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Die Bräutigamsvorschau.

Volkssage.

1.

Kind, du hast diese Nacht wieder mehr geweint, als geschlafen – sagte die alte Gertrud zu der jungen Gräfin Viola, als sie früh an ihr Bett trat, sie zu wecken – Was soll daraus werden? Sieh, wie trüb deine Augen sind! Wenn du es so forttreibst, so welkst du hin, eh du noch aufgeblüht bist. Ermuntre dich! sieh, was ich da für dich bringe, ein schönes neues Kleid zum Ball, bei deiner Schwester Hochzeit. Sieh, wie reich, wie das glänzt, und die künstliche Stickerei! da wird mein Violchen alle Fräuleins und Prinzessinnen ausstechen. Nicht wahr, das vertreibt die Grillen? Komm, steh auf, wir müssen gleich sehen, wie es dich kleidet.

Ach, liebe Gertrud – antwortete Viola, und verbarg die heißen Augen an der Brust der treuen Wärterin – laß mich immer weinen. Wie kannst du mir von Hochzeit sprechen, und von frohen Tänzen! Nimm dein prächtiges Kleid; dürft' ich es doch an Glücklichere verschenken, und in der einfachsten Kleidung auf meine Weise mein Glück suchen!

Du bist noch ein unerfahrnes Kind – fiel Gertrud ein – du kennst die Welt nicht, und bist aus diesem Schlosse nicht weiter gekommen, als bis zum nächsten Kloster. Glaube deiner alten Gertrud, Viola; jungen Mädchen in deinen Jahren spielt das Herz nur gar zu oft schlimme Streiche. Du wärst nicht die Erste, die gern ihr halbes Leben daran gesetzt hätte, ihren Liebhaber zu bekommen, und hernach die andre Hälfte um ihn wieder los zu seyn!

O wie wenig kennst du meine und meines Serini Liebe – rief Viola – ohne ihn giebt es auf der Welt und im Himmel für mich kein Glück! Rede nicht so, Gertrud, oder willst du dich auch von uns wenden, und hat dich der reiche Bräutigam meiner Schwester gegen den armen Geliebten deiner Viola kalt gemacht? Freilich, solche Kleider, wo Kostbarkeit und Geschmack sich überbieten, hat er nicht zu verschenken.

Gertrud war bewegt, und tröstete mit heitern Aussichten auf bessere Zukunft, denn der junge Serini hatte, durch seine treue Liebe zu Viola, auch ihr Herz gewonnen.

Des Menschen Schicksal – sagte sie zuletzt – wendet sich oft wunderbar, und wenn du auch jetzt einige trübe Tage hast, gräme dich darum nicht allzusehr, und verdirb die schöne Jugend nicht mit beständigen Traumgedanken. Du wirst gewiß noch deine Wünsche erfüllt sehn, denn erstlich bist du immer ein gutes frommes Kind gewesen, und dann – hab' ich auch noch meine besondern Ursachen das zu glauben.

Du hast mir schon mehrmals etwas ähnliches gesagt, Gertrud – fiel Viola hier ein – laß mich doch mehr wissen, es scheint ja etwas Gutes zu seyn und wenn könnt' ich denn mehr etwas Gutes und Tröstliches zu hören nöthig haben, als gerade jetzt!

Gertrud ließ sich eine Zeitlang bitten, endlich erzählte sie:

Ich trug dich noch auf dem Arm, und, weil du ein sehr kränkliches Kind warst, und nichts weniger als eben hübsch – nun, das hat sich freilich geändert – so bekümmerte sich niemand viel um dich, sondern alles schmeichelte deiner Schwester Maria, die schon damals wie ein kleiner Engel aussah. Du warst mir ganz allein überlassen, und hättest wol manchmal Mangel gelitten, wenn ich nicht für dich gesorgt hätte. Einmal, wie ich von einem Spaziergange mit dir nach Haus ging, begegnete uns die alte Waldmutter, die schon damals hier in der Gegend wohnte. Sie konnte mich kaum in der Ferne gewahr geworden seyn, da kam sie, wie ganz außer sich, auf mich los. Gertrud, schrie sie mir entgegen, was tragt ihr da für einen Engel! und damit kniete sie nieder, und küßte dir Händchen und Kleiderchen und konnte nicht fertig werden, das schöne Kind zu loben. Nun, sagt' ich, Waldmutter, mein Violchen ist wol ein gutes frommes Kind, aber was die Schönheit anlangt, da solltet ihr erst Fräulein Maria sehn. Doch die Alte ließ sich nicht stören. Maria ist schön, fuhr sie fort, aber Viola ist schöner; wo Viola sich zeigt, muß Maria weichen. Glück wird sie haben in der Liebe, und den schönsten Mann im Lande, den sie selbst sich wünscht, zum Bräutigam. Sie küßte dir nochmals die Händchen, und trippelte fort, ohne auf mich zu hören. Nun siehst du, Violchen, weil das Eine eingetroffen ist, wegen der Schönheit, was ich damals nicht geglaubt hätte; so denke ich, es wird auch wol das Andre sich bewähren, von dem Glück in der Liebe, und dem schönen Bräutigam, so wenig auch jetzt noch Hoffnung dazu vorhanden ist. – Ich habe dir's eigentlich nicht erzählen wollen – setzte Gertrud hinzu – denn, wenn der Mensch in die Zukunft sehen sollte, so hätt' ihm unser Herrgott die Augen darnach gegeben; aber, weil du so gar kleinmüthig bist, so wollt' ich es dir zum Trost sagen, damit du Muth bekommst und heiter wirst.

Viola war neubelebt. Sie dankte der alten Gertrud mit Thränen für diese Beruhigung. »Nun will ich standhaft bleiben – rief sie – mag noch so dunkle und hoffnungslose Nacht um mich seyn. Ich werde meinen Serini doch endlich ganz mein nennen. Noch gestern in der Laube am See schwuren wir uns ewige Treue ...«

Ein leises Händeklatschen tönte jetzt unter dem Fenster. Viola erkannte das Zeichen von der Nähe des Geliebten, sie eilte hinab, Freude funkelte in ihren Blicken; es war Serini.

Warum so reisefertig und gerüstet? – fragte Viola, als sie nach der ersten stürmischen Freude des Wiedersehens ihren Serini genauer betrachtete.

Ich muß dich auf einige Tage verlassen, meine Viola – antwortete Serini – ich bin zum Gefolge des Grafen Nadasti entboten.

Was willst du dort? – fragte Viola schmeichelnd – Bleib lieber bei Viola.

Wie gern – erwiderte er – aber ich trage mein Lehn von Nadasti und kann die Folge nicht versagen. Er will seine Vermählung mit allem Glanz feiern.

Zu Nadasti's Vermählung? rief Viola erstaunend – O, da sehn wir uns ja! – fuhr sie freundlich fort – Nadasti heirathet ja meine Schwester. Nun geh' ich gern zur Hochzeit, da ich weiß, daß ich dich dort finde.

Serini war nicht angenehm überrascht. Sein Vasallenverhältniß zu Nadasti fiel wie ein Felsen auf sein Herz, und zertrümmerte das schöne Gebäude seiner Hoffnung. Viola sollte ihre Schwester im Glanze des reichen, mächtigen Nadasti erblicken, und neben dem glänzenden Lehnherrn ihn, den armen Serini, der seiner Braut statt einer beneidenswerthen blendenden Zukunft nur Abhängigkeit zu bieten hatte, und Abhängigkeit vom Gemal ihrer eignen Schwester. Wie sehr, glaubte er, wurde ihn dieses bei der Geliebten in nachtheiligen Schatten setzen!

Viola'n entging Serini's Bewegung nicht. Zu kindlich aber, und zu wenig bekannt mit den Verhältnissen der Welt, ahndete sie den wahren Grund davon nicht. Erneuerte Schwüre treuer, ewiger Liebe strömten von ihren Lippen, sie rief den Himmel und alle Heilige zu Zeugen, aber umsonst; Serini blieb verstimmt, und hinterließ den ersten nagenden Zweifel an der Innigkeit seiner Liebe in Viola's Busen.

2.

Hast du denn die alte Waldmutter niemals nachher wiedergesehn? – fragte Viola Abends nach einem langen Schweigen – Wer ist sie denn eigentlich?

Das kann ich dir nicht genau sagen – erwiderte Gertrud – Sie lebt, so lange ich mich erinnern kann, hier am Walde, und giebt den Leuten Rath und sagt ihnen wahr. Ich habe mir niemals viel mit ihr zu thun gemacht, denn ich halte von solchen Künsten nichts.

Was treibt sie denn aber für Künste? – fragte Viola neugierig weiter.

Wie ich dir sage – antwortete Gertrud – sie prophezeiht aus der Hand, aus Krystallkugeln und Erdspiegeln, zeigt den Leuten Personen, die sie zu sehn verlangen, und was dergleichen Teufelspossen mehr sind.

Viola ward immer neugieriger und ließ sich noch mancherlei von der Waldmutter und ihren magischen Künsten erzählen. Endlich bat sie, Gertrud möchte sie doch einmal zu der Waldmutter führen, und ihr einiges, nur zum Scherz von ihren Künsten zeigen lassen. Nur zum Scherz, wiederholte sie, da hat es ja nicht viel zu bedeuten, und es muß sich gewiß recht hübsch anhören, wenn einem von der Zukunft so dunkel und geheimnißvoll vorgesprochen wird, daß man sich selbst erst weiter denken und auslegen muß, wenn es hernach eintrifft. Viola bat noch lange, aber Gertrud blieb unbeweglich. Nein – sprach sie ernsthaft – mit solchen Dingen darf man durchaus keinen Scherz treiben. Gute Geister sind mir für den Scherz zu hoch und böse zu gefährlich. Man hat Beispiele, daß solcher Scherz zum größten Verderben ausgeschlagen ist, und die Menschen auf Lebenszeit um Glück und Frieden gebracht hat.

