Ludwig Anzengruber
Der Sternsteinhof
Ludwig Anzengruber

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15. Kapitel

Es war eine gar eigentümliche Begrüßung, die zwischen Vater und Sohn stattfand, als nach dreijähriger Militärdienstzeit der Toni auf den Sternsteinhof zurückkehrte.

Die beiden wußten die lange Zeit über nur wenig voneinander. Schreiben war eben nicht ihre Sache. Der Alte überließ es dem Schulmeister, mit einigen Worten das Geld zu begleiten, das dem Burschen regelmäßig zugeschickt wurde, damit sich derselbe auch im Soldatenstande als der reiche Bauerssohn »zeigen« konnte; der Junge schrieb nur, wenn er mitten im Monate in die Klemme geriet, und erhielt auch stets das Erbetene, dann aber mit ein paar eigenhändigen Zeilen des Sternsteinhofers, welche weder Kosenamen noch Segenswünsche enthielten.

Als der Alte den Brief empfing, der die Ankunft des Sohnes für den folgenden Tag anzeigte, ließ er das Steyrer-Wägelchen instand setzen, und ein Knecht mußte in der Nacht hinüberfahren nach der Kreisstadt, welche an der Bahn lag.

Am andern Morgen rasselte das Gefährt in den Hof. Der Sternsteinhofbauer stand an der Schwelle des Hauses, die Hände über den Rücken gelegt, und betrachtete den Heimkehrenden aufmerksam. Wie jener stehen, so blieb dieser sitzen.

»No, da wär' ich wieder,« sagte er und nach einer Weile: »Grüß Gott, Vader.«

Der Alte nickte. »Grüß' dich Gott. Siehst, jetzt bist wieder da, hast's überstanden.«

»Reservist bin ich halt,« murrte der Bursche.

Der Bauer warf gleichmütig den Kopf auf, als wollte er bedeuten: Weiß's ohnehin; und obwohl er merkte, das Gesicht des Burschen, fahl und welk, mit blauen Ringen um die Augen, sähe nicht nur übernächtig so aus, sagte er doch zu ihm: »Schau'st gut aus, hat dir nit schlecht ang'schlag'n.«

»No etwa nit? Das ging ein'm noch ab!« rief Toni. Er schwang sich vom Wagen, strampfte mit den Füßen auf und reckte sich. »Ah, das war a Radlerei und Herumwerfen. Froh, wann mer wieder af'n Füßen is! Bis zum Essen is wohl noch a Weil hin?«

»Dös schon, aber willst vorher was –? –«

»Nein, dank schön. Hast wohl nix dagegen, wann ich mich derweil bissel unten im Ort umschau'?«

»Gar nix.«

Toni hob die Hand zum Hutrande, wie er als Soldat gewohnt war, sie zum Gruße an den Schirm der Kappe zu legen, schwenkte um und ging hinab nach Zwischenbühel.

Er schlenderte längs des Baches hin. Hie und da ward er aus den Häusern grüßend angerufen, eines oder das andere lief ihm wohl auch in den Weg, aber er fertigte die Neugierigen mit kurzen Gegenreden ab und schritt weiter nach dem unteren Ende des Ortes. Nahe der vorletzten Hütte, inmitten der Straße, spielte ein Kind im Sande; er kam bis auf wenige Schritte an dasselbe heran und blieb, es beobachtend, stehen, und als es nun das kraushaarige Köpfchen hob und ihn mit den großen, braunen Augen anblickte, trat er rasch zu ihm, schon beugte er sich herab und hob die Hand, um den Scheitel des Kleinen zu streicheln, da stürzte Helene herbei und riß das Kind vom Boden an sich.

»Du rühr' mir's nit an,« keuchte sie.

»Närrisch, warum g'rad ich nit?« flüsterte er.

»Du fragst?« zischte sie zwischen den Zähnen hervor. Aus ihrem leichenblassen Gesichte starrten ihn die Augen so zornfunkelnd an, daß er unwillkürlich einen Schritt zurücktrat; dann aber verzerrte er den Mund und stieß ein paar kurzabbrechende Lachlaute hervor, doch sie kehrte sich ab von ihm und schritt, das zappelnde Kind an der Hand nachzerrend, der Hütte zu.

Als der Sternsteinhofbauer mittags den Teller von sich schob und sich behaglich in den Großvaterstuhl zurücklehnte, fragte er den gegenübersitzenden Toni: »No, Neuigkeiten im Ort?«

Der Bursche zuckte die Achseln.

»Dös 'trau ich mir z'raten, daß's dich g'waltig neugiert hat nach der jungen Herrgottlmacherin.«

»Nun ja. Begegnet hab'n mer sich.«

Der Alte zog die Brauen in die Höhe und warf einen ausholenden Blick nach dem Burschen.

»Bin ung'nädig genug aufg'nommen word'n,« lachte der ärgerlich.

