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Italienische Novellen. Zweiter Band
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Giovanni Francesco Straparola

Ende des 15. Jahrhunderts bis nach 1557

Die drei väterlichen Verbote

In der uralten und ergötzlichen Stadt Genua lebte vorzeiten ein durch Gaben des Glückes wie durch Gaben des Geistes ausgezeichneter Edelmann namens Rainaldo Scaglia, der seinen ihn über alles liebenden Sohn Salardo so gut erzog und unterrichtete, wie es die Pflicht eines guten Vaters ist, und ihm nichts abgehen ließ, was ihm zum Nutzen, zur Ehre oder zum Ruhm gereichen konnte. Da geschah es nun, daß Rainaldo, in seinem schon vorgerückteren Alter, schwer erkrankte und, weil er fühlte, daß das Ende seiner Tage gekommen sei, einen Notar rufen ließ, der seinen letzten Willen niederschriebe, und demselben zufolge seinen Sohn Salardo zu seinem Haupterben einsetzte, den er aber sodann als ein liebevoller Vater bat, drei Vorschriften jederzeit vor Augen und im Herzen zu behalten, ohne ihrer jemals uneingedenk zu werden. Die erste dieser Vorschriften lautete: daß er niemals, um der wenn auch noch so großen Liebe zu seiner Gattin willen, ihr ein Geheimnis offenbare. Die andere: daß er auf keine Weise einen von ihm nicht erzeugten Sohn an Kindesstatt annehme und zu seinem Erben bestimme. Die dritte: daß er sich keinem Gebieter unterordne, der seinen Staat nur nach seinem alleinigen Willen beherrsche. Sobald er dies ausgesprochen hatte, erteilte er seinem Sohne seinen Segen, kehrte sich nach der Wand hin und hauchte, nach Verlauf einer Viertelstunde, seine Seele aus.

Rainaldo war kaum gestorben und hatte Salardo in dem vollen Genusse seiner irdischen Glücksgüter gelassen, als der reiche, vornehme und lebenskräftige Jüngling, anstatt auf das Seelenheil seines alten Vaters und auf die vielerlei Geschäfte Bedacht zu nehmen, die die gewöhnliche Folge eines neu angetretenen Besitztumes sind, ein Weib von seinem Stande und nach seinem Sinn heimzuführen beschloß. Es war noch kein Jahr seit dem Tode seines Vaters vergangen, so vollzog Salardo diesen Beschluß und vermählte sich mit Theodora, der Tochter Monsignore Odescalco Dorias, eines der ersten genuesischen Edlen. Als schön und wohlerzogen wurde die junge Frau, wenn sie auch ein wenig spröde war, von ihrem Gatten doch so sehr geliebt, daß er nicht von ihrer Seite wich. Da ihre Ehe indessen nichtsdestoweniger nach mehrjähriger Dauer eine kinderlose blieb, so hielt Salardo, mit Zustimmung seiner Gattin, dafür, den letzten väterlichen Ermahnungen zuwider, einen Knaben fremder Eltern an Kindesstatt anzunehmen, zu erziehen und zu seinem rechtmäßigen dereinstigen Erben einzusetzen. Was er sich in seinem Innern vorgenommen hatte, führte er unverzüglich aus, und so adoptierte er den Posthumio genannten Sohn einer armen Witwe, der von ihm und seiner Gemahlin vielleicht liebreicher und nachsichtiger, als es sich schicken wollte, ernährt und erzogen wurde.

Nach Verlauf einiger Zeit kam es Salardo in den Sinn, von Genua wegzuziehen und sich anderswo niederzulassen, nicht etwa weil diese Stadt nicht schön und herrlich genug gewesen wäre, sondern von einem jener unerklärlichen, unbestimmten Gelüste dazu angeregt, die ein unabhängiger, keinem Gebieter untergebener Mensch wohl je zuweilen hegt.

Er versah sich demnächst hinlänglich mit Juwelen und Geld, brachte seine Pferde und Sachen in die erforderliche Ordnung und machte sich mit Theodora, seiner vielgeliebten Frau, und mit Posthumio, seinem Pflegesohne, von Genua durch Piemont nach Monferrato auf den Weg, wo er seine Wohnung aufschlug und, nach seinem Gutdünken, allmählich bald mit diesem, bald mit jenem Bürger freundschaftlichen Umgang pflegend, bald auf die Jagd mit ihnen ging, bald in anderen Vergnügungen und Ergötzlichkeiten, die er überhaupt sehr liebte, ihr Genosse wurde. Er bewies dabei jedwedem so große Freigebigkeit, daß er sich bei aller Welt nicht nur Liebe, sondern auch Hochschätzung erwarb, und daß der Ruf von seinem adeligen Wesen sogar bis zum Ohr des Markese drang, der zu Salardo, als zu einem edlen, reichen, verständigen und zu jedem Unternehmen fähigen Jünglinge, eine so mächtige Zuneigung faßte, daß er keinen Tag mehr ohne ihn leben und bestehen konnte. Ja, eine so innige Freundschaft verband die beiden Männer nach und nach, daß, wer da irgendeine Gnade von dem Herrn erlangen wollte, Salardos Vermittlung dazu in Anspruch nehmen mußte, weil sie ihm sonst gewiß verweigert wurde. Aus Dankbarkeit dafür, daß er sich vom Markese eine so hohe Stellung angewiesen sah, bemühte sich Salardo seinerseits auf das eifrigste, sich ihm in allem, was ihm nach seinem Bedünken angenehm sein konnte, gefällig und dienstfertig zu erweisen.