Viola schwieg eine Zeitlang, aber der Wunsch, mehr von der Zukunft zu wissen, war einmal in ihr erwacht. Sie konnte nicht begreifen, wie das Wissen um die Zukunft einem Menschen schädlich werden könnte, und bat von neuem ihre treue Gertrud um einen Besuch bei der Waldmutter. Wir wollen mit diesen Geheimnissen keinen Scherz treiben – sagte sie – vielleicht kann mir die Wahrsagerin doch einen guten Rath geben, oder mir sagen, ob mich Serini noch liebt, und ob meine treue Liebe alle Hindernisse noch besiegen wird. Mir ist nur bange, daß ihn der Widerstand, den du von meinen Eltern fürchtest, und der ihn oft selbst mißmuthig macht, endlich ganz ermüdet und von mir abzieht; o, du glaubst nicht, wie stolz er ist! Laß mich nur das die Waldmutter fragen. Du sagst ja, sie könnte die künftige Braut oder den Bräutigam zeigen. Nicht wahr, wir gehn, und recht bald?

Kind – sagte Gertrud – quäle mich nicht mit solchen Bitten! Ich mache dir gern alle Freude, aber das kann und darf ich ja nicht. Du weißt nicht, was du verlangst. Du könntest für deine Neugierde einen Schreck haben, daß du des Todes wärst, oder doch in deinem Leben nicht wieder froh würdest. Ich vergesse es bis an mein Ende nicht, wie es der Agnes Rosenberg gegangen ist; die hatte sich auch blenden lassen, und war auf die Bräutigamsschau gegangen.

Viola war höchst begierig zu wissen, wie es dieser Agnes gegangen wäre. Gertrud weigerte sich anfangs, die Geschichte zu erzählen, endlich ließ sie sich erbitten.

Ich will dir es zum Exempel erzählen, dich zu warnen – sagte sie – wiewol ich sonst ungern an solche Sachen denke, die einem den Kopf mit bösen Gaukeleien erfüllen und den Schlaf rauben. Höre zu! Die Agnes Rosenberg war erst ein gutes frommes Kind; bis in ihr funfzehntes Jahr, und so schön wie du. Aber sie hatte noch ein paar Schwestern, die älter waren, und auch hübsch, doch bei weitem nicht so schön als Agnes. Diesen mochte die Zeit lang werden, weil sich nicht gleich Männer für sie fanden; sie beredeten sich also zusammen, daß sie mit einander in den Wald gehen, und da das Andreasgebet beten wollten. Das ist nämlich so ein gottloser Gebrauch, daß die Dirnen den heiligen Andreas noch zu ihrem bösen Vorhaben anrufen, und bitten, er solle ihnen den künftigen Bräutigam zeigen. Die beiden leichtsinnigen Dirnen gingen also Abends bei Mondschein hinaus in den Wald, und verführten auch die unschuldige Agnes, daß sie mitgehn und an ihren bösen Künsten Antheil nehmen mußte. Ich kann dir nun die abergläubischen Ceremonien nicht alle beschreiben, womit solche mannsüchtige Dirnen ihre Liebhaber zur Stelle rufen, so viel weiß ich aber noch, daß jede mit gewissen Worten etwas hinlegen oder hinstellen muß; woraus sie denn sehen wollen, ob der Liebhaber zu einer Dirne Lust hat, oder nicht. Manche setzen ein Tellerchen mit Essen hin, oder ein Glas Wein, und was der Possen mehr sind. Nun hatte die älteste Schwester, Martha, einen Rosenstock hingesetzt, die andre einen Lilienstengel. Agnes aber hatte sich erst durchaus zu nichts verstehen wollen, und es wär ihr Glück gewesen, wenn sie bei dem frommen Vorsatz geblieben wär. Wie nun die drei Mädchen etwas zurückgetreten waren, und die älteste ihren Spruch gesagt hatte, da kam es hinter den Bäumen vor, wie ein ansehnlicher Mann in prächtiger türkischer Kleidung, der ging mit schnellen Schritten herzu und schwang seinen Säbel zornig über dem Haupte; als er aber an den Rosenstock kam, ward er sanftmüthig und griff nach den Blumen, aber alsbald war auch das Gesicht verschwunden. Wiewol nun die Dirnen nicht wenig erschrocken waren, so faßten sie sich doch bald wiederum ein Herz, und die zweite Schwester rief auch den Bräutigam, aber sie sagte ihren Spruch wol zweimal, ohne daß sich etwas zeigte. Da scherzten die andern mit ihr, daß sie kein Mann zur Ehe begehren würde, bis sie zuletzt unwillig ward, und verlangte, Agnes sollte auch ein Zeichen ausstellen, denn der Bräutigam wolle die Wahl haben, und stelle sich vor Einem Zeichen nicht. Endlich ließ sich auch Agnes bereden, und weil sie nichts anders mit sich genommen hatte, so hing sie ein Tüchlein an einen Baumast auf. Ihre Schwester rief nun nochmals den heiligen Andreas an, und alsbald kam ein schöner junger Mann in polnischer Kleidung auf einem prächtigen Pferde geritten, der blickte gar traurig, hielt auch einige Zeit und ritt dann langsam zu der Lilie und küssete sie, worauf er, wie der vorige verschwand. Die beiden Schwestern machten sich nun mancherlei Auslegungen von den Gesichten, und weil sie beide mit dem Ansehn ihrer Freier nicht übel zufrieden waren, so beredeten sie auch ihre jüngste Schwester, das Andreasgebet zu sagen, und in der Meinung, daß es, wie vorhin, bei einem alleinigen Zeichen keine Kraft äußern werde, ließ sie sich überreden, ihren Schwestern den Willen zu thun. Vielleicht aber war auch eine sündhafte Lust und Neubegierde in ihr erwacht, und trieb sie gegen ihr Gewissen zu dem frevelhaften Leichtsinn. Aber, wie sie ihren Spruch gesagt, und, weil sich nichts zeigte, so gar wiederholt hatte, da kam es ganz schwarz aus dem Walde, und Trauermänner, mit großen langen Flöten zogen herein, und trugen eine Baare mit Sarg und Leichentuch, und wie sie an den Baum kamen, wo Agnes ihr Zeichen aufgestellt hatte, da wehte das Tüchlein herunter, und fiel mitten in den schwarzen Trauerzug. Da wär nun bald aus dem leichtsinnigen Spaße der bitterste Ernst geworden. Denn Agnes war von dem grausamen Anblick ohnmächtig hingesunken, und lag wochenlang todtkrank danieder, so, daß sich jedermann ihres Lebens verzieh, und die beiden Schwestern nichts sicherers erwarteten, als daß der angedeutete kalte Bräutigam seine junge Braut in das schmale Hochzeitbett heimführen werde.

Viola schauderte bei der Erzählung. Nein – liebe Gertrud – rief sie, und schmiegte sich furchtsam an sie an – ich will gern nichts von solchen entsetzlichen unnatürlichen Dingen sehn. Die arme Agnes! Mich tödtete solch ein Anblick auf der Stelle, oder brächte mich von Sinnen. Bleib ja wach in dieser Nacht, bis ich eingeschlafen bin, liebe Gertrud, ich fürchte mich sonst todt.

Gertrud war sehr zufrieden mit der Wirkung ihrer Erzählung, und um des Guten noch mehr zu thun, wollte sie die Fortsetzung hinzufügen, wie diese unglückliche Vorschau so traurig auf das Schicksal der armen Agnes eingewirkt habe. Allein Viola wollte nichts mehr hören. Laß uns von froheren Dingen sprechen – sagte sie – ich fürchte ohnedies, daß mir der schwarze Trauerzug und Agnesens wehendes Tüchlein im Traume vorkommt.

Die dienstfertige Gertrud erzählte nun von den glänzenden Anstalten zu Nadasti's Hochzeit, und wie Viola, die bisher auf einem einsamen Schlosse allein unter Gertruds Pflege aufgeblüht war, ihre Eltern mit ihrer Schönheit überraschen, und alle Männer bei ihrem Eintritt in die Welt bezaubern werde. Viola ließ sich alles ausführlich beschreiben, und konnte nicht genug zu hören bekommen, um die furchtbaren Bilder, mit welchen jene Erzählung ihre Fantasie erfüllt hatte, zu verscheuchen.

3.

Du wolltest mir gestern noch das Ende von Agnesens Geschichte erzählen – sagte Viola am andern Tage – jetzt, da es Morgen ist, fürcht' ich mich nicht mehr. Trafen denn die Vorbedeutungen bei Allen ein, oder bloß bei der armen Agnes?

Du sollst es gleich hören – erwiderte Gertrud – und der Ausgang wird dir zeigen, wie der Böse solche Dinge zu wenden weiß, daß selbst das gehoffte Glück dem Menschen zum Verderben gereichen muß, und das Unglück von einer ganz andern Seite kommt, als er es meint, so, daß er es sich selbst zubereitet, indem er sich abmüht, ihm zu entfliehen. Agnes lag lange krank von dem Schreck, endlich aber erholte sie sich doch, und ward nur schöner als vorher. Da fanden sich nun Liebhaber die Menge, aber einer besonders, ein junger schöner Mann, wußte ihre Gunst zu gewinnen, und sie wurden auch schon so weit unter einander einig, daß man sie allgemein als Braut und Bräutigam ansah. Nur sollte Agnes, weil sie noch gar jung war, erst die Hochzeit ihrer ältern Schwester abwarten, die mit einem kaiserlichen Rathe verlobt war. An die Anzeichen in dem Walde ward weiter nicht gedacht, und dem Anscheine nach, war auch an keine Erfüllung davon zu denken. Agnes und ihr Verlobter waren mit bei der Hochzeit der ältesten Schwester auf einem Landgute des Bräutigams. Aber wie der Priester eben das Brautpaar zusammengeben wollte, entsteht auf einmal ein Geschrei: Feinde! Hülfe! Feinde! und ehe sich noch einer von den Gästen besinnen kann, was der Lärm bedeute, stürzt auf einmal ein Haufen Türken herein in den Hochzeitsaal, die hauen nieder, was nur Miene macht, sich zu widersetzen, rauben, plündern und schleppen Weiber und Jungfrauen als Gefangene davon. Der Anführer des Trupps sah die Braut, und, weil sie ihm gefiel, denn sie war auch sehr schön, rief er seinen Leuten, übergab sie diesen, und befahl sie ihnen auf Leib und Leben, denn er wollte sie unter seine Frauen aufnehmen. Das hatte die Erscheinung des Türken bedeutet.

