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Filles d'Opéra und Hetären

Eine ähnliche Rolle wie der Modesalon spielte im 18. Jahrhundert der Friseur oder Perruquier. Ferner die Wahrsagerinnen und Wahrsager, und nicht nur im galanten Frankreich, sondern ebenso in London, Berlin und Wien. Vor allen war der Friseurberuf und das Kammerzofenamt wie geschaffen zum galanten Dienst. Das Kammerkätzchen in seinem adretten reizenden Kostüm, das Büste und Arme freiließ, war nicht selten die Mätresse des Hausherrn und oft auch noch die seiner Freunde. Daneben spielte sie Mitwisserin und Vermittlerin aller Liebesabenteuer ihrer Herrin. Der Friseur aber war der Vertraute sowohl der Dame des Hauses als auch des Herrn. Nicht selten mußte er auch bei älteren Damen, denen es an Liebhabern mangelte, deren Stelle vertreten. Infolge der komplizierten Frisuren hielt er sich oft stundenlang im Boudoir der Damen auf, hörte alle Skandalgeschichten, die sich die anwesenden Freunde und Freundinnen untereinander erzählten, und wurde dadurch unbeabsichtigt zum Vertrauten seiner Kundschaft. Außerdem lag der Weltdame des 18. Jahrhunderts viel daran, daß ihr Friseur so viel wie möglich von ihren körperlichen Reizen zu sehen bekam, denn er war die beste und geeignetste Person, überall von diesen Schönheiten zu sprechen oder, wie man heute sagen würde, sie zu »lancieren«. Und war die Dame liebenswürdig und freigebig ihm gegenüber, so trug er um so mehr zu ihrem Ruhme und dem Preise ihrer Schönheit bei. »La physiologie du Perruquier« weiß darüber viele pikante Geschichten zu erzählen. Der Friseur war überall beliebt, denn sowohl die vornehme Dame wie die kleinen und großen Schauspielerinnen und Tänzerinnen, die Filles d'Opéra waren auf ihn angewiesen. Die letztgenannten ganz besonders, weil er ihnen oft die freigebigsten Lebemänner vermittelte. Den meisten von diesen Theaterdamen kam es weniger darauf an, durch ihre Talente als durch ihre Schönheit und Extravaganz zu glänzen. Sie fragten nicht viel danach, durch Tugend berühmt zu werden. Viele hatten mehrere Kinder von verschiedenen großen Herren. Sie betrachteten das als eine gewisse Kapitalanlage, denn es ging ihnen um so besser, je mehr Kinder sie hatten. Als der junge Casanova einmal der vergötterten Operndiva Le Fel vorgestellt wurde, sah er in ihrem Hause drei entzückende Knaben. Er bemerkte wohl deren Schönheit, wunderte sich jedoch, daß keiner dem andern ähnelte. »Das glaube ich gern«, erwiderte die Le Fel. »Der Älteste ist der Sohn des Herzogs von Annecy, der Zweite der des Grafen Egmont und der Jüngste ist der Sohn des Grafen Maisonrouge.«

»Ach, verzeihen Sie, Madame,« erwiderte Casanova, »ich dachte, Sie seien die Mutter aller drei.«

