienst er zog.
In diesen Tagen wollt' er hier eintreffen,
Wir müssen Zeugen über ihn erforschen.

Zweiter: Wer könnte zweifeln an des Ritters Unschuld,
Der so wie wir auf langem Kreuzeszuge
Sein keusches Herz in stiller Lieb' ersehen,
Das keinen Blick der Lust sich je erlaubte.
Sein edles Bild bewahrte unsre Leute
Vor Ausschweifung, ihn fürchteten sie alle,
Kein Heereshaufen hielt sich rein wie wir.

Dritter: Ich weiß das alles, liebe ihn wie du,
Doch das Gericht will Zeugnis von der Sache.
Wer weiß, was uns darüber Auskunft gibt,
Denn Gott schützt das Gesetz und gibt oft Zeichen,
Die einen Blinden führen zum Verborgnen;
Und wenn ich diese Wege hier betrachte,
Die sich von allen Seiten so durchschneiden,
Wie jene Windros', die der Schiffer führte,
Wonach er uns zum Orient gelenkt,
Da mein ich, daß uns sicher hier zuerst
Die Nachricht kömmt, wo Plesse eingetroffen.

Erster: Hast recht, der Baum steht wie ein Sonnenzeiger,
Und gleich den Stundenstrichen sind die Wege;
Gewiß wird er die rechte Stunde zeigen,
Wenn wir gestärkt zum Marsche wieder aufstehn.
Jetzt aber legt den Ernst der Schöffen ab
Und seht ins Gras, ins Laub mit tausend Blüten
Und in das Blau, das über alle Farben
In ew'gem Wechsel weiße Wölkchen sammelt
Und dann zerstreut: so ist der Menschen Sorge!
Der Mittag ist im Frühling höchste Lust,
Die Sonne nicht zu heiß und mild die Luft;
Ich lieg hier wie ein Kind in meiner Wiege,
Schon irren die Gedanken rings wie Bienen
Und wissen nicht – (Er schläft ein.)

Zweiter: Ich glaub, der Alte schläft.

Dritter: Wir müssen wachen, sieh, da kommen Leute!

(Ein Geistlicher und der Bote.)

Geistlicher: Ihr seid so schwach und sprecht so viel, umsonst
Bemüh ich mich, den Vorgang zu erhören.
Die gute Frau Gisella ist todkrank,
Der soll ich heiligen Trost im Sterben reichen,
Das weiß ich nun; doch wie ist das gekommen,
Und wie der liebe Joseph ging verloren,
Den ich ganz heimlich unterrichtet habe,
Daß er dem bösen Beispiel seiner Brüder
Nicht folgen möchte, ach, der liebe Knabe,
Er war so fromm und gut und lernte eifrig,
Wenn wir im alten Kirchlein da beisammen, –
Wie der verloren ging, versteh ich nicht.

Bote: Ja, Herr, ich weiß es auch nicht so genau,
Die Brüder Norbert, Gangolph führten ihn
Ganz heimlich nachts mit fort, er kam nicht wieder.

Geistlicher: Wer weiß, wo sie sich heut verirret haben;
Es sind gar wilde Jäger vor dem Herrn,
Sie laufen nach, und ging's in Kaisers Garten.

Bote: Es könnte sein, doch wer sie beide kennt
Wie ich, den sie so lang gefangen hielten,
Ganz ohne Recht und ohne mich zu hören,
Der glaubt den Klagen ihrer Mutter wohl,
Daß sie den Bruder Joseph umgebracht,
Den sie von je gehaßt und auch verspottet.

(Sie gehen vorüber.)

Dritter: Hast du die neuen Greuel hier vernommen,
Die diesen beiden Brüdern schuld gegeben,
Die schon um Wilddiebstahl verklaget wurden?

Zweiter: Die freien Jäger üben hier viel Macht,
Wir müssen uns verstärken gegen sie;
Sie sind ein fester Bund, den alle fürchten,
Mit denen jeder Landmann sich befreundet,
Daß sie nicht Feuer werfen in sein Dach.

Dritter: Es ist im deutschen Land jetzt viel Verwirrung,
So höher magst du ehren das Gericht,
Das dennoch fest bei alter Satzung steht,
Durch Gottes Willen wird es die besiegen,
Die, seiner Warnung taub, das Recht verletzen.
Wir laden vor den Norbert und den Gangolph,
Der Bote muß als Zeuge mit erscheinen,
Ich schneide hier zwei Strich in unser Kerbholz,

(Er schneidet, während Gottschälkchen den Gottschalk von der andern Seite herbeizieht.)

Zweiter: Still, leg dich nieder, sieh, es kommen andre!
Der Alte sieht mir gar verdächtig aus.

Dritter: Wir sahn den Mann im Schlosse damals schon,
Ich meine, Gottschalk hieß er, ein Gespött
Der Leute, trunken, schwatzhaft und ein Prahler,
Die Gräfin wies ihn von dem Zug zurück.

(Er streckt sich nieder.)

Gottschalk: Du murmelst so zwischen den Zähnen, mein Goldsohn, bist so verdattert wie deine selige oder noch herumlaufende Frau Mutter, wenn sie heimlich in der Zeltecke gezapft hatte.

Gottschälkchen: Ich bin so nüchtern, wie Er sein Lebtage noch nicht gewesen ist, aber es überläuft mich so kalt mit Gänsehaut, als ob es wieder frieren wollte. Der Pate Hartmann, der Pate –

Gottschalk: Schrei nicht so grimmig, die fremden Leute hören's sonst, die wir vorher durch den Wald ziehen sahen; es schienen mir Schlächter aus der Stadt, was mögen sie für die Kälber geben, ich habe eins in der hohlen Eiche abgesetzt, das ich dem Schloßvogt weggenommen.

Gottschälkchen: Was Kälber! Es müssen ganz andre Dinge an den Tag kommen, das Blut schreit Wehe über den Paten Hartmann.

Gottschalk: Du Narr, wenn das Blut schreien könnte, wer möchte aus der Nase bluten, ohne sich die Ohren zuzuhalten.

Gottschälkchen: Kein Nasenblut, nein Herzensblut ist es, gerade ins Herz schoß der alte Hartmann den Ritter Plesse, als er hier betete. Ich war so aus Neugierde herangeschlichen, aber da kriegte ich solchen Schrecken, wie er zusammenstürzte, daß ich gern davongelaufen wäre, doch meine Füße trugen mich nicht. Endlich ging's mit mir, und da weiß ich nicht, wie ich zu Ihm gekommen bin, aber so wenig Herz Er hat, ich habe jetzt mehr, weil Er dabei ist, und nun wollen wir zusehn, ob der Ritter noch lebt.

Gottschalk: Ganz sachte, Junge, ich seh ihn da hinter dem Rosenbusche liegen; denn wenn er lebt, da laufen wir gleich davon.

Gottschälkchen: Wahrhaftig, er lebt, ich sehe ja, daß er Atem holt.

Gottschalk: Sprich sachte, Junge! Ich sag dir, er ist mausetot, nun, das ist eine schöne Geschichte.

Gottschälkchen: Ich sage Ihm, der Ritter dreht sich.