Der Markese, gleichfalls jung und der Sperberjagd sehr zugetan, hatte in seinem Hofe viele Vögel, Jagdhunde und andere dergleichen Tiere, wie es sich denn eben für einen so großen Herrn geziemen mag, würde jedoch nimmermehr, weder auf Jagd noch Vogelfang, ohne Salardos Begleitung ausgegangen sein.

Als nun Salardo sich eines Tages zufälligerweise allein in seinem Zimmer befand, hub er still bei sich zu erwägen an, in wie großen Ehren ihn der Markese halte, führte sich das anmutige, gesittete und ehrbare Wesen seines Sohnes Posthumio sowie dessen Folgsamkeit zu Gemüte und sprach, in solcherlei Gedanken versunken, zu sich selbst: »Wie sehr täuschte sich doch mein Vater in seinen letzten an mich gerichteten Ermahnungen! Ich bin überzeugt, er muß, wie es so vielen, alten Leuten geschieht, noch vor seinem Tode kindisch geworden sein. Ich weiß nicht, welche Torheit, ja Verblendung ihn antrieb, mir ausdrücklich zu verbieten, keinen von fremden Eltern erzeugten Sohn an Kindesstatt anzunehmen, keinem unumschränkt gebietenden Herrn zu dienen. Ich erkenne jetzt, wie seine Vorschriften so gar nicht auf einem vernünftigen Grunde beruhten, indem nicht nur Posthumio, mein angenommener Sohn, ein weiser, wohlgeratener, folgsamer Jüngling ist, sondern auch der Markese, eben ein alleinherrschender, höchster Herr, mich so wert und teuer hält, daß es scheint, er habe viel mehr mich zu fürchten als ich ihn. Ich weiß nicht, was ich eben dazu sagen und davon halten soll. Die alten Leute sind einmal zuweilen wunderlich und gefallen sich darin, uneingedenk dessen, was sie in ihrer eigenen Jugend getan haben, ihren Kindern Gesetze vorzuschreiben und Lasten aufzuerlegen, die sie sich wohl selbst hüten würden, zu befolgen und zu tragen. Sie handeln auch nicht etwa also aus Liebe zu uns, sondern nur um der einfältigen Sucht willen, immerdar mit irgendeiner Sorge beschäftigt zu sein. Zwei der Verbote meines Vaters habe ich nun schon mit über Erwarten günstigem Erfolge übertreten, und so will ich nur schnell die dritte Erfahrung dazu machen, da ich im voraus versichert bin, daß meine süße Gattin, die mir teurer als das Licht meiner Augen ist, mir alle möglichen Beweise ihrer herzlichen und wahren Liebe geben und mir dadurch an den Tag legen wird, wie unsinnig das wunderliche Testament des alten Mannes abgefaßt worden war. Wem in aller Welt sollte ich mich denn sicherer anvertrauen können als meiner eignen Frau, die da Vater, Mutter, Brüder, Schwestern, ja das eigene Haus um meinetwillen verlassen hat und ein Herz und eine Seele mit mir ist! Ich weiß recht wohl, daß ich ihr aus diesem Grunde jedwedes, wenn auch noch so wichtiges Geheimnis offenbaren kann. Ich werde ihre Verschwiegenheit und Treue nicht um meinetwillen erproben – denn ich bedarf keiner weiteren Beweise, daß sie mich mehr als sich selbst hebt –, sondern nur zum Nutzen und Frommen einfältiger junger Menschen, die dafür halten zu müssen glauben, es sei eine unverzeihliche Sünde, den albernen Maßregeln altersschwacher, faselnder Eltern entgegenzuhandeln.«

Also bei sich selbst die weisen und tief durchdachten drei Gebote seines Vaters verspottend und verschmähend, trieb Salardo den Frevel so weit, sich zu entschließen, dem dritten bewußt und absichtlich zuwider zu leben. Er ging ohne Zeitverlust aus seinem Zimmer die Treppe hinunter und in den Palast des Markese, nach einem Gemache, das viele Falken enthielt, nahm den edelsten, den der Markese am liebsten hatte, ohne von einem Menschen wahrgenommen zu werden, mit sich hinweg und trug ihn zu einem seiner Freunde namens Fransoe, dem er ihn übergab, indem er diesen bei ihrer gegenseitigen Freundschaft bat, ihm das schöne Tier so lange sicher aufzubewahren, bis er ihm seinen anderweitigen Willen darüber er öffnen werde. Darauf kehrte er nach Hause zurück, nahm einen seiner eigenen Falken, tötete ihn insgeheim und brachte ihn zu seiner Frau mit den Worten: »Theodora, mein teures Weib, ich habe, wie du recht wohl wissen wirst, mit unserem Markese gar keine ruhige Stunde mehr, weil er bald jagend, bald vogelstellend, bald lustfechtend oder andere ähnlichen Dinge treibend, mich so sehr in immerwährender Bewegung erhält, daß ich zuweilen kaum noch weiß, ob ich tot oder lebendig bin. Um ihn nun von dem tagtäglichen Jagen abzubringen, habe ich ihm einen Streich gespielt, der ihn ziemlich mißvergnügt machen und vielleicht dahin vermögen wird, sich und uns anderen einen Augenblick der Ruhe und Erholung zu gönnen.«