»Das bin ich auch«, sagte sie und lachte dabei laut auf über den Fremden, der die Sitten von Paris so wenig kannte. Die meisten Schauspielerinnen waren Mätressen sehr hoher und reicher Herren. Sie gingen von einer Hand in die andere und wurden im größten Luxus gehalten. Auch viele öffentliche Dirnen ließen sich einfach als Ballettänzerinnen oder Figurantinnen der Oper eintragen und entgingen auf diese Weise der Sittenkontrolle. Sie nannten sich ebenfalls »Filles d'Opéra«, obwohl sie in den seltensten Fällen am Theater Verwendung fanden, oder nur zur Aushilfe dienten. Dafür sah man sie mit ihren Galanen in allen Separees und Theaterlogen, wo sie mit Diamanten beladen in den gewagtesten Dekolletés erschienen. Die Logen, die diese Damen innehatten, wurden indes meist für andere Genüsse als zur Betrachtung des Stückes benutzt, das auf der Bühne vor sich ging, denn die Mädchen kamen dahin, um die Herren zu unterhalten. Und da die Logen oft mit Vorhängen oder einem dichten Gitter versehen waren, konnten sich die unerhörtesten Dinge dahinter abspielen. Das reizende Bild von Moreau »La petite loge«, zeigt uns den Prinzen von Soubise, dem von einer echten oder falschen »Theatermutter« in einer Loge eine junge »Debütantin« vorgestellt wird. Soubise, der unter dem Spitznamen »Sultan« bei den Damen vom Theater bekannt war, erweist sich der kleinen »Neuen« gegenüber sehr galant und scheint nicht abgeneigt zu sein, das hübsche Mädchen in den Kreis seiner Haremsdamen aufzunehmen. Oft wurden diese »Theatermädchen« auch in den kleinen Privattheatern der reichen Roués verwendet, unter denen der Herzog von Richelieu sich mit seinen lasterhaften Vorstellungen einen besonders berüchtigten Namen gemacht hat. Es folgte diesen Theatervorführungen meist ein wüstes Gelage, bei dem die »Filles d'Opéra« ihrer Genußsucht keine Schranken auferlegten. Die Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin war im 18. Jahrhundert noch Freiwild, es sei sie war bereits so reich, daß sie selbst wie eine Königin befahl. Aber ehe sie soweit kam, wurde sie nicht anders behandelt wie eine Dirne. Sie war weder gesellschaftsfähig noch genoß sie irgendwelche Rechte. Für sie gab es weder eine kirchliche Ehe noch ein kirchliches Begräbnis. In einem abgelegenen Winkel des Friedhofs wurde sie, wenn sie nicht sehr hohe Beschützer hatte, die ihr Andenken ehrten, wie eine Verbrecherin verscharrt. Als Karoline Neuber, die Reformatorin der deutschen Schauspielkunst, im Jahre 1760 in Laubegast bei Dresden starb, untersagte der Pfarrer aufs strengste bei ihrem Begräbnis das Offnen der Kirchentüren, und der Sarg mußte über die Kirchhofsmauer gehoben werden, um ein Plätzchen zu finden. Die Kirche schloß die »Komödianten« aus. Wollte eine Schauspielerin oder ein Schauspieler heiraten oder eine Liaison durch die Kirche besiegeln lassen, so mußten sie der Bühne entsagen, was einige unter ihnen auch taten. Die Verachtung der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts, der sie ihre Freuden, ihre Talente, ihre Jugend, ihren Körper und ihre Gesundheit schenkten, kannte keine Grenzen. Dabei sind manche dieser Mädchen zu ihrer Glanzzeit von dieser selben Gesellschaft und durch ihre hohen Gönner bis zur höchsten Stufe des Reichtums und zu einer Machtstellung erhoben worden, die ihnen selbst gestattete, Gunst und Vorrechte auszuteilen. Manche wühlte im Geld und in Diamanten und verschwendete Millionen, wie die Tänzerin Duthé, die Schauspielerin Arnould, die Le Duc, die Dubois, die Clairon, die Guimard und viele andere, die durch ihre maßlosen Ansprüche das Vermögen mehrerer Männer verschlangen. Aber viele von ihnen machten auch gar kein Hehl daraus, daß sie Dirnen waren und als solche handeln durften und behandelt werden wollten. Ihre Verschwendung mit dem Gelde der Reichen, der bevorzugten Klasse, war ihre Rache gegen die Unduldsamkeit, mit der sie von der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts behandelt wurden. Ihre Zügellosigkeit, ihre Ausschweifungen, ihr Zynismus überstieg alles, was man in jenem sittenlosen Zeitalter erleben konnte. Ihre Extravaganz, ihre Frechheit in Kleidung und Gebaren, ihr anspruchsvolles Auftreten auf der Promenade und bei öffentlichen Gelegenheiten waren unerhört. Manche fuhr nur sechsspännig in silberbereiften Wagen mit silberbetreßten Dienern, oder sie ließ sich halbnackt in einer Chaise aus Bergkristall oder Porzellan durch die