Gottschalk: Da dreht sich der Stein auch noch heute um, wenn er Mitternacht schlagen hört. Was ist zu tun? Seine Kürbisflasche nähme ich gern mit, aber die Leute könnten mich für den Mörder halten. Ich habe Vernunft, ich habe Religion, ich will die Augen wegwenden, daß ich nicht in Versuchung geführt werde.

Gottschälkchen (zieht heimlich den Pfeil aus der Wunde): Den Pfeil nehm ich mir, der Alte darf's aber nicht sehen! (Laut.) Nun will ich gehen und Leute rufen. He Leute!

Gottschalk (hält ihm den Mund zu): Noch ein Laut, und ich dreh dir den Hals um! Weißt du auch, warum?

Gottschälkchen: Nein.

Gottschalk: Daß du mir Nachricht gebracht, war recht schön von dir, daß du aber die Leute zusammenrufst, war schrecklich dumm. Dummsein ist die einzige Sünde, die ich nicht vergeben kann, dafür hänge ich dich wie meinen Spitz, als er die gestohlne Wurst in meiner Ficke mit seinem Wedeln verraten, an dem dürren Ast dieser Eiche auf.

Gottschälkchen (weint): Nur nicht wieder an den Beinen wie ein geschlachtet Huhn, da treten mir die Augen wie Schneckenhörner heraus, um Gottes willen nur am Hosenbund, nur am Hosenbund!

Gottschalk: Es soll Gnade vor Recht ergehen, ich hänge dich am Hosenbund auf. (Er hängt ihn auf an einem trocknen Ast der Eiche über dem Steine.) Nun, mein lieber Goldsohn, du Ebenbild des Barbarossa, nur daß du deinen roten Bart herumgedreht hast bis auf den Kopf, wenn die Leute kommen, die du gerufen hast, und fragen: Was gibt's, warum hängst du da? Gottschälkchen, wie sprichst du?

Gottschälkchen: Ich weiß es nicht, ich bin tücksch.

Gottschalk: Du weißt es nicht? so hängst du noch eine Stunde länger. Weißt du denn nicht, daß Hartmann dein Pate ist, daß er alles beim Grafen gilt? Hab ich dir's nicht oft gesagt, daß er unser Glück machen kann in Krieg und Frieden? Wie sprichst du, wenn die Leute kommen?

Gottschälkchen: Da sage ich, daß ich dem lieben Väterchen was vorgelogen habe vom ermordeten Ritter Plesse.

Gottschalk: Heillose Dummheit. Nichts sagst du vom Morde; wer ihn vollbracht hat, der wußte gewiß, was er tat. Ich frage also nochmals im Namen der Leute: Warum hängst du hier?

Gottschälkchen: Ich habe den Vater ausgescholten, weil er mir die Suppe ausgegessen hatte, ich nannte ihn einen Schelm, einen Lumpenhund, einen Kaldaunensack, einen geräucherten Spitzbuben.

Gottschalk: Nun ist's genug. Das war sehr gescheit. Aber wenn nun Hartmann käme und dich ausfragte?

Gottschälkchen: Dem schenkte ich klaren Wein ein, so muß er mir was schenken, daß ich schweige, und muß uns fürchten und uns in allem zu Gefallen leben.

Gottschalk: Klarer Wein, guter Wein, wenn er die nötige Stärke hat. Wie sprichst du von Hartmann zu andern Leuten?

Gottschälkchen: Den streiche ich heraus und schimpfe auf ihn, daß er nichts von mir wissen wolle, obgleich er mein Pate.

Gottschalk: Und wie sprichst du vor den Leuten vom Ritter Plesse?

Gottschälkchen: Gar nicht.

Gottschalk: Bewahre der Himmel, dir glauben ja die Leute noch. Du erzählst dem Grafen bei Gelegenheit, wie lange er hier auf seine Unkosten gelebt, wieviel er verschwendet habe, und daß er beim Abzuge nicht einmal ein ordentliches Trinkgeld im Hause gegeben habe.

Gottschälkchen: Und wie er zur Gräfin geschlichen.

Gottschalk: So recht, nun sollst du nur zwei Stunden hängen. Wie gefällt dir's oben? siehst du die Vögel in deinen Sprenkeln? sie hacken sich wieder heraus aus der Schlinge. Hast du kein Geschick dazu?

Gottschälkchen: Ich könnte wohl die Schnalle aufmachen am Hosenbunde, aber da fiele ich auf die scharfe Steinkante.

Gottschalk: Versuch's, so brauch ich dir kein Brot mehr zu schneiden. (Ab.)

Gottschälkchen (ruft ihm halblaut nach): Dickkopf, alte Katze, Zeiselbär. Schwamm, wart, wart, wenn ich groß und stark bin, da hänge ich dich an der Dachrinne auf beim Platzregen. Muß doch meinen bunten Pfeil betrachten, es freut mich nur, daß er den nicht sah, sonst hätte er ihn mir genommen. Der Hosengurt schneidet mir den Leib durch, ich muß aussehn wie eine Wespe. Da kommt einer vom Schlosse, Herr Bilibald, gottlob, der wird mir helfen.

(Bilibald tritt schreibend ein.)

Bilibald: Was war denn hier für ein Geschrei? Alle Geschöpfe sind verbunden, mich zu stören, und die Gräfin hat es mir doch ernstlich aufgetragen, die Rückkehr des Grafen zu feiern, und die doppelte Liebe, die ihm hier verbunden worden. Die Luft zieht zu stark in meinem Ofen und löscht das Feuer aus. Die doppelte Natur der Liebe, wie soll ich sie bezeichnen? Durch eine Blumenkette, durch einen Pfeil, der mit seinen Widerhaken im Herzen steckt? Amor führ' mit beiden den Grafen zum Festmahle. Er rühmt jetzt seine Blumenkette: (Schreibend) Gewiß der Macht, bin ich bescheiden, Denn unauflöslich ist das Band, Das ich geknüpft mit heil'gen Eiden In alles Lebens Unbe–

Gottschälkchen: Stand.

Bilibald: Unbestand! Ganz richtig! Wer hilft mir?

Gottschälkchen: Helft dem armen Gottschälkchen! Ich habe keinen Stand hier, sondern hänge in der Luft.

Bilibald: Ei, Gottschälkchen, wie bist du da heraufgekommen? Gewiß hast du dich an deinem Hosenbund verklettert, als du in den Mond steigen wolltest.

Gottschälkchen: Der Vater hat mich hier aufgehängt, daß ich wachsen soll, aber ich bin nun schon groß genug.

Bilibald: Wahrhaftig, du bist gerade von der Größe, wie ich dich brauche in meinem Festspiele, und du hast auch schon deinen Pfeil in Händen. Ich binde dich los, du bestrafter Amor, wenn du bis heute abend fleißig auswendig lernen willst. Ich weiß, du hast schöne Gaben, und andre sollst du noch dazu bekommen, auch Flügel, mit denen du fliegen kannst.

Gottschälkchen: Ich hab ja schon einmal so etwas von der Minerva auswendig gelernt, daß ich in Eurem Namen der Anneliese hersagen mußte, und die schenkte mir dafür einen Käse. Das Fliegen ist was Prächtiges.

