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Dschâmî

Mit vollem Namen Mewlānā Abd-er-rahmān im Dschâmî, wurde am 23. Tage des Mondes Schaaban 817 d. H. (1414 n. Chr.) geboren. Sein Vater Ahmed aus Ispahan stammte aus dem niederen Volke; in dem Dorfe Dscham, Provinz Chardschard, ehelichte er, dortselbst gebar ihm sein Weib auch den Sohn, der von diesem Geburtsorte her den Namen Dschami führte. Die erste Erziehung erhielt derselbe bei dem Scheich Mohammed Kaschgari; der ihn in die Geheimnisse des beschaulichen Lebens, des Sufismus d. i. Mysticismus einführte. Bald verbreitete sich sein Ruf und auf die Einladung des Kunst und Wissenschaft liebenden Sultans Abu Said, eines Enkels Timurs, ging er nach Herat, wo er hohe Ehren und begeisterte Aufnahme bei den Vornehmsten des Hofes fand. Besondere Zuneigung wandte ihm der Vezier Emir Ali Schir zu, der selber als Schriftsteller thätig war und in dieser Thätigkeit völlig an Dschami'sche Muster sich anschloß. Nach dem Tode Abu Saids gelangte Hussein Mirsa Beikara zur Herrschaft, der letzte Nachfolger Timurs in Chorassan und Persien, der den Dichter in gleichem, wenn nicht noch höherem Maße begünstigte. Dschami starb, allgemein betrauert, am 18. Moharrem des Jahres 898 d. H. (1492 n. Chr.). Sein feierliches Leichenbegängnis fand auf Kosten des Sultans statt.

Dschami, der letzte der großen persischen Dichter, war von großer Fruchtbarkeit. Er hinterließ bei seinem Tode vierunddreißig prosaische Werke teils theologischen und mystischen Inhalts, teils Kommentare zu verschiedenen Versen, u. a. Rumis, des Emir Chosru aus Delhi etc., Abhandlungen über den Reim und die Musik, Grammatikalisches und Epistolographisches, Briefmuster, sowie eine Geschichte der Stadt Herat. An poetischen Werken schuf er den »Heerwagen« oder »Heft Ewreng«, eine Sammlung von sieben großen romantischen Epen: »Die goldene Kette« (Silsiletus-seheb), »Absal und Selman«, »Geschenk für Freie« (Tohfetul-arar), »Rosenkranz für Gerechte« (Subhetul-ebrar), »Jussuf und Suleicha«, »Leila und Wedschnun« und das »Weisheitsbuch Alexanders« (Chirednameh Iskender), von denen nach des Dichters eigener Ansicht die Jussuf und Suleicha-Dichtung die schönste und beste bildet. Er begann dieselbe im hohen Alter und vollendete sie im 70. Lebensjahre. Außerdem schrieb er vier Divane und das »Beharistan« (Frühlingsgarten), ein in acht Bücher (Gärten) zerfallendes didaktisch-moralisch-poetisches Werk, zu dem er durch den Sadi'schen »Rosengarten« angeregt wurde, und an den er sich auch in den Äußerlichkeiten völlig anschloß. Interessant ist das siebente Buch, welches eine Art Anthologie und Geschichte der persischen Poesie ist. Schließlich ist er noch der Verfasser einer großen, mittleren, kleineren und kleinen gereimten Abhandlung über gereimte Logogryphe und mancher kleinen Traktate, sodaß die Zahl seiner Werke etwa vierzig beträgt.

Aus »Jussuf und Suleicha«.

Der von den persischen Dichtern mehrfach behandelte Stoff dieses Gedichtes lehnt sich an den Koran und damit indirekt an die Bibel an und behandelt die bekannte Sage von Jakobs Sohn Joseph und der Frau Potiphars. Doch hat bei den Muhammedanern die Legende vielfache Erweiterung und Vertiefung erfahren und endet mit der glücklichen Vereinigung der Liebenden; die Charakterentwickelung Suleichas von sinnlicher irdischer zu rein geistiger himmlischer Liebe ist voll und ganz im Geiste der persischen Mystik gedacht. Das Dschami'sche Epos beginnt, wie hergebracht, mit dem Lobe Gottes, des Propheten und dem Preise des Sultans; wir teilen die ersten Verse der Einleitung mit.

Die Rosenblüt', im süßen Sehnen,
Laß sie, o Gott, entfalten sich,
Und aus dem Hain, dem ewigschönen
Beglück' mit einer Rose mich!

Mein Garten sei ein holdes Lächeln,
Das er der Rosenknospe nahm;
Der Rose Duft soll mich umfächeln,
Und schützen mich vor Geistesgram.

In dem Seraï bittrer Leiden
Laß deine Gnade mich verstehn;
An dir nur soll mein Geist sich weiden,
Mein Mund soll preisend zu dir flehn.

Laß mir mein Licht aus Dunkel strahlen,
Zu siegen auf des Wortkampfs Platz;
Mach' meinen Mund zu Wageschalen d.h. laß meine Zunge das beste reden, was in meinem Herzen ruht.
Von meines Herzens Perlenschatz.

Mein Herz durchström' gleich Moschusdüften
Von Qâf zu Qâfe rings die Welt, Das mythische Gebirge, welches die Welt umschließt und den Wohnort der Geister bildet.
Es schweb', wie Ambra in den Lüften,
Des Dichters Geist am Himmelszelt.

Noch kennt man nur des Buches Namen
In dieses Märchenweines Haus;
Nie fand ich es, denn die da kamen,
Die Gäste, gingen nach dem Schmaus.

Sie ließen nur die leeren Becher,
Doch niemals fand ich solchen Wein
Bei irgend einem jener Zecher –
Drum Dschâmî, sei's wie's sei, schenk' ein!

Wollheim.

Suleïchens erster Traum

In einer Nacht, schön wie der Lebenstag,
Und Wonne mehrend wie die Jugendzeit,
– Der Ruhe pflogen Fisch und Vogel schon,
Die Zeitung zog den Fuß schon in den Saum; den Fuß in den Saum ziehen = von einem Geschäfte abstehen: die Zeitung, die Begebenheit, das Leben steht stille.
In diesem Hause, reger Schaulust voll,
War nur der Sterne helles Aug' noch wach;
Die Nacht, die Diebin, stahl des Wächters Sinn,
Der Glöckner hieß die Glockenzunge ruhn;
Der Hunde Schweifring wand zum Halsband sich,
Das ihres Heulens offne Bahn verschloß; Die schlafenden Hunde, indem sie ihren Kopf in den Ring ihres Schweifes stecken, machen diesen Schweif gleichsam zum Halsband, das, ihre Kehle schnürend, sie am gewohnten Bellen hindert.
Der nächt'ge Vogel zog sein Federnschwert,
Womit er schweigend in sein Rohr sich schnitt; Die schlafenden Vögel verbergen ihren Hals, den Dschami mit einem (melodischen) Rohr vergleicht, unter ihre Flügel, die dem Dichter als Schwerter erscheinen; diese Schwerter schneiden den Hals (Rohr) gleichsam ab, sodaß er stumm wird.
Des Königsschlosses hohes Kuppeldach
Erschien als Mohnkopf vor des Wächters Aug',
Dem nun zum Wachen keine Kraft mehr blieb,
Weil jener Mohn in Schlummer ihn gewiegt; Der schlaftrunkene Wächter hält die Schloßkuppel für einen Mohnkopf. Er wird noch schläfriger durch diesen Mohn.
Der Trommelschlägel trommelte nicht mehr,
Weil Schlaf die Hand ihm fest am Schlägel hielt,
Und des Gebetverkünders heller Ruf
Rollt noch der nächtlich Toten der Schlafenden. Bett nicht zu –
Da lag Suleïcha mit dem Zuckermund,
Den Zuckerschlaf auf der Narzissen Auge. Paar;
Sanft rieb am Kissen sie ihr Sunbulhaar, Wie die schmachtenden Augen Narzissen, so wird das Haar Sunbul, d. h. Hyacinthenhaar genannt; der Vergleich auch bei europäischen Dichtern, wie Homer, Milton.
Und lieh dem Bett des Körpers Rosenbund.
Der Pfühl durchwühlt die Sunbul ihr, die zart
Mit Seidenpinseln nun auf Rosen malt. Indem das Kissen ihre Haare durchwühlte, fielen diese – gleichsam seidene Pinsel – auf die Rosen ihrer Wangen herab und bildeten schöne Zeichnungen darauf.
Zwar ruht ihr bildlich Auge noch im Schlaf,
Doch ihres Herzens zweites Auge wacht.
Da war es ihr, als trät' ein Jüngling ein,
Was sag' ich, Jüngling? nein, ein hehrer Geist;
Sein sel'ges Antlitz hell aus Licht geformt,
Bestahl die Huris in dem Garten Chuld; Chuld, Name des im Koran oft erwähnten fünften der Paradiese.
Er war's, der ihnen allen Reiz geraubt,
Er, der um alle Anmut sie gebracht.
Dem jungen Buchse ähnlich war sein Wuchs, Der Buchs erhebt sich in den arabischen Wäldern zum schönen Baum.
Sein Sklave der Cypresse freier Stamm; Die Cypresse ist im Orient Symbol der Freiheit.
Als Kette hing sein langes Haar herab
Und fesselte des Rades Hand und Fuß,
Vor seiner Stirne hellem Strahlenglanz
Neigt demutsvoll so Mond als Sonne sich;
Sein Brauenbogen war ein Hochaltar, Eine gewölbte, nach Mekka sehende Nische (Mihrab) in den Moscheen, in welcher der Koran sich befindet; der obige Vergleich ist bei persischen Dichtern häufig.
Ein Ambrazelt auf halbentschlummerten; Augen.
Sein Antlitz war des Paradieses Mond,
Der in des Schützen Himmelszeichen Augenbogen; Wortspiel: das Wort »kaws« heißt sowohl Bogen, als das Zeichen des Schützen. ruht;
Mit Anmutssurme war sein Aug' geschminkt,
Und seiner Wimper Pfeil durchschoß das Herz;
Sein lächelnder Rubin goß Zucker aus,
Denn sprach sein Mund, war's nichts als Süßigkeit;
Sein helles Perlchen in Rubin gefaßt,
Glich einem Blitz im hellen Morgenrot; seines Mundes.
Licht troff ihm aus der Plejas, aus seinem Munde. lachte er,
Und Salz aus der Pistaze der Mund. voll von Trug;
Sein Apfelkinn vom Unterkinn umringt
Gleich einer Quitte, die am Apfel prangt;
Ein Moschusbrandmal war sein Wangenmal
Ein Rabennest auf einer Rosenflur;
An Silber reich war seiner Arme Paar,
Doch silberlos die Lende Der Arm, als ein fleischigter Teil des Körpers, wird dem Silber verglichen; die Lende aber kann ihm nicht verglichen werden, da sie so zart und fein wie ein Haar sein soll. fein wie Haar.