Die Frau erwiderte: »Nun, was hast du ihm denn getan?« Worauf Salardo sprach: »Ich habe ihm seinen besten Falken, den er am liebsten hat, getötet und glaube, daß er vor Wut bersten wird, wenn er ihn vermißt.«

Er schlug, während er dies sagte, die Tücher, worein er das tote Tier gewickelt hatte, auseinander, zog es hervor und befahl seiner Gemahlin, es braten zu lassen; denn er gedenke, es aus Liebe zu dem Markese zur Abendmahlzeit zu verspeisen.

Wie die Frau Salardos Reden hörte und den toten Falken erblickte, fing sie laut an zu klagen und zu schelten und machte Salardo die bittersten Vorwürfe wegen der begangenen Tat. »Ich verstehe gar nicht,« meinte sie, »wie Ihr Euch habt so schwer vergehen und den Herrn Markese so sehr beleidigen können, da er Euch so herzlich liebt. Er erzeigt Euch jede Gnade, um die Ihr ihn bittet, hat Euch den ersten Platz zunächst seiner Person angewiesen. Oh, mein Salardo, Ihr habt großes Unheil auf Euer Haupt herabgezogen! Wenn der Herr zufälligerweise von dem, was Ihr verbrochen habt, Kenntnis erlangte, was würde aus Euch werden? Ihr brächtet ganz gewiß Euer Leben in Gefahr.«

Salardo sprach: »Wie willst du, daß er es erfahren soll? Es weiß niemand etwas davon, als du und ich. Und ich bitte und beschwöre dich bei deiner Liebe zu mir, dies mein Geheimnis ja nicht zu verraten, weil du, wenn du es nicht streng in dein Inneres verschlossen hieltest, unfehlbar dein eignes wie mein Verderben herbeiführen würdest.«

Die Frau entgegnete: »Zweifle nicht, daß ich weit eher den Tod erleiden, als ein solches Geheimnis offenbaren möchte!«

Wie solchergestalt nun der Falke gargekocht und wohlzubereitet worden war, setzten sich Salardo und Theodora zu Tisch; da aber Theodora nicht mit essen wollte, sondern ihrem Gemahle, der sie mit sanften Worten dazu anhielt, spitze Reden anzuhören gab, hob Salardo am Ende seine Hand empor und reichte ihr einen so derben Streich auf die rechte Wange, daß diese über und über rot wurde. Theodora fing heftig an zu weinen, beschwerte sich schmerzlichst über diesen Schlag, stand vom Tische auf und entfernte sich von Salardo, murrend und drohend: sie werde ihm ihr ganzes Leben lang diese Mißhandlung nicht vergessen und zu schicklicher Zeit und Gelegenheit ihre Rache dafür an ihm nehmen.

Des anderen Morgens stand sie frühzeitig aus dem Bette auf, kleidete sich eilig an und begab sich ohne Zögerung zu dem Markese, dem sie die Tötung seines Falken genau berichtete.

Den Markese entzündete die Aussage der ungetreuen Gattin zu solchem Zorne und zu solcher Wut, daß er den armen Salardo augenblicklich festnehmen ließ, dessen Verteidigungsgründe und Rechtfertigung durchaus nicht anhören wollte und ihn an dem Galgen aufzuhängen, sein Vermögen aber in drei Teile zu teilen befahl, von denen einen die Gattin, die ihn angeklagt hatte, den anderen der Pflegesohn und den dritten derjenige erhalten sollte, der seinen Henker abgeben wolle.

Posthumio, ein Jüngling von einnehmendem und wohlgestaltetem Äußeren, lief, als er den über seinen Pflegevater gefällten Urteilsspruch und die Güterteilung vernahm, spornstreichs zu seiner Mutter Theodora und sagte zu ihr: »Oh, liebe Mutter! Würde es nicht geratener sein, ich knüpfte selbst den Vater auf und verdiente mir so den dritten Teil seines Erbes dazu, als daß ich das viele Geld in eines Fremden Hände übergehen ließe?«

Theodora erwiderte ihm: »Du hast in der Tat wohlgesprochen, mein werter Sohn; denn wofern du dies vollbringst, bleibt Salardos Vermögen unversehrt in unserem Besitze.«

Also begab sich Posthumio unbedenklich zu dem Markese, ersuchte ihn um die Gnade, seinen Vater selbst henken zu dürfen, damit er also auch der Erbe des dritten Teiles seines Hab und Gutes würde, und der Markese gestand ihm huldreich diese Bitte zu.