Bilibald: Nun, du fliegst beinahe schon und möchtest gern herunter. Wer weiß, ob die Vögel im Fliegen sich so wohlbefinden, wie die Menschen meinen, es mag ihnen auch eine halsbrechende Arbeit sein. (Er hat ihn inzwischen losgebunden.)

Gottschälkchen: Wenn mir nur nicht der Vater begegnet!

Bilibald: Ich nehm dich unter meinen Mantel, sieh zum Schlitz heraus; wenn er kommt, schlag ich die andre Seite über. Nun will ich dir die Reime vorsagen.

(Er geht deklamierend, den Knaben unterm Mantel, fort.)

Bilibald: Die Ruhe ist mein Blumengarten.

Gottschälkchen: Die Ruhe ist mein Blumengarten.

Bilibald: Die Ferne ist mein Paradies.

Gottschälkchen: Die Ferne ist ein Paar Radies.

Bilibald: Und in der Trennung still zu warten.

Gottschälkchen: Und in dem Mantel still zu warten.

Bilibald: Ist meinem Herzen gar zu süß.

Gottschälkchen: Ist mir ein schmerzlich Burgverließ.

Bilibald: Dummes Zeug.

Gottschälkchen: Dummes Zeug.

(Sie gehen ab nach dem Schlosse.)

(Die drei schon erwähnten Pilger erheben sich vom Lager hinter den Gesträuchen.)

Dritter: So war's doch Gottes Hand, die diese Zeichen,
Der Wege Kreuzung auf den Boden schrieb.
Wir sahen nicht den Leichnam in dem Grase,
Obgleich wir nah daran vorübergingen,
Sonst hätten wir den Zeugen nicht gehört,
Den einzigen, der diese Tat belauschte.
Wer konnte dieses edle Herz durchbohren?
Ein Blinder nur, ein Rasender gewiß!

Zweiter: Eh du verdammst, gedenk, daß er verklagt,
Verdammt schon war um einen Mordanschlag.
Ihn hat der Unsern einer hier gerichtet;
Bedenk, daß Hartmann einst der heil'gen Feme
Verbunden war: der Freigraf muß entscheiden.

Erster: Hier fehlt das Zeichen, daß der Unsern einer
In seines Amtes Pflicht, weil er nicht anders
Ihm beizukommen wußte, ihn erschossen;
Auch sind wir wohl die einzigen, die hier
Den Auftrag zu der Untersuchung hatten.
Hier würgte blinde Rache, Eifersucht
Des alten Dieners wegen Gunst und Gnade,
Die er bei seiner edlen Frau genossen.

Dritter: Gott kennt das Herz, uns ist es unsichtbar!
Ich ehre deines Alters Blick und Ahndung,
Doch muß der Mensch mit der Vernunft begreifen.
Erzählte nicht der Freund, der Mensch sei ärmer
Mit Sinnenkraft begabt als jedes Tier,
Das Blut schon fernher und den Schlächter fürchtet?

Zweiter: Sie schauten nicht auf unser Schlächterkleid,
Doch alle Menschen täuschten wir damit,
Wir gelten für die Klügeren im Lande –
Und lagen ruhig hier dem Blute nahe,
Das von der Wunde zu der Erde rann,
Wo jedes Vieh die Erde hätt' durchwühlt,
Bis es gefunden hätte seine Quelle.
Statt aller Mummerei wär' es wohl besser,
Es richteten die Richter Menschen ab,
Die Mord in innrer Seele ahnden könnten,
Wie eine Wünschelrute Quellen sucht.

Erster: Wir sind zu alt für diese neue Kunst.

Dritter: Die Sprache ist des Menschen Ahndungsgabe,
Sie lockt Bekenntnis aus verschloßner Brust,
Und nicht umsonst hat sich der Herr verkündet
In ihrer Gabe an dem Pfingestfest.
Ich glaube innig an des Ritters Unschuld,
Doch eh nicht der Beweis geführet worden,
Leg ich der heil'gen Feme Zeichen hin,
Daß keiner diesen Leichnam uns entrücke.
Wir ziehen schnell nach Osten, Westen, Norden,
Und bis zur Mitternacht ist das Gericht
Beisammen, über Hartmann hier zu richten;
Du frommer Toter, nimm den Händedruck
Für alle Treue, die du uns erwiesen.

Erster: So viele Meilen zogen wir mit dir,
Wir können wohl ein paar um dich noch gehen.

Zweiter: Ich bin gewiß, der Leichnam tut noch Wunder,
Und einen Schatz besitzt in ihm das Land;
Denn solche Keuschheit sah ich nie auf Erden
Und nie ein Aug' von Liebe so verklärt.

(Alle dreie gehen auf verschiedenen Wegen ab.)

2

(Hoher Weinkeller des Schlosses Neugleichen. Fässer mit buntem Schnitzwerk liegen in Reihen. Barbara zapft Wein aus einem Fasse in zinnerne Henkelkrüge, Gottschalk trinkt einen nach dem andern aus und gibt ihn leer zurück.)

Barbara: Ich schenke ein, daß mir die Arme von Müdigkeit sinken, und die paar Krüge sehen mich immer noch mit dem leeren Boden an.

Gottschalk: Altes Zinngerät hat junge Risse, man sieht sie nicht, da läuft der Wein ab wie durch ein Sieb.

Barbara: Er soll Risse kriegen mit dem Schlüsselbund, Er ist heute ganz unverschämt. Wie Fingerhüte kippt Er die großen Krüge über, sein Magen muß ein Stückfaß sein, aber die Westenknöpfe sind ihm auch schon aufgesprungen.

Gottschalk: Ich bin heut so vergnügt wie der Herr, wir beide machen uns heute recht lustig, er springt überall herum, küßt alle Menschen, jung und alt, wirft Münzen aus unter die Kinder und sieht so recht vollblütig gesund aus, als ob er kein Jahr älter geworden wäre.

Barbara: Die Vögel, die am frühesten singen, holt der Geier.

Gottschalk: Wer soll ihn denn holen? Seine beiden Frauen sind gute Lämmer und keine Teufel. Ich wollte, der Papst erlaubte mir auch ein Paar Frauen zu nehmen.

Barbara: Eine halbe Frau wäre schon zu gut für Ihn, und eine ganze nähme Ihn nicht.

Gottschalk: Halt, halt, im Morgenlande gibt es der Weiber gleich zu Tausenden in einem Hause, da sind die Männer eine rechte Seltenheit, und die schöne Amra hätte sich so gut in mich verliebt wie in den Grafen.

Barbara: Sie ist auch beinahe so gelb wie Er, ich kann nichts Schönes an ihr finden, und mich kann sie auch nicht leiden, ich durfte sie nicht anfassen, als sie sich ankleidete. Ich sage Ihm, sie ist eine halbe Mohrin, gegen die ist unsre blonde Gräfin noch immer ein Engel, obgleich sie älter ist.

Gottschalk: Mir wäre doch so eine funkelnde Schönheit lieber; was hat sie für Augen, schwarz wie die Schornsteine!