»G'schieht dir ganz recht. Hätt' ich dir vorausg'sagt, einbilderisches Ding! Du bist ihr niemal im Sinn g'leg'n, der Hof is 's g'west, und hitzt sähet dö lieber ein' Hasen übern Weg laufen wie dich. Dö is nit dalket, dö tut kein'm was z'lieb ohne Abseh'n und nu hätt's ja gar kein's! D'rum mach' dir keine unverlaubten Gedanken.«

»Fallt mer eh' nit ein.«

»Zeit wär's, daß du döselb'n und andere Dummheiten sein ließ'st.«

»Bist sicher!«

»– z'Ostern kimm ich wieder, sagt's Beichtkind zun Pfarrer.«

»Sorg' nit, du hast mich g'scheit g'nug gemacht.«

Der Alte lachte, – und diesmal hätte er es besser unterlassen.

 

Früh am andern Morgen sagte Toni: »Hast wohl nix dagegen, Vader, wann ich mich heut' außer'm Haus herumtreib'? Will mer ein wen'g d'Füß' vertreten, vielleicht triff ich auch mit ein'm Kameraden z'samm.«

»Tu' wie d' willst,« murrte der Bauer, »daß d' dich nit zur Arbeit antragen wirst, hab' ich mir denkt. Soldaten verderb'n 'n Bauern, ob mer s' ihm in's Quartier legt oder ihn selber dazunimmt.«

»No ja, für'n Anfang muß mer sich freilich erst wieder eing'wöhnen, aber das gibt sich. Man kann doch nit allweil h'rumstromen.«

»Wohin geht denn d'Reis'?« forschte der Alte.

Der Bursche zog ein gleichmütiges Maul und neigte den Kopf gegen die Achsel. »Wohin mich d'Füß' tragen, halt'm Weg nach.« Welchen er einzuschlagen gedachte, sagte er nicht.

Einige Stunden später trat er zu Schwenkdorf in Käsbiermartels Stube. Er fand dort Sali, die über einer Näharbeit saß.

»Grüß Gott,« sagte er.

»Auch soviel.« Sie war aufgestanden und schob, was sie in Händen hatte, zur Seite, dann schritt sie nach der Türe. »Der Vader wird gleich kommen.«

Toni verstellte ihr den Weg. »Du bist mir bös und hast's Recht dazu. Der Gedanken hat mer'n Gang her schwer g'nug g'macht. D'rum is mir lieb, daß ich allein mit dir reden kann, – wann d' mich anhör'n willst, – bevor dein Vader kommt, denn ein'm Mon gegenüber meint mer sich doch was z'vergeben, wann mer eing'steh'n soll, wie groß man g'fehlt hat. Was mer aber leicht fallt, das is, daß ich dich um Verzeih'n bitt' für mein' Grobheit; ja, wohl war das eine und a ausgiebige dazu, schon am Kirtag mein wenig Aufschau'n auf dich und nachher gar 's Sitzenlassen am Faschingball. So tat ich dich denn recht schön bitten, daß d' nimmer d'ran gedenken und mir's nit nachtragen möcht'st.«

»Weil d' mir's so orndlich und, wie g'hörig is, abbitt'st, so will ich dir's auch nimmer gedenken noch nachtrag'n.«

»So gib mir d'Hand d'rauf, daß d' mir wieder gut bist.«

Sie reichte ihm die Hand. »Ich bin dir wieder gut, aber anderscht, nit wie's früher zwischen uns g'wesen is.«

»Mein' liebe Sali, wann ich mein's Lebens froh werden soll so muß's besser kommen. Hör' mich an, – aber zun Zeichen, daß d' kein' Groll mehr hast, sitz' da nieder neben mir!« Er führte sie nach der Bank, welche die Vertiefung des einen Fensters ausfüllte, und zog sie an seine Seite, dann fuhr er fort: »Laß' dir nur sagen, wie all's so 'kommen is, ich möcht' nit, ich käm' dir unverständlich vor, denn jed's Ding hat sein' Grund. Ich weiß nit, ob auch dir, aber mir war's unbewußt, daß zwischen unsern zwei Alten schon lang' b'schlossene Sach' war, wir sollten uns heiraten; und zur selben Zeit, wo ich's erste Mal davon g'hört hab, – drei Jahr is 's her, nit früher hat's der Vader Wort g'habt – da is 's just so h'rauskommen, als ob mer mir dich wollt' h'naufnötigen und Nötigen hat's doch nit not bei einer Dirn', wie du bist, und nötigen laßt sich auch kein Bub' wie ich bin; überdem will ich dir's nur frei eing'steh'n, daß zur selben nämlichen Zeit ich mit einer im Ort a Bandlerei g'habt hab'. Du siehst, ich geh' nit d'rauf aus, dir was vorz'lügen, und schäm' mich der Wahrheit nit.«

»Das nähm' ich dir auch groß übel. Mer weiß ja, daß ihr Mannleut' oft mit mehr als einer geht, bevor ihr auf die trefft, mit der ihr dann hausen wollt.«

»Du bist a grundg'scheite Dirn und wirst wohl auch versteh'n, daß mir damals die Sach' allenthalben kein' rechten Schick g'habt hat.«

»Es wär' auch gar nicht recht g'west, wo du's mit einer g'halten hast, an die Hochzeit mit einer andern z'denken. Ich hätt' mich schön bedankt für d'Ehr', mit dir zun Altar z'geh'n, wo dir die Dirn' noch im Sinn liegt; so was muß völlig vorbei sein, denn 's Weib darf keiner nachstehen.«

»Blitz h'nein, in all'm hast recht! Hitzt is aber dö dumme G'schicht lang schon völlig vorbei. –«

Sali rückte näher und legte ihm die Hand auf die Schulter.