Das ist entsetzlich – sagte Viola – aber raubten denn die Türken auch die arme Agnes, oder bewährte sich die Erscheinung durch ihren Tod?

Höre nur weiter – fuhr Gertrud fort. – Der Böse legt seine Plane so listig an, daß sie der Mensch mit aller Klugheit nicht durchschaut. Wie Agnes die Türken eindringen sah, fiel sie vor Angst, und vielleicht noch mehr vor Schreck über die Erfüllung jener Bräutigamsvorschau, ohnmächtig in die Arme ihres Geliebten. Der stritt aber wacker für seine Braut, er riß einem Türken den Säbel aus der Hand und bahnte sich einen Weg durch die Feinde. In dem einen Arme hielt er die ohnmächtige Agnes, mit der andern hieb er, wie verzweifelnd, um sich, und entkam glücklich mit dem halb todten Mädchen in das Haus ihrer Eltern, denn die Türken waren bloß auf Raub und Plünderung ausgegangen, und hatten sich nicht mit Nachsetzen verweilt. Agnes erholte sich bald und jedermann glaubte, daß sie nun ihrem Befreier und Erretter ihre Hand reichen würde, aber der Türke, der ihre Schwester wegführte, hatte sie so erschüttert, daß sie das Blendwerk in jener Nacht nun für unfehlbare Prophezeihung hielt.

Sie trennte sich also von ihm? – fiel Viola ein.

Freilich – erwiderte Gertrud – Siehst du nun die gefährlichen Fallstricke des Satans? Hätte Agnes nicht jene heillosen Künste treiben helfen, so wär sie jetzt die glücklichste Frau geworden, aber nun drängte jener schwarze Leichenzug immer den Bräutigam aus ihrem Herzen und in ihrer Brust stritt unaufhörlich die Liebe mit der Furcht vor dem Tode, denn sie glaubte sicherlich, daß sie eine Braut des Todes sei, und daß dieser, wie der Türke bei ihrer Schwester noch vor dem Altar sein Recht auf sie geltend machen werde. So grämte sie sich ab, daß sie bald nur ein bloßer Schatten der vorigen Schönheit war. Ihr Geliebter, dem sie ihre frevelhafte Neugierde nach dem Bräutigam nicht bekennen wollte, warf einen bittern Haß auf sie, wurde aber darüber fast tiefsinnig und nahm endlich unter dem tapfern Sobieski Dienste gegen die Türken, wo er Wunder von Tapferkeit that, aber den Tod nicht fand, den er suchte. Als der Krieg nun geendigt war, und er als polnischer Feldoberster entlassen wurde, lernte er Agnesens zweite Schwester kennen, und weil er seine geliebte Agnes nicht vergessen konnte, heirathete er jene, um doch etwas zu lieben, das seiner ersten Liebe angehörte. So war denn auch diese Vorbedeutung erfüllt. Aber solche Ehen, wo man in dem Gatten nur eine frühere Liebe lieben will, gerathen gewöhnlich nicht zum Besten. Denn der Mensch soll niemals mit kindischem Eigensinn durchsetzen wollen, was ihm einmal versagt ist. So ging es auch hier. Agnesens Schwester lebte zwanzig Jahr mit ihrem Mann, allein, nach den ersten Wochen entwich die Täuschung und er fand den Unterschied zwischen der eigentlichen Agnes und seiner Frau täglich größer und merklicher. Er machte weite Reisen, zog zu Felde, aber er kehrte von beiden immer mißmuthiger zurück, als er ausgezogen war. Seine Frau härmte sich darüber ab, und der lange Gram zehrte ihr Gesundheit und Leben weg. Auf ihrem letzten Krankenlager sehnte sie sich nur noch einmal ihre Schwester Agnes zu sehn. Sie schickte Boten nach ihr und Agnes kam auch. Aber zu spät. Eben als sie nach dem Haus ihrer Schwester gehn wollte, kam der Leichenzug die Straße her und zog bei ihr vorüber. Der leidtragende Wittwer erkannte Agnes, die ganze Gewalt seiner vorigen Liebe ergriff ihn, und sich und alles um sich her vergessend, trat er aus dem Leichenzug und umarmte seine Schwägerin, und wie ihm die Thränen bei dem Wiedersehn aus den Augen flossen, ergriff er das Tüchlein, das Agnes in ihrer Hand hielt, und trocknete sich die Wange damit. Da erkannte Agnes zu spät die rechte Deutung ihrer Vorschau, und wie ein falsches Blendwerk sie um die schönsten Jahre ihres Lebens betrogen hatte. Sie hütete sich indessen, ihrem Schwager davon wissen zu lassen. Denn das soll, wie die Sage geht, den Mann zum tödtlichen Haß gegen eine Frauensperson bringen, wenn er in der Folge dahinter kommt, daß sie ihn zur Bräutigamsschau citirt hat, weil eine solche Citation die Seele mit grausamer Gewalt und tödtlichem Schmerz vom Körper reißt. Nach einem Jahr Trauer gab Agnes ihrem Schwager ihre Hand, und sie lebten noch viele Jahre mit einander, aber immer ward ihr Glück durch den Gedanken gestört, daß sie erst so spät angefangen hatten, es mit einander zu genießen.

Siehst du Gertrud – fiel Viola freudig ein – so sind sie ja noch vereinigt worden; und recht geliebt hat Agnes doch nicht. Ich hätte meinen Serini genommen und wenn mir zehnfacher Tod gedroht hätte. Warum hatte sie aber auch so eine Auslegung von dem Leichenzuge im Walde gemacht? Sie hätte doch erst zusehn sollen, wer ihr Tuch wegnahm.

Kind – sagte Gertrud lächelnd – gestern Abend fürchtetest du dich vor der bloßen Erzählung, und nun verlangst du von der armen Agnes so viel Muth bei der wirklichen Erscheinung? Woher kommt dir denn auf einmal die Herzhaftigkeit? Ist es die frische Morgenluft, die dich so stark macht?

Nicht allein, gute Gertrud – antwortete Viola – deine Erzählung hebt selbst durch ihr Ende das Schauerliche des Anfangs wieder auf. Es ist, als wären die Leute nur geneckt worden, freilich nicht so, daß ich darüber lachen könnte, denn man muß sie herzlich bedauern, aber doch grauet mir es nicht mehr vor den Erscheinungen; ich denke nun, ich wollte mich schon besser hüten, da ich durch deine Geschichte hinter die Blendwerke gesehn, und ihre Trüglichkeit erkannt habe.

O, liebe Viola – entgegnete Gertrud – rede nicht so vermessen! Wer kann die Listen des bösen Feindes auslernen. Er weiß jeden zu fangen. Bei dem fängt er es so an, bei jenem anders, und wer es nur mit ihm aufnimmt, der ist verloren und betrogen, eh' er es selbst noch gewahr wird, daß er in der Schlinge ist.

4.

Ein Bote von Viola's Vater unterbrach das Gespräch. Graf Harras sendete seiner Tochter noch einige Kostbarkeiten, und meldete ihr, daß sie sich bereit halten sollte, nach der Vermählung ihrer Schwester bei ihm in der Residenz zu wohnen. So glänzend die Zukunft war, welche dieser Brief Violen eröffnete, – so düster war die Stimmung, in die er sie versetzte. Die Trennung von ihrem Serini, der auf seinem kleinen Schloß lebte, und ihr mit seinen geringen Mitteln nicht in die glänzende Residenz folgen konnte, schien ihrem Herzen unmöglich, dem Befehl des Vaters sich widersetzen, war in ihren Verhältnissen unausführbar. Bestürmt von diesen Gefühlen flog sie zu ihrer Gertrud, und beschwor sie um Rath und Hülfe. Gertrud erschöpfte ihre Ueberredungskunst, sie zu trösten; aber das glühende Mädchen war nicht zu besänftigen. Ich habe geschworen – rief sie händeringend – ihn niemals zu verlassen, ich habe betheuert, eher der Seligkeit und dem Himmel zu entsagen, als ihm! Kann ich denn meinen Eid brechen, um mir ein glänzendes Loos zu bereiten, das mich von dem Geliebten trennt? Gertrud verwieß ihr die Vermessenheit solcher Eide, sie warnte sie vor jeder Uebereilung, doch sie konnte Violen nicht zurückhalten, einen Boten mit einem Brief an Serini abzuschicken, worin sie diesen beschwor, augenblicklich zu ihrer Rettung zurückzueilen. Wenn er mich jetzt verlassen könnte – sprach sie zu Gertrud – so wär er meiner Liebe unwerth, aber er wird kommen; ich weiß, meine Liebe geht ihm über alles.

Gertrud gab sich alle Mühe, Violen zu beruhigen. Sie besuchte mit ihr einige Bekannte, und ihr Weg führte sie bei der Hütte der alten Waldmutter vorüber.

Laß uns die Wahrsagerin fragen! – sagte Viola hastig zu Gertrud – unser Weg führt uns nicht umsonst hierher.

Gertrud versuchte Alles, Violen diesen Einfall auszureden; aber vergebens. Sie wieß all' ihre Gründe mit der Vorstellung der innern Angst zurück, die sie fühle, und die ihr keine Ruhe gönnen werde, bis sie wenigstens wisse, ob ein Ausweg aus diesem Labyrinth für sie zu finden sei.