Als ihn Suleïchens Auge so erblickt,
Geschah durch einen Blick das, was geschah,
Da übermenschlich hohen Reiz sie sah,
Der Peris selbst und Huris nie geschmückt.

Das schöne Bild, die hohe Lieblichkeit,
Sie fesseln nun mit hundert Herzen sie,
Von seines Wuchses Ideal erfaßt,
Pflanzt sie der Liebe Zweig sich in das Herz;
Sein Angesicht wirft Glut ihr in die Brust,
Worin Geduld und Glaube sich verzehrt;
An jedes Härchen seines Ambrahaars
Knüpft sie die Fäden ihrer Seele fest.
Sein Brauenbogen preßt ihr Thränen aus,
In Blut getaucht heißt sie sein Auge ruhn;
Zum Zuckerballen schafft sein Mund ihr Herz,
Sein Zahn, die Wimpern ihr zur Perlenschnur;
Sein Silberarm raubt ihr der Sinne Glut;
Sie knüpft als Dienstgurt um die Lende ihn,
Bestaunt der Wangen holdes Moschusmal,
Und brennt gleich Rauten in des Feuers Glut.
Sein Apfelkinn ist Seelenpein für sie:
Wo pflückt man leicht auch eine Frucht wie die?

Bei Gott! Ein herrlich Bild ist, das sie schaut,
Ein Bild, das flieht, doch sich im Geiste mehrt. –
Suleïcha zürnt nun auf ihr eignes Ich,
Denn nicht das Bild, der Sinn nur reizet sie.
Begriffe sie das Wesen jenes Sinns,
Sie schwänge sich zum Himmel hoch empor;
Doch ach, befangen in dem Bilde nur,
Erkennt sie nicht des hehren Sinnes Spur.

Uns alle fesselt stets nur eitler Wahn,
Und ewig kleben wir am Bildlichen.
Zeigt in dem Bilde sich kein höh'rer Sinn,
Fröhnt denn ein Herz dem Bildner mit Gewinn?

Der Durst'ge weiß den Krug mit Wasser voll,
Und streckt die Hand rasch nach des Kruges Hals:
Doch taucht er einmal in ein süßes Meer,
So denkt er an den Wasserkrug nicht mehr.

Stiller Schmerz

Früh als der nächt'ge Rabe schon entfloh,
Des Morgensohnes heller Ruf erscholl,
Die Nachtigall, mit lieblichem Gesang,
Der Knospe Schleier von der Rose hob;
Das Veilchen seine Ambralocken wusch,
Und der Jasmin im Morgentau sich kühlt',
Da lag Suleïcha noch im süßen Schlaf,
Das Herz dem Nachtaltare zugewandt;
Doch war's nicht Schlaf, es war des Taumels Lust,
Worin sie lag, sich selber unbewußt.

Die Zofen fallen ihr zu Füßen jetzt,
Zum Handkuß kommt jetzt ihrer Mädchen Schar:
Da lüftet sie den Flor, der Tulpen birgt,
Und öffnet hold ihr schlummernd Augenpaar.

Es wird ihr Kleid zum Mond- und Sonnen-Ost,
Dem sie das Haupt enthebt und um sich blickt;
Doch von dem ros'gen Jüngling keine Spur!
In sich gekehrt, gleich Knospen, wird sie jetzt,
Und will im Gram, den die Cypreß Joseph. ihr schafft,
Das Kleid vom Leib sich reißen, Rosen gleich;
Allein die Scham hält ihr die Hand zurück
Und knüpft den Fuß ihr an der Duldung Saum.
Im Herzen birgt sie ihr Geheimnis nun.
– So birgt im Schlag sich der Rubin –
Und Blut verschlingt, der Knospe gleich, ihr Herz,
Dem nicht ein Tropfen lindernd mehr entquillt.
Zwar spricht die Lippe mit der Zofen Schar,
Doch beim Gespräche klagt und weint das Herz;
Mit den Gespielen lacht der Zuckermund,
Doch knotig ist das Herz, wie Zuckerrohr;
Indes die Zunge mit den Leuten schwätzt,
Sprühn hundert Funken aus der Liebe Mal.
Es fällt ihr Blick auf anderer Gestalt,
Doch an den Freund gefesselt bleibt ihr Herz:
War wohl des Herzens Saum in ihrer Hand,
Da stets vor ihr der Herzensräuber stand?

Ein Herz, im Schlund des Liebes-Krokodils,
Freut ach, nur lahm sich des erreichten Ziels.

Sie kennt jetzt keinen Wunsch mehr außerm Freund,
Und keine inn're Ruhe als bei ihm:
Spricht sie ein Wort, ist's mit des Freundes Bild,
Und hegt sie Wünsche, ist's vom Freunde nur.
Oft trat die Seel' ihr auf der Lippe Rand,
Eh jenes Leidentages Nacht erschien;
Die Nacht, die Freundin aller Liebenden,
Die ihr Geheimnis treu im Busen wahrt
Den ganzen Tag verkünden sie ihr Lob,
Weil sie den Vorhang senkt, den jener hob.

Nacht ward's – gelehnet an des Grames Wand,
Krümmt sie den Rücken, einer Harfe gleich,
Die sie mit Thränensaiten überzieht,
Und nach dem Klange ihres Herzens stimmt:
Der Laut, den sie nun giebt, zerreißt das Herz:
Durch aller Töne Leiter stöhnet sie. –
Sie setzt des Freundes Bild sich vor das Aug',
Und Perlen strömen ihr aus Aug' und Mund. Worte und Thränen.
»Aus welchem Schachte bist du, Edelstein?
Denn dir nur dank ich jenen Perlenstrom:
Du stahlst mein Herz, sprachst deinen Namen nicht,
Sprachst ach, kein Wort von deinem Aufenthalt!
Von wem erfrag' ich deinen Namen wohl?
Wer kündet mir die Stelle, wo du wohnst,
Bist du ein König, sprich, wie nennt man dich?
Bist du ein Mond, wo glänzt dein hoher Thron?
Daß niemand doch befangen sei, gleich mir,
Der weder Herz, noch Herzensfreund verblieb!
Ich sah dein Bild, es stahl den Schlummer mir,
Und preßte mir aus Herz und Auge Blut!
Ich Schlummerlose: ach, es blieb mein Herz
In deiner Liebe heißen Glut zurück!
Wie wenn du Wasser gössest auf die Glut,
Nicht, gleich den Guten, heiß und schnöde wärst?
Ein Röschen war ich aus der Jugendflur,
War frisch und sanft dem Lebenswasser gleich;
Nie wehte noch ein rauher Wind mich an,
Nie stach ein Dorn noch meinen zarten Fuß;
Durch einen Blick gabst du dem Wind mich preis,
Warfst auf das Lager tausend Dornen mir!
Ein Leib, viel zarter als der Rose Blatt,
Wie schläft er wohl auf einer Dornenstatt?«

So ächzt sie nachts bis zu des Morgens Grau'n,
So klagt sie ihres Freundes Traumbild an.
Die Nacht entschwand. Vermeidung des Verdachts
Wäscht ihr das Aug' von blut'gen Thränen rein.
Der Lippe, noch vom blut'gen Nachttrunk feucht,
Drückt sie des Schweigens trocknes Siegel auf,
Und leiht dem Kissen frischer Rufen Licht
Und leiht dem Bette der Cypresse Pracht.
Auf solche Weise schwinden Tag und Nacht,
Und ihr gelingt die kleinste Änd'rung nicht.

Dreimal erscheint ihr der Jüngling, Joseph, im Traume und in der dritten Nacht verkündet er der in allerhand Vermutungen sich Ergehenden, daß er Vezier im Ägypterlande sei. Suleïcha vergißt bei diesem Worte allen Gram; sie drängt den Vater, Boten nach Memphis zu senden, und um die Hand des ägyptischen Veziers anzuhalten, von dem sie glaubt, daß er der Geliebte sei. Aber der Traum hat sie getäuscht, indem er Zukünftiges schon als Gegenwärtiges ihr erzählte. Der greise ägyptische Vezier, Putiphar, ist hocherfreut über die ihm widerfahrende Ehre. Suleïcha zieht unter großem Gefolge nach Memphis, der zukünftige Gemahl kommt ihr entgegen. Als Suleïcha nun durch ein Loch in der Zeltwand hinausspäht, von Sehnsucht erfaßt, den Geliebten zu erblicken, und einen ganz Fremden, einen Greis sieht, fällt sie, jäh erschreckt, wie tot hin und bricht, wieder erwacht, in laute Klagen aus. Erst als eines Engels Stimme sie tröstet, daß das alles Gottes Bestimmung sei, und daß sie nur auf diesem Wege zur Vereinigung mit dem Geliebten kommen könne, faßt sie sich und wird mit Putiphar vereinigt. Wohl ist sie mit aller äußeren Pracht umgeben, aber ihr geheimer Schmerz wächst nur immer mehr:

Schmerz ab der Ferne

... Suleïcha fand an jenem sel'gen Ort,
Was immer nur zur Pracht gehört, bereit.
Als Sklave dient ihr selbst der Großvezier,
Nichts mangelt ihr von Gütern und von Gold;
Es laufen Zofen, rosenduft'gen Leibs,
Sie zu bedienen ohne Rast umher,
Und Sklavinnen – der Herzen Qual und Trost –
Steh'n immerdar auf ihren Wink bereit,
Samt Knaben, in ägypt'schen Kassab; feines Leinen. Stoff gehüllt,
Vom Haupt zum Fuße süß wie Zuckerrohr,
Und Mohren zart aus Ambrathon geformt,
Den Saum, gleich Engeln, von Begierden rein,
Bewohnern des Harems, die reinen Sinns
Und treu dem Dienste des Harems sich weihn.

Ägyptens Frauen kamen sämtlich nun
– Mit Reizen und mit Schönheit reich geziert,
Und ihr an Wuchs sowie an Jahren gleich –
Der Wonne ihres Umgangs sich zu freun.
Suleïcha weilt bei allen in dem Saal
Wo Freund und Fremder gleichen Rechts genießt,
Und spannt des Frohsinns bunten Teppich auf,
Das Herz voll Blut, die Lippe voll von Lust.
Sie schien mit jeder im Gespräche hier,
Doch anderswo lag ihres Herzens Pfand;
Zwar sprach der Mund mit den Versammelten,
Doch waren Herz und Seele stets beim Freund,
Beim Freund, mit dem in Wonne wie im Schmerz,
Sie nur allein ein festes Band geknüpft;
Es weilt ihr Bild bei jenen Menschen nur,
Denn, ach, ihr Sinn hegt andrer Sorgen Qual!
Dies war vom Morgen bis zur Nacht ihr Thun,
Dies ihr Benehmen mit den Freunden nun.