»Döselbe hat g'heirat't kurz d'rauf,« schmunzelte er, ihrer Frage zuvorkommend. »Denk's kaum, wie s' ausg'schaut hat. Hitzt bin ich kein heuriger Has' mehr, und hitzt weiß ich, was mer taugt; und hitzt, Sali, wann du nur einverstanden wärst, nähm' ich dich zun Weib, ob's unsern zwei Vadern g'legen käm' oder nit!«

»Das is a unkindlich Reden! Da bin ich viel anderscht wie du. Wann's mein Vader will, der deine nix dagegen hat und du's z'frieden bist, –«

»'s gilt schon mein Dirndl! O du mein Dirndl!« rief der Bursche und schloß sie in seine Arme und preßte seine Lippen auf die ihren.

Einige Augenblicke hielt sie sich, wie erschreckt und scheu, reglos; dann wehrte sie den Burschen ab und erhob sich flink. »Du bist ein Schlimmer! Jetzt is 's Zeit, ich lauf nach'm Vadern!« Damit war sie aus der Stube.

»Ei, du mein,« sagte Toni, »dö is wie ein Stück Holz. Na, wann auch, was tut's? Holz im Haus und Jagd im Wald macht'n Förster bezahlt.«

Nach einer kleinen Weile kam der Käsbiermartel angetrabt. »Na, du Lotter,« schalt er im Eintreten, »bist wieder heim?«

»Wie d' siehst.«

»Du Sakra, du, und hitzt kommst mer gar her, der Dirn' 'n Kopf verdreh'n? Na, das sag' ich dir nur frei gleich, Dummheiten leid' ich nit, willst kein' G'scheiten machen, so bleib' mer weg!«

»Käsbiermartel, ich kann dir gar nit sagen, wie ehrlich ich's diesmal mein', aber du kenn'st mein' Vadern, du weißt, der hat mehr Ausflüchten wie a Fuchs. Laß' dich bedeuten, wie mer den jeden Schluf verlegen wollen; deßtwegen bin ich da.«

»Sali,« schrie der Käsbiermartel. Das Mädchen mußte Wein und Rauchfleisch auftragen, dann setzten sich die beiden Männer zusammen, und der Käsbiermartel ließ sich bedeuten.

 

»No, Toni,« sagte am Sonntagmorgen der Sternsteinhofbauer, »fahrst mit h'nüber nach Schwenkdorf? Hast ja mehr kein' Ursach', daß d' dich g'rad in der Zwischenbüh'ler Kirchen als leuchtendes Beispiel für's G'sind hinstell'st.«

»Dös nit, aber drent is 's mir z'wider.«

»Z'weg'n we denn?«

»'m Käsbiermartel und seiner Dirn' halber.«

»Haha, b'sinnst dich auf dö?«

»Nein, vergessen werd' ich döselbe, weg'n der ich so eing'klemmt word'n bin.«

»Is eigentlich a arm's Hascherl, hat da wieder die drei Jahr af dich g'wart.«

»Af mich? Da könnt' s' noch lang warten. Wär' doch a heller Unsinn, wann ich hitzt ans Heiraten dächt' als Reservist.«

»Wie lang' hast noch?«

»Sieb'n Jahr Reserv' und zwei Jahr' Landwehr.«

»Macht neune. Sakra h'nein, is a Zeit!«

»Ja, und wann während derselben wo was auskäm', könnt' ich von Weib und Kind und Haus und Hof davonrennen, und dös geb'n s' kein'm schriftlich, daß er auch wieder z'ruckkommt.«

»Jo und ich, wann ich mittlerweil' in der Ausnahm' säß', ich rühret nit an das Deine, ob's hitzt z'ruckging' oder vorwärts käm'.«

»Dös wär' mir auch gar nit lieb, d'Wirtschaft vertragt nur ein' Herrn, ehnder nehmet ich mir noch ein orndlichen Pfleger.«

Der Alte blickte ihn von der Seite an. »Hast ja recht und Zeit g'nug zun Aussuchen. Aber schau' mal, wann d' vom Militär frei wirst, bist g'rad in schönsten Jahr'n, und die Dirn' –«

»Dö wird just d'raus sein.«

»Paperla, was s' an Schönheit verlor'n hat, das hat s' mittlerweil an Geld zug'nommen. Ich sag' dir, wann ich 'n alten Käsbiermartel h'rumkrieg', daß der dir dö Dirn' bis af d'selbe Zeit aufb'halt, so heirat'st du dö und kein' andere, da hilft dir kein' Widerred'.«

»Weg'n derer werd' ich mich unnötigerweis kein zweit's Mal mit dir streiten. Wart' mer's ab.«

»Wart' mer's ab! No, so kimm mit, 's wird lustig werd'n. Heut' frozzel ich den alten Geizkrag'n, daß er Blut schwitzen soll.« Mit diesem christlichen Vornehmen kletterte er auf den Kutschbock. Toni nahm an seiner Seite Platz, und sie fuhren nach Schwenkdorf zum Gottesdienste.