Salardo hatte seinen Freund Fransoe, den er in sein Geheimnis gezogen, ersucht, sobald er von den Bütteln zum Tode abgeführt würde, zu dem Markese zu gehen, denselben flehentlich zu bitten, ihn vor Vollziehung des Urteils noch einmal vor sich kommen zu lassen und ihm gnädiges Gehör zu verleihen, und der redliche Freund tat genau, um was er von Salardo gebeten worden war. Derweil nun der Unglückliche, Hände und Füße in Fesseln geschlagen, in seinem harten Gefängnisse saß und von Stunde zu Stunde abgeführt zu werden gewärtigte, um den schmählichsten Tod am Galgen zu erleiden, sprach er bitter lieh weinend vor sich selbst: »Jetzt erkenne und verstehe ich klar und deutlich, wie die lange Erfahrung und die Weisheit meines alten Vaters für mein Seelenheil besorgt gewesen ist. Er, der Kluge und Verständige, gab mir einen so vortrefflichen Rat, und ich Unglücklicher, ich Unsinniger, verschmähte ihn! Um mich vor meinem Verderben zu bewahren, gebot er mir, meine haushohen Feinde zu fliehen, und ich habe mich ihnen zum Raube anheimgegeben, damit sie mich töten und sich meines Todes erfreuen! Er, mit der Natur der Fürsten wohlbekannt, die in einer und derselben Stunde Heben und hassen, erhöhen und demütigen, ermahnte mich, ihnen fernzubleiben, und ich Unvorsichtiger suchte sie auf, damit ich durch sie um Vermögen, Ehre und Leben käme! Oh, wollte Gott, ich hätte nimmermehr mein ungetreues Weib versucht! Oh, Salardo, wie viel zuträglicher würde es dir gewesen sein, wärest du in die väterlichen Fußtapfen getreten und hättest Schmeichlern und Speichelleckern das Amt überlassen, Fürsten und großen Herren den Hof zu machen und vor ihnen zu kriechen! Jetzt sehe ich, wohin mich mein allzu großes Vertrauen auf mich selbst, mein Weib und meinen gottlosen Pflegesohn, vor allen Dingen aber mein allzu großer Glaube an den undankbaren Markese verleitet hat! Jetzt weiß ich ganz genau, wie sehr er mich liebt; denn er hätte mir doch wahrhaftig keine schlimmeren Kränkungen antun können, als er mich gegenwärtig erfahren läßt. Ich sehe nun wohl die Wahrheit des gemeinen Sprichwortes ein, das da lautet: Herrengunst und Flaschenwein pflegen oft schon über Nacht versauert zusein. Oh, unglücklicher Salardo, wie weit ist es mit dir gekommen! Wo ist jetzt dein Adel? Wo sind deine lieben Verwandten, deine Reichtümer, wo ist dein Ansehen und deine Macht hin? Oh, mein Vater! Wenn du aus den seligen Höhen, in denen du weilen magst, jetzt herniederschauend, mich aus keinem anderen Grunde zum Tode verdammt siehst, als weil ich deinen weisen, liebevollen Wünschen nicht folgsam gewesen bin, so hoffe ich, wirst du nicht allein meine heißen Bitten um Vergebung mir gewähren, sondern auch dein Gebet zum Höchsten richten, mit meinen jugendlichen Irrtümern Erbarmen zu haben.«

Salardo hatte dies Selbstgespräch kaum heimlich in sich beendigt, als Posthumio, sein angenommener Sohn, wie ein alter entschlossener Henker mit der Häscherschar zu ihm in den Kerker trat, dreist auf ihn zuschritt und zu ihm sagte: »Da Ihr, mein bester Vater, nach dem Urteilsspruche des Herrn Markese unwiderruflich denn einmal gehängt werden müßt, und da, wie Ihr selbst wißt, der dritte Teil Eurer Güter dem zufallen soll, der Euch aufknüpft, so werdet Ihr, bei der Liebe, mit der Ihr mir immerdar gewogen gewesen seid, es mir sicherlich nicht übel aufnehmen, sondern zufrieden sein, daß ich selbst dieses Amt vollstrecke, damit ein so großer Teil Eurer Güter nicht in Fremder Hände komme und im Gegenteile bei den Eurigen verbleibe.«

Salardo hatte den Worten seines Sohnes ein aufmerksames Gehör geliehen und entgegnete: »Gott segne dich, mein Sohn: was du da gesprochen hast, gefällt mir wohl, und wenn ich vorher unwillig zu sterben war, so sehne ich mich nunmehr innig nach dem Tode. Vollbringe die Pflicht, die du übernehmen willst, und zögere nicht!«

Posthumio bat ihn um Vergebung, küßte ihn auf den Mund, ergriff dann den Strick und warf ihn ihm um den Hals, indem er ihn zu geduldiger Ertragung der Todesstrafe ermahnte und ihn tröstete.