Kaum deckt der nächt'ge Flor der Sonne Licht,
So hüllt auch sie – ein Mond – sich in den Flor, d. h. zieht sich zurück.
Und setzt des Freundes Traumbild insgeheim
Vor sich hoch auf den Pfühl der Anmut hin;
Drauf setzt sie selbst sich auf der Ehrfurcht Knie,
Klagt ihm den Gram, den er ihr angethan,
Stimmt nach Gestöhn die Harfe ihres Worts,
Fängt rasch des Wahnsinns Lied zu singen an,
Und spricht zum Bilde: »O mein Seelenwunsch!
Verwiesen hast du auf Ägypten mich:
Du nanntest dich Ägyptens Großvezier:
Es werde stete Ehre dir zuteil!
Denn deine Ehre ist mir Kronenzier,
Und Seligkeit ist's, deine Magd zu sein.
Verlassen bin ich in Ägypten heut,
Und ach, beraubt des glücklichen Vereins!
Wie lange noch, von diesem Mal gesengt,
Zünd' ich an ihm des Elends Fackel an?
Komm, sei der Lichtglanz meiner Herzensflur,
Ein heilend Pflaster für mein Herzensmal!
Von Liebe zog mich's zur Verzweiflung hin:
Da gab ein Engel plötzlich Hoffnung mir;
Mein Leben fristet jene Hoffnung nur,
Vom Saum mir schüttelnd der Verzweiflung Staub.
Dein Schönheitslicht, das mir ins Herz gestrahlt,
Verbürgt mir unsres Wiedersehens Glück.
Träuft gleich mein Auge von der Sehnsucht Blut,
So späht es allenthalben doch nach dir.
O sel'ge Zeit, in der du, Holder, einst –
Ein Mond – ins Zeichen meiner Augen trittst!
Vernichtet steh' ich da, erblick' ich dich,
Und rolle schnell des Daseins Teppich zu,
Verliere der Gedanken Fadenend,
Und fasse, selbstlos, kaum mein eignes Thun;
Du schaust mich nicht am eig'nen Platze mehr,
Und nimmst als Seele meinen Platz nun ein;
Den Wahn des eignen Ichs entfern' ich ganz,
Und finde dich, wo ich nur mich gesucht!
Ich sehn' in beiden Welten mich nach dir:
Fand ich dich, ach! was sprech' ich dann von mir?«
Zum Morgen schuf, so klagend, sie die Nacht,
Und bis zum Tag sprach ihre Lippe so,
Doch kaum begann der Morgenwind zu wehn,
Als sie ihr Wort nach andrer Weise stimmt.
Wie sprach sie wohl? Sie sprach: »Auf, Morgenwind!
Geuß Moschusduft in der Jasmine Schoß,
Durchwehe Lilien und Cypressenau'n,
Und reibe Sunbuln an der Rose Blatt!
Du regst die Blätter gleich dem Glockenspiel, Glöckchen am Tamburin.
Und sieh, es tanzt der festgebannte Baum;
Du dienst als Bote treu den Liebenden,
Und wehest Ruh in der Verliebten Herz;
Du bringst von Holden einen Schmeichelbrief,
Und linderst stets der Schmerzerfüllten Schmerz.
Kein ird'sches Wesen grämt sich mehr als ich,
Ist harmerfüllter durch der Trennung Mal.
Mein Herz erkrankte – sei mein Herzenstrost,
Viel Qual schon litt ich – teile diese Qual!
Kein Plätzchen giebt es auf dem Erdenrund,
In das man je den Eintritt dir verwehrt:
Du dringst durch Thüren, selbst durch eiserne,
Du dringst durch Fenster, ist die Thür versperrt;
Erbarme meiner, der Verirrten dich,
Und o durchspähe jeden Ort für mich!
Flieh' nach der mächt'gen Fürsten Königstadt,
Auf des Monarchen Thron flieh' rasch von hier;
Frag' meinem Mond in allen Städten nach,
Auf jedem Thron such' meinen König mir;
Durchziehe jede bunte Frühlingsflur,
Und weile froh an jedes Stromes Strand:
Vielleicht erspähet der Cypresse Spur
Dein forschend Aug' an eines Baches Rand.
Nach Chotens Feldern lenke hold den Tritt,
Und lagre dich in Chinas Bilderhaus: d. i. die Werkstatt Mani's, des berühmten Malers und Stifters der Manichäersekte, dessen Irrlehre sich unter Schapur (Sapores I.), dem zweiten Monarchen aus der Sassanidendynastie, vom östlichen Asien bis zum westlichen Europa ausbreitete. Er wurde 277 n. Chr. auf Befehl des Königs Behram hingerichtet. Seine Malerkunst, welche ihm viele Anhänger verschaffte, wetteiferte mit der Kunst der chinesischen, welche bis zum Aufblühen der persischen Kunst im Orient die berühmteste war.
Du spähst vielleicht ein zart Gazellchen dort,
Und hier ein Bildnis, das ihm gleichet, aus.
Und kehrst du dann aus jenen Landen heim,
So denk' auf jedem Berg, an jedem Baum,
Wo sich ein Repphuhn schwanken Tritts dir naht,
O denke sein, und hasch' es flugs beim Saum!
Und stößt dir eine Karawane auf,
Geführt von einem Führer, sanft und mild,
So sieh ihn hold mit meinem Auge an,
Und lenke schnell den Zug in dies Gefild'.
Ich pflücke dann, kann ich den Holden schau'n,
Ein Röschen auf der Hoffnung Rosenau'n!«

Vom frühen Morgen, bis der Sonne Licht
Hineilte auf des Tages Tummelplatz,
Besprach sie, leiderfüllt und blut'gen Augs,
Sich stets so eifrig mit dem Morgenwind;
Und als die Sonn' des Tages Kreis erhellt,
Erhellt Suleïcha der Versammlung Kreis.
Vor ihr in Reihen stand der Zofen Schar,
Und sonnte sich an ihrer Schönheit Strahl:
Mit diesen Mädchen, rein an Herz und Brust,
Benahm sie heute so wie gestern sich.
So war des Tags ihr Zustand, so des Nachts,
So schwanden Monde, Jahre so dahin. –
Fühlt sie ihr Herz im Hause zu beengt,
So eilt sie flugs hin auf die Saatenflur:
Bald ächzt sie da aus brandmalvoller Brust,
Und wölbt zum Glutzelt, gleich der Tulpe sich,
Und spricht mit Tulpen von dem ros'gen Freund,
Und vom Geheimnis ihres Herzensmals;
Bald stürzt sie, gleich des Thales wildem Strom,
Mit nassem Auge an des Niles Strand,
Vertraut ihm den verborgnen Herzensgram,
Und menget Thränen in des Niles Flut.
So bringt sie kummervolle Tage zu,
Den Blick erwartend auf die Bahn gewandt:
Woher wohl komme der geliebte Freund,
Wo er als Mond, als Sonne wo erscheint? –

Der Dichter wendet sich alsdann der Geschichte Josephs zu, erzählt von seinem Traume, dem Neid und Verrat der Brüder, bis zum Verkaufe des Jünglings auf dem Sklavenmarkte. Gerade kommt Suleïcha vorüber, sieht das Gedränge des die Schönheit Josephs bewundernden Volkes und fragt nach der Ursache. Als man ihr Rede gestanden, schlägt sie der Sänfte Saum zurück,

Erblickt den Knaben und – erkennet ihn.
Ein unwillkürlich »Ach!« entfahrt der Brust,
Und bei dem »Ach« sinkt sie entselbstet hin.

Sie ersteht den Jüngling für einen ungeheuren Preis. Ihr Herz jauchzt nun hoch empor:

»O Herr! Ist's wachend oder träumend nur
Daß sich mein Herz des Herzgeliebten freut?
Wann hofft' ich wohl in schwarzer Nächte Grau'n
Auf dieses weißen Tages Seligkeit?
Des Sieges Frührot folgt nun meiner Nacht,
Und schmerzlos eilt so Nacht als Tag mir hin;
Nun jener Zarte mein Vertrauter ward,
Nun biet ich kühn dem list'gen Himmel Trotz.
Wer ist so froh in diesem Trauerhaus,
Wer blüht, wie ich, die Welke, neu empor?
Da ich ein wasserloses Fischchen schien,
Das dürstend hüpfte in des Sandes Glut,
Als der Erbarmungswolke Regenstrom
Vom Sande glücklich in das Meer mich trug;
Da ich in nächt'gem Dunkel mich verirrt,
Und auf der Lippe schon der Geist mir saß,
Als hell ein Mond am Horizont erschien,
Und mir den Weg zum Gau des Glückes wies;
Die ich schon auf des Todes Kissen lag,
Des Todes Fliete in der wunden Brust,
Als plötzlich Chiser an mein Pförtchen trat,
Und mich durch Lebensflut gerettet hat? –
Dem Himmel Dank, daß mich das Glück geschützt,
Daß mich die Zeit zu quälen aufgehört!« .......

Joseph wird natürlich nicht wie ein Sklave gehalten, sondern mehr wie der Herr des Hauses: auch Suleïchas Gatte ist sein aufrichtigster Bewunderer. Immer wilder flammt die Glut im Herzen der Verliebten auf. Aber Joseph bleibt keusch und weist alle versteckten und offenen Anträge zurück, wie sie ihm Suleïchas Amme überbringt. Klug weiß er immer neue Entschuldigungen vorzubringen. Suleïcha greift auf den Rat ihrer Amme zu allen Verführungskünsten. Sie besitzt einen herrlichen Garten, den der Dichter in allen poetischen Farben ausmalt:

Der silberbrüst'gen Mädchen hunderte,
Noch unberührt und von der reinsten Art,
Verpflanzt sie nun, Cypressenbäumen gleich,
Zur strengen Dienstpflicht hin an jenen Ort,
Dann spricht sie: Suleïcha zu Joseph. »Du, dem ich mein Haupt geweiht!
Erlaubt sei dieser Götzen Liebe dir;
Bin ich auch, wie du wähnest, dir verwehrt,
– Ein Wahn, der mich mit Bitterkeit erfüllt –
So gieb doch jeder, die dir winkt, dich hin,
Genieße jeder, die dir Lust verheißt:
Genieße, denn die schöne Jugendzeit
Ist dem Genusse und der Lust geweiht!«

Und wiederholt trägt sie den Mädchen auf:
»Süßlippige, seid wohl auf eurer Hut;
Liegt Josephs Dienst mit ganzer Seele ob,
Und trinkt selbst Gift, reicht seine Hand euch's dar!
Wo's ihn nach Seelen lüstet, spielt sie aus,
Und seid selbst stolz auf dieses Seelenspiel.
Was er zu thun befiehlt, erfreue euch,
Und folgsam müßt ihr seinem Willen sein.
Doch sei von jener, die er glücklich macht,
Die schnelle Kunde mir vorerst gebracht!«

So malt die Schlaue, voll der Ungeduld,
Das Bild des Truges auf der Wünsche Brett,
Und will, statt jener aus der Zofen Schar,
Die er zur Zeit des Schlafes sich erwählt,
Sich heimlich schleichen in des Lagers Raum,
Die Frucht verkosten seiner Anmutsflur,
Sich lagern unter seinem Palmenbaum,
Und Datteln pflücken – doch verstohlen nur ...