Barbara: Ihm – Ihm – ja, wenn es eine Weinflasche wäre. Keine ehrliche Frau sollte den Unfug mit zwei Frauen leiden, aber ich darf nur nicht reden, der Hartmann schlüge mir auf den Mund.

Gottschalk: Still, still, es kommt der Graf.

(Der Graf geht die Treppe herunter.)

Graf: Nun war ich überall in Schloß und Garten,
Die Spannung erster Freude läßt jetzt nach;
Der alte Schloßgeist Überdruß klopft an.

Barbara: Wir hörten nichts vom Schloßgeist, gnäd'ger Herr;
Seit Ihr mit Hartmann seid von hier gezogen,
Hat sich der alte Hug nicht sehen lassen.

Gottschalk: Nicht doch, mein Söhnlein hörte Kriegslärm, just
Die Nacht vorher, eh unsre Gräfin auszog
In das gelobte Land, das keiner lobt.

Graf: Der alte Narr hat sich schon übernommen
Und schickt die Frau statt meiner in den Kreuzzug,
Doch ihm ist wohl, es ist ein sel'ges Lächeln,
Und mir ist fast wie einem Geist zumute,
Der unter Fremde tritt ins eigne Hans,
Doch scheu ich sie, die meinesgleichen sind,
Die Geister Gleichens, die hier Wache halten
Vor dunklen Gängen und vor alten Bildern. –
Es soll im Wein die Lebensfreude wohnen,
Ich will heut frische Lebenslust gewinnen!
Schenk ein vom edlen Faß, das unser Ahnherr
Hat eingelegt zu hohen Festlichkeiten,
Das er mit ausgeschnitztem Bild der Burg,
Wie auf den Turm die Fahne ward gesetzt,
Als Baugedächtnis hier gestiftet hat.

Gottschalk (vor sich): Die wird sich wundern, wenn sie nichts drin
findet,
Das war mein Liebling in dem letzten Jahre,
Und heute trank ich just den letzten Tropfen.

Barbara: Herr, Herr, Gott steh mir bei, ich bin wohl trunken
Vom Duft des vielen Weins, den ich verzapfte:
Der Heber leer, so tief ich greifen mag.

Graf (schlägt ans Faß.): Hohl, leer bis auf den tiefsten Grund,
Ja, so ist mir zumut in dieser Stunde:
Wer hat das Faß geleert, sprich, alte Hexe?
Bist du nicht Schaffnerin, mußt dafür einstehn?

Barbara: So hört mich doch und wendet Euch nicht fort.

Graf: Laß mich, ich ärgre mich um meinen Ärger,
Um mich zu strafen, werf ich den Pokal
In tausend Stücken, den ich oft geleert.

Barbara: Das ist kein gutes Zeichen, gnäd'ger Herr,
Doch hört mich an, Ihr habt mich angeklagt,

Graf: So sprich nur, Alte, will kein Unrecht tun,
Ich hab dich doch noch lieb aus frühen Jahren,
Ich küßte dich so oft wie meine Mutter
Und fand dich schön, ich weiß nicht, wie das zuging,
Und schimpfte, wenn dich andre häßlich nannten.
Ich war wohl schon als Knabe ein Phantast,
Doch wenn ich dich so nah und näher sehe,
Du hast von meinen beiden Frauen etwas,
Du sollst es auch recht gut bei mir jetzt haben,
So sprich nur, gib nur an, wer tat dir unrecht?

Barbara: Die Gräfin hatte mich vom Amt entsetzt,
Weil ich ihr widerstrebte, wenn sie Wein
Im Übermaß den Kreuzespilgern reichte;
Der Schloßvogt führte dann die Kellerschlüssel
Und ließ sie liegen überall im Hause.
Erst heute gab er mir die Schlüssel wieder,
Weil er so viel zu tun hat mit dem Spiele,
Das ihm die Gräfin aufgab für den Abend;
Der Gottschalk weiß, wie es hier zugegangen,
Der wird bezeugen, daß ich Wahrheit rede.

Gottschalk: Potz Welten, ja, wie hab ich oft gesprochen
Und mir das Maul verbrannt mit meiner Rede!
Was half's beim Schloßvogt; macht' ich Vorstellung,
So macht' er gleich auf mich ein Spottgedicht,
Und doch war mehr an ihm noch zu verspotten.
Es lachten uns hier alle Ritter aus,
Daß er die Rüben pflanzte auf den Wall,
Ich mußte ihm die Rüben gar noch putzen;
Was Dach war ihm ein Ackerfeld für Hauslauf,
Um alle Reimwut seines Kopfs zu kühlen.

Barbara: Wer spricht denn hier von Hauslauf und von Rüben!
Ihr sollt erzählen, wie der Wein ging auf.

Gottschalk: Ich mische mich nicht gern in solche Sachen,
Ein Auge sieht's, das andre drück ich zu.
Daß Wein getrunken wird, ist ganz natürlich,
Ja, hätt' ich nur den Wein, ich tränk' ihn auch.
(Nimmt einen Becher und trinkt.)
Doch daß die Kranken sind in Wein gebadet,
Wie Ritter Plesse, macht nur trunkne Fliegen,
Die um so ärger dann die Menschen stechen.

Barbara (vor sich): Nun, der kann lügen, daß sich Balken biegen.

Graf: Von Plesse schweig, er hat sein Bad bezahlt.
Ihr seid nicht schuld, Frau Barbara, ich glaub's,
Und meine Frau, sie folgte ihrem Herzen.
Noch wächst bei Witzenhausen edler Wein,
In hundert Jahren ist er auch wie dieser,
Beim Weine muß man an die Nachwelt denken.

Gottschalk (vor sich): Der Graf weiß um den Tod des Ritters Plesse,
Ich konnt' es denken, da es Hartmann tat;
Mein Jung muß schweigen gegen jedermann,
Ich will ihn noch an seinem Baumast warnen,
Die Mittagssonne reifte ihn gewiß.
(Gottschälkchen, als Amor gekleidet mit Flügel, fällt die Treppe herunter.)

Gottschalk (laut): Mein Engel, wuchsen Flügel dir am Ast?
Seht, gnäd'ger Herr, der da die Trepp' herunter
Gefallen, ist mein Sohn, der Engel – (leise zum Sohn) Bengel!
Wer hat dich losgebunden und verkleidet?

Gottschälkchen: Der Bilibald, der böse Bilibald,
Er hat mir zugeschworn, ich könne fliegen,
Wenn ich recht still hielt' bei dem Flügelannähn;
Nun spiel ich nicht, will auch kein Gott mehr sein,
Wenn ich dafür soll auf den Hintern fallen.

Gottschalk: Ei, Narr, du hast im Ernst gedacht zu fliegen,
Wenn dir zwei Gänseflügel angenäht?
Seht, Herr, so trieb's der Bilibald mit uns,
Verhöhnte uns, wenn wir hier dursteten,
Beim Hunger sprach er vom egypt'schen Fleischtopf.

Graf: Sprich mir nicht von Egypten, ich war dort,
Ach, solch ein Himmel fehlt uns hier zum Glücke.