Nach demselben saßen sie im Wirtshause, der Sternsteinhofbauer auf seinem gewohnten Platze neben dem Käsbiermartel. »Schau,« sagte er diesem, »da wär' der Bub' wieder.«

»Ich sieh 'n.«

»Dünkt mich, er wär' nit übler word'n.«

»Mag sein.«

»Und dein' Dirn' hat auch nicht abg'nommen.«

»Nein.«

»No, was is's?«

»Was soll denn sein?«

»Gäb' dös noch a Paarl?«

»Ihner zwei geb'n all'mal ein's.«

»Geh' zu, leug'n 's nit, du hast die Schritt und die Wörter gar nit zählt, die d' aufg'wendt hast, um dö zwei z'sammenz'bringen.«

»Fallt mer nit ein z'leugnen.«

»Froh g'wesen wärst!«

»Dös wär' ich auch, ich mag's ja hitzt ganz ung'scheut eing'steh'n, wo mer nix mehr d'ran liegt.«

»Es läg' dir nix mehr d'ran?«

»Nein. Ich will anderswo h'naus mit der Dirn'. Der reiche Produktenhändler von der Kreisstadt war schon paarmal bei uns und hat ang'hob'n, so dergleichen z'reden. No und Bäu'rin muß s' ja just nit sein.«

»Der Produktenhändler, sagst? Der is ja a alter Schüppel.«

»Jung is er nimmer, aber was is dabei? Ich hab' mein Kind anders zog'n, wie andere Leut' 's ihnere. Wann ich sag': Sali, du heirat'st 'n Großsultl, so heirat't s' ihn!«

»Meintest's dein'm Kind gut! Wär' a Partie, mit dö viel'n Weiber!«

»Ei, du mein, weil wir's etwa christlich so viel genau nehmen mit der ein' Einzigen!?«

»Du taugest ja zu ein'm Türken.«

»Beileib', ich bin z'mager, dös sein lauter Ausg'fressene; du gäbest so ein' rechten Hallawachel ab.«

»Käsbiermartel!«

»Was denn, Sternsteinhofer?«

Es war allerdings an dem Tische recht lustig geworden, aber dem Käsbiermartel stand kein heller Tropfen an der Stirne, geschweige denn Blut.

Der Sternsteinhofer leerte sein Glas auf einen Zug, dann blinzte er den am Tische Sitzenden mit zusammengekniffenen Augen zu: Paßt auf, wie ich ihm's heimgeb'!

»Ich hör' wohl schlecht?« spöttelte er. »Oder hat er vorhin wirklich vom Kinderzieh'n g'red't? Was hat er denn zog'n? A Dirn'. Wann mer so a Waiserl anschreit, fallt's eh' gleich in d'Fraiß. Dös is kein' Kunst. Daß er sich da noch z'reden traut geg'n ein', der Bub'n zieh'n versteht!«

»Wie sich gewiesen hat vor drei Jahr'n.«

»Dös hat sich's auch, ich hab' ihm 'n Daum gehörig af's Aug' g'druckt.«

»Ja, und dabei is ihm nit nur's Aug', auch d'Hosen blau word'n.«

»Du weißt ja gar nit, du Hasenkopf, daß ich damal zwei Flieg'n mit einer Klappe g'schlagen hab'! Ihn hab' ich einer Dummheit aus'n Weg g'schickt, und vor dir hab' ich mir Ruh' g'schafft, daß d' mer nit allweil vom ›in d'Ausnahm geh'n‹ vorred'st.«

Der Käsbiermartel spitzte freundlich den Mund. »Dö zwei Flieg'n laß' ich dir gelten, aber pariert hat er dir nit, und dös tut er dir auch heut' noch nit.«

»Käsbiermartel!«

»Was denn? Brauchst nit so umhie z'lugen, nach'm Bub'ntisch. Er sitzt nit dort, säß' er dort, hätt' ich's doch nit bered't vor seiner. Aber dabei bleib' ich, er pariert nit! Schaff du ihm hitzt, was d' damal, er sagt dir wieder: nein!«

»Schleicht schon af der alten Fährt' der Fuchs,« murmelte der Sternsteinhofer vor sich hin.