   

Nachts, als im schwarzen, rosenduft'gen Haar
Der Himmel schön wie eine Braut erschien,
Mit dem Plejadenschmuck im zarten Ohr,
Und mit dem Mond, als Spiegel in der Hand,
Da reihn die Mädchen, in der Anmut Kleid,
Voll holder List, in schlauem Liebesspiel,
In schöner Ordnung sich um Josephs Thron,
Und blasen Anmutszauber auf ihn hin.
Der Ersten süßer Mund streut Zucker aus:
»Verzuckre deinen süßen Gaum durch mich!
Brich meines Zuckerballens Schloß entzwei,
Und käue Zucker, gleich dem Papagei!«
Die Zweite winkt ihm mit dem Augenlid:
»O Holder, den kein Ausdruck je beschrieb!
Mein weltenschauend Aug' besäß' dich gern:
Komm setz' dich in dies Aug' als Augenstern!«
Die Dritte zeigt ihm ihres Baumes Pracht:
»Laß meinen Baum heut Nacht im Arm dir ruhn!
Wie schliefst du in der Wiege sel'ger Lust,
Schlief nicht mein holder Baum an deiner Brust? wörtl: schliefst du frei von dieser zarten Cypresse. Baum, so viel wie Gestalt.
Die Vierte ringelt schlau ihr Moschushaar:
»Gleich Ringen bin ich ohne Haupt und Fuß, d. h. betrübt und verwirrt.
Laß des Vereines Thor mich offen sehn,
Laß mich als Thorring vor dem Thor nicht steh'n!«
Die Fünfte hebt die zartgeformte Hand,
Und schlägt vom Arm den Ärmel hoch empor:
»Um dich vom Bosheitsauge zu befrein,
Will ich die Hand zum Amulet dir weihn!«
Die Sechste wählt ein Haar zum Gürtel sich,
Und schmückt ein Haar die Lende. mit einem andren Haar:
»Um meine Lende gürte deine Hand:
Schon schwebt für dich mein Geist am Lippenrand!«

So jede jener Tulpenwangigen,
Von Joseph fordernd des Vereines Lust:
Doch ihn, der Schönheit frische Gartenflur,
Ihn kümmert jene Hand voll Strohes nicht.
Ja, jene Schar der schlauen Götzen blieb
Im Grunde doch nur Götzendienerin. Joseph, dem Götzen an Schönheit, dienend, obwohl selbst Götzen an Schönheit.
Drum kannte Joseph keinen andern Zweck,
Als sie zu leiten auf des Dienstes der Religion. Bahn;
Denn, was er sprach, er sprach's vom Glauben nur,
Und vom Geheimnis, das die Zweifel löst.
Er sprach zuerst: »O schöne Mädchenschar,
Dem Auge teuer jedes Erdensohns!
Entflieht der Schmach, da ihr so teuer seid,
Und folgt des Glaubens weiser Satzung nur:
Denn außerhalb der Erde lebt ein Gott,
Der der Verirrten sichrer Führer ist;
Sein Gnadentau hat unsern Thon genäßt,
Worein er der Erkenntnis Korn gesät,
Damit der Zweig, der diesem Korn entsprießt,
Zum Baume reife auf der Erde Flur,
Und, hochaufstrebend aus dem niedren Grund,
Nur Früchte trage wahrer Gottesfurcht.
Anbetung ziemt dem Einen Gotte nur,
Denn er allein ist der Anbetung wert.
Kommt, laßt uns ihm, anbetend, huldigen,
Denn niedrig sind wir üb'rall ohne ihn.
Nur jenem neige huld'gend sich dein Haupt,
Der dir das Haupt zur Huld'gung hat verliehn.
Neigt sich das Haupt des Klugen wohl vor dem,
Des Haupt und Fuß auf gleicher Stufe stehn?
Schnitzt seine Hand sich wohl ein Steinbild aus,
Um liebend ihm das wunde Herz zu weihn?
Nur zu bekannt ist, was ein Stein vermag:
Sein frevler Dienst bringt Schande nur und Schmach.«
Als Joseph so vom Nachtbeginn bis früh
Die Unbedachten Achtsamkeit gelehrt,
Erschließt, ihn preisend jede Lippe sich,
Und ihm zu Füßen neigt sich jedes Haupt.
Da prägt er jeder das Bekenntnis Das Glaubensbekenntnis der Rechtgläubigen: Es ist kein Gott, außer Gott. ein,
Und aller Mund wird wie von Honig süß.

Aber auch dieser Fehlschlag schreckt Suleïchen nicht ab; auf den Rat ihrer in allen Liebes- und Verführungskünsten erfahrenen Amme läßt sie einen herrlichen Palast mit vielen Sälen bauen; ein chinesischer Meister bedeckt die Wände, Fußböden und Decken eines jeden Zimmers mit üppigen Gemälden, die nur Suleïcha und Jussuf darstellen in allerhand verliebten Lagen, damit der Anblick derselben den Jüngling hinreiße und verführe. Aufs herrlichste geschmückt, geleitet Suleïcha alsdann den Geliebten hinein; aber auch jetzt widersteht dieser. Und so kommen beide zum siebenten Sal.

Als sie der Häuser siebentem sich nahn,
Da stöhnt Suleïcha aus beklemmter Brust:
»Mein Aug', o Joseph, soll dein Schemel sein;
Tritt aus Erbarmen in dies Harem In der ursprünglichen Bedeutung des Wortes: Heiligtum. ein!«

Da setzt sie in dies Harem ihn, und schließt's
Mit goldner Kett' und einem Eisenschloß.
Ein Harem fand er, ganz von Fremden leer,
Und rings vom Auge scheeler Neider fern;
Kein Unbekannter ging hier ab und zu,
Denn Einlaß hofften selbst Bekannte nie;
Nur der Geliebte mit der Liebenden,
Doch keine Furcht vor Störern weilte hier.
Des Lieblings Wange schmückt ein holder Trotz,
Und Liebessang tönt aus der Freundin Herz;
Ein weiter Spielraum öffnet sich der Lust
Und heißer glüht die Flamme in der Brust.

Suleïcha, trunknen Augs und Herzens, legt
Nun ihre Hand in des Geliebten Hand,
Und führt durch süßer Worte Schmeichelton
Ihn, schwanken Tritts, bis zu des Thrones Fuß;
Dann wirft sie auf des Thrones Höhe sich,
Und weint und spricht zu jenem schlanken Baum:
»O Rosenwange, sieh mir ins Gesicht,
Sieh mit der holden Gnade Aug' mich an!
So oft die hehre Sonne mich erblickt,
Pflückt sie als Mond die Ähren meiner Frucht; d. h. borgt sie von mir ihr Licht, so wie der Mond das seinige von ihr.
Wie lang noch wirst du meiner Qual dich freun,
Und mich mit Mitleid anzusehn dich scheun'?«
So mehrt sie selber ihres Herzens Pein,
So giebt sie Joseph ihre Sehnsucht kund;
Doch Joseph hält den Blick in sich gekehrt,
Und senkt das Haupt aus Furcht vor ihrer List;
Und wie er's züchtig auf den Boden senkt,
Da zeigt sich ihm sein und Suleïchens Bild;
Ein Bett von Goldstoff und von Seidenzeug,
Wo sie sich enge, Brust an Brust, umfahn.
Schnell wendet er von jenem Bild sich ab,
Und wählt zum Schauplatz einen andern Ort:
Doch sieht er auf dem Thor wie an der Wand
Nur jener Rosenwangen holdes Paar;
Drum blickt er zu des Himmels Herrn empor,
Allein die Decke zeigt ein Gleiches ihm.
Da zieht's ihn liebend zu Suleïchen hin
Und er erschließt Suleïchen seinen Blick.
Jetzt hofft Suleïchens Herz mit frischem Mut
Auf einen Strahl von jenem Sonnenlicht
Und seufzend spricht sie mit verhalt'ner Wut,
Indes ihr Blut aus Herz und Auge bricht:
»Selbsücht'ger, stille meiner Sehnsucht Pein,
Und heile liebend meiner Seele Qual!
Ich dürste – und du bist des Lebens Born,
Ich sterbe – und du bist der ew'ge Geist:
So fern bin ich von dir, verborgner Schatz,
Als Durst vom Wasser und vom Leben Tod!
Durch Jahre schon glüh' ich im Liebesmal,
Und Schlaf und Nahrung raubt die Sehnsucht mir:
Laß mich fortan in dieser Glut nicht glühn,
Laß mich nicht schlaf- und nahrungslos verblühn! –
Beim Rechte jenes Herrn beschwör' ich dich,
Der über alle Herren Herrschaft übt;
Bei jener Schönheit, die die Welt besiegt,
Bei jenem Reiz, der dir die Wange ziert,
Bei jenem Licht, das deiner Stirn entstrahlt,
Und dem sich selbst der hellste Vollmond neigt;
Bei deinen bogengleichen Augenbrau'n,
Bei deinem Baume, der so reizend wallt:
Bei deiner Bogenbrauen Betaltar,
Beim zarten Schlingenhäkchen deines Haars;
Bei der Narzisse, die die Menschen trügt,
Bei der Cypresse, die in Goldstoff prunkt;
Bei dem Geheimnis, das du Mund genannt, Der Mund heißt wegen seiner Kleinheit Geheimnis.
Beim feinen Haare, das dir Lende heißt;
Bei deiner Rosenwange Moschuspunkt, Moschusmal
Beim süßen Lächeln deines Knospenkelchs;
Beim Augenwasser, das mein Schmerz vergießt,
Beim Rauch, der meiner Trennungsglut entqualmt,
Bei der Entbehrung, die als Berg mich drückt,
Und mich mit tausendfält'gem Leid umschließt;
Bei deiner Liebe Herrschaft über mich,
Bei meines Seins und Nichtseins g'ringem Wert;
Erbarme mein, der Herzberaubten, dich,
Den Knoten lösend, der mein Thun beschwert. –
Ein Leben ist's, seit mich dein Mal durchglüht,
Seit mich's nach deiner Fluren Duft verlangt:
Drum sei mein Pflaster durch ein Weilchen nur,
Und hauche Duft in meines Herzens Au!
Es schwächt wie Hunger deine Trennung mich:
Gieb Seelenbrot mir am Verein'gungstisch;
Du Palme bringst die Datteln, ich die Milch:
Drum weigre dich den Tisch zu decken nicht;
Gieb mir aus Milch und Datteln Seelenbrot
Und rette mich von diesem Hungertod!«