Gottschalk (vor sich): Schon wieder dumme Streich' gemacht. (Laut.)
Wie oft
Hab ich geweint in meinem Kämmerlein,
Daß mich mein saures Amt beim Troß gehalten;
Ich wär' so gern mit Euch gefangen worden,
Um Euch zu dienen in der Sklaverei,
Ihr habt viel Not erlitten, und ich auch.

Graf: Du hattest Not, eh du die Kunst erlernt,
Mit einer Kreide doppelt anzuschreiben.

Gottschalk: Von solcher Not, da wißt Ihr nichts, Herr Graf,
Wenn in der Hitze alle Pfropfen springen
Und man zugleich den Fliegen wehren muß
Und auch auf alle Menschenhände achten.
Kein Feldherr hat zugleich so viel zu denken,
Ein Marketenderzelt ist Feldherrnschule.

Barbara: Man sieht's Euch an, wie Ihr zum Fleiß gewöhnt,
Denn Ihr vergeßt beim Reden Eure Becher.

Gottschalk: Da hast du, Söhnchen, etwas auf den Schreck.
(Er trinkt und gibt auch Gottschälkchen zu trinken, dann steigt er mit den Bechern die Treppe hinauf.)

Graf (nimmt Gottschälkchen bei der Hand):
Warum sind dir die Flügel angeheftet,
Wer hat dich so leibfarben eingenäht
Und dir den kleinen Bogen schön vergoldet,
Wer gab dir diesen Pfeil des Morgenlands?
(Vor sich) Es ist ein gift'ger Pfeil aus Amras Köcher.

Gottschälkchen: Ich darf's Euch nicht verraten, gnäd'ger Herr,
Ich sollte mich vor Euch verstecken, Herr,
Und dachte nicht im Keller Euch zu finden,
Das macht mich ganz verlegen. Er verbot es,
Der Schloßvogt, der das Spiel ersonnen hat,
In welchem ich Euch binde mit der Kette
Und mit dem Pfeil Euch leise soll erzielen,
Doch ist der Bogen viel zu schwach dazu.
Die Gräfin hat das ganze Spiel befohlen,
Und jene Fremde hat mir's überhört,

Graf (vor sich): Dem Traume gleich, der das Bekannte umkehrt,
Daß wir dazwischen wandeln wie im Fremden,
So drängt sich zwischen meine Welt Verrat,
Ich kann ihn nicht begreifen, doch ich muß
Ihn glauben; Hartmanns Warnung wacht mir auf
Und tritt begläubigend zur kind'schen Rede.
(Laut.) Wer gab dir diesen Pfeil, du Schützengott?

Gottschälkchen: Es gab ihn niemand mir, ich fand ihn dort,
Nein, wollt' ich sagen, unsre Gräfin gab ihn,
Ich weiß es selbst nicht, wie ich ihn bekommen.

Graf (vor sich): Er scheint verlegen, gleich als ob es ihm
Verboten worden, nicht vom Pfeil zu sprechen,
Und jetzt versteckt er ihn in seinem Köcher.
(Laut.) Behalt den schönen Pfeil, ich nehm ihn nicht,
Dort hängt ein bessrer Bogen als der deine,
Den schenk ich dir zum heut'gen Spiel, mein Kind,
Der kann den schweren Pfeil schon besser schnellen,
Und übe dich mit ihm und triff mich gut.

Gottschälkchen: Ihr seid so gütig, gnäd'ger Herr, wie oft
Hab ich nach dem gelangt, war ich im Keller.
Der Schloßvogt aber zeigte ihn verwarnend,
Das sei der Bogen jenes Grafen Hug,
Womit er sich geprüft, ob er noch nüchtern,
Ob er den Sperling auf dem Dach noch treffe.

Graf: Kein Sperling fällt vom Dach ohn' Gottes Willen.
(Vor sich) Nun ahnde ich den Plesse dennoch schuldig,
Nur mich zu morden machte er die Fahrt.
Er hat hier wie ein Herr im Schloß gehaust,
Als ob er nimmer dachte fortzuziehen,
Hat Gärten angelegt, wo alles wüst,
Und Eichen eingepflanzt, wo Sonne brannte,
(Laut) Wenn du recht gut gesprochen und getroffen,
So schenk ich dir auch noch den kleinen Degen.

Gottschälkchen: Der kleine Degen ist zu schön für mich,
Den trug der Plesse in der Gürtelscheide,
Als er mit unsrer Gräfin fortgezogen,
Und er gehört zur Rüstung Ritter Hugs.

Graf (vor sich): Die Gräfin zog mit ihm, ich bin verraten.
(Laut) Geh, Knabe, hörst du nicht, der Schloßvogt ruft!

(Gottschälkchen springt die Treppe hinauf.)

Graf (zu Barbara): Nun bist du fertig, Alte, komm zu mir,
Vertraulich sei mir wieder wie dem Knaben.

Barbara: Dies ist die letzte Tracht, nun bin ich fertig,
Und was befiehlt mein lieber, gnäd'ger Herr?

Graf: Das Fest wird fertig, doch ein festlich Kleid
Fehlt mir, Vertrauen zu den Festgenossen.
Sag mir's, war lustiger das Schloß, als Plesse
Statt meiner hier des Hauses Herrschaft führte?

Barbara: Nein, öffentlich war damals alles still,
Doch heimlich war wohl größre Freude hier.

Graf: Gesteh mir alles, weißt, ich bin dir gut,
Und meine Frau, sie konnte dich nie leiden;
Doch ich bin schweigsam wie ein Grab, erzähle,
Doch Wahrheit nur, die Lüge straft der Tod.
Zog sie mit Plesse nach dem heil'gen Lande,
Sah sie ihn heimlich hier, wann kam sie wieder?

Barbara: Erst heute kam sie heim, das wißt Ihr nicht?
Und Plesse soll sie herbegleitet haben.
Sie waren vor dem Kreuzzug viel beisammen,
Im Gärtchen Hugs, da blickt kein Fenster hin.
Ich lauerte zum Schutz für Eure Ehre,
Doch einmal nur, es war im Waffensaal,
Entdeckte ich sie in der Zärtlichkeit.
Da schlichen sie um Mitternacht hinein,
Er kniete da vor ihr, und sie trug seinen Panzer,
Doch was sie da gesprochen, weiß ich nicht.
Am Morgen wählte sie zum Marschall ihn
Und übergab Hugs Rüstung ihm und nahm
Des jungen Bruder Bernhards Namen an,
Daß ihr Geschlecht den Fremden bleib' verborgen;
Die Rüstung trug sie heut zum Waffensaal
Und eilte Euch im Frauenkleid entgegen.

Graf: Ich dank dir, Barbara, du bist mir treu,
Bist mir des Himmels einz'ge Offenbarung.
Du bist recht alt, ich muß dich dennoch lieben,
Du hast mein Herz zerrissen wie ein Geier,
Und bleibt ein Stück noch übrig, sei mein Weib;
Die Schönheit ist doch nur des Teufels Larve,
Und in der Hölle bleibt ein jeder jung,
Weil ihre Strafen ewig, ewig dauern,
Und nur die Himmelsfreuden sind vergänglich.

Barbara: Ich kann Euch nicht verstehn, Ihr wart mir gut
Als Knabe, ließet nur von mir mit Tränen,
Als Hartmann Euch in ernste Lehre nahm,
Und spottet meiner jetzt mit bitterm Hohne.