Erstaunt und verstummt über den furchtbaren Wechsel seines Schicksals, wandelte Salardo, die Hände gebunden auf dem Rücken, den Strick um den Hals, in Begleitung des Henkers und der Schergen, eilfertigen Schrittes aus dem Kerker hervor nach dem Richtplatze. Daselbst angelangt, stieg er, mit dem Rücken gegen die an den Galgen gelehnte Leiter gewendet, von Sprosse zu Sprosse empor, schaute sich, als er standhaften und unerschrockenen Mutes die letzte erreicht hatte, unter dem unten versammelten Volke um, dem er umständlich die Ursache, aus welcher er zum Tode verurteilt worden sei, erzählte, und bat sodann mit sanften, liebreichen Worten einen jeden, den er etwa beleidigt habe, um Verzeihung, indem er noch überdies alle Söhne im allgemeinen ermahnte, ihren alten Vätern immer gehorsam zu sein.

Das Volk hörte den Grund zu Salardos Verdammungsspruch und vergoß unzählige Tränen der Teilnahme an dem Schicksale des bedauernswerten Jünglings, der ein längeres Leben sich sogar nicht zu wünschen schien. Zu gleicher Zeit aber mit diesen Vorgängen war Fransoe in den Palast geeilt und hatte den Markese folgendermaßen angeredet: »Wenn jemals, mein erlauchter Herr, ein Funken von Mitleiden in der Brust eines gerechten Richters zu finden war, so darf ich hoffen, es in Euch zu entzünden, wenn es mir gelingt, Eure gewohnte Milde die Unschuld des Freundes erkennen zu lassen, der gegenwärtig in den Tod geführt wird, ohne daß er weiß warum. Was bewog Euch denn, mein erhabener Fürst, Salardo, der Euch mit Leib und Seele ergeben ist, das Leben abzusprechen? Er hat Euch weder in der Tat noch selbst in Gedanken gekränkt und beleidigt. Gesteht mir, ich beschwöre Euch, nur so viel zu, daß der zuverlässigste Eurer Freunde, ehe er sterbe, vor Eurem Antlitz erscheinen und Euch seine Unschuld offenbaren darf!«

Der Markese wollte Salardos Fürsprecher mit zornglühenden Augen ohne Antwort von sich stoßen; Fransoe warf sich aber vor ihm zur Erde nieder, umfaßte weinend seine Kniee und rief unter lautem Schluchzen: »Gnade, o gerechter Richter! Gnade, o gütiger Fürst! Ich bitte dich um deiner selbst willen, laß Salardo nicht ungehört sterben! Laß deinen Zorn fahren: ich will dir seine Unschuld unwidersprechlich dartun. Gib ihm nur eine Stunde Frist, um der Gerechtigkeit willen, die du gleichwie deine Vorfahren jederzeit ausgeübt hast! Es werde nicht von dir gesagt, o Herr, daß du deine besten Freunde so übereilterweise grundlos den Tod erleiden läßt!« Der Markese sprach, auf das heftigste gegen Fransoe erbittert: »Sieh dich vor, daß du nicht am Ende Salardos Schicksal teilst! Wenn du das Feuer meines Zornes noch ein wenig mehr anfachst, so gebe ich dir mit meiner eigenen Hand den Tod.«

»Ich habe nichts dawider, gnädiger Herr, daß meinen langjährigen getreuen Diensten dieser Lohn bereitet und ich selbst in Gemeinschaft mit Salardo aufgehängt werde, wenn du ihn nicht für schuldlos erkennen mußt.«

Der Markese ermaß Fransoes Seelengröße, bedachte, wie er sich doch, ohne Salardos gänzliche Rechtfertigung, gar nicht verbindlich machen solle, ihn zu begnadigen, und sagte, er willige darein, daß die Hinrichtung eine Stunde aufgeschoben werde; beweise ihm jedoch mittlerweile Fransoe Salardos Unschuld nicht, so möge er sich zu gemeinschaftlichem Tode mit dem Verbrecher bereiten. Er rief darauf einen seiner Diener in seine Gegenwart und gebot ihm, alsobald auf den Richtplatz zu eilen und den Dienern der Gerechtigkeit in seinem Namen zu befehlen, ihr weiteres Verfahren gegen Salardo einzustellen und ihn gebunden, wie er sei, und mit dem Stricke um den Hals, in Begleitung des Henkers vor ihn zu bringen.