Zur Antwort giebt ihr Joseph: »Periskind,
Bei dem man wohl die Peris selbst vergißt,
Nicht treibe heute in die Enge mich,
Noch breche frevelnd meiner Unschuld Glas;
Beflecke mich nicht mit der Sünde Schmach,
Verbrenne mich nicht in der Wollust Glut!
Bei Gott, dem Urbild jeder Eigenschaft
Und jedes Innern, jedes Äußern Bild;
Aus dessen Meer die Welt, ein Bläschen schäumt;
Aus dessen Licht die Sonn', ein Funke sprüht;
Bei jenen Reinen, denen ich entsproß,
Und die auch mich bis jetzt so rein bewahrt;
Durch die die Gemme meines Wesens glänzt,
Durch die das Sternbild meines Wesens strahlt!
Wenn du mir heute meinen Wunsch gewährst,
Und mich aus dieser grausen Enge führst,
So füg' auch ich bald deinem Wunsche mich,
Und lohne dich mit tausendfält'gem Lohn:
Dann winkt dir mein belebender Rubin,
Dann ruhst du sanft an meinem holden Wuchs;
Drum eile nicht nach deines Wunsches Ziel,
Denn Weile ist der Eile vorzuziehn;
Fängt spät ein gutes Wild sich in dem Wald,
Ist's besser, als ein schlechtes fängt sich bald.«

Suleïcha spricht: »Vom Durst'gen fordre nicht,
Daß er den Trunk auf morgen sich verspart;
Der Geist schwebt sehnend auf dem Mund mir heut,
Ich kann mich länger nicht gedulden mehr:
Wo nähm' ich wohl den nöt'gen Starkmut her,
Mich zu vertrösten bis auf andre Zeit?
Auch weiß ich nicht, was du so sehr kannst scheu'n,
Daß du mit mir kein Weilchen dich willst freun?«

Er spricht: »Zwei Dinge scheu' ich sonderlich:
Des Ew'gen Straf' und des Vezieres Zorn;
Wenn der Vezier den krummen Sinn erführ',
So träf' mich hundertfält'ge Qual und Schmach,
Und mit entblößtem Schwerte, wie du weißt,
Zög' er des Lebens buntes Kleid mir aus.
Der schönen Schande, die am jüngsten Tag
Der Ehebrecher frevle Thaten lohnt!
Geschrieben steht so schnöder Sünder Fluch:
Als Titel prangt' ich dann in ihrem Buch!« Nach muselmanischem Glauben schreiben zwei Engel die guten Thaten, sowie die Sünden der Menschen auf.

Suleïcha spricht: »Vergesse jenen Feind! nämlich den Großvezier.
An einem Wonnetage weih' ich ihm
Ein Glas, das seiner Seele Kraft bekämpft,
Und ihn berauscht hält bis zum jüngsten Tag.
Du sagtest: ›Gnädig ist der Herr, mein Gott,
Und stets barmherzig gegen Sündige.‹
Wohl hundert Schätze Golds und prächt'gen Schmucks
Verberg' ich noch in diesem stillen Haus:
Ich will sie sämtlich deiner Sünde weihn,
Vielleicht wird dann dir Gottes Huld verzeihn.«

Er spricht: »Nicht jener bin ich, der sich freut,
Wenn andre Kränkung oder Unbill trifft:
Zuvörderst den Vezier, der hulderfüllt,
Sogar dich selbst zur Sklavin mir bestellt.
Mein Gott, dem ich zu danken nicht vermag,
Wird er wohl durch Bestechungen verzeihn?«

Suleïcha spricht: »O glücklicher Monarch,
Stets werde Thron und Krone dir zuteil!
Es ward mein Herz zum Ziel des Leidenpfeils,
Weil du mir Vorwand stets auf Vorwand häufst.
Ein Vorwand ist ein krummer Weg, ein Trug,
Ein Vorwand ist der Pfad des Gradsinns nicht.
Gott wahre stets vor krummen Wegen mich:
Nie hör' ich wieder diesen Trug von dir!
Ich bin bewegt; – gieb meine Ruhe mir,
Wo nicht, so füge meinem Wunsche dich! –
In Worten schwanden meine Tage hin,
Und meinen Willen hast du nie erfüllt;
Schweig' endlich doch von diesen Märchen still,
Und komm, denn Unglück weilet beim Verzug!
Es fiel ein Feuer auf mein trocknes Rohr
Und du, du freust dich dieses Feuers noch!
Was frommt dir wohl des lohen Feuers Rauch,
Lockt er nicht Thränen in dein Auge auch?
Wie Brodem leid' ich in des Feuers Gischt:
Dein Wasser nur ist's, das mein Feuer lischt.«

Als hier Suleïcha ihre Rede schließt,
Stimmt Josephs Lippe neue Ausflucht an.
Suleïcha spricht: »Hebräisch Redender,
Des Wort die Zeit als Beute mir geraubt!
Leg' nicht die Hand des Hinderns auf mein Thun,
Sonst töt' ich mich durch deine eigne Hand; d. h. deinetwegen.
Laß deine Hand jetzt meinen Hals umfahn;
Sonst schneid' ich ihn mit scharfem Schwert mir ab;
Schlingst du nicht gleich die Hand mir um den Hals,
So wird mein Blut dein grauser Halsschmuck sein,
Und Lilien gleich zieh ich das Schwert auf mich,
Und Rosen gleich tauch' ich mein Hemd in Blut:
Denn drück' ich mir des Todes Brandmal auf,
So rett' ich mich von deiner Schlüsse Trug.
Wenn der Vezier mich tot vor dir erblickt,
Lenkt er des Tötens Zügel auf zu dir
Und nach dem Tod, wenn uns kein Wahn mehr quält,
Wird diese durst'ge Seele dir vermählt!«

Sie spricht's und zieht nun hinterm Pfühl
Ein Schwert hervor, grün wie ein Weidenblatt –
Ein Herz im Feuer wilder Grameswut
Löscht nur durch blut'ge Tropfen seine Glut.

Doch Joseph sieht's, springt rasch vom Sitz empor,
Umfängt gleich einem Armband ihre Hand,
Und spricht: »Suleïcha mäß'ge deine Wut,
Suleïcha kehre um auf dieser Bahn,
Sonst wirst du nie des Zieles Wange sehn,
Wirst nie durch mich des Herzens Wunsch erflehn!«

Als jetzt Suleïcha, jener Anmutsmond,
Dies holde Mitgefühl bei Joseph sieht,
Wähnt sie, er füge ihrem Wunsche sich,
Und wolle Ruh' ihr durch Genuß verleihn.
Drum schleudert sie das Schwert aus ihrer Hand
Legt, Friede bietend, einen andern Grund,
Versüßt die Lipp' ihm durch den eignen Mund,
Und macht den Arm zu seines Halses Band. –
Es wird ihr Geist zu seiner Wünsche Ziel,
Zur Muschel seiner Sehnsucht wird ihr Leib;
Doch Joseph hemmt der Wünsche raschen Flug,
Und achtet ihrer hehren Tugend Glanz.
Wenngleich gefährlich ihm ihr Liebreiz droht,
Wahrt er doch treu der Reinigkeit Gebot.

Stets glüht Suleïcha nach Erwiderung,
Und Joseph bringt stets Aufschubsgründe vor;
Doch legt er schon die Hand ans eigne Kleid,
Treibt mit den Knöpfen manch bedenklich Spiel
Als in des Hauses Ecke jetzt sein Blick
Auf einen golddurchwehten Vorhang fällt.
Da frägt er sie: »Was soll der Vorhang hier,
Und wer ist's wohl, den dieser Vorhang birgt?«
Sie spricht: »Derjen'ge, dem ich immerdar
Als eine Magd anbetend huldigte;
Ein Götze, goldnen Leibs und Gemmenaugs,
Des heil'gen Innre reinen Moschus wahrt.
Zu jeder Stunde sink ich vor ihm hin,
Und neige ihm der schuld'gen Ehrfurcht Haupt;
Ich barg ihn hinter diesen Vorhang hier,
Weil ich vor seinem Blicke mich gescheut;
Nicht sehen soll er meine sünd'ge Art,
Nicht so mich sehn in deiner Gegenwart.«
Mit lauter Stimme ruft jetzt Joseph: »Ach,
Kein Dank ward von des Denars Barschaft mir! d. h. ich habe keinen Dank (vierte Teil einer Drachme) von dem (zehn Drachmen enthaltenden) Denar der Frömmigkeit Suleichens, die sich vor einem Götzen schämt, während ich den wahren Gott nicht scheue.
Es schämt dein Auge vor dem Toten sich,
Und Lebenloses achtet dein Gemüt:
Soll ich den Sehenden, den Einigen,
Den Dauernden, den Mächtigen nicht scheun?«
Spricht's und ermannt sich bei der schnöden That,
Und springt erwacht aus jenem Traum empor,
Und bricht den Bund des Lamelif d. h. entreißt sich ihren Umarmungen. Ein von den zwei Buchstaben Lam und Elif hergenommenes Gleichnis, die im Zusammenhange als ein einziger Buchstabe (etwa so لا) gebildet werden. entzwei,
Und ringt sich schnell aus ihren Armen frei.

Und wie er so mit raschem Schritt enteilt,
Schließt jedes Thor zur Flucht ihm auf,
An jedem Thor, das er geöffnet wünscht,
Fliegt hier das Thor und dort der Riegel hin;
Das bloße Deuten seines Fingers scheint
Ein Schlüssel zur Eröffnung jeder Faust. d. i. ein Mittel zur Erreichung jeden Sieges.
SuleiÏcha sieht's, springt schamentblößt herbei,
Erreichet in dem letzten Saale ihn,
Faßt seinen Saum, um ihn zurückzuziehn,
Und reißt von rückwärts ihm das Hemd entzwei.
Doch ihrer Hand entwischt er kummerbleich
Zerriss'nen Hemdes, einer Knospe gleich.