»Muß dich nit beleidigen,« fuhr der Lange fort, »aber jede Wett' halt' ich dir dadrauf!«

»Du bist einer, der was verwett', was setz'st denn ein?«

»Meine zwei Braun', wie s' draußen vor'm Wagen stehen, geg'n dein' magerste Kuh.«

»Du bist a Narr! So heilig als was, hätt' ich dö noch heut' hinter mein' Wagerl am Halfter.«

»Ich steh' dir dafür, daß s' im G'schirr bleib'n!«

»Dös bleibeten s' ja sowieso,« schrie einer am Tische. »Du hast ja beim Wettanbot g'sagt: wie s' draußen vor'm Wagen stehen, und vor'm Wagen stehen s' im Geschirr'.«

»Freilich,« pflichteten mehrere bei, »'s G'schirr wär' mitverspielt!«

Der Sternsteinhofbauer schielte über die Achsel nach dem Käsbiermartel. »No, wie wird dir denn? Trau'st dich noch?«

»Ich bleib' bei mein' Bot.«

»'s gilt!«

Beide schlugen ein.

»Hollah! A Wett'!« Alle Krüge trommelten auf der Tischplatte. »He, Wirt, jetzt schenk' vom Besten ein, der Wetthalter, was g'winnt, zahlt all's, und d'Zeugenschaft braucht a Anfeuchting! Der Knerzhuber macht'n Schiedsrichter und bringt d'Sach ins klare!«

Der mit solcher Einstimmigkeit zur Würde eines Vorsitzenden Erhobene war keineswegs eine imponierende Persönlichkeit, schon der Name kennzeichnete ihn für den Kundigen als das gerade Gegenteil einer solchen; denn er hieß eigentlich schlechtweg »Huber«, mußte sich aber, wie unter Bauern jeder einer größeren Namensvetterschaft Angehörige, einen auszeichnenden Zusatz gefallen lassen; der seine war die Vorsilbe »Knerz«, welche auf einen im Wachstume arg zurückgebliebenen Menschen hindeutet. Doch Mutter Natur gleicht gewöhnlich ihre kleinen Ungerechtigkeiten selbst aus, besonders, wenn man ihr dabei vernünftig an die Hand geht; Knerzhuber reichte zwar an keinen, wie sie da um den Tisch saßen, heran, aber an Umfang übertraf er jeden.

Der kleine kugelrunde Mann erhob sich, was immer, außer für die Zunächstsitzenden, ein Geheimnis blieb, denn bei seinen äußerst kurzen, etwas krummen Beinen sah er im Stehen nicht um ein Haar höher aus wie im Sitzen. Mit dünner zwitschernder Stimme tat er die Frage über den Tisch: »Alsdann was soll's gelten?«

Der Sternsteinhofer antwortete: »Käsbiermartels zwei Braun', wie s' d'raußt' vor'm Wagen stehen, geg'n a Kuh aus mein' Stall.«

»D'magerste,« setzte der Martel hinzu.

»Und was is strittig?« zwitscherte Knerzhuber.

»'s is Käsbiermartels Meinung,« erklärte der Sternsteinhofer, »daß ich mein's Bub'n nit Herr wär' und daß der sich weigern wurd', wann ich ihm schaff', daß er dem da sein' Sali zun Weib nimmt. Herentgegen behaupt' aber ich, daß der Toni geg'n mein' Will'n nit muckt! Verstanden?«

»No freilich, wohl, wohl, dös is einfach,« murmelten alle. Ein Bauer stand auf und schob den Stuhl zurück.

»Wohin denn? Wohin denn?« quiekte Knerzhuber.

»Nun, 'n Toni holt mer, fragt'n, der sagt ja oder nein, und dö G'schicht is im Handumkehr'n ausg'macht.«

Der kleine Mann wies mit dem ausgestreckten rechten Arme auf den verlassenen Sessel hin. »Sitz' nieder, sitz' nur wieder nieder, sag' ich! Manner, af'n ersten Aug'nschein nimmt sich freilich d'Sach aus, als könnt' da vom Fleck weg der eine d'Roß mit ihm fortführen oder der andere hingeh'n und d'Kuh heimtreiben; aber doch is's a ganz verzwickte Wett'. Freilich, sagt der Bub': Nein, dann hätt' der Sternsteinhofer verspielt, aber wann hätt' derselbe g'wonnen? Denn dadermit, daß der Toni: Ja sagt, is noch nix erwiesen; sein' kindlich'n Respekt und G'horsam zu bezeigen, müßt' er auch danach tun, denn sonst wär' ja sein Ja nit ja, und da d'rum könnten erst nach seiner Hochzeit mit der Sali – und früher nit – 'm Sternsteinhofer dö zwei Bräuneln ausg'folgt werd'n.«

»Unsinn,« murrte der Sternsteinhofer, aber die andern alle kopfnickten sich einverständlich zu, und der Käsbiermartel blickte vor sich hin mit der stillvergnügten Miene eines Mannes, dessen Sache sich ganz nach Erwarten anläßt. Er vermied es, seinen Nachbar anzusehen.

»Sollt' aber 'n beiden Wetthaltern d'ran g'legen sein,« hob der Knerzhuber wieder an, »daß die Sach' ihr'n Austrag find't, bevor wir sich da von' Sitzen heben, so hätt' ich ein' Vorschlag z'machen.«

»So red',« schrie der eine.