Indem nun Salardo, zufolge dieses Befehls, vor dem noch immer umwölkten Angesichte seines Gebieters stand, redete er ihn mit aller Hoheit seines Gemütes solchergestalt ruhig und entschlossen an: »Meine Treue gegen dich, mein Fürst, und die Liebe, mit der ich dir unaufhörlich zu eigen gewesen bin, haben die Kränkungen und die Schande nicht verdient, die du mir durch einen so schmählichen Tod antust. Wenn auch dein Zorn über meine große Torheit, vorausgesetzt, daß es eine Torheit war, dich so unnatürlicherweise gegen mich aufbringen konnte, so durftest du mir doch nicht ungehört und ungerichtet so schleunig das Leben absprechen. Der Falke, wegen dessen vermeintlicher Tötung du einen so unversöhnlichen Groll auf mich geworfen hast, ist lebendig und unversehrt. Ich nahm ihn dir, weder um ihn zu töten, noch um dich zu beleidigen, sondern einzig und allein, um eine geheime Erfahrung damit zu machen, die dir gegenwärtig kundwerden soll.«

Er bat nunmehr den anwesenden Fransoe, den Falken herbeizubringen und seinem fürstlichen Herrn wieder zuzustellen, und erzählte vom Anfange bis zu Ende die Geschichte der liebreichen Lebensregeln, die ihm sein sterbender Vater gab, und seiner frevelhaften Geringschätzung derselben.

Über das Anhören der aus dem innersten Herzen kommenden Worte Salardos und über den Anblick seines fetten und schöner als jemals aussehenden Falkens fühlte sich der Markese eine Zeitlang der Sprache beraubt. Sobald er ein wenig wieder zu sich selbst und zur Einsicht in das große von ihm an seinem Freunde begangene Unrecht gekommen war, schlug er seine mit Tränen erfüllten Augen zu Salardo empor, sah ihn fest an und sprach zu ihm: »Salardo, wenn du in diesem Augenblick mein innerstes Herz schauen könntest, so würdest du offenbar erkennen, daß der Strick, der dir bisher deine Hände gebunden hat, und die Schlinge um deinen Hals dir nicht so viel äußere Schmerzen als mir innere machen, der ich nicht hoffen kann, um des dir zugefügten Unrechtes willen, jemals wieder heiter und zufrieden zu werden. Wenn es möglich wäre, das Geschehene auf irgendeine Weise ungeschehen zu machen, – ich vollbrächte es. In Anbetracht der Unmöglichkeit dieser Aufgabe jedoch werde ich es als meine heiligste Pflicht ansehen, dir das erlittene Ungemach, so sehr ich es imstande bin, zu vergüten.«

Bei diesen Worten nahm ihm der Markese den Strick mit eigenen Händen vom Halse ab, band ihm die Hände los, umarmte ihn mit großer Herzlichkeit, indem er ihn zu wiederholten Malen küßte, und zog ihn an seiner rechten Hand neben sich zum Sitzen nieder.

Der Markese verlangte zwar auch, daß Posthumio wegen seiner schlechten Aufführung der Strick um den Hals gelegt und er daran aufgehängt würde; Salardo gestattete es aber nicht, sondern ließ ihn vor sich rufen und sagte ihm bloß: »Posthumio! Du, den ich um Gottes Barmherzigkeit willen von Kindesbeinen an bis zu diesem deinem reifen Alter ernährt und erzogen habe, ich weiß, beim Himmel, nicht, was ich mit dir anfangen soll. Auf der einen Seite zieht mich meine bisherige Liebe zu dir hin, auf der anderen stößt mich meine gerechte Entrüstung über deine Missetaten von dir ab. Die eine will, daß ich, als ein guter Vater, dir vergebe, die andere treibt mich zu unerbittlicher Strenge gegen dich an. Was soll ich tun? Wofern ich dir verzeihe, wird man mit Fingern auf dich zeigen; nehme ich meine gerechte Rache dagegen an dir, so handle ich dem göttlichen Gebote entgegen. Damit ich nun weder zu milde noch zu grausam sei, so will ich die goldene Mittelstraße einschlagen und weder eine körperliche Strafe über dich verhängen, noch dir ganz und gar verzeihen. Nimm diesen Strick, den du mir um den Hals geschlungen hattest, und behalte ihn zur Entschädigung für meine Güter, nach deren ungeteiltem Besitze du trachtetest; sei meiner und deines schweren Verbrechens an mir immer eingedenk und bleibe mir so fern, daß ich niemals wieder etwas von dir höre!«

Nachdem er dies gesagt hatte, jagte er den Schelm aus seiner Gegenwart hinweg in sein Unglück: man hat späterhin nimmermehr vernommen, was aus ihm geworden ist. Theodora, zu deren Ohren das Gerücht von Salardos Befreiung auch schon gedrungen war, entfloh aus seinem Hause nach einem frommen Nonnenkloster, wo sie ihr Leben bußfertigerweise beschloß. Salardo nahm in kurzem Abschied vom Markese, verließ Monferrato und ging nach Genua zurück, wo er lange Jahre in Frieden lebte, den größten Teil seines Besitztums zu guten Werken anwandte und nur so viel für sich behielt, als er zu seinem einfachen Unterhalt benötigte.