SuleiÏcha reißt nun auch am eignen Kleid,
Und sinkt, ein Schatten, auf die Erde hin,
Wild tobt und stürmt ihr unbefriedigt Herz,
Drum klagt sie, unbefriedigt, also nun:
»Weh über mein unseliges Geschick,
Nun jener Zarte mir den Hausrat Den Hausrat der Ruhe nämlich, aus dem Hause des Herzens. stahl,
Weh jenem Wild, das meinem Netz entläuft,
Weh jener Milch, die meinem Gaum entträuft! –
Auf Reisen weit zog eine Spinne einst,
Um sich mit Lebensmitteln zu versehn.
Da sieht sie plötzlich einen Falken ruhn,
Der kühn aus Königshänden war entflohn;
Voll List fängt sie ihn zu umspinnen an,
Denn lähmen will sie seines Fittichs Kraft:
Sie müht sich lang in diesem schlauen Krieg,
Und wendet allen ihren Speichel dran;
Doch als der Falke seine Flügel hebt,
Da lag zerstückt, was sie mit Müh gewebt. –
Und jene schwache Spinne bin ich selbst,
Entfernt von meiner teuren Wünsche Ziel;
Gleich ihren Fäden ist mein Herz zerstückt,
Gleich ihr entfloh der Hoffnung Falke mir!
Es gleicht mein Thun zerstückter Fäden Band:
Zerstückte Fäden nur hält meine Hand!«

Wie in der Bibel verklagt Suleicha den Jussuf alsdann des niedrigen Angriffes ans sie; aber ein Säugling zeugt für seine Unschuld und Jussuf wird wieder freigelassen. Dennoch gelingt es ihr, den schwachen Gatten zu überreden, daß dieser den Jüngling dauernd gefangen setzt, damit so aufs beste das Gerede der Leute widerlegt würde, welche sie mit Schmähungen überhäufen. Sie hofft durch die Haft den Sinn Jussufs zu beugen, ihre Liebe ist unverändert. Stets sind ihre Gedanken bei dem Gefangenen, am liebsten ist ihr der Aufenthalt in der Nähe des Kerkers, auf ihm ruhen stets ihre Augen:

Ein Altan stand auf ihres Köschkes Dach,
Von dem sich ihr das Dach des Kerkers wies.
Ganz einsam setzt sie auf den Altan sich,
Verschließt die Thür mit emsigem Bemühn,
Durchstößt Rubine mit der Wimpern Dolch,
Blickt nach des Kerkers Gegend hin und spricht:
»Wer bin ich wohl um sein Gesicht zu schau'n?
Mir g'nügt's, sein Dach vom eignen Dach zu sehn,
Bin ich doch nimmer seines Anblicks wert,
Ich, die der Wände Anblick schon vergnügt!
Denn jedes Häuschen, das mein Mond bezieht,
Umschafft er in ein hohes Paradies,
Des Dach enthält des Glückes Kapital,
Denn es beschattet so ein Sonnenlicht;
Die Wand zerbricht im Gram den Rücken mir,
Denn an ihr lehnt der Rücken jenes Monds!
Stolz tritt das Glück zu jener Thür herein,
Durch die mein Freund gebeugten Hauptes zieht;
Wie hochbeseligt ist die Schwelle nicht,
Die jenes Herzensräubers Füße küßt!
O Wonne, wenn mich seiner Liebe Schwert
Zu Teilchen schnitte, klein wie Sonnenstaub;
Wenn ich dann häuptlings, durch des Fensters Raum,
Hinfiele vor sein strahlend Sonnenlicht!
Mit tausend Neid erfüllt die Liebe mich,
Auf der, voll Anmut, jener Zarte wallt:
Denn es durchwürzt sie seines Saumes Staub,
Und seines duft'gen Ambrazweiges Laub.«

Mit einem Wort, dies war bis nachts ihr Thun,
Dies ihr Benehmen, dies ihr Selbstgespräch.
Es trat dabei der Geist ihr auf den Mund,
Es schwand so traurend ihr der Tag zur Nacht
Und als die Nacht erschien, da sann sie schlau
Zu thun, was sie die vor'ge Nacht gethan.
Auf diese Weise schwanden Tag und Nacht,
So lang ihr Herzenslicht im Kerker blieb.
Nachts tröstet ein Besuch im Kerker sie,
Tags schaut sie sehnend vom Altane hin;
Nie unterläßt sie dies zu thun und blickt
Die Wände bald und bald sein Antlitz an.
Denn Joseph sitzt so fest ihr im Gemüt,
Daß sie der Seele und der Welt vergißt.
Sich selbst verlierend, weil sie ihn nur sucht,
Verfällt sie in die tiefste Schwermut nun:
Selbst wenn der Schwarm der Zofen laut sie ruft,
Kehrt sie nicht wieder zu sich selbst zurück,
Und häufig sagt sie zu der Mädchen Schar:
»Nie nehm ich wieder auf mich selbst Bedacht!
Heischt von mir nicht Bedacht auf euer Wort,
Und rüttelt mich nur stets, bevor ihr sprecht;
Denn nur ein Rütteln bringt mich zu mir selbst
Und öffnet mir das Pförtchen des Gehörs,
Es lebt mein Herz beim Freund im Kerker nur,
Und dies allein ist meines Blödsinns Grund.
Wer jenen Mond Mond der Schönheit, Jussuf. wahrt in des Herzens Nacht,
Nimmt der auf andre Dinge wohl Bedacht?«

Da stößt ihr plötzlich eine Krankheit zu
Und sie benötigt der Lanzette Schlag;
Und sieh, den Boden färbt ihr reines Blut,
Und bildet – Josephs teuren Namenszug;
Der Wundarzt formt mit der Lanzette Rohr
Nur diesen Schriftzug auf der Erde Brett:
Ihr war die Ader so vom Freunde voll,
Daß nur der Freund ihr aus der Ader quoll.

Es folgt nunmehr die Geschichte vom Traume Pharaos und Josephs Erhöhung. Suleichas Gatte stirbt und sie zieht sich ganz in die Einsamkeit zurück, wo sie viele Jahre zubringt und ein altes Mütterchen wird.

So einsam bringt sie Monde, Jahre zu,
Schmucklosen Fußes, kronenleeren Haupts;
Die Schulter leer vom reichen Atlaskleid,
Die Ohren ledig von der Gemme Korn,
Den Hals entblößt vom funkelnden Geschmeid,
Die Wange frei vom golddurchwebten Flor.
Auf einem Erdenteppich ruht ihr Leib,
Ihr Antlitz ruht auf einem Ziegelpfühl.
Mit Joseph zöge sie ein Bett von Staub
Der Seidenwiege einer Huri vor,
Und sein gedenkend, scheint ein Ziegel ihr
Ein Himmelspolster reich an Gemmenzier.

Hart am Wege Josephs, den dieser vorüberkommt, baut sie sich ein Hüttchen aus Rohr; aber sie wird von den Knaben wegen ihrer Liebe verspottet; es gelingt ihr nicht, Josephs Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, bis sie ihr steinernes Götzenbild zertrümmert. Da endlich werden beide vereinigt und Joseph verleiht durch die Macht seines Gebetes der Geliebten wieder ihre volle Jugendschönheit.

Nach vierzig Jahren wird sie achtzehn alt.

Mit fürstlicher Pracht wird die Hochzeit gefeiert und

Weil ihre Treue keine Grenzen kennt,
So fühlt zuletzt auch Joseph sich bewegt;
Ja Josephs Herz wird so von Liebe warm,
Daß er sich dieser Herzenswärme schämt;
Er wallt so treu auf ihres Herzens Bahn,
Daß er kein Stündchen ohne sie mehr ruht;
Stets späht er sorgsam seinen Wünschen nach,
Preßt seine Lippe stets an ihren Mund .....

Lang währt der Bund der beiden Glücklichen, Kinder und Enkel vermehren die Freude, bis Joseph, infolge eines Traumes, den Tod von Gott erfleht und stirbt. Suleicha erhebt über ihn die Totenklage:

»Ach, wo ist Joseph, wo sein hoher Thron,
Und wo sein Mitleid mit der Dürft'gen Not?
Als er von hier auf einem schmalen Pferd, Die Bahre.
Hinüber ritt in jenes ew'ge Land,
Da küßt' ich, ach, weil er so schnell entwich,
Den Bügel gleich, den zarten Fuß ihm nicht.
Als er aus diesem Leidenköschk entfloh,
Da war ich, ach, nicht Zeugin seiner Flucht;
Ich sah sein Haupt nicht auf dem Pfühle ruhn,
Und küßte seinen Rosenschweiß nicht auf!
Als jene Wunde in den Leib ihm drang,
Gab ich ihm, ach, die Brust zur Lehne nicht!
Als er vom Thron zum Brette sich gewandt,
Und jenes Brett zum Thron des Glücks umschuf,
Da borgt' ich, ach, kein Rosennaß vom Aug',
Und wusch ihn nicht mit duft'gem Rosentau.
Als man das Grabtuch um den Leib ihm warf,
Und ihn bestattend auf und nieder hob,
Da nützt' ich, ach, die Kunst des Nähens nicht,
Um meinen dünnen Leib mit einzunäh'n!
Als man aus Gram im Herzen Dorne brach,
Und seine Sänft' aus diesem Posthaus trug,
Da macht' ich, ach, den klagerfüllten Mund
Zur Glocke Anspielung auf die Karawanenzüge. Das Posthaus ist die Erde, das Leben. nicht, die sie geleitete!
Als man ein Bett ihm in die Erde grub,
Und ihn als reine Gemme drin verbarg,
Da fegt' ich, ach, das Lager ihm nicht rein,
Und schlief, nach Wunsch, in seinem Arm nicht ein! –
Weh über diesen gräßlichen Verlust!
Weh über dieses grause Herzensleid!« ....

Auch sie erbittet sich den Tod. Auf seinem Grabe bricht sie noch einmal in Wehrufe aus:

»Weh mir, weh!
Du steckst als Rosenwurzel tief im Thon, Der Dichter spielt hier mit den Worten Gül, Rose und Gil, Thon.
Doch oberm Thon blüh' ich, als Rosenzweig;
Du wohnst als Schatz tief in der Erde Schoß:
Als Wolke netz' ich ihre Fläche nur;
Du drangst wie Wasser in der Erde Grund:
Wie Dorne rag' ich über sie hervor!
Dein Bild wälzt Blut auf meiner Erde Staub,
Und deiner Trennung Glut sengt meine Spreu;
Du hast die Streu des Körpers mir entflammt,
Drum qualmt mein Rauch Der Rauch meiner Seufzer. zum Himmel hoch empor,
Und wer sein Auge meinem Rauch erschließt,
Dem quillt stets Wasser aus dem Aug' hervor.« d. h.: Der wird zu Thränen gerührt.

So klagt sie jetzt, und reibt die wunde Brust
In hundertfält'ger Sehnsucht stets am Staub.
Doch als ihr Schmerz die Grenzen überschritt,
Beugt sie ihr Haupt, als wär's zum Erdenkuß,
Wühlt sich mit eigner Hand die Augen aus,
Reißt ein Narzissenpaar aus seinem Beet,
Und sät es aus des Hauptes Schal' aufs Grab,
Weil ja Narzissen nur die Erde taugt;

»Schaut, ach, das Aug' dein Rosenantlitz nicht,
So leistet's auf dies Lusthaus Die Welt. gern Verzicht!«

Es ist die Sitte armer Trauernder,
Den Sarg mit schwarzen Mandeln zu bestreun: Eine persische Sitte, die Dschami nach Ägypten herüber pflanzt. Suleichas Augen, die sie sich im Schmerze ausgerissen, werden hier mit Mandeln verglichen, wie kurz vorher mit Narzissen.
Nun sie von seinem Sarge sich getrennt,
Wirft sie zwei schwarze Mandeln auf sein Grab;
Ihr Antlitz schwimmt in einem blut'gen Meer;
Sie küßt den Erdenstaub und – ist nicht mehr!