Du zwingst mich, dir nachzugeben – sagte endlich Gertrud – aber ich thue es mit schwerem Herzen, mir ahndet, daß du statt Beruhigung nur neue Unruhe dir holen wirst; denn auf solchen Wegen, glaub' es mir, kann niemals wahre Ruhe erlangt werden.

Sie gingen nach der Wohnung der Wahrsagerin.

Ist die Waldmutter zu Haus? fragte Viola ein kleines Mädchen, das vor der Thür saß und zur Zither sang.

Nein – erwiderte die Kleine – sie ist seit der Dämmrung fort nach Schädelmoos und Alraun. Ich warte auch auf sie. Sie muß bald kommen.

Nach einigen Wechselreden bat Viola das Kind fortzusingen.

Ich kann das Lied nicht ganz – sagte die Kleine und griff in die Saiten der Zither – ich singe nur, was ich gemerkt habe, weil es oft vorkommt:

der Mond der scheint so helle,
die Todten reiten so schnelle,
    Feins Liebchen, fürchte dich nicht.

O weh! was heult vom Klosterthurm,
was flattert dort in Wind und Sturm?
    Der Kauz ruft Mitternachtstunde,
    die Todten halten die Runde,
        Feins Liebchen, fürchte dich nicht.

O weh! laß Kauz und Todtenbein
und laß mich sehn den Bräutgam mein.
    Und willst du den Bräutigam schauen,
    so laß dir vor Todten nicht grauen,
        Feins Lieb, sonst findest ihn nicht.

Es sind noch mehr Verse – sagte das Mädchen unwillig, nachdem sie mehrmals die Musik zu singen angefangen hatte, um sich in den Text zu helfen; – ich kann sie nur nicht merken.

Viola hatte nicht Lust mehr zu hören, und wollte auch die Waldmutter nicht länger erwarten. Gertrud glaubte ein besonderes Warnungszeichen in dem zufälligen Antreffen dieses Kindes zu finden und ermahnte Violen ernsthaft, nicht mehr an die Waldmutter und ihre prophetischen Künste zu denken.

5.

Der Tag, an dem Viola nach der Residenz abreisen sollte, erschien, und Viola sah ihm ruhiger entgegen, als Gertrud von ihrem heftigbewegten Gemüth erwartet hatte. Die treue Erzieherin durfte ihren Liebling nicht in die Residenz begleiten. Beide trennten sich unter tausend Thränen, und versprachen einander gegenseitig den pünktlichsten und fleißigsten Briefwechsel.

Viola bezauberte, wie Gertrud ihr vorausgesagt hatte, Vater, Mutter und alle Männerherzen, die in ihrem Kreise schlugen. Selbst ihre Schwester Maria, Nadasti's Braut, eine zarte Heiligengestalt, schien von der stralenden Schönheit Viola's verdunkelt zu werden. Der alte Graf Harras verdoppelte die Pracht bei den Anstalten zur Vermählung seiner ältern Tochter, denn ihr Hochzeittag sollte zugleich Violen in die Welt einführen, und nichts schien ihm glänzend genug, um seinen neuen Liebling, seinem Wunsche gemäß, zu verherrlichen.

Unter diesen Vorbereitungen erschien der Vermählungstag. Der Bräutigam wollte mit allem Glanz seines Standes und Reichthums sich zeigen, und verspätete durch die Umständlichkeit der Feierlichkeiten seine Ankunft. Die Gäste hatten sich indessen schon zahlreich versammelt. Ihre Glückwünsche umrauschten die Braut, aber alle Blicke wendeten sich voll Bewundrung und Sehnsucht nach Viola's blendender Schönheit. Doch so freundlich diese jedem neuen Ankömmling entgegen blickte, so gelang es doch keinem, ihre Blicke länger zu fesseln, als der gesellige Wohlstand es erforderte, und jeder Eintretende zog von neuem ihre Aufmerksamkeit an sich, bis sein Näherkommen ihn von neuem ihr gleichgültig machte.

Die Braut schien über das lange Ausbleiben ihres zukünftigen Gemales etwas unruhig. Man tröstete, man sendete Späher auf die höchsten Thurme des Schlosses, und Viola selbst entfernte sich mit einigen ihrer jungen Freundinnen, um ihnen bei dieser Veranlassung die schöne, weite Aussicht aus den höher gelegenen Zimmern des Schlosses zu zeigen. Sie geriethen bald in mancherlei Gespräche, als auf einmal Lärm im Schlosse wurde und Graf Nadasti mit seinen Vasallen und Dienern in langem prächtigem Zuge ankam. Viola eilte hinab, um bei seinem Empfang nicht zu fehlen, aber im flüchtigen Lauf schien sie den Weg nicht in Obacht zu nehmen. Sie verfehlte, im Gedräng der Neugierigen, die sich auf den Ruheplätzen der weiten Treppe versammelt hatten, eine Stufe, fiel zu Boden und ward ohne Bewußtseyn aufgehoben.

Nadasti war mit seinem Gefolg eben in der Nähe, als Geschrei und Zusammenlauf ihn ein Unglück ahnden ließen. Er eilte in das Gedräng und erstaunte nicht wenig, als er das schöne Mädchen bewegungslos und blaß wie eine Leiche vor sich in den Armen ihrer Freundinnen und Frauen liegen sah. Er fragte nach ihrem Namen und nach der Veranlassung ihres Zustandes, als eben Graf Harras und Maria herbeieilten und die leblose Viola in ein einsames Zimmer begleiten halfen. Nadasti folgte ihnen, und klagte sich selbst an, daß er, wiewol unschuldig, durch das Gedräng seines Einzugs, vielleicht eine Veranlassung zu dem Unglücksfalle gegeben habe. Man wendete alle Mittel an, aber vergebens. Die Aerzte schienen bedenklich, obgleich von außen keine bedeutende Verletzung an Viola zu bemerken war. Vater und Mutter waren in Verzweiflung und Nadasti fühlte, daß bei der Ungewißheit des Ausganges die Vermählungsfeierlichkeit nicht wohl vollzogen werden könne. Graf Harras dankte ihm für die aufopfernde Rücksicht auf seinen Schmerz, und die weinende Maria sank mit einem Blick unnennbarer Wehmuth an den kalten Busen ihrer bleichen Schwester.

6.
Viola an Gertrud.

Verbirg deine frommen Augen nicht vor deinem gefallenen Kinde, Gertrud! Lies das Bekenntniß meiner Schuld, und wenn Viola dann noch deines Mitleides werth scheint, so eile, ihr zu helfen mit Rath und Tröstung. Du verweisest mir meine Unachtsamkeit, die Gefahr über mich und Bangigkeit und Störung über mein Haus gebracht habe. O Gertrud, möcht' ich diesen Verweis verdienen! Nicht Unachtsamkeit war es: ein Schrecken, das mein Innres mit Blitzesgewalt zerriß, warf mich besinnungslos zu Boden. Du sollst Alles wissen.

Du lobtest in den letzten Tagen unsres Zusammenlebens auf Roseck oft die Fassung, mit der ich meiner Reise und meiner Bestimmung entgegen ging, obwol sie mich von meinem geliebten Serini vielleicht auf immer trennte. Wie wenig verdient' ich dein Lob! Diese Fassung, wie du sie nanntest, war in einer dunklen Stunde von unheiligen Mächten mir gegeben. Sie war die Frucht einer verbotenen Erkenntniß, die meine Sehnsucht über die Gränzen des Paradieses meiner Kindheit trieb. Ach, darum folgt' ich so gelassen den vorausgeeilten Wünschen! Gertrud, ich bin fürchterlich bestraft.

Ahndest du meine Schuld? Höre! Als jener Bote, den ich in der Angst meines Herzens nach Serini schickte, mit leeren, todten, eiskalten Worten zurückkam, und statt des Geliebten, der mich schützen sollte, niemand mir nahte, als herzzerreißende Verzweiflung, da weckten die Schatten der Abenddämmrung keine bange, zaghafte Furcht mehr in der Brust deiner unglücklichen Viola. Sie sehnte sich nach einem Helfer aus einer fremden, dunklen Welt, da die Erde keine Zuflucht bot, und der Himmel seine Engel zurückhielt. Damals entwich ich leise deiner Obhut; während du mütterlich für meine irdischen Bedürfnisse sorgtest, ging vielleicht das Heil meiner Seele verloren. Ich fand ohne Führer den unbekannten Weg durch Wälder und Felsengründe, und stand vor der Hütte, von der mich früher das Kind mit seinem unheimlichen Gesang wegschreckte. Ach, kein warnender Engel hütete jetzt die furchtbare Pforte, oder mein bethörter Sinn erkannte die Warnung nicht. Ein bleicher abgehärmter Knabe, kaum so alt, als ich, lag auf der Schwelle, und sang mit sterbender Stimme ein Liebeslied an Walfrida , nach einer wildsehnsüchtigen-Weise, die er sich selbst bloß mit dem Tamburin begleitete. Du Glückliche, sang er mir zu mit Wahnsinn in Blick und Ton, du wirst Walfrida seyn, und Santo muß in Liebesglut vergehn! Walfrida, Walfrida!

Was säumst du mich zu tödten,
    zur Liebesflut
    mit meinem Blut
dein Abendbad zu röthen?