Graf: Ich spotte nicht, du sprichst mir nicht von Tugend,
Wenn Schelmerei dir durch die Seele geht,
Und Hexerei ist schuldlos gegen Lüge,
Du bleibst mir treu, denn dich mag keiner mehr.
Was staunest du mich an? – nicht lange dauert
Die Wildheit, die mein Herz ergriffen hat.
Aus meinen Augen fort, verrichte dein Geschäft!

(Barbara geht mit den Bechern fort.)

Graf: Verfehlt mich jener Pfeil, so trifft der Dolch;
Nun weiß ich es, warum die Vögel schwiegen,
Wenn ich am Blütenbaum vorüberging,
War ich vorbei, da sangen sie so lauter! (Ab.)

3

(Blumengarten mit einem Portale in Neugleichen wie im ersten Aufzuge. Das steinerne geharnischte Ritterbild trägt die Laute, welche Plesse der Gräfin geweiht hat. Bilibald, der Schloßvogt, zieht Gottschälkchen herein und hängt ein Paket über seine Amorskleidung.)

Bilibald: Du mußt mir dienen, kleiner Gott, ich bin
Dein Priester und dein Sänger, ohne mich
Glaubt nicht das Volk an dich, hier sieht uns keiner.

Gottschälkchen: Der alte Herr steht da mit seiner Laute.

Bilibald: Der soll das Lied mit Lautenspiel begleiten,
Das du der Anneliese singen sollst.
Noch einmal sag es her, ob du's noch weißt,
Doch nasch nicht mehr vom Kuchen, hörst du,
Sonst bleibt nichts an dem Herzen, das du bringst.

Gottschälkchen: Amor muß die Burg gewinnen
In des Grafen Hochzeitnacht,
Liebe kennet kein Besinnen,
Zeigt im Sturme ihre Macht.
Liebe, starke Anneliese,
Trink dir Mut echt ritterlich,
Keine Nacht wird schwarz wie diese,
Mond und Sterne decken sich.

Bilibald: Ich geb dir andern Wein, bestehl sie nicht.

Gottschälkchen: Es stiehlt kein Mensch bei solchem Überfluß.
(Fährt fort)
Sieh, die kleine Diebslaterne,
Die durch Amor dir geschickt,
Hellet deinen Fußtritt gerne,
Und kein andrer sie erblickt;
Führt dein Füßchen ohne Schwanken
Durch des Flüßchens seichte Trift,
Mit der Welle muß ich zanken,
Die da spiegelnd dich umschifft.
Wächter schließ ich an die Tische
Mit der Kett' aus starkem Wein,
Jeden Hund, den ich erwische,
Sperr ich in dem Keller ein.
Dann erschließ ich leis' die Tore,
Tränk mit Öl der Angeln Knarrn,
Lieg am Pflaster mit dem Ohre,
Horche: halt mich nicht zum Narrn!
Nein, ich hör die leisen Tritte,
Schlage nur das Tor nicht zu;
Amor herrscht in unsrer Mitte,
Endlich kommt die Welt zur Ruh'.

Bilibald: Das sagst du gut, doch sag's nur ihr allein,
Verrätst du mich, so dreh ich dir den Hals um.

Gottschälkchen: Doch eine Hand wäscht auch die andre, Herr,
Ihr macht auf Riekchen mir ein kleines Lied.

Bilibald: Ja, morgen, ei, das ist ein hübsches Kind,
Mich wundert, wie du ihr gefallen kannst.

Gottschälkchen: Ei, seht doch nur auf Euer weißes Haar
Und auf die schwarzen Zöpfe Anneliesens.

Bilibald: Marsch fort, zu der geheimen Tür hinaus!

(Er schiebt ihn zu einer geheimen Türe im Wall hinaus.)

Bilibald: Ein saubres Früchtchen, frühreif, faul und trotzig,
So sind die Knaben, die der Kreuzzug schuf,
Wenn die erwachsen, steht's in Deutschland anders!
Ich weiß nicht, was die ganze Zeit hier klingt
Wie ganz entfernter Glockenton im Winde?
Bald ist's, als ob es aus der Laute schallt,
Der alte Herr bewegt doch nicht die Finger.
Nun, das ist seltsam, sicher ist's Musik,
Die sich zum Fest schon eingefunden hat,
Gewiß zum Tanz bei dem Gesind' im Flügel,
Dem Volk ist's nie zu früh und nie zu spät. (Ab.)

(Die Gräfin führt Amra ein und steckt ihr Blumen des Gartens ins Haar.)

Gräfin: Du sahst nun unser ganzes kleines Reich,
Hier laß uns weilen in dem Gärtchen Hugs,
Der dieses Schloß erbaute und gespenstisch
Noch hier sein Lieblingsplätzchen soll bewohnen.
Die Furcht vor seiner Geistesnähe hatte
Gar lange alle abgeschreckt vom Gärtchen,
Es lag wie ein verwildert Paradies;
Da sah's der Ritter Plesse, kaum genesen,
Und schmückte es für mich in stillem Fleiß,
Und diese Blumen, die ich in dein Haar
Und an die Brust dir stecke, sind auch Kinder
Von ihm, verlassne schöne Kinder des
Geliebten. Ach, du hast ihn nicht gekannt,
Doch alles blüht auch dir in diesem Garten.

Amra: O sag nicht mehr von ihm, ich lieb ihn schon
Mit einer Ungeduld, eh' ich ihn kenne,
Aus allen Blüten atmen heiße Flammen,
Die du zum Schmuck mir an den Busen legst;
Ist das sein Bild, ist dies auch seine Laute?
Mir ist, als ob das Steinbild sie errege.

Gräfin: So ernst und böse war sein Antlitz nicht,
Doch diese Laute gab er mir beim Scheiden,
Er fand sie in dem Gras vor der Kapelle.

Amra: Es ist des Grafen Laute, o ich kenn sie,
Ich habe sie noch mehr geliebt als ihn,
In ihr ward seines Herzens Trug zur Wahrheit.

Gräfin: So eint sich hier ein dreifach Geisterreich.
Der Alte, dessen Rüstung Plesse trug,
Trägt hier die Laute, die des Grafen Lüge
Und meines Ritters Wahrheit weiß zu sagen;
Berühr sie nicht, denn hört ich sie erklingen,
So würde mich die Trauer ganz durchdringen.

Amra: Nie ahndete ich solch geheimes Wesen,
Mir schaudert vor dem weißen Lautenspieler.

Gräfin: Seit er mir fern, steh ich den Geistern offen
Und sehe ihre Spuren überall,
Und selbst der Wind, der durch die Zither bebt,
Berührt mich geisterhaft mit seiner Nähe,
Und denken muß ich jenes ernsten Liedes,
Das er als Todeszeichen mir versprach.

Amra: Ich möchte sagen, daß ich eine Weise
Durch diese Saiten traurig rauschen höre.