V. v. Rosenzweig.

Aus den »Divanen«

1.

Nie von rosenwangiger Cypressen Anmut, Dschami, schweig,
Denn du bist in diesem Garten wie die Lilie zungenreich.

Frisch vom Tau der Anmut seh' ich deine Wang' umschwommen,
Eben aus dem Beet, o Rose, scheinest du zu kommen.

Der Schönheit Kaftan legte die Ros' an wohlbeflissen;
Da sah sie deinen Liebreiz und hat ihr Kleid zerrissen.

Wandle durch den Garten, denn was dort die Knospe still gehegt,
Hat die Rose dir zum Opfer auf die Schale nun gelegt.

Soviel Herzen sind gefangen; und wie lang noch um die Wangen
Legst du Locken Schling' an Schling', und die Geflechte, Ring an Ring!

Wo in deiner Locken Wallen du dahingehst auf der Flur
Wird Verliebte sicher leiten Moschusduft auf deine Spur.

Von deiner Hand traf Dschamis Herz im Busen dieser Schmerz!
Eh ihm das Herz abhanden kommt, leg' ihm die Hand aufs Herz!

Wenn nach Tagen deine Wang' ich wieder seh' vor meinem Aug',
Hindert mich am Sehen Augenwasser bald, bald Seufzer auch.

Selbst beneiden sich die Augen deiner Wangen Weide:
Heimlich vor einander blicken sie auf dich allbeide.

Gärtner, laß allein im Garten mich nicht ohne Liebchen gehn;
Herbst den Frühlingsblumen bringen möchte meiner Seufzer Wehn.

Jeder will nach seinem Herzgelüsten was für sich von dir,
Alle diese sind Schmarotzer, ich begehre dich von dir.

2.

Du fragst: wen wählst du, Dschami, vom Heer der Schönen, sprich! –
Da ich ein Auge habe, wen wählt' ich wohl als dich.

Gott! krause nicht die Brauen! genug, o schönes Kind,
Daß tausendfach gekräuselt schon deine Locken sind.

Hier, Liebchen, steht zu Diensten mein Herz, mein Auge dort;
Mißhagt es dir am einen, kehr ein am andern Ort.

Wie lange soll ich streifen das Gäßlein ab und zu?
Frag doch einmal: was machst du dahier? wen suchest du?

Und willst du meinen Gruß mit keinem Dank vergelten,
So thu doch wenigstens den Mund auf, um zu schelten.

Heil dem Auge das da fällt zuerst auf deine Wangen
Morgens, wenn vors Haus du trittst mit tausendfachem Prangen.

Du bist einen Kuß mir schuldig; wird's geschehn niemalen,
Daß ich sehe deine Lippen ihre Schuld bezahlen?

Heute Perl' um Perle wein' ich meinem Gram,
Weil die einzige Perle mir aus den Augen kam.

3.

Fremd ward' ich in Kollegium und Universität,
Indem mein Hauptbedürfnis nun nach der Schenke geht,

Der Schwall von Wissensdünkel giebt keinen Lustgeschmack;
Willkommen Schall der Flöten und trunkner Schabernack!

Befrag' nicht den Stadtdoktor um Liebchens Schönheitsflamm'
Die kaum mit hundert Zungen auslegen kann ihr Kamm.

Wo ist der Bundesbrecher, der Schenk? er komme, daß
Ich ihm den frommen Trödel verkauf' um ein paar Maß!

Von Liebe sing' und sage: denn keine Sage scholl
Lieblich wie Lieb' in diesem Gewölbe sagenvoll.

Verbrenne deiner Mühen Befiederung und Schwing;
Und ruhe deiner Kerze zufuß, o Schmetterling!

Vom Leibesdiener suche Herzensgeheimnis nicht,
Denn nicht in jeder Muschel ist einer Perle Licht.

Rückert.

4.

Wohl dem, des Herz im Leben nicht des Neides Stachel ritzt,
Der hier in diesem Trümmerbau im Eck zufrieden sitzt!

Wenn Staub, so führt auch Regen zu des Armen Haus der Wind –
O Herr, belohne alle, die gerecht dem Armen sind.

Reiß ein auf deines Herzens Plan Vergänglichkeits Palast,
Da du zum Bau der Ewigkeit den Grund zu legen hast.

Dein Wissen und dein Thun, es wirft nichts ab im Paradies,
Drum schlag die rechte Richtung ein, des Glaubens Pfad erkies'.

Zu jener Höhe führ' empor des Strebens Söllerbau,
Wo selbst die Hand des Meisters dran zu rühren sich nicht trau'.

Aus Ziegeln und aus Lehm erbaut zerfällt des Glücks Palast,
Den Baustein schaff' zur Seligkeit, so lang du Zeit noch hast.

Dem Winde öffnest sorglos du die Thür, dich kümmert's nicht,
Ob in des Schicksals Zugluft steh' dein flackernd Lebenslicht.

Zieh' an der Treppe dich zurück aus eines Mannes Haus,
Das nicht ein Thürlein hat auf acht der Paradiese 'naus.

Durch Freundes Blick der Segen sich zuhause immer fand,
Nicht dadurch, daß: »Gesegnet sei's« geschrieben an die Wand.

Was hochgetürmt der Tage Zahl, wie eilig stürzt es ein;
Die Burgen Cäsars und Kobads, sie mögen Zeugen sein.

Am Lager in der Schenke reimt Dschami sein schlechtes Wort;
Ei, hört, wie so ein Liedchen klingt von so erhabnem Ort!

5.

Ein Staub ist Gold, dem Farbe nur der Glanz der Sonne leihet,
Wer eine goldne Krone trägt, hat Staub aufs Haupt zerstreuet.

Der Armut Winkel ist ein Schatz, die Schlange ihn zu hüten Bekanntlich werden den arischen Sagen zufolge die Schätze von Schlangen oder Drachen behütet.
Wird sich dem Aug' der Gier allein im Ring der Thüre bieten.

Ein Bettler ist, wem andrer Müh verhilft zu seinem Brote,
Und nennst du ihn auch König, stellst ein Land ihm zu Gebote.

Dem Jungen Hoch, dem Arbeit wohl die hohle Hand gehärtet,
So daß sie sich beim Trunke gleich als Becher ihm verwertet.

Wer Dornen seines Wegs zertritt, ist mir der rechte Wandrer,
Er lobt sich seinen rauhen Pfad, nicht Blumenwiesen andrer.

Mir gilt für lieb nicht, wer da wird so zärtlich fein befunden,
Daß junge Gräser, Flieten Fliete, so viel wie Lanzette. gleich, die Füße ihm verwunden.

Mag sich Dschâmî auch Lebenslang im Armutsgau ergehen,
Sein Reichtum wird im Stolze der Genügsamkeit bestehen.

6.

Wohl dem, der wenn die Rose blüht,
Sein Plätzchen kann erkiesen
Im Busche, wo das Aug' erfrischt
Der Bach, bei grünen Wiesen.
Sein Herz, ein Haus von Rauch geschwärzt
In winterlanger Weile,
Erschließt die Augenfenster nach
Dem Grünen hin in Eile.
Die Hand wird ihm ein Kelch mit Wein
Narzissenförmig schmücken;
Den Schatten giebt der Rosenbusch,
Cypresse stützt den Rücken.
Ein rosenwangig Tulpenbild
Hat er bei sich zum Kosen,
Und häuft ihm rings ein Lager auf
Aus Tulpen und aus Rosen.
Die Flur ist schon im offnen Krieg
Mit allen Wintersorgen;
Den Ringelpanzer muß das Laub,
Das Schwert die Lilie borgen.
Er legt ins Rauchfaß Ambra, die
In Tulpen brennt zu Asche,
Und mit dem Rauch säumt Röselein
Die ambraduft'ge Tasche.
Aus dieser Flasche fließt, Dschâmî,
Dein Blut, das Blut der Reue.
Sei's drum! ich fülle leicht dies Blut
Mir durch den Hals aufs neue.

7.

Glitzernd, funkelnd Sonnenlicht zuckt durch jene Schatten,
Die die Weide lieblich flicht neben grünen Matten.

Runde Lichtlein äugeln dich, die im Winde blinken;
Wach! dein Auge öffne sich, Gräser, Tulpen winken!

Aus dem Mal der Tulpenbrust eigne sinnig an dir,
Daß der Blütenkelch der Lust nicht sei stets zuhand ihr.

Sieh, der Gräser grünes Kleid folgt auf Winters Trauer,
Daß es Herbst mit gelbem Neid wegzureißen lauer'!

Sieh dort der Narzisse Kron', Rösleins thronend Brüsten,
Denk' Dschemschid, Perwis ja schon ihre Herrschaft büßten.

Sprosser, der den Herbst ersah, singt von Rosenzeiten,
Klagt: Wie war ich ihr so nah, bin in fernsten Weiten!

Gott, du oben hörst den Sang, denk' an meine Leiden,
Willst du mich denn ewig lang' von der Liebsten scheiden!

Schön wär's, könnte Hand in Hand Sinn und Form sich stützen,
Was soll so ein licht Gewand düsterm Liede nützen?

Rauschen laß, Dschami, dein Rohr Schreibrohr. bis zum Himmel munter!
Venus neidig ist ganz Ohr, wirft die Lyra 'runter!

8.

Früh morgens stellt gleich einem Mönch das Morgenrot sich ein,
Und wirft auf Berges Rücken hin als Kutte seinen Schein.

Mit Lust der Schale Weines hellt Gelag und Sang sich auf,
Der Flöte trillernd Licht, es giebt dem Reigen seinen Lauf.

Da kommt zu meiner Thür herein –? die Liebste ist's, ja wohl,
Den Abschied auf der Zunge und geschürzt zum Lebewohl.

Und spricht? Sie sagt: »Da fernerhin des Schicksals Ungunst dir
Es auferlegt, getrennt zu sein, zu weilen fern von mir,

»So freu dich meines Hierseins noch und schwelg' im Augenblick,
Es sei dir meine Nähe mehr als alles Erdenglück.

»Befried'ge dich in mir allein, laß beider Welten Reich;
Es ist ja für des Abschieds Schmerz dir als Ersatz nicht gleich.

»In dieser Höhle Wildnis bin nur ich's, die traulich kommt;
In diesem Haus der Bosheit bin nur ich es, die dir frommt.«

Das Wort noch auf der Lippe sinkt sie mir zu Füßen her,
Und sitzend will sie forschen, ob das Haupt nicht schmerze mehr.

Da heb' ich bittend meine Hand nach ihrem Saum, sie spricht:
»Dschami, laß mich gewähren und behindre du mich nicht.

»Des Eifers Gürtel nahm ich, band ihn um die Mitte mir,
Ich zieh in aller Länder Land, ins herrlichste Revier.