Entfeßle seine Quellen;
    er spielt mit Lust
    um Arm und Brust,
in heißen Liebeswellen

Mir grausete bei dem Liede und der furchtbaren Begeisterung, womit der Knabe sein Instrument dazu schwang. Gleichwol vermehrte sein Wahnsinn nur mein Verlangen, die Waldmutter zu sehn. Ich klopfte an die Thüre. Ein ansehnliches, schwarzgekleidetes Weib trat heraus. Sie bemerkte den Knaben nicht, der mit seinen Lippen auf den Saum ihres Kleides sank. Willkommen, Jungfrau, redete sie mich an, ihr kommt zu bequemer Zeit. Was begehrt ihr? Ich schwieg, denn mein Mund wollte nicht aussprechen, was das Herz dachte; aber sie nahm das Wort wieder. Redet ohne Scheu, sagte sie, wollt ihr wissen, ob eure Liebe euch treu ist, oder wollt ihr sehn, was euer Buhle, von euch abwesend, beginnt, oder wollt ihr den künftigen Bräutigam schauen? Walfrida zeigt euch alles, in Mond und Wolken, in Spiegel und Krystall, in Rauch und in leiblichem Bild, wie ihr es begehrt. Zeig' mir meinen künftigen Gemal, sagte ich zitternd, daß ich erkenne, ob es mein Geliebter sei, oder ein anderer. Das Weib hieß mich nun ihr nachfolgen. In der Hütte gingen wir durch viele Gemächer, die in den Felsen gehauen waren, zu dem die Hütte nur den Eingang bildete. Alles war hier wunderbar ausgeschmückt, und Walfrida redete mir viel vor von Erdspiegeln, Alraunen und andrem Zauberwesen, zeigte mir auch dieses und jenes, aber die Angst ließ mich auf nichts merken. Endlich führte sie mich in ein weites Gemach und hieß mich eine kleine Weile warten. Es war finstre Nacht um mich, und ich getraute mich keinen Schritt vorwärts oder rückwärts zu treten, wiewol ich mich sehr fürchtete, und die Augen fest zuschloß, um nichts zu sehn. Auch war es todtenstill um mich, und nur dann und wann dünkte es mich, als hört ich die Stimme jenes Knaben. Aber plötzlich fühlte, ich einen Schmerz in der Brust, als durchborte sie glühender Drath, so daß ich laut aufschrie. Als nun Walfrida auf mein Geschrei herzutrat, und ich ihr erzählte, was mir begegnet war, da verlachte sie mich fast höhnisch, daß ich mich entsetzte, aber bald hieß sie mich gutes Muths seyn, und setzte drei hohe brennende Kerzen in das Gemach. Um mich aber legte sie einen pergamentenen Streif mit abenteuerlichen Bildern und Charakteren, aus dem verbot sie mir zu treten, was auch immer um mich her vorgehn möchte. Nun sprach sie unverständliche Worte, sang auch einiges dazwischen, und lief dazu mit fürchterlichen Geberden im Kreise um mich herum. Nach einer Weile kam der Knabe mit dem Tamburin und kniete vor der Zauberin nieder, aber diese ergriff einen metallenen Spiegel, der umgewendet an der Wand lehnte, den hielt sie schnell, ohne darein zu blicken, dem Knaben vor, und er sank augenblicklich todt zu Boden, daß ich fast vor Graus über die That aus dem Kreise gesprungen wär, wenn mich das Weib nicht gehalten hätte, und mit fürchterlicher Drohung gezwungen im Kreise zu bleiben. Das ist ein neuer Planetenspiegel, sagte sie, der in der kräftigsten Constellation gearbeitet ist, darum bringt er dem ersten, der hineinsieht, unvermeidlichen Tod. Nun aber ist er unschädlich und du sollst seine erste, volle Kraft erfahren. Sie fing nun von neuem an zu beschwören, und gebot mir wohl Acht zu haben, denn ich war von dem schnellen Tod des Knaben heftig bestürzt. Da sah ich bald in dem Spiegel das Bild eines Mannes, der mein ganzes Herz auf einmal umwandelte und an sich zog, daß ich die Augen nicht von ihm wenden konnte, und entzündet wurde, bis zum Wahnsinn, als strömte die Liebeswuth des Knaben aus dem Spiegel, der ihm den Tod brachte in mich. Das Bild im Spiegel schien nach einer Welle näher zu kommen, und bald war es nicht mehr im Spiegel, sondern stand in leiblicher Gestalt, als ein wirklicher Mensch dicht neben dem Zauberkreise vor mir, so, daß ich jeden seiner Züge klärlich unterschied. Er trug prächtige ungarische Kleidung, als ein vornehmer Magnat und war mit vielen glänzenden Orden geziert. In seiner Hand hielt er ein schönes Bild in goldener Fassung mit feurigen Edelsteinen. Wie er näher auf mich zu schwebte, sah er mich mit Blicken an, wie noch kein Mann, auch Serini nicht, dessen Blicke mir gegen diese wie matter Schimmer gegen Sonnenglanz schienen. Nun sank er vor mir auf die Knie und streckte bittend die Arme nach mir aus, da sah ich, daß das Bild in seiner Hand zerbrochen war und ihn blutig geritzt hatte, daß ihm Arm und Kleid davon geröthet war. Ich vergaß alles um mich her, und wollte nicht aufhören ihn zu beschauen, und als mir beifiel, der sei mein bestimmter Gemal, hätte mich die Wonne dieses Gedanken fast getödtet. Da störte mich die Wahrsagerin in meinem Glück und sagte: Ihr seid zufrieden, wie es mir scheint, aber besinnt euch und, entlaßt das Schattenbild wieder. Ihr träumt nicht, überzeugt euch und nehmt etwas von ihm, was es auch sei zum Andenken, oder werft ihm etwas zu, denn solches geziemt der Jungfrau, die den Bräutigam ruft. Ich fürchtete mich aber, und weigerte mich zu thun wie sie begehrte. Da ward sie zornig, daß ihr die Augen funkelten, und sprach: So haltet mir den Mann wenigstens nicht auf, Jungfrau! meint ihr, daß ihr eurer Liebesbrunst bei mir pflegen sollt? Ihr habt gesehn, den ihr sehn wolltet, rührt ihn nun an mit der Hand, oder mit was ihr sonst wollt, daß er von hinnen gehe. Ich wußte nicht, was ich ergreifen sollte, denn die Hand wollt' ich dem Schattenbilde nicht reichen; da zog ich eine Schmucknadel aus meinem Haar, die den Schleier anheftete, und berührte damit die Hand, welche die Erscheinung gegen mich ausstreckte, und worin sie das zerbrochene Bild hielt. In dem Augenblick war alles verschwunden, und ich fand mich mit der Wahrsagerin allein. Hab' ich geträumt? – rief ich aus, und sah mich um, überall, ob ich nichts mehr erblicken könnte. Ihr habt nicht geträumt, sagte das Weib zu mir; seht an eurer Schmucknadel noch das Blut von der Wunde eures künftigen Gemals. O, meine Gertrud, es war, wie das Weib sagte! der Stein am Knopfe der Nadel war blutig. Ich rieb hastig das fürchterliches Zeichen, aber ich konnte das Blut nicht ganz vertilgen. Nun eilt' ich bestürzt nach dem Schlosse, und wunderte mich noch alles wach zu finden, da ich geglaubt hatte, die halbe Nacht bei dem Weibe gewesen zu seyn, aber niemand hatte mich vermißt, und die Uhr zeigte mir, daß ich nicht viel über eine halbe Stunde mit allen diesen schauderhaften Begebenheiten zugebracht hatte. Ich entkleidete mich, und meine blutgefärbte Nadel erfüllte mich von neuem mit Grauen, ich versuchte nochmal die Spur des Blutes zu vertilgen. Vergebens! Immer zog sich ein röthlicher Blutstreif über den so reinen Diamant; erst als der Morgen mir zu meiner bangen Arbeit leuchtete, ward der Schein bleicher, und ich hatte die Nacht ruhelos in furchtbarer Angst verwacht. O, Gertrud, es war nicht die einzige bange Nacht! Sie ist fruchtbar, wie die Sünde. Wie viel Schreckenstunden wird sie mir noch gebären!

Erräthst du nun den Zusammenhang? Jene Erscheinung hatte mich mit der heftigsten Liebe entflammt. Gertrud, die schüchternen Augen deiner Viola blickten jetzt frei um sich in die Schaar der Männer, sie suchten das schöne Urbild zu jenem unbekannten Schattengesicht. Viel schöne junge Männer drängten sich um mich, als meine Schwester ihren Bräutigam erwartete. Keiner war dem Bild in meinem Herzen ähnlich. Endlich, als das Geschrei im Schloß erscholl: der Bräutigam kommt! und ich die Stufen hinabeilte, ihm die Schwester mit dem Vater entgegen zu führen; o ihr Heiligen! da stand er vor mir, schön, wie damals in jener Nacht. Ich banne meine ganze Seele in meine zweifelnden Augen; da hebt er die Rechte, ein Verband zeugt von einer Wunde. Er war es, Gertrud, Nadasti war es, Maria's Verlobter! Alle Sinne verließen mich; ich sank zu Boden. Wie lang' ich bewußtlos gelegen hatte, erfuhr ich erst spät. O daß ich nie erwacht wäre!

Was soll ich nun beginnen, meine treue Gertrud? Rathe mir. Kann ich schwaches Mädchen ändern, was vom Schicksal unwiderruflich beschlossen ist? Nadasti liebt mich, das sagen mir seine Blicke. Er sucht mich überall und versäumt meine Schwester, die himmlisch duldende Maria. Noch immer ist sie nur seine Braut, nicht seine Gattin. Wie soll das enden!

7.

Nadasti war von Viola's Anblick nicht weniger entzündet worden. Er wich nicht von ihrem Bett, und als sie zum erstenmal das Zimmer verlassen durfte, bot er alles auf, den Tag mit der größten Auszeichnung als ihr Genesungsfest zu feiern. Die ganze Gegend rings umher war zu Vergnügungen allerlei Art eingeladen, um Violen bei jedem Schritt mit neuen fröhlichen Auftritten zu überraschen.