Straßen tragen, gerade da, wo es am meisten auffiel, in den Champs-Élysées und im Bois de Boulogne. Eine der herausforderndsten dieser Theaterdamen war die Duthé, die den Herzog von Chartres zu ihrem reichsten und freigebigsten Liebhaber unter vielen zählte. Außer kostbaren Geschenken an Diamanten, Schmucksachen, Toiletten, Kunstgegenständen bezahlte er ihr monatlich eine Rente von 15 000 Livres. Die schöne Tänzerin Guimard, die »Grazie des 18. Jahrhunderts«, wurde von einem ihrer offiziellen Liebhaber, dem Marschall Prinzen von Soubise, mit einem Luxus unterhalten, der alles dagewesene überstieg, selbst den der ausschweifenden Deschamps. Die Equipagen, Toiletten und Einrichtung der Guimard konnten denen der reichsten Hofdame und Königsmätresse an die Seite gestellt werden. In ihrem Hause verkehrte die beste Gesellschaft. Dreimal in der Woche hielt sie große Tafel und Empfänge. Diese drei Soupers waren indes sehr verschieden von einander. Zum ersten Souper waren nur die reichsten und vornehmsten Grandseigneure des Hofes und alle möglichen Leute von hoher Bedeutung eingeladen. Es ging wie bei einem Empfang der besten Gesellschaft zu. Zur zweiten Soirée erschienen berühmte Schriftsteller, Künstler, Gelehrte, und der Salon der Guimard schien dem Salon der schöngeistigen Madame Geoffrin Konkurrenz machen zu wollen, aber das dritte Souper, das die Guimard in der Woche veranstaltete, war eine wahre Orgie, ein Bacchanal, wozu die verführerischsten und schönsten Mädchen und auch die unzüchtigsten geladen waren. Ausschweifung und Sittenlosigkeit wurden hier, wie die »Mémoires secrets« berichten, auf ihren Höhepunkt gebracht. In ihrem wundervollen Landhaus in Pantin veranstaltete die reiche und elegante Tänzerin Theater- und Ballettaufführungen, genau wie die Pompadour selbst. Und die ganze Pariser Aristokratie, darunter die Prinzen von Geblüt, rechneten es sich zur Ehre, zu diesen Vorstellungen zugelassen zu werden. Man ging ebenso offiziell nach Pantin, wie man nach Versailles ging. Im Theater der Guimard spielte man kleine unmoralische Stücke, und die ehrsamsten Bürger, ja sogar Männer der Kirche und ernste Gelehrte stritten sich um die vergitterten Logen und scheuten sich nicht, mitten unter Hetären und den berüchtigtsten Lebeleuten zu diesen Vorstellungen zu erscheinen. Die Gagen waren zu jener Zeit nicht hoch. Eine Fille d'Opéra war auf ihre Verehrer angewiesen. Figurantinnen und Ballettmädchen erhielten überhaupt nichts. Sie mußten froh sein, Gelegenheit zu haben, ihre Reize in der Öffentlichkeit zur Schau stellen zu können und dadurch reiche Freunde zu bekommen. Fast alle Theatermädchen fingen so an, und es war von vornherein ausgemacht, daß sie auf Tugend verzichteten. Mit wenigen Ausnahmen fügten sich alle diesem Prinzip. Die Tänzerin Vézian, die Casanova kannte, und die eine von den wenigen anständigen Filles d'Opéra war, erstaunte sehr, als sie erfuhr, daß sie als Anfängerin keinen Anspruch auf Gage hätte. »Und wovon soll ich leben?« fragte sie. »Darüber machen Sie sich keine Sorge«, erwiderte man ihr. »So, wie Sie sind, finden Sie zehn reiche Herren, die für die Gage Ersatz leisten. Sie müssen sich freilich den richtigen aussuchen, aber bald werden Sie, des können Sie gewiß sein, mit Diamanten überschüttet werden.« Und diese Weissagung wurde sehr bald wahr. Nach verschiedenen Abenteuern lernte sie den Marquis d'Etréhan kennen, der sie königlich unterhielt. Ihre Eleganz artete allerdings niemals in jenen parvenühaften Luxus aus, den viele ihrer Kolleginnen an den Tag legten. Niemals hätte sie sich dazu verleiten lassen, ihre Waschgeschirre aus massivem Gold, wie es die äußerst lasterhafte Deschamps besaß, anfertigen zu lassen. Die Vézian war reich und anspruchsvoll und hat manchen ihrer Liebhaber ruiniert, aber sie ließ trotz aller Verschwendung und Ansprüche doch eine gewisse Dezenz walten, denn sie besaß Esprit und Geschmack, und das geflügelte Wort der damaligen Zeit: »Dumm wie eine Tänzerin«, paßte nicht auf sie. Viele dieser Theatermädchen hatten trotz aller ihrer Fehler und Laster ein mitfühlendes Herz für die Armen. Die Guimard zum Beispiel bat ihren reichen Freund, den Prinzen von Soubise, im Jahre 1768, als der Winter besonders hart war, er möchte ihr zu Neujahr anstatt wie immer Diamanten zu schenken, diesmal ein Geldgeschenk machen. Soubise sandte ihr 6000 Franken, nach unserem heutigen Gelde etwa das Zehnfache.