»Ins Land, mein Auge thränt um den, der dorthin nicht gelangt;
Ich gehe ins Gebiet, nach dem mein Sehnen heiß verlangt;

»Das alle Erdenkinder hält an des Gehorsams Band,
Den Sklaven tief im Staube wie den Herrscher weit im Land.

»Heil dem, bei dem das Volk da sucht die Zuflucht im Gebet;
Heil dem, in dessen Heimat all' der Beter Bitte geht.«

9.

Mich kümmert deine Schönheit so
Am Ende werd' ich irr,
Zu Liebe deinen Locken werd'
Ich wie sie selber wirr.
Was hab' ich auch zu fordern noch
Von meinem Geist und Sinn?
Mein geistiges Vermögen ist
Seit meiner Liebe hin.
Du sagst mir: »Laß die Leidenschaft,
Benimm dich mit Verstand.«
Wie soll ich thun, was ich gewiß
Bereue nach der Hand.
Ich kühl' des Nachts im Garten mich,
Weil ich dir ferne, glüh',
Und wecke kleine Sänger auf
Des Morgens viel zu früh.
Durch Thränenströme unterwäscht
Sich meiner Hütte Lehm,
Und sänke sie dahin in Schutt,
Auch das wär' mir genehm.
Ja kämst du selber morden mich,
Mir wär' des Dolches Klang,
In meiner Seele Kerkernacht
Ein Rettungsjubelsang.
Sie kommt – o schließ' dein Aug', Dschâmî,
Es wölbt sich ihre Brau',
Und hundert Risse bringt sie gleich
In deines Islams Bau.

10.

Die mit des Abscheu's Hand nach meiner Wange schlugen,
Die mich herum im Land auf Geifers Zunge trugen –

Von ihnen wird's noch klar, wenn sich die Schleier lichten,
Wie aller Milde bar, wie lieblos sie mich richten!

Durch eines Herzens Welt beginnen sie die Reise,
Wo der am Wege fällt, irrt jener vom Geleise.

Das jagt im Zweigespann durch blinder Thorheit Steppen,
Auf Weisheits Straße dann will sich's zu Fuße schleppen!

Das tobt und braust und schäumt, ein Strom im Anbeginne,
Dann stockt's und sitzt und säumt, versandet ist die Rinne!

Ihr scheinbar vornehm Blut ist Tünche auf dem Grabe,
Staunt an die Satansbrut, daß Menschenform sie habe!

Dschami, zur Neige leer' den Liebeskelch, den reinen,
Und frage nimmermehr, was jene Läugner meinen.

Wickenhauser.

11.

Gestern schlief ich, doch mein Glück es wachte,
Als es dich vor meine Seele brachte,
Und in nächt'ges Dunkel eingehüllt,
Tageshell mir strahlt' dein Engelsbild.

O wie strömte süßer Minne Sold
Von den weichen Zuckerlippen hold!
Jetzt wird jeder Tag, an dem du fern,
Düstre Nacht mir ohne hellen Stern.

Auge, dich umfange wieder Schlaf,
Da in ihm der Liebe Glück mich traf,
Jenes Glück, das mich so heiß berauscht,
Und auf das ich stets umsonst gelauscht.

Wollheim.

Aus dem »Beharistan«

Aus dem ersten Garten

1.

Als Schubli Name eines frommen Mannes, der in der vierten Rangordnung der Scheiche steht; eigentlich hieß er Dschafa ben Jonas mit dem Beinamen Abu Bekr, geb. in Ägypten und begraben in Bagdad. (heilig sei sein Geheimnis) einst erkrankte und ins Siechenhaus gebracht werden mußte, besuchten ihn viele Leute, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen. Er fragte sie: Wer seid ihr? Sie antworteten: Deine Freunde. Da hob er einen Stein auf und stellte sich, als wolle er ihn auf sie werfen. Als hierauf alle die Flucht ergriffen, sprach er: Die folgenden Worte sind mystischen Inhalts: Der Sofi soll sich von seinem Freunde, d. h. von Gott, auch durch Strafen und Unglücksfälle, nicht abschrecken lassen. Kommt nur zurück, ihr Heuchler! Der wahrlich ist kein Freund, der vor dem Freunde flieht und seiner Beleidigung sich entzieht.

Wer, ob sein Freund stets bittrer ihn betrübe,
Stets heißer glüht, ist wahrer Freund allein.
Manch tausendmal traf ihn des Unrechts Stein,
Doch fester stets türmt er den Bau der Liebe.

Aus dem zweiten Garten

2.

Der Frauen Geist und Treue sind gering,
Trau' sorglos nie auf solch ein flüchtig Ding;
Bau nicht auf sie, wenn schlecht sie im Gemüte,
Und sind sie gut, bau nicht auf ihre Güte.

3.

Ibn Makna Ibn Mukanna, eine Art Magier, aus Chorassan gebürtig, ließ nach der orient. Sage in Nachschab, einer Stadt Transoxanas, den Mond aus einem Brunnen emportauchen. erzählt: die indischen Weisen verlangten zur Fortsetzung ihrer Schriften eine Karawane von hundert Kamelen. Der König bat sie die Bürde zu schmälern, und sie beschlossen nur zehn Lasttiere zu wählen; und wieder ersuchte sie der König um Verminderung der Lasten, worauf sie die ganze Weisheit in vier Sätzen zusammenfaßten.

Der erste dieser vier Aussprüche weist hin auf die Gerechtigkeit der Herrscher.

Wo der Beherrscher Recht und Tugend achtet,
Kann Hoch und Niedrig sorgentlastet weilen;
Doch wenn der Arme herzverwundet schmachtet,
Bebt bald ein jeder vor des Unrechts Pfeilen.
Um froh einst aus dem Chaos: »Welt« zu scheiden,
Braucht nichts der Fürst als Unrechtsfluch zu meiden.

Der zweite Ausspruch erklärt sich über gute Werke und Regentenstärke.

Des Unrechts Frucht ist Aufruhr gegen Pflicht,
Wer Gerste säete, erntet Weizen nicht.

Der dritte Satz bezieht sich auf die Gesundheit des Leibes und preist diejenigen, welche nicht eher nach Speise fassen, als wenn sie aus Hunger matt sind, und den Tisch verlassen, bevor sie des Genusses satt sind.

Weit besser fasten, um nicht krank zu sein,
Als krank zu sehn, wie schlaue Ärzte streiten.
Gesättigt, laß' vom Mahl dich nicht verleiten,
Und eh' dein Magen voll war, halte ein.

Der vierte Satz lobt jene Weiber, welche ihr Auge vor fremden Gesichtern verstecken, und ihr Gesicht vor unerlaubten Blicken verdecken.

Dies Weib ist fromm, das, außer dem Gemahl,
Dem Liebsten selbst ihr Angesicht entzieht,
Und scheu vor Männern senkt das Augenlid,
Ob sie auch blenden, schön wie Morgenstrahl.

4.

Einst waren bei Nuschirwan drei Gelehrte versammelt; ein griechischer Philosoph, ein indischer Weiser und Büsürdschmihr. Der berühmte Gelehrte Großvezier Nuschirwans, des vielbesungenen gerechten Monarchen aus der Sassanidendynastie. Im Laufe des Gespräches kamen sie auf die Frage, was wohl das Qualvollste auf Erden sei? Worauf der griechische Philosoph sagte: Das Qualvollste scheint mir Alter und Schwachheit bei Mangel und Dürftigkeit. Der indische Weise aber wendete ein: Mich dünkt das Bitterste ein Leib von Siechtum gebückt, mit einem Herzen von Sorgen gedrückt; worauf Büsürdschmihr einfiel: Und mich dünkt das Herbste: Gewißheit, daß das Ende naht, und Bewußtsein keiner guten That. Alle stimmten der letzten Meinung bei.

In Nuschirwans Palast sprachen Weise, drei,
Was wohl im Kummermeer' die trübste Woge sei?
Der eine sprach: Der Gram und siechen Leibes Plagen;
Der andre rief: Die Not in trüben Greisestagen;
Der dritte: Naher Tod und schuldbeladne Sitten;
Er traf's, man stimmte bei, der Vorrang blieb dem dritten.

5.

Ein Weib, das sich mit anderen ihres Geschlechtes gegen Hadschadsch Ein durch seine Grausamkeit und seinen Blutdurst berüchtigter Feldherr des Abdul Malik ben Merwan, der u. a. in Kufa 50 000 Menschen abschlachten ließ. Die Orientalen verabscheuen ihn und sagen, er habe Blut statt Muttermilch eingesogen. aufgelehnt hatte, ward diesem gefangen vorgeführt. Er sprach die Frau an, allein sie senkte den Kopf und schlug den Blick zu Boden, ohne ihm eine Antwort zu geben, oder das Antlitz emporzuheben. Als sie aber einer der Anwesenden aufmerksam machte, sie solle dem Emir, der sie angeredet hatte, nicht trotzen, sprach sie: »Ich schäme mich vor Gott, einen Mann anzublicken, auf den Gott herabzublicken sich schämt.

Schau nicht in eines Wüterichs Gesicht,
Denn dieses gleicht dem off'nen Thor der Hölle,
Und seit sich aufschloß seine finstre Schwelle,
Hat Gott erbarmend nie hineingeblickt.

Aus dem fünften Garten

6.

Ein Derwisch liebte unglücklich. Oft stand er mit thränenden Augen auf dem Pfade, doch nie beglückte ihn seine Liebste mit einem Blicke der Gnade. Da sprach man zu ihm: Deine Angebetete liebt frohe Zecher, und begünstigt die Freunde der Weinbecher, sie verachtet arme Männer, und verspottet die Liebe frommer Gottbekenner. Ihre Freunde müssen wie sie handeln, und ihre Verehrer ihren Weg wandeln. Das beste wäre, ihr ganz zu entsagen und diese Gedanken dir aus dem Kopfe zu schlagen. Als der Derwisch diese Ermahnung hörte, lächelte er und sprach:

Mein ist der Liebe Schmerz, was kümmert's mich
Wenn andre sich an ihrem Reiz beglücken.
Sie ist der Schönheit Garten, wundert's dich
Will Dornen ich, und jener Rosen pflücken?

Aus dem achten Garten. (Fabeln.)

7.

Als man einst der Taube vorwarf, daß sie weniger Kraft, als die Henne besitze, da sie jährlich nur zwei, diese aber viele Junge lege, sprach sie: Die Kinder der Taube erhalten ihr Futter aus dem Halse des Vaters und ihrer Mutter, das Kind der Henne aber speist von jedem Kehrichthaufen, der sich ihm auf der Straße weist. Ein Hals kann nicht mehr als zwei Junge nähren, ein halber Kehrichthaufen aber tausend Hühnchen Futter gewähren.

Willst ehrlich du und redlich dich ernähren,
Darfst du dein Haus nicht allzusehr vermehren;
Du weißt es ja, in diesem Haus der Enge,
Sproßt Redliches in sehr geringer Menge.

Schlechta Wssehrd.


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