Es ist sonderbar – sagte Nadasti; als von den Gästen einige Worte über Viola's Unfall gewechselt wurden – daß ein ziemlich ähnliches Schicksal gewissermaaßen eine natürliche Verwandtschaft zwischen mir und unsrer Viola anzuzeigen scheint. Auch ich hatte, wenig Tage zuvor, einen, mir unerklärlichen Zufall, den ich mit meiner sonst so festen Gesundheit nicht in Uebereinstimmung zu bringen verstehe. Ich hatte eben meiner theuren Maria Bild erhalten, und in der Freude über die Schönheit meiner holden Freundin drückte ich das Gemäld' an meine Lippen, als mir plötzlich eine unbeschreibliche Beklemmung Athem und Besinnung raubte, und ich, wie Viola, eine lange Zeit bewußtlos am Boden lag, bis ich mich endlich unter den Händen meiner Diener nach und nach erholte. Mein schönes Bild, war in der Heftigkeit meines Falles zerbrochen, und von meinem Blute, denn das Glas hatte meine Hand nicht unbedeutend verletzt, bis zur Unkenntlichkeit verlöscht. Welch Glück, daß unsre Viola ohne gefährlichere Verletzung der Gefahr entgangen ist!

Viola war bei dieser Erzählung etwas erblaßt. Nadasti nahm es für Theilnahme. Wie freue ich mich – sprach er mit steigender Wärme – dieses Zufalls der meinem Leben mit dem Ihren einen, wenigstens scheinbaren Zusammenhang gibt. Es ist mir, als hätt' ich Sie, liebste Viola, schon irgendwo gesehn, wär' es auch in einer andern Welt. Nennen Sie mich immerhin Schwärmer; es bleibt doch ein schönes Märchen, sich das Band der Liebe und Freundschaft so heilig und unauslöslich zu denken, daß selbst eine zweite Welt es noch als zarte mystische Vereinigung, die wir oft Sympathie nennen, ehrt und fortführt. Lassen Sie mir die Fantasie, die mich erfreut, wenn Sie sie auch nicht mit mir theilen wollen, oder irre ich mich nicht, und wär' ich Ihnen auch beim ersten Anblick mit dem Recht eines vormaligen Freundes erschienen?

Viola schwebte in peinlicher Bangniß vor nähern Erklärungen. Sie wendete das Gespräch, so gut sie es in der Angst vermochte. Der Zufall begünstigte sie. Maskenaufzüge, ernster und komischer Gattung erschienen, und vereinigten sich zu fantastischen Tänzen in Sälen und auf freien Plätzen. Als die Sterne zahlreicher von dem dunklen, klaren Himmel herabblickten, tanzte Nadasti scherzend mit Viola aus den Reihen heraus, und auf dieses Zeichen wandelte sich, wie durch Zauber die Gegend. Festliche Feuer flammten auf den Berggipfeln, die Wälder brannten in farbigem Schmuck, von dem Boden stiegen Sternheere auf und wetteiferten mit den Lichtern des Himmels, und ringsum, unter Donner und Musik, hallte Viola's Name, begrüßt und gefeiert, aus Wäldern und von Felsenwänden wieder. Die Ueberraschte blickte hocherröthend zu Nadasti auf. Es schloß sie fest in seine Arme, und ein schneller, glühend erwiderter Kuß lößte die letzte, leichte Hülle ihres gegenseitigen Geheimnisses.

Die kühlere Nachtluft versammlete nun die Gesellschaft in die Säle des Schlosses. Tanz und gesellige Spiele wechselten, und die Masken gaben Veranlassung zu mancherlei Verkleidungen und romantischen Zusammenstellungen. Als Viola ein orientalisches Gewand auf Nadasti's Bitten angelegt hatte, und dieser ihren Kopfschmuck zu ordnen bemüht war, reichte ihm Maria zu Befestigung des Schleiers ihre Schmucknadel. Plötzlich erbleichte Nadasti, und wehrte sie mit wildem Blick ab. Was ist das? – rief er heftig bewegt – weg, fort mit der Nadel! Die Umstehenden sahen ihn befremdet an, aber er faßte sich schnell. Vergeben Sie, schöne Maria – sagte er nach kurzem Besinnen – diese Nadel erinnerte mich an etwas, das mit Blitzesschnelle vor meinem Gedächtnis vorüberging, und mir schon entflohn ist, so viel Mühe ich mir auch gebe, es zurückzurufen. Vielleicht geht es mehrern so wie mir, daß ganze Begebenheiten, wie zuweilen Worte, auf die man sich besinnen will, durch verwandte Klänge oder Bilder in der Erinnerung angeregt werden, ohne ganz deutlich in das Bewußtsein zu kommen. So war es mit dieser Nadel, als Sie mir sie reichten. Sie erschütterte mich bis in das Innerste, ich weiß nicht warum, und wirklich fühle ich sogar jetzt noch körperlichen Schmerz in meiner noch nicht völlig geheilten Wunde.

Maria reichte ihm nochmals die Nadel. Besehn Sie die Nadel nur genau – sprach sie lächelnd – und Sie werden sich bald auf sie besinnen. Es ist dieselbe, die Sie mir auf dem Ball, wo wir bekannt wurden, gegen meine verlorne eintauschten.

Nadasti's fortgesetzte Weigerung, die Nadel anzunehmen, schien Maria unwillig zu machen. Sie sind ein Kind – sagte sie – laß dir die Nadel von mir aufstecken, Viola, da der Graf einmal so eine wunderbare Antipathie dagegen hat.

Nein, nein! – rief Viola heftig abwehrend – Wie kannst du mir zumuthen die Nadel zu tragen! Nimmermehr soll so eine Nadel an mir zu sehn seyn.

Viola erschrak selbst über das, was sie in der Heftigkeit gesagt hatte. Allein Nadasti nahm ihre Weigerung für ein hervorbrechendes Zeichen ihrer Liebe zu ihm. Wie viel gütiger sind Sie gegen mich gesinnt, als Maria – sagte er zu Viola – und ein Blick auf Maria verrieth, daß seine neue Liebe in diesem Augenblick den bedeutendsten Sieg über das letzte Hinderniß in seinem Herzen erkämpft habe.

8.

Viola hatte mit Entsetzen die furchtbare Wirkung dieser Nadel auf Nadasti gesehn. Die Worte in Gertrud's Erzählung: Es soll der Sage nach tödtlichen Haß wecken, wenn ein Mann erfährt, daß ihm eine Frauensperson zur Vorschau gerufen habe, fielen lastend auf ihr Herz, und sie eilte auf ihr Zimmer, um den unglücklichen Schmuck, dessen Abbild schon so mächtig wirkte, von sich zu entfernen. Hastig öffnete sie das Etui, aber bleich vor Schreck und tief erschüttert fuhr sie zurück, denn Stein und Fassung war wie in jener Nacht, von Blut entstellt. Sie warf schaudernd den Gegenstand des Schreckens von sich, und am Morgen, eh noch ein Lauscher erwacht seyn konnte, senkte sie den verrätherischen Zeugen ihrer That in die verborgenste Spalte der Gebirgsfelsen.

Für Serini war indessen Viola's und Nadasti's Liebe kein Geheimnis geblieben. Er klagte der treuen Gertrud den Wankelsinn seiner Geliebten; allein diese weigerte sich, in einem Verständniß, das sie bloß aus nachsichtiger Schwäche für ihre geliebte Pflegtochter geduldet hatte, eine Vermittlerin abzugeben. Er schrieb nun selbst an die Treulose, allein Viola, welche den Inhalt errathen konnte, verschob die Eröffnung der unangenehmen Briefe von einer Zeit zur andern, und ihre Antwort blieb aus. Serini war nun auf das äußerste gebracht; er fühlte sich verlassen, ja verachtet: seine Liebe verwandelte sich in den bittersten Haß, und er schwur tödtliche Rache an Viola und Nadasti. Unerkannt war er bei jenem Feste, womit Nadasti Viola's Genesung feierte; er sah der beiden Liebenden Sehnsucht und war Zeuge ihres ersten einweihenden Kusses. So überzeugte er sich selbst von seinem Geschick. Maria schien ihm gleiches Recht zur Rache an den Liebenden zu haben, als er, und mit ihr beschloß er sich zu Beider Verderben zu vereinigen.

Allein der Ungestüme hatte sich verrechnet. Maria hatte Nadasti's und Viola's Liebe früher als Serini gesehn. An jenem Tage, wo ihre Vermählung so unerwartet gestört wurde, hatte sie allein den tiefen, ahndungsvollen Blick in Viola's Herz gethan. Sie liebte ihre Schwester von ihrem ersten Eintritt in das väterliche Haus mit wunderbarer Schwärmerei. Die lange Verborgenheit, in der Viola, wie sie glaubte ihretwegen vernachläßigt, gelebt hatte, war ihrem zarten Gemüth ein stiller Vorwurf; der sie trieb, mit aufopfernder Liebe, alles zu thun, um Viola mit dem Schicksale, das ihre Kinderjahre getrübt hatte, zu versöhnen. Als nun die geliebte Schwester so nahe dem Tode in ihrem Arm lag, that sie das stille Gelübd, ihre Liebe, die sie ahndete, nicht zu stören, und die Schwärmerei, die sie schon in ihrer Kindheit zum Kloster zog, erwachte mit erneuter , doppelter Gewalt. Ohne sich und ihren stillen Vorsatz zu verrathen, beobachtete sie die Liebenden, und als Serini's Eifersucht ihr die sichersten Beweise brachte, daß Viola nur in Nadasti's Liebe sich glücklich fühle, stand ihr Entschluß fest. Sie mahnte Serini ernsthaft von seinem Entschluß ab, die Liebenden seiner Rache zu opfern, und als Bitten und Zureden fruchtlos blieben, drohete sie, seinen Plan Nadasti zu entdecken. Serini stellte sich von ihr überredet, versprach die Rache aufzugeben, und die Treulose zu vergessen; aber im Herzen beschloß er sein Vorhaben allein, und um so sicherer auszuführen.

9.