Gräfin: Um Gottes willen, nein, ich höre nichts.
Die Vögel zwitschern in dem Laub so laut,
Jetzt streifte eine Schwalbe an die Saiten;
In mir nur klingt das ew'ge Trauerlied.
O diese Wehmut wird nun meine Welt,
O sprich mir oft von ihm, wenn du mich liebst,
Gestatte nicht der Zeit, daß sie mich tröste!
Ist dieses Denken Sünde, ich will büßen,
Um in der Reue ihr allein zu leben;
Das härtste Kloster wär' mir Seligkeit!

Amra: Wie wunderbar ist dieses Abendland,
Zwei Seelen streiten sich in einem Herzen.
Mit übermenschlicher Ergebenheit
Verzeihest du dem Grafen den Verrat,
Und nach dem Kloster blickt dein innres Sehnen.
Du durftest ihn mit Fug und Recht verlassen,
Du opfertest dich ihm ganz ohne Lohn,
Dich hemmt der Graf in deinem bessern Dasein,
Du lügst ihm Liebe, um ihn zu beglücken,
Ist groß die Tugend, größer ist die Falschheit.

Gräfin: Ich weiß, wohin der Sinn des Vorwurfs zielt,
Du willst mich wieder zu der Flucht bereden
Nach jenem Land, das du aus Liebe flohst:
Ist das nicht Falschheit im Geschwisterbunde?

Amra: Bekannte ich doch offen mein Gefühl,
Daß solch ein Bund nur eine Lüge sei,
Auch eine gutgemeinte, fromme Lüge
Wie tausend Wunder, die ich hier muß glauben.
Der Graf hat uns zu tief gekränkt, vergeben
Hab ich von dir gelernt, doch nicht vergessen;
Kannst du den treuen Ritter je vergessen?

Gräfin: Kann ich, will ich ihn je vergessen? Nein!
Denn er ist meine Tugend, die sich opfert.
Umgibt er mich nicht näher, als ich selbst,
Kann ich den Ort, die Stelle hier vertilgen?
Wie schlug mein Herz, wie glühten seine Wangen,
Als lang verhüllt Gefühl sich offenbarte!
Hier kniete er! Und als er von mir ging,
Wie ich es ihm befahl um unsre Ruhe,
Als er im Wald dem Blick entschwunden war,
Der sehnlich seinem Fußtritt nachgetrachtet,
Da barg die Sonne sich in Finsternis,
Die lauten Vögel gingen mittags schlafen,
Die Blumen schlossen ihren Tränenkelch,
Und nur ein Schatten schien der Sonne Bild:
So trauerte die ganze Welt mit mir,
Und wieder deckt mich diese Tränennacht.

Amra: Der Augen schone, schone sie für mich!
O dieser Schmerz, der ohne Rettungswillen,
Er lebt von deiner Blüten innrem Kerne.

Gräfin: Sei ruhig, denn schon fühle ich mich stark,
Vollbringen muß ich, was ich ernst begonnen.

Amra: Du Unbegreifliche in diesem Abendland,
Fremdlingin auf der heimatlichen Erde,
Bewohnerin der andern höhern Welt!
Ein Sandkorn scheint dir diese große Erde,
Das dir ins geist'ge Auge schmerzlich fiel,
Ich Arme finde drüben keine Scholle,
Wo ich den Fuß kann fest und sicher setzen.

Gräfin: Du bist noch jung in unserm heil'gen Glauben,
Ein jährig Kind, nur mit dem Mund gewöhnt,
Und nicht im Lebensdrang darin erzogen.

Amra: Mir hat die Taufe nicht den Sinn verliehen,
Eröffne ihn in deiner Freundschaft Feuer
Und gib mir Kraft, das alles zu entbehren,
Was wesenlos vor deinem Willen sinkt.

Gräfin: Dies übergroße Bild gab ich dir nicht
Von meiner Kraft, von meinem höhern Leben.
Die Leiden öffnen wohl des Lebens Pforten,
Es strahlt ein Licht, doch läßt es sich nicht halten,
Und Sehnsucht nach der überwundnen Sünde
Nimmt oft dem Sieger alle Waffen ab.

Amra: Du fühlst doch, daß du ihr gehören solltest
Der andern Welt, das schwanket nie in dir;
Doch blick ich jenseit, schreck ich vor der Leere,
Die Trennung ist so unermeßlich mir
Von jenem Ew'gen, das sich losgekämpft
Aus diesem Reich der irdischen Naturen!
Wer füllt den Riß, vor dessen Tiefe schwindelt,
Wer gibt mir Flügel, wo kein Sprung ausreicht?

Gräfin: Du wirst ihn kennen, gibst du dich ihm hin.

Amra: Du hast ein Haus in jenen Himmelsräumen
Und stehst doch fest in dieser Erdenwelt;
Nicht doch, die Erde steht nur fest in dir,
Sie sucht in dir ihr Wesen fest zu ankern,
Und zeigte dir des Ritters irdisch Bild.
Wer aus der Seele dir es reißen könnte,
Der löste deiner Seele Engelsflügel:
So kann auch ich den Zorn nicht von mir lösen,
Der mich dem Grafen heute hat entrissen.

Gräfin: Es ist umsonst, daß wir uns Glück anlügen,
Ein Schmerzensruf zerreißt den milden Schleier,
Den ich voll Hoffnung über dich geworfen,
Und kein Vertrauen wird der Irrtum knüpfen,
Der schonend als Geschwister uns vereint.
Dies künstliche Verhältnis löst sich selbst,
Und diese Einheit, die nur Liebe gibt,
Nur Liebe in zwei Wesen kann beginnen,
Ich suchte sie in dreien zu begründen:
Der Gottheit ist das einzig vorbehalten,
Und ihrem Abbild ist der Wunsch versagt.

(Der Geistliche tritt ein.)

Geistlicher: Seid mir gegrüßt, erhabne Gräfin, lange
Durchirrte ich das Schloß, Euch aufzufinden.

Gräfin: Was bringt Ihr, würd'ger Herr, kein Unglück?

Geistlicher: Ich hoffe nicht, doch müßt Ihr Euch erklären.
Der Hartmann brachte in des Grafen Namen
Befehl, des Papstes wunderbare Gnade
Beim heut'gen Fest euch beiden auszuteilen,
Der Ehe dreifach Band in euch zu segnen.

Amra: Du hörst, er hat sich nur verstellt als Bruder,
Ich sollte mich der neuen Falschheit fügen?

Gräfin: Du weigerst dich? ich sollte dich verlieren,
Die mir des Lebens einz'ger Trost geworden?

Amra: Für dich, mit dir zu sein, ertrag ich alles;
Daß ich ihn liebe, zwingt kein Priesterwort.

Gräfin: Ich habe keinen Grund zum Widerstand,
Noch bin ich ihm durchs Sakrament verbunden.

Geistlicher: Ich finde euch in einem schweren Kampfe,
O glaubt es mir, ihr kämpfet nicht allein,
Das Unerhörte ist vom Haupt der Kirche
Geboten, morgen zieh ich in den Wald,
Denn ich gehöre nicht zu dieser Welt.

Gräfin: Erkennst du des Gehorsams ernstes Vorbild
Die Schule, die mich streng erzogen hat?