Die ungetreue Polissena

Die Stadt Venedig, durch die Anordnung ihrer Obrigkeiten höchst edel, reich an verschiedenen Arten von Leuten und glücklich durch ihre geheiligten Gesetze, liegt am Ende des Meerbusens des Adriatischen Meeres und heißt die Königin der andern Städte, die Zuflucht der Unglücklichen, die Unterkunft der Unterdrückten, und hat das Meer zur Mauer und den Himmel zum Dache; und wiewohl nichts daselbst wächst, so ist doch eine Fülle daselbst, wie sie für eine große Stadt paßt. In dieser edeln, großartigen Stadt nun befand sich in früherer Zeit ein Kaufmann mit Namen Dimitrio, ein rechtschaffener, braver und frommer Mann, aber aus niederem Stande. Da er sehr wünschte, Kinder zu bekommen, nahm er eine liebenswürdige, anmutige Jungfrau zur Ehe namens Polissena, die so heiß von ihm geliebt wurde, daß niemals noch ein Mann sein Weib so sehr liebte wie er sie. Sie kleidete sich so prächtig, daß außer den Edelfrauen ihr an Kleidern, Juwelen und großen Perlen es keine zuvortat. Dabei hatte sie einen Überfluß an den feinsten Speisen, welche, da sie für ihre niedrige Herkunft nicht paßten, sie üppiger und zärtlicher machten, als sie sonst geworden wäre.

Dimitrio, der schon früher viele Seereisen gemacht hatte, beschloß mit Waren nach Cypern zu gehen, bestellte und versah das Haus reichlich mit Lebensmitteln und allem, was in ein Haus gehört, ließ seine liebe Frau mit einer jungen kugelrunden Magd allein und nahm von Venedig Abschied, um seine Reise anzutreten. Polissena, die sich dem Wohlleben und der Üppigkeit ergab, fühlte sich sehr kräftig und konnte den scharfen Stachel der Liebe nicht länger ertragen, faßte daher einen Geistlichen ihres Kirchspiels ins Auge und verliebte sich heftig in ihn. Er war jung und nicht minder einnehmend als schön und gewahrte eines Tages, daß Polissena ihn mit Liebesblicken verfolgte. Ihr Aussehen gefiel ihm, ihre Person schien ihm reizend, und er bemerkte, daß sie alle Vorzüge des Äußern besitze, die zu einer schönen Frau gehören; deshalb fing er denn an, sehr emsig insgeheim mit ihr zu liebäugeln; und ihre treuen frommen Seelen erfüllten sich so mit wechselseitiger Liebe, daß in kurzem Polissena den Pfaffen ungesehen ins Haus führte, um ihren Lüsten zu frönen. Dieser Liebeshandel dauerte in aller Verborgenheit mehrere Monate fort, und sie erneuerten vielmals die festen Umarmungen und süßen Küsse, während der törichte Ehemann den Gefahren des empörten Meeres sich aussetzte.

Als aber Dimitrio einige Zeit in Cypern gewesen war und aus seinem Handel einen sehr hübschen Gewinn gezogen hatte, kehrte er nach Venedig zurück, landete, ging nach seiner Wohnung und fand sein liebes Weib, welches laut weinte. Auf die Frage nach der Ursache ihres heftigen Weinens antwortete sie: »Teils wegen der schlimmen Zeitung, die ich erhalten, teils auch wegen übergroßer Freude, die ich über Eure Rückkehr empfinde. Denn ich hatte von vielen Seiten gehört, die zyprischen Schiffe seien im Meer versunken, und fürchtete deshalb sehr, es möchte Euch ein Unfall begegnet sein. Da ich Euch aber nunmehr durch Gottes Gnade gesund und wohlbehalten nach Hause zurückkehren sehe, kann ich vor übergroßer Freude mich nicht der Tränen erwehren.«

Der arme Schelm war von Zypern nach Venedig zurückgekommen, um die Zeit einzubringen, die seine Frau durch seine lange Abwesenheit verloren hatte, und meinte, Polissenas Tränen entspringen aus heißer, tiefbegründeter Liebe, die sie für ihn fühle; der Unglückliche wußte nicht, daß sie in ihrem Herzen wünschte: »Wollte Gott, er wäre in den drohenden Wellen ertrunken, damit ich sicherer und ungestörter mich der Lust und dem Genüsse mit meinem Liebhaber hingeben könnte, der mir so innig zugetan ist!«

Es war noch kein Monat um, so ging Dimitrio wieder auf die Reise. Polissena war darüber so sehr erfreut, wie sie nur sein konnte; sie ließ es bald ihrem Geliebten sagen, der nicht weniger als sie sehnsüchtig wartete und, als die passende verabredete Stunde gekommen war, heimlich zu ihr schlich. Der Pfaffe konnte aber seine Gänge nicht so verbergen, daß er nicht von Manusso, der dem Hause seines Gevatters Dimitrio gegenüber wohnte, gesehen worden wäre. Manusso, der Dimitrio sehr liebte, weil er ein umgänglicher, dienstfertiger Mann war, hatte keinen geringen Verdacht auf die Gevatterin und achtete oft und viel auf sie. Als er nun deutlich sah, daß dem Priester auf ein gewisses Zeichen und zu einer bestimmten Stunde die Tür geöffnet wurde und er ins Haus trat und unvorsichtiger als billig mit der Gevatterin scherzte, beschloß er für jetzt stille zu sein, damit die Geschichte, die noch im stillen blieb, nicht ruchbar würde und kein öffentliches Ärgernis entstünde; er wollte warten, bis Dimitrio von der Reise zurückkäme, damit er selbst reiflich überlege, was in der Sache zu tun sei.