Nadasti vergaß über seiner neuen Liebe beinah ganz Maria als seine Braut zu betrachten. Mancherlei Scherze über den kalten sehnsuchtlosen Bräutigam erregten erst seine Aufmerksamkeit, und als Graf Harras einmal im Gespräch über die gestörte Vermählungsfeier vorschlug, Maria's bald eintretenden Geburtstag zum Hochzeitfeste zu wählen, half ihm nur der Einfall aus der Verlegenheit, daß das Zusammentreffen häuslicher Feste die Zahl der Freudentage mindere, und er Maria's Geburtstag als ein besonders Fest feiern müsse.

Serini hatte diesen Tag zu seiner Rache ausersehn. Schon den Abend zuvor durchstrich er die Gegend. Der Zufall führte ihn auf den Weg, den Nadasti und Viola eben zu einem Spaziergang gewählt hatten. Blinde Wuth der Eifersucht ließ ihn seinen Plan vergessen, er sah den glücklichen Nebenbuhler, richtete sein Gewehr nach ihm, aber zitternd vor Leidenschaft fehlte er das Ziel und streifte bloß Viola's Gewand. Nadasti's Ruf nach dem Schuß versammelte die Landleute, und während er selbst die erschrockene Viola zum Haus zurückführte, verfolgten diese den Thäter.

Man rieth vergebens auf den Unternehmer der verwegenen That, als Serini gefangen eingebracht wurde. Nadasti beschloß auf der Stelle seinen Tod, sobald er zuvor auf der Folter den Beweggrund zu seinem blutigen Vorhaben bekannt haben würde. Die Untersuchung sollte nur bis nach den Festlichkeiten des morgenden Tages ausgesetzt bleiben. Viola ertrug es nicht, den von ihr so tief gekränkten Serini um ihretwillen sterben zu sehn. Sie öffnete unbemerkt, während der Zerstreuungen des festlichen Tages sein Gefängniß, und Serini, unwissend, wem er seine Freiheit danke, ergriff die Flucht.

Nadasti wüthete, als man am folgenden Tage den Gefangnen vermißte. Er forderte die genaueste Untersuchung, aber niemand hatte den leichtesten Schatten eines Verdachtes gegen sich. Einig Maria war von mehrern Personen mit Serini im einsamen angelegentlichen Gespräch gesehn worden; doch hatte man dieses vor mehreren Tagen bemerkt, als man von Serini's blutiger Absicht noch nicht die entfernteste Muthmaßung haben konnte.

Der entsetzlichste Verdacht erwachte nun gegen Maria. Sie hatte – so schien es – um Serini's Vorhaben gewußt, vielleicht gar ihn zum Rächer ihrer Liebe gewählt. Auch seine Befreiung schien ihr Werk, um das gefährliche Zeugniß ihres Mitschuldigen zu verhindern. Nadasti hatte kaum nöthig eine Trennung von seiner Braut zu wünschen, um diese Umstände als beweisend gegen sie anzusehn. Er stellte sogleich jede weitere Nachforschung ein, aber dem alten Graf Harras lies er die Wahl, ob er die Untersuchung wegen Serini's Entweichung fortgesetzt, oder die Verbindung mit Maria wegen des auf sie gefallenen Verdachtes aufgehoben wünsche. Harras erklärte sich um so lieber für das letztere, da Nadasti sich erbot, durch eine Vermahlung mit Viola jeder öffentlichen Mißdeutung zuvorzukommen, und der Ausgang einer genauen Untersuchung für Maria's und seiner Familie Ehre sehr zweifelhaft schien.

Bei der Heimlichkeit, mit welcher alle diese Unterhandlungen getrieben wurden, ahndete Viola nichts von dem Verdacht, der auf ihre Schwester fiel. Maria selbst war ohne den geringsten Argwohn, als einige Zeilen von Nadasti ihr in kaltem bittrem Tone die Nothwendigkeit anzeigten, daß ihre Vermählung zurückgehn müsse. Die Ursachen waren als ihr hinlänglich bekannt vorausgesetzt. Maria faltete das Papier mit schmerzhaftem Lächeln zusammen. Das verdiente ich nicht für meine Liebe, sagte sie ruhig, und verließ das Schloß ihrer Eltern, an die nach wenig Stunden ein Abschiedsbrief von ihr aus dem nahen Kloster ankam. Viola war anfangs über Maria's Entfernung untröstlich, weil aber Graf Harras ein tiefes Stillschweigen über diese Begebenheit beobachtete, und dadurch zugleich jedem andern auflegte, so ahndete sie ein unerfreuliches Geheimniß. Sie fürchtete sich die Hülle zu durchblicken, unter deren Dunkel sie den Weg zu dem längst ersehnten, und ihr noch so wunderbar zubereiteten Glück gehn sollte.

10.

Der Tag von Maria's Einkleidung war vorüber, und Nadasti suchte nun seine Vermählung mit der geliebten Viola möglichst zu beschleunigen. Er stellte sogar einen beträchtlichen Theil der Festlichkeiten ein, mit welchen er seine Vermählungsfeier zu verherrlichen gesonnen war, und begnügte sich seine Verbindung bloß im Kreis der Familie und einer kleinen Anzahl der nächsten nachbarlichen Freunde zu vollziehn. Außer der Sehnsucht seiner Liebe, bestimmte ihn noch zu dieser Eile eine Krankheit Maria's, die bedenklich zu werden schien, und mit einer unwillkommenen Verzögerung drohte. Maria's liebendes Herz konnte die vielen Kränkungen und Leiden nicht ertragen, welche die letzten Tage über sie gehäuft hatten. Sie erlag ihrem Schmerz und sehnte sich nur ihre geliebte Schwester noch einmal zu sehn. Viola erfuhr nichts von diesem Wunsche, denn ihr Vater und Nadasti fürchteten von der so sehr verkannten Maria neue Gefahr für ihren Liebling, und täuschten Violen mit den beruhigendsten Nachrichten von ihrer Schwester.

So erschien der Vermählungstag. Viola brachte die Nacht zuvor schlaflos, in wilden Fantasien zu. So nah' ihrem Glück, fehlte ihr die Ruhe, sich dessen zu erfreuen. Die Zithertöne jenes Kindes umhallten sie, und unwillkührlich sang sie zu der schauerlichen Melodie:

und willst du den Bräutigam schauen,
so laß dir vor Todten nicht grauen.

Dann schien ihr die blutige Nadel überall zu begegnen, vergebens warf sie sie von sich, immer kam sie wieder, und immer blutiger in ihre Hand, und, wie damals in der Hütte der Wahrsagerin, durchdrang ihre Brust jener stechende Schmerz, der sie aus den furchtbaren Träumen weckte, um sie noch furchtbareren zu überlassen. Endlich, als der Morgen dämmerte, und die Erschöpfte in dem matten Strahl Trost zu finden meinte, da zittert' es wie weißer Morgenduft vor ihrem Bett, und eine blasse Nonnengestalt beugte sich langsam über sie hin. Viola erkannte Maria's Angesicht, ein heftiger Schrei rief ihre Frauen herbei, und mit Entsetzen sahen diese eine weiße Schattengestalt von Viola's Bett weggleiten und in den hereinfallenden Morgenstrahlen verschwinden.

Nadasti entsetzte sich vor Viola's entstelltem Ansehn, als er kam, seine Braut zum Altar zu führen. Sie schützte ein Fieber vor, das sie gestern schon gefühlt, aber vielleicht zu wenig geachtet habe. Nur nach Maria fragte sie ängstlich, allein man war noch ohne Nachricht von ihr aus dem Kloster. Viola hatte alle Fassung nöthig, um ihren Platz vor dem Altar zu erreichen. Immer fürchtete sie noch im letzten Augenblick eine gewaltsame Störung ihres Bundes, und die Enthüllung einer entsetzlichen Täuschung bei dem Zutreffen jener Vorschau. Endlich waren die feierlichbindenden Worte gesprochen, und der erste freie Athemzug erleichterte ihre bange Brust. Die Schrecken der vergangenen Nacht erschienen ihr als wesenlose bedeutungsleere Traumbilder, und sie schmiegte sich im Bewußtseyn des sichern Glücks liebend an die Seite des Gemals, der sie froh den versammelten Gästen als seine Gattin vorstellte.

11.

Man bereitete sich eben zur Tafel, als eine Botschaft von der Aebtissin der Klosters die Trauerpost von Maria's Verscheiden brachte.

Sie endete wie eine Heilige – sagte die Laienschwester, die während der letzten Nacht mit andern Nonnen bei der Kranken gewacht hatte – die ganze Nacht sehnte sie sich nur nach ihrer Schwester, und betete brünstig, daß ihr Gott die Gnade geben möchte, ihre Viola vor ihrem Ende zu sehn, so, daß ihr die schmerzhaften Thränen wie Bluttropfen aus den frommen Augen flossen. Als nun die Schwestern den Sterbegesang um sie anstimmten, schlossen sich ihre Augen und sie lächelte freundlich im Schlaf wie eine Selige unter Engeln. So lag sie wol gegen eine Viertelstunde, dann schlug sie langsam die hellen Augen auf und sah uns so freundlich an, daß wir alle weinten, denn wir glaubten der Schlaf habe sie erquickt. Aber sie sprach leise zum Himmel gewendet: Nun nimm mich auf, ich habe meine Viola gesehn und sterbe gern. Die Schwestern wollten es ihr ausreden, aber sie lächelte und sprach: ich weiß, was ich rede, ich war bei meiner Viola. Dann schloß sie die Augen und wir beteten für die Entschlafene.

Ja, ja! – rief Viola – es war ihr Geist; es war kein Traum. O meine Maria, ich habe dich gesehn, und du bist mit Liebe zu mir in die Ewigkeit gegangen!

Die Anwesenden erstaunten, und meinten, Viola spreche in neuer Fieberfantasie, aber ihre Frauen traten hinzu und berichteten, was sie bei der ersten Morgendämmerung in Viola's Schlafzimmer gesehn hatten. Die Zeit stimmte auf das genaueste überein, denn noch vor dem Morgenroth war Maria verschieden.