Geistlicher: Des Himmels Wege sind so wunderbar,
Gehorchen löst des Menschen zeitlich Sorgen.
Ihr folgt des Herren Willen, und ich eile
Zur Kirche, schon vernehm ich leise Chöre
Der Kinder dort, die sich zum Dienste üben:
An heil'ger Stelle sehen wir uns wieder. (Ab.)

Gräfin: Wie kann schon jetzt der Chor der Kinder singen?
Hörst du denn auch Gesang? ich mag nicht lauschen.

Amra: Die ferne Orgel ist's, die ich vernommen.

Gräfin (nahet sich zögernd dem Bilde):
Verlasse mich, du Liebe, lasse einsam
Den großen Schrecken durch die Seele dringen.
Ich wollte es so lang mir nicht gestehen,
Die Laute tönt von seinem Abschiedslied,
Das ist der Kirchenchor, der Vögel Ruf,
Das Zeichen seines Sterbens dringt zu mir,
Das er in letzter Stunde mir verheißen.
Kein Mißton schmerzt so tief wie dieser Wohllaut,
Mit tausend Schwertern dringt er in mein Herz,
Und kalte Todesangst beeist die Sinne,
Mein Händeringen kann ihn nicht erretten!

Amra: Ich bin mit dir gemartert, ich vergehe,
Doch hör ich jetzt nicht mehr die fernen Töne.

Gräfin: Es ist ein kurzer Stillestand, vielleicht
Ist alles nun vorüber ihm, nicht mir;
Doch jetzt erhebt sich wieder süßer Wohllaut,
Die ganze Luft kann menschlich sich beleben,
Durchdringet sie ein übermächt'ger Geist!
O könnt' ich helfen, streiten! Doch er bat,
Ich sollte für ihn beten, wenn ich's hörte.
O süßer Klang, führ mich zum Himmel ein,
Ach wenn du endest, bin ich ganz allein.

(Sie sinkt nieder im Hintergrunde, und Amra unterstützt die Sinkende.)

4

(Der vordere Vorhang fällt, Waffensaal zu Neugleichen wie am Schlusse des ersten Aufzugs. Hartmann trägt die Waffenrüstung Hugs herbei und putzt daran.)

Hartmann: Dem einen ist's bestimmt, hier hoch zu glänzen,
Der andre wird den Staub hier nimmer los,
Im fremden Dienst verlieret er sein Leben,
Und wenn er stirbt, nichts ändert's in der Welt.
Was ist mein Lohn, daß ich den Plesse schlug?
Die Rüstung, die gewonnen, muß ich putzen,
Die Flecken Blutes gehen doch nicht aus! –
Wie sprach der Kapellan noch heut zu mir:

»Daran erkenne er des Herren Gnade,
Daß nie durch ihn ein Tropfen Blut vergossen,
Auch ehe er sich heil'gem Dienst geweiht,
Es sei durch Rat, durch Tat, er sei noch rein.
Und dieser Friede, der ihn nie verlassen,
Um den er viel gelitten, viel gerungen,
Er hab' ein Leben früh ihm abgenommen,
An das er nie gehangen, und ein andres
Verliehen, das er ewig lieben müsse.«

(Er wischt sich die Augen.)

Gott, Gott, o könnte ich von mir so sprechen!
(Mit zweiter Stimme) »Schweig still und denke nicht und sei nur fleißig;
Dir ist die Welt nur Schule des Gehorsams,
Und was du lerntest, wirst du jenseit brauchen.«

(Der Graf tritt nachdenklich ein.)

Graf: Ihr meiner Jugend stolze Puppenspiele,
Ihr Rüstungen der Väter, hohl seid ihr,
Von außen hell geputzt, von innen rostig,
Ich bin wie ihr, und jeder lobt mein Glück!
(Sieht Hartmann) Noch immer fleißig, Hartmann? Zürnst noch immer?
Du kennst mich gut, du hattest nicht so unrecht.

Hartmann: So glaubt Ihr wieder mir, nun bin ich froh,
Ich will Euch morgen manches noch vertrauen,
Wenn dieses Hochzeitfest nur erst vorüber.

Graf: Ja, morgen gibt es viele Zeit zum Reden,
Da wird ein jeder seine Meinung sagen
Und wird sich umsehn, daß es schon vorbei.

Hartmann: Viel Glück kommt über Euch, Ihr wißt nicht wie,
Altgleichen kann mit Recht nun an Euch fallen,
Habt Ihr die Trauerglocke nicht gehört?

Graf: Ich hörte in der Luft so ernsten Klang,
Es war, als ob sie nur ein Mund der Trauer,
Von lauter Lieb' und Schmerzensruf durchbebt.

Hartmann: Die Gräfin starb und sagte aus im Sterben,
Nur Joseph sei des Mannes echter Sohn
Und sei ermordet von den Bastardbrüdern.
Das heimliche Gericht wird sie bald fällen!
Ihr freut Euch nicht? und könnt doch nun vereinen,
Was so zerrissen keinem ganz genügte.

Graf: Ich wollte, daß die drüben alle lebten,
Daß ich abkommen könnte unbeachtet.

Hartmann: Ihr könnet nicht abkommen, bester Graf.
Gedenket, daß Ihr jetzt der letzte Gleichen,
Und nicht zum Scheine feiert Eure Hochzeit.
O dieser Schwesternbund ist mir ein Greuel.

Graf: Mir auch, es liegt Verrat in dieser Tugend.

Hartmann: Das Weib ergibt sich jedem festen Willen,
Es haßt mit Recht den willenlosen Mann.
Wer so, wie Ihr, das Recht zu beiden aufgibt,
Der scheint sie zu verachten, zu verraten.
Sie scheinen schwesterlich mit Euch zu leben,
Doch heimlich möchten sie wohl Pfeile schmieden
Euch zum Verderben, um sich zu befreien
Von einem Bruder, der ihr Mann sollt' sein.

Graf: Du ahndest viel, du bist ein seltsam Wesen,
Fast möcht' ich deinem Rate wieder trauen.
Nun hör mir zu! – Was putzest du so eifrig,
Ist dies Geschäft dir wicht'ger als mein Wort?

Hartmann: Es ist die Rüstung Eures Ahnherrn Hug,
Die jeder von den Euren trägt zur Hochzeit.
Mein guter Herr! O zieht sie heute an,
Wie an dem Tage, der Euch einst vermählte.

Graf: Soll ich denn meine Eh' heut wieder feiern?
(Vor sich) Es ist die beste Probe ihrer Falschheit.

Hartmann: O Herr, Ihr kommt mir ganz entgegen, billigt,
Was ich getan, noch eh Ihr es befohlen.
Der Kapellan wird heut im Kirchenfeste
Die Doppelehe, die der Papst befohlen,
Vor aller Welt mit heil'gem Segen weihn;
Verzeiht mir, Herr, ich hab's in Eurem Namen
Dem Mann befohlen, denn so mußt' es kommen.

Graf: Hör, Alter, du bist kühn wie nie ein Diener;
Hat dein Gewissen denn so weiten Raum?
Leg mir die Rüstung an, es mag geschehn,
Was wir nicht ändern können, lebensmüde
Ergeb ich mich dem Willen meines Hauses.

(Hartmann rüstet ihn, der Vorhang fällt.)


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