Als nun die Zeit seiner Heimkehr erschien, stieg Dimitrio in das Schiff, kehrte mit günstigem Winde nach Venedig zurück, landete, ging an seine Wohnung und klopfte an die Tür. Die Magd ging an das Fenster, um nachzusehen, erkannte ihn, lief hinab und öffnete ihm, fast zu Tränen gerührt vor Freude. Als Polissena von der Ankunft ihres Mannes hörte, stieg sie die Treppe hinunter, lief ihm mit offenen Armen entgegen, küßte ihn und überschüttete ihn mit den größten Liebkosungen von der Welt. Und da er etwas müde war und ganz zerschlagen von der Seereise, ging er ohne Abendessen zu Bette und schlief fest ein, so daß der Tag anbrach, ohne daß er die letzten Freuden der Liebe genossen hätte. Als nun die dunkle Nacht vorüber und der helle Tag gekommen war, wachte Dimitrio auf, erhob sich aus dem Bette, ohne der Frau einen einzigen Kuß zu geben, und ging an ein Kistchen, aus dem er einige wertvolle Sachen nahm. Mit diesen kam er an das Bett zurück und übergab sie seiner Frau, die, da ihr anderes im Sinne lag, diese Geschenke wenig oder gar nicht beachtete.

Dimitrio hatte Veranlassung, nach einiger Zeit nach Apulien zu fahren wegen Öls und anderer Geschäfte; er sagte es also seiner Frau und schickte sich zur Abreise an. Das listige Weib aber tat, als schmerze sie sein Weggehen; sie überhäufte ihn mit Liebkosungen und bat, er möchte doch noch ein paar Tage bei ihr bleiben, und doch war ihr ein Tag so lange wie tausend, bis er ihr aus den Augen war und sie sich mit mehr Sicherheit den Umarmungen ihres Liebhabers hingeben konnte.

Manusso hatte den Priester öfters mit der Gevatterin liebäugeln, ja auch anderes tun sehen, was sich nicht schickt zu sagen, und so schien es ihm ein Unrecht gegen den Gevatter, wenn er ihm nicht eröffne, was er seine Frau hatte tun sehen. Er beschloß daher, komme daraus, was da wolle, ihm alles zu sagen. Er lud ihn also eines Tages zum Essen ein, und als sie bei Tische saßen, sagte Manusso zu Dimitrio: »Lieber Gevatter, Ihr wißt, wenn ich mich nicht täusche, daß ich Euch immer geliebt habe und lieben werde, solange der Geist diese Gebeine beherrscht, und nichts, wäre es auch noch so schwer, würde ich Euch zuliebe unterlassen; wenn es Euch daher nicht unangenehm wäre, könnte ich Euch Dinge erzählen, die Euch freilich eher Verdruß als Freude bereiten würden. Aber ich wage nicht, es auszusprechen, um nicht Eure heitere Stimmung zu trüben. Wenn Ihr aber klug seid, wie ich denke, und vorsichtig, so werdet Ihr die Wut zügeln, die niemand die Wahrheit erkennen läßt.«

Dimitrio sagte: »Wißt Ihr nicht, daß Ihr mir alles mitteilen könnt? Habt Ihr vielleicht einen umgebracht? Sagt es nur ohne Furcht!«

»Ich«, antwortete Manusso, »habe niemand umgebracht, wohl aber habe ich jemand Eure Ehre und Euern guten Namen umbringen sehen.«

»Redet deutlich«, versetzte Dimitrio, »und foltert mich nicht so lange mit Euern rätselhaften Worten!«

»Wollt Ihr, daß ich offen mit Euch rede«, sagte Manusso, »so hört zu und nehmt ruhig auf, was ich Euch zu sagen habe: Polissena, die Ihr so sehr lieb und wert haltet, schläft, solange Ihr fort seid, jede Nacht mit einem Geistlichen und lebt froh und guter Dinge.«

»Wie ist das möglich«, rief Dimitrio; »da sie mich zärtlich liebt und ich nie von hier abreise, ohne daß sie den Schoß mit Tränen und die Luft mit Seufzern füllt? Und wenn ich es mit Augen sähe, würde ich es kaum glauben.«

»Wenn Ihr«, antwortete Manusso, »wie ich glaube, ein Mann von Verstand seid und nicht die Augen schließt, wie viele Toren zu tun pflegen, so will ich Euch mit eigenen Augen alles sehen und mit Händen tasten lassen.«

»Ich bin bereit«, sagte Dimitrio, »alles zu tun, was Ihr mir befehlt, wenn Ihr mich sehen laßt, was Ihr mir versprochen habt.«

Da sagte Manusso: »Wenn Ihr tut, was ich Euch sage, so