9. Im Bade belauscht.
Farbstich von Ch. M. Descourtis. Paris, um 1780

Mit dieser Summe und noch etwas mehr begab sich die Guimard ohne Diener und ohne Zofe in alle Mansarden der Bedürftigen ihres Viertels und verteilte die 6000 Franken unter die armen Familien für Nahrung, Kleidung und Heizung. Sie sorgte für die Armen, ja sogar für die Toten, denn sie ließ sie auf ihre Kosten beerdigen. Das mitleidige Herz und die offene Hand der Tänzerin waren in Paris so bekannt, daß nicht nur die Ärmsten der Armen an ihre Tür klopften, sondern auch kleine Kaufleute, wenn sie vor dem Ruin standen, Künstler in Not und sogar Spieler, die nicht wußten, wovon sie ihre Schulden bezahlen sollten. Die Guimard half allen. Einmal kam ein Offizier zu ihr und lieh sich 100 Louisdor, um seine Spielschulden zu bezahlen. Als er ihr einen Schuldschein ausstellen wollte, meinte das gute Mädchen: »Mein Herr, Ihr Wort genügt mir ... Ich denke, ein Offizier wird zum mindesten ebenso viel Ehrlichkeit besitzen wie eine Fille d'Opéra«. Und dabei stand sie bald darauf selbst vor dem Ruin, denn sie hatte zwei ihrer reichsten Liebhaber zugrunde gerichtet und verloren und 400 000 Livres Schulden gemacht. Aber eine so schöne Frau und fabelhafte Tänzerin wie die Guimard fand immer wieder Gönner, und die 400 000 Livres blieben nicht lange ungedeckt. Es war niemand anders, als der Herr Bischof von Orléans, Monseigneur de Jarente, der sich mit seinem ungeheuren Vermögen in den Dienst der kapriziösen Tänzerin stellte und alle ihre Wünsche erfüllte. Sie besaß eins der entzückendsten Palais in Paris. Eine Broschüre der Zeit findet kaum Worte, diesen »Tempel Terpsichores« in all seiner Herrlichkeit zu beschreiben. »Auf einem verhältnismäßig kleinen Raum bietet dieses reizende Heim alle Bequemlichkeiten und alle Annehmlichkeiten. Alles ist bezaubernd durch einen ganz neuen Geschmack, sogar der Garten. Die Zimmer scheinen einer Zauberfee ihre Gemütlichkeit zu verdanken; sie sind kostbar eingerichtet, ohne daß alles angehäuft ist, und galant ohne Indezenz. Es ist ein Liebespalast, der durch die Grazien verschönt wird. Das Schlafzimmer ladet zur Ruhe und Liebe ein, der Salon zum Vergnügen und zu Unterhaltung, das Speisezimmer zum fröhlichen Mahle ... Ein herrliches Treibhaus ersetzt im Winter den Garten ... Es gibt ein kleines entzückendes Badezimmer, das wohl einzig in seiner Art und seinem Stil ist.« Es besaß nämlich ein für die damalige Zeit seltenes eingemauertes persisches Badebassin. Ihr Toilettenzimmer war von karmesinrotem und weißem Samt, ebenso das Schlafzimmer, dessen Wände als Tapete galante Riesengemälde von Fragonard aufwiesen. Die ganze Einrichtung wurde auf 27552 Livres geschätzt. Ebensoviel Geschmack und nicht weniger Geschick, sich reiche Freunde zu verschaffen, besaß die sehr beliebte Schauspielerin Clairon, die ihren Lebenslauf als kleine Weißnäherin begann und zur großen gefeierten Künstlerin und einer der reichsten ausgehaltenen Frauen aufstieg. Sie war ausschweifend und unersättlich und nicht immer wählerisch, obwohl auch sie die höchsten Herren zu ihren Liebhabern zählte, darunter ebenfalls den Prinzen von Soubise, den Herzog von Luxembourg, den Marquis de Bissy, den Herzog de Bouteville und Herrn de la Popelinière. Die Liste ihrer Freunde und Liebhaber ist endlos. Schließlich kannten sie alle Männer von Paris und die dahinkommenden reichen Fremden dazu, besonders viele Offiziere und Musketiere. Ihr zärtlichster Geliebter war der junge Fürst von Monaco. Er opferte Geld und Gesundheit für sie. Aber sie war ihm ebenso untreu wie sie dem jungen Poeten Marmontel untreu war, der sie aufrichtig und leidenschaftlich liebte. Er vergötterte sie und nannte sie die vollkommenste Geliebte, die es geben konnte. Sie war sehr temperamentvoll, sehr lustig, besaß alle Reize eines liebenswürdigen Charakters, hatte keinerlei Launen und war nur darauf bedacht, ihren Geliebten in jeder Beziehung glücklich zu machen. Wenn sie liebte, liebte keine leidenschaftlicher und zärtlicher als sie, aber es dauerte nie lange. Leider erwarb Marmontel sich durch die Liebe zur Clairon einen sehr schlechten Ruf. Die »Archives de la Bastille« vermerken zu jener Zeit: »Marmontel ist nicht wieder zu erkennen, seit er sich den Freuden dieser Dirne hingibt.« Marmontel war übrigens auch der einzige, der ihr kein unumschränktes Vermögen bieten konnte. Alle anderen indes mußten die Liebe der eleganten hübschen und untreuen Frau mit Unsummen erkaufen, und wenn sie ausgeplündert waren – adieu! Mancher nahm es von der leichten Seite, wie der Marquis des Ximenès. Wenn man ihn bedauerte, zitierte er einen damaligen sehr bekannten Vers aus dem Lustspiel »Vendanges de Suresnes«:

Défiez vous de ces coquettes,
qui ne veulent qu'à vos écus:
Sitôt qu'elles les ont reçus,
adieu panier, vendanges sont faites.

Die Polizeiberichte des 18. Jahrhunderts werfen ein trauriges Licht auf die Pariser Damen vom Theater, nicht nur auf die Ballettmädchen, Figurantinnen der Oper und minderen Schauspielerinnen der kleineren Boulevardtheater. Nein, auch auf die berühmten Stars und bedeutendsten Künstlerinnen der Comédie-Française. Die Prostitution dieser Damen war nicht viel anders als die der öffentlichen Dirnen. Es gab unter ihnen selten dauernde Liebesverbindungen. Entweder hatten sie reiche Männer, die ihnen Paläste bauten und mit ihnen Vermögen verschwendeten, aber bald ruiniert waren. Dann kam ein anderer an die Reihe. Die Mädchen wechselten ihre Liebhaber wie ihre Kleider. Man liebte sich einen Monat, eine Woche, eine Nacht. Oder die Künstlerinnen waren von frühester Jugend an durch das Schmierendasein, das sie anfangs in der Provinz führten, an ein unordentliches liederliches Bohème-Leben gewöhnt und hatten später trotz allen Reichtums nie einen Pfennig in der Tasche. Und das war während des ganzen 18. Jahrhunderts so. Goncourt meint: »Ich finde, daß in dieser Zeit das ›Zuhause‹ jener Frauen nicht die Konvenienz besaß, wie die Interieurs der galanten Damen anderer großen Epochen. Es war in ihren Heimen immer etwas, was an ein öffentliches Haus erinnerte.« Und diesen Namen verdiente besonders das Haus der Clairon. Dennoch wurde sie später die sehr geachtete Freundin des Markgrafen von Ansbach, dessen erster Minister sie beinahe war. Sie spielte an seinem Hof eine sehr bedeutende Rolle, bis sie von der schönen Lady Craven verdrängt wurde. Das Ende dieser talentvollen, intelligenten, aber über alle Maßen ausschweifenden Tragödin war selbst eine Tragödie. Ihr Körper verfiel schrecklichen Leiden und Gebrechen. Der letzte Liebesbrief der alten verfallenen Clairon an einen unbekannten Freund ist erschütternd. Er lautet:

»Wie groß auch die Leiden gewesen sein mögen, womit mich die Natur und das Schicksal überhäuft haben, Sie haben mich noch viel mehr malträtiert als diese. Allein, von allen verlassen, blind, sterbend haben Sie mich alles für Sie fürchten lassen und mich überzeugt, daß ich Ihnen kein Interesse mehr einflöße. 0, mein Freund, ich überlasse es Ihnen, sich selbst zu richten. Ich war dem Tode nahe, den ich heiß ersehnte. Was ich noch leide, geht über meine Kräfte. Wollte Gott, daß ich mein trauriges Leben noch so lange erhalten könnte, bis Sie imstande sind, zu mir zu kommen.« Sie starb vielleicht ohne ihn noch einmal gesehen zu haben. Das war das Glück und Ende einer der gefeiertsten Theatergrößen des 18. Jahrhunderts.


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