»Laß' hören,« murmelte der andere.

»Wann sich dö zwei Vadern d'Händ' d'rauf geben, daß s' ihnere Kinder nach einer bestimmten Zeit woll'n Hochzeit machen lassen – es muß aber a menschenmögliche Zeit sein mit 'r g'nauen Angab' von Jahr und Tag – so soll das als a ehrlicher Verspruch gelten und, wann dann der Bub' mit der Sach' und auch mit der Zeit einverstanden is, so steht nimmer nix entgegen, daß der Sternsteinhofer 'n Wettpreis an der Stell' von da mit fortnimmt.« Das kleine Männel schlug bekräftigend in den Tisch, dann setzte es sich nieder – was, wie bemerkt, seinem Ansehen keinen Eintrag tat – und gönnte den beiden Gegnern Zeit zur Überlegung. Die Beisitzer murmelten beifällig.

Der Sternsteinhofer hatte sich hoch aufgereckt und eine Weile auf den Rücken des gebückt sitzenden Käsbiermartel herabgesehen, nun legte er ihm die Hand auf die Schulter. »No, du, was sagst denn dazu?«

»Was soll denn ich dazu sag'n?« knurrte der. »Ich denk', die Kuh z'g'winnen! Verspiel' ich d'Roß', bekümmert mich g'rad', wann du dö kriegst, und werd' ich dir noch dazu verhelfen, nit?«

»No, nur nit ung'schickt! g'wett' is g'wett'! und bin ich einverstanden mit einer menschenmöglich'n Zeit in Jahr'n und Tag'n, so kannst du's auch sein.«

»Ah, nein, nein, hitzt kämen d'Finessen.«

»Was wär' dabei für a Fineß'?« lachte breit der Sternsteinhofer.

»Soll ich dir trau'n? Soll ich dir trau'n?« Der Käsbiermartel mußte sich in einer außerordentlich bedenklichen Lage fühlen, so nachdrücklich kraute er sich hinter den Ohren. »Wenn ich dir trau'n soll, dann müßt' dein Handschlag aber auch dafür gelten – und wär's gleich schon 'n morgigen Tag, wo die zwei miteinand' zum Altar gingen – daß du vom Hochzeitsmahl weg in dein Stüberl gingst und d'jungen Leut' Herrn sein ließ'st af'm Hof.«

»Einverstanden.«

Die beiden Alten boten ein schönes Bild echt menschlicher Eintracht, wie sie so dasaßen, sich die breiten Tatzen drückend und einer den andern von der Seite mit lauernden Augen anblinzend.

»Also abg'macht,« sagte der Sternsteinhofer mit Nachdruck, dann fuhr er gleichmütiger fort: »Mein Wort z'halten, wird mer nit schwer fall'n, denn nach denselben Jahr'n und Tag'n werd' ich wohl 's Hausens schon müd' sein, – –«

»Na siehst,« schrie der Käsbiermartel, »ich hab's ja g'wußt, da kimmt d' Fineß zum Vorschein! Af dein' alte Bockköpfigkeit lauft's h'naus, daß ich mein Dirn' dein'm Bub'n aufbehalten sollt', und wurd's gleich drüber steinalt und kleinwinzig, bis dir's taugt und bis dir's g'legen käm'!«

»No und was war denn das vorhin von dir, wann nit dein' alte Aufdringlichkeit, mit der d' mir schon d'Jahr her zured'st, mich zur Ruh' z'setzen?! Von dir war ich's g'wärtig, hast du von mir was anderscht erwart'? In unsern Alter ändert sich mer doch nimmer. Also mach' keine Mäus', schick' dich, wo h'nein d' mußt, und laß' mich hitzt b'sinnen, daß ich die Zeit aussprech', –«

»Nein, nein!« Der Käsbiermartel fuhr schreiend vom Sitze empor und focht dazu wie verzweifelnd mit den Händen in der Luft herum; man hatte noch nie ihn sich so gebärden sehen. »Nein, nein, das geht nit an! das is nit recht und billig! dös gibt's nit, daß du's selber bestimm'st!«

»Bist letz?« fragte erstaunt der Sternsteinhofer. »Wer soll's denn b'stimmen, wann nit ich?!«

»Du nit! Dich will ich nit! brauch' dich auch nicht z'wollen!« fuhr der Käsbiermartel schreiend fort. »Hör' mich an! hört's mich an, Manner! Mich reut's, wie viel ich Haar af'm Kopf' hab'; ich wett' eh' selten, mit dem hätt' ich's schon gar nit soll'n, mit'm Sternsteinhofer nit, der is gar fein! Schier gib ich mein' Wett' verlor'n, aber soll'n d'Roß' hin sein, soll'n d'jungen Jahr' von meiner Dirn' verspielt sein, hitzt verschreib' ich mich dem Wettteufl mit Haut und Haar'n, ob er mir wohl will oder übel! Hat der Toni 's eine z'entscheiden, so soll er auch's andere, sagt er: ja, so soll er auch sag'n: wann! Dös is nit mehr wie billig!«

»Dös is auch nur billig,« sagten die Beisitzer.