Die Freude des Tages war durch diese Trauerbotschaft gestört. Auch Nadasti war tief erschüttert. Maria's Liebe zu Viola war durch ein wunderähnliches Ereigniß bestätiget, der Himmel selbst schien den Verdacht gegen die Entschlafene vernichten zu wollen. Wunderbar und unbegreiflich – rief er – diese Maria, die Mörder gegen Viola dingt, voll solcher Liebe zu der Verfolgten! Wer kann diese Widersprüche vereinigen!

Wer darf meine Maria so lästern – rief Viola – Welche abscheuliche Heimlichkeit liegt hier verborgen!

Nadasti schwieg. Graf Harras gab seiner Tochter einige Winke über Maria's entdecktes Einverständnis mit Serini.

Lüge, abscheuliche Verläumdung! – entgegnete Viola heftig – Gott ist mein Zeuge, Maria verabscheute diese That, sie warnte mich selbst vor Serini. O, jetzt versteh' ich erst ganz deine Warnung, unschuldige Heilige!

Nadasti erwähnte Serini's heimliche Befreiung aus dem Gefängnisse, welche Maria des Einverständnisses verdächtig machte.

Viola war wie vernichtet. Unselige Verwirrung – sagte sie mit schwacher Stimme – Ich öffnete das Gefängniß. Sollt' ichs gestatten, daß meinetwegen ein Mensch getödtet werde? konnt' ich Serini für mich sterben lassen? Maria wußte nichts von meiner That. O Heilige, kannst du mir vergeben, deiner Mörderin?

Nadasti und Graf Harras versuchten alles, um Viola zu beruhigen. Sie bekannten sich allein an dieser traurigen Verwirrung schuldig, durch die Rücksicht auf Convenienz, welche damals eine genauere Untersuchung verhindert und dadurch die Enthüllung der Wahrheit unmöglich gemacht hatte. Allein nur Maria's Erscheinung konnte der Verzweifelnden einigen Trost geben, und diese ward bald der einzige Gegenstand des Gespräches.

12.

So befremdend uns dergleichen Vorfälle scheinen – sagte unter andern der Priester, der die Trauung vollzogen hatte – so dürfen wir doch mit unserm Urtheil über Täuschungen und Unmöglichkeiten nicht zu schnell seyn. Daß etwas gegen die Gesetze der Natur geschehe, ist freilich unmöglich, nur sollten wir unsre Kenntniß der Naturgesetze nicht mit diesen Gesetzen selbst verwechseln, und das für unmöglich halten, wovon wir die Gesetze noch nicht einsehn. Die körperliche Natur zeigt und unerklärliches genug, dessen Wirklichkeit wir nicht bezweifeln, um nur ein bekanntes zu nennen, die Bewegung des Weins im Gefäß zur Zeit der Blüte. Warum wollen wir der geistigen Natur, deren Gesetze wir noch weniger kennen, unsre oberflächliche Kenntniß als Grenze festsetzen? Wir lesen und hören Beispiele von einer ähnlichen Anziehungskraft unter Geistern wie unter Körpern, statt aber als geistige Naturforscher ihre Gesetze zu untersuchen, fertigt die faule Vernunft, daß ich nicht sage der Unglaube, alles mit dem Wort Täuschung und Unmöglichkeit ab.

Sie überreden uns am Ende wol von der Wirklichkeit der Vampyrs, die unsre Nachbarn beunruhigen? – wandte einer von den Gästen scherzend ein.

Ich wünsche nur eine unbefangene Untersuchung – antwortete der Geistliche ruhig – man muß bei einer Rechnung sich nicht ein Facit zuvor einbilden, sonst läuft man Gefahr falsch zu rechnen. Ein andres ist aber immer ein Vampyr, ein andres ein Geist, der sich auf kurze Zeit von seinem Körper trennt, weil ihm entweder Sehnsucht oder eine fremde Gewalt zwingt ihn zu verlassen. Vom erstern Fall haben wir das neue Beispiel an unsrer seligen Maria, vom andern sind uns Erzählungen von Citationen genug bekannt, und alle stimmen darin überein, daß der Citirte unter furchtbarer Angst in einen todtähnlichen Zustand versetzt wird, und darin bleibt, bis sein Geist in den Körper zurückgekehrt ist.

Fast möchte ich Ihnen beistimmen – fiel Nadasti ein – könnt' ich nur errathen, wer mich citirt haben sollte. Vor einigen Wochen erfuhr ich einen ähnlichen Zustand, wo ich unter unnennbarer Angst als ein Todter hinsank und mich nur langsam erholte, und sonderbar genug, daß mir jetzt eine dunkle, ganz verworrne Erinnerung vorschwebt, als wär ich an einen fremden unbekannten Ort entrückt worden und hätte Dinge gesehn, für die ich, wie manchmal für die Erzählung eines Traumes, nicht die Worte finden kann. Auch meine Gemalin erfuhr bald darauf eine ähnliche Ohnmacht. Wer mag mir diesen zarten, schönen Geist gebannt haben? Ich könnte den Böswicht tödten, denn die Qual, die ich empfand, war furchtbar und könnte einem Verdammten auf die Höllenstrassen gut geschrieben werden. Meine Viola, wie konnte ihr zarter Körper solchen Schmerz ertragen?

Viola schauderte, und um ihre Bewegung zu verbergen, fragte sie den Geistlichen, ob unsre Kenntniß der Natur jemals zu der Höhe gelangen könne, um ähnliche Wunder aus Gesetzen zu erklären?

Warum nicht – erwiderte dieser – die Zeit hat schon manches bestätigt, und wird noch mehr außer Zweifel setzen, was wir jetzt als Märchen ansehn und verlachen oder verwerfen. Ich habe nur kürzlich eine Entdeckung gemacht, die mir sehr interessant war. Die ältesten Schriftsteller behaupten, daß der Diamant durch Blut erweicht werden könne; die neuern hingegen verlachen diese Behauptung als ein Märchen. Neulich aber fand ich bei einem Juwelier einen Stein, der ohne allen Zweifel ein Diamant war, aber dabei so weich und elastisch, daß er sich drücken ließ. Da er als Brilliant geschliffen war, so mußte seine Erweichung später geschehn seyn, denn in diesem Zustande war kein Schleifen möglich. Ueberdieses machte mir ein rother Streif wahrscheinlich, daß er lange in Blut gelegen, und sogar davon eingesogen haben mußte. Ich kaufte ihn als Liebhaber von Naturseltenheiten um ziemlich hohen Preis, obgleich für diese Seltenheit bei weitem nicht zu theuer.

Man machte Einwendungen, und der Geistliche ließ sich seinen Diamant bringen.

Er ist noch in der Fassung – sagte er, als er das Etui eröffnete – so wie der Juwelier ihn gekauft hatte.

Graf Harras, der neben dem Geistlichen saß, griff schnell nach dem Juwel. Was ist das – rief er heftig – wie kommt ihr Juwelier zu dieser Nadel? Das ist dieselbe, die ich meiner Tochter Viola vor kurzem nach Roseck schickte.

So viel ich mich erinnere – erwiderte der Geistliche – hatte er sie von einem Knaben erkauft, der sie in einer Felsspalte gefunden haben wollte.

Graf Harras schien zu zweifeln. Sieh selbst Viola – sprach er – ob diese Nadel nicht ein Stück vom deinem Schmuck ist?

Viola bedeckte mit einer Hand die Augen, und wehrte mit der andern die furchtbare Nadel ab, die sich jetzt wirklich, wie in dem Traume der vorigen Nacht, ihm von allen Seiten entgegendrängte.

Was bedeutet das? – rief Graf Harras – warum erbleichst du vor dieser Nadel?

Besinnen Sie Sich, liebste Viola – sagte Nadasti besänftigend, indem er ihr ebenfalls die Nadel vorhielt.

Allein kaum hatte er selbst einen Blick auf dieses unglückliche Kleinod und auf Violen geworfen, als er plötzlich mit starren furchtbaren Blicken aufsprang, die Wunde in seiner Hand öffnete sich, und Blut spritzte umher.

Ha, Schlange – rief er mit wildem Zorn gegen Viola, die erstarrt und blaß wie eine Leiche in ihrem Stuhl lag – Fürchterlich wird mir jetzt alles klar. Du bist die verfluchte Zauberin, die mit höllischem Bann mir die Seele auszog, und mich bis zum Tod ängstete. Mein Blut ist es, das diesen Stein geröthet hat. Es dringt von neuem aus meiner Wunde, dich höllische Gauklerin anzuklagen. O Maria! Eine Heilige hab' ich dieser Verbündeten des Abgrundes geopfert!

Viola streckte bittend ihre Arme nach dem Erzürnten aus. Aber Nadasti stieß die Bittende ergrimmt von sich. Ein schadenfroher Dämon leitete seine Hand; die Spitze der Nadel drang in Viola's Brust.

Du bist gerächt, Nadasti – sagte sie sterbend – aber eine Zauberin war ich nicht. Ich liebte Serini. Eine höllische Kunst zeigte mir statt seines Bildes, das ich begehrte, das deine. Der Zauber ist gelöset. Vergib mir jene Stunde der Angst, wie ich dir meinen Tod vergebe.

In diesem Augenblicke traten Serini und Gertrud herein. Sie hatten von dem Verdacht gegen Maria gehört, und waren geeilt ihre Unschuld zu beweisen. Viola's Blut mäßigte den Zorn der beiden Männer, und die letzten Blicke der Sterbenden flehten um Versöhnung. Viola erblaßte in den Armen ihrer treuen Gertrud.

Serini zog als Pilgrim zum heiligen Grabe, und Nadasti fand in der ersten Schlacht unter fallenden Feinden den willkommenen Tod.

* * *

 


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