Der Sternsteinhofbauer erhob sich. »Das ganze Geschrei und Getue hätt'st dir ersparen können. Ich bin ganz einverstanden damit.« Er beugte sich herab und raunte dem Käsbiermartel ins Ohr: »Du Fuchs, dem eilt's ebensowenig wie mir.«

Einen Augenblick sah der Lange erschreckt auf. Aber er hatte sich ja – bedeuten lassen! Sofort senkte er wieder den Kopf und schmunzelte die Tischplatte an.

Der Sternsteinhofer winkte den andern Tischgenossen mit lachenden Augen zu. »Hitzt geh' ich, mir meine Roß' anschauen,« sagte er.

»Da geh'n mer mit,« schrien alle lachend.

»Mir müssen ja,« lärmte einer, »schon damit kein Abreden stattfind't zwischen 'm Alten und 'm Bub'n!«

Der Alte hob drohend den Finger gegen den Vorlauten. »Du! so was sag' nit! das is mer kein G'spaß! Unehrlich wär' ja eh' verspielt.«

Toni saß im Hofe auf dem Verschluß eines großen Wasserbottichs, in welchen das Rohr der Dachrinne mündete. Als die spektakulierende Schar aus dem Flur trat, lief eine Kellnerin von ihm hinweg, mit der er eben geschäkert hatte.

»Schau' du Grasteufel! Du hast's not, af Lottereien z'denken,« sagte der Sternsteinhofer. »Denk' du lieber an deine neun Jahr'!« Er faßte ihn an einem Knopfe der Joppenklappe und gab ihm einen kleinen Ruck. »Neun Jahr' hat er noch, Manner, und parier'n und ja sag'n heißt's (wieder ein Ruck) – beim Einberufen – sonst ging's ihm übel!« Er gab ihm einen derben Schlag auf die Schulter und, ohne auf die teils verdutzten, teils verschmitzten Gesichter seiner Geleitmänner zu achten, schritt er gegen den Schuppen, unter welchem Käsbiermartels Wagen stand, ganz ernsthaft seine Rede schließend: »Ja, ja, sein gar streng' die Krieg'sg'richten.« Nachdem man die Pferde beaugenscheinigt hatte, kam er wieder über den Hof zurück. »Komm mit,« sagte er im Vorbeigehen zu Toni und als sie in die Wirtsstube eingetreten waren, stellte er sich dem Burschen gegenüber und, ihn gerade in's Auge fassend, begann er: »Horch' mal auf und versteh' mich wohl! Es soll sich hitzt weisen, ob auch dir dein's Vaters Will' höher gilt wie dein eigener; d'rum erwart' ich kein' Widerred', wann ich dir sag': du heirat'st Käsbiermartels Sali. Dö Zeit zu b'stimmen, wann d' Hochzeit sein soll, is nach Abmachen dir überlassen; du kennst alle Umständen, weißt, was d' z'sagen hast, also braucht's kein lang' B'sinnen. Red'!«

Der Bursche blickte dem Alten trotzig in das Gesicht. »Wann mer eh' kein' Widerred' erlaubt is, was will ich denn machen? Gut, so heirat' ich halt d'Sali. Es is mer nur lieb, daß ich doch wenigstens selber dö Zeit bestimmen kann, wann das sein soll, und da bitt' ich auch mir jede Widerred' aus! muß's schon sein, will ich drüber nit alt werd'n; in acht Wochen is Hochzeit!«

In dem brausenden Gelärme, das jetzt losbrach, erstarb ein unartikulierter Schrei des Sternsteinhofbauers.

»Wirt! Wirt! Wirt! – jetzt weißt, an wen d' dich z'halten hast!« – »Der Sternsteinhofer zahlt!« – »Füll' ein' frischen ein!«

Man schüttelte dem Alten die Hände, er stand und starrte sprachlos vor sich hin; erst als der Käsbiermartel hinzu trat und, ihn mit beiden Armen an den Schultern rüttelnd, rief: »So hast richtig g'wonnen, du Himmelsakra, du?! No, sein dir vergönnt dö zwei Braun', sein dir vergönnt, weil's dein Bub' so gut mit meiner Dirn' meint,« da schien der Sternsteinhofer wieder zu sich zu kommen; er stieß den Langen zur Seite, wies wiederholt nach dem Tische, was die Wettzeugen, da eben die frisch gefüllten Krüge hingesetzt wurden, einer freundlichen Einladung gleich erachteten; dann faßte er den Toni über dem Ellbogen mit einem Griffe, über den der Bursche einen lauten Aufschrei nur mit Mühe verbiß, führte ihn aus der Stube, zerrte ihn in einen finstern Gang, der an den Flur stieß, und drängte ihn dort in eine Mauerecke. »Hundling, elendiger,« keuchte er, »mit Peitschenstecken schlag ich dir'n Schädel ein bein Heimfahr'n und schmeiß' dich in' Straßengraben.«

»Bist närrisch,« ächzte der Bursche, mit verzerrtem Gesichte sich unter dem harten Griffe des Alten krümmend, »was hab' ich dir denn g'tan?«

»Abg'kartelt war's Ganze, um Haus und Hof habt's mich betrogen!« Er riß den zappelnden Burschen an sich und warf ihn dann an die Wand, daß es dröhnte.

»Nit nochmal rühr' mich an!« kreischte der. »Rühr' mich nit an, sonst schrei ich um Hilf! – Ich weiß von nix. Und wann's wär', wie du denkst, wer hat dich denn wetten g'heißen, wer hat dich denn gezwungen, Wort und Handschlag zu geben?! Das all's hast freiwillig, und ehr'nhafter sitz'st wohl 'n der Ausnahm', wenn du dir nix merken laßt, als wenn du Lärm schlägst und af'n Hof zu'n G'spött 'n Leuten als der g'foppte Sieb'ng'scheite unter d'Augen gehst.« Toni verstand sich überhaupt nicht darauf, seinem Vater einen Wunsch an den Augen abzusehen, derjenige aber, der jetzt aus denselben leuchtete, war doch etwas gar zu unväterlich. Hätten Blicke die Macht zu versteinen, zu versengen, zu vergiften, der Bursche wäre nicht lebend von der Stelle gekommen. Plötzlich krampfte sich dem Alten der Mund und die ganze untere Partie des Gesichts zusammen, als ob er eine unreife, herbe Frucht zwischen den Zähnen hätte. Er kehrte dem Burschen den Rücken zu und schritt langsam nach der Gaststube zurück.

Dort saß er, in sich gekehrt, wortkarg und leerte fleißig sein Krüglein.

 

Es war spät am Nachmittage, als sechs Bauern den Sternsteinhofer hinaus nach dem Schuppen trugen. Einer ging dem Zuge mit einer Fahne vorauf, es war eigentlich ein Besenstiel, an dem ein Tischtuch flatterte; sie ward gesenkt, als man den Volltrunkenen in das Korbgeflechte seines Wägelchens auf Stroh bettete. Man legte ihm statt der Heiligenbilder Spielkarten auf die Brust, und er ermunterte sich gerade noch so weit, daß er die Blätter zusammenraffen und dem Spaßvogel an den Kopf werfen konnte, der sich eben anschickte, im lamentablen Vorbetertone eine Danksagung der »tüftrauörndön Hüntörblübönön« an die »gööhrden, vörsahmöldön Anwösöndön« herabzuleiern.

»Fahr' zu, Halunk!« lallte der Trunkene.

»B'hüt' Gott, Käsbiermartel!« rief der Toni vom Kutschbock. »Du siehst, heut' kann ich nit abkommen. Grüß' mer d'Sali!«

Der Wagen rasselte davon, und hinterher liefen die zwei gewonnenen Braunen und sahen mit breiten Mäulern und ernsten Augen auf die gefallene Größe herab, die vor ihnen im Stroh von einer Seite zur andern kollerte. Von Zeit zu Zeit hob der Bauer die schweren Lider und stierte die teilnahmslosen, gleichmütigen Tiergesichter an, mit einem leisen Fluche schloß er dann wieder die Augen; sah er aber die beiden Pferde die Köpfe zusammenstecken, als hätten sie, Wunder was, Heimlichs miteinander, so geriet er in Wut und traktierte sie mit Faustschlägen; durch ihr Aufbäumen und Schlagen zerrten sie dann das Wägelchen hinter sich, und Toni hatte alle Mühe, sie wieder zu beruhigen.

Diese kleine Beschwer vermochte jedoch nicht, die gute Laune des Burschen zu schmälern, er pfiff leise vor sich hin, und manchmal, wenn er mit einer halben Kopfwendung hinter sich in's G'rät nach dem »herumschloddernden« Alten blickte, überkam es ihn auch, daß er lachte, aber vorsichtshalber mit geschlossenem Munde durch die Nase.

Ja, bei den Soldaten lernt man, sich auf Pfiffe verstehen! Wie häufig in der Welt, trägt es auch da die Keckheit über den Verstand davon; das Feinsteingefädelte, wer das aussinnt, verspielt, und das Plumpste, was oft mit Händen zu greifen, gewinnt. Der Toni überließ sich der ungetrübten Freude über den Erfolg seiner »Kriegslist«. Nur etliche Male während der langen Fahrt befühlte er seinen Kopf und seinen linken Arm; wo er gegen die Wand schlug, wird es wohl Beulen geben, und wo sich die Finger des Alten eingekrallt hatten, blaue und braune Flecken.

»Kein D'randenken wert! heiler hätt' ich nit davonkommen können. Eh', Füchsin, bleibst im Schritt! Merkst, daß's heimzu geht? Kannst 'n Stall nit erwarten? Ich werd' dir, –«

Ganz nahe lag der Sternsteinhof. – In acht Wochen Herr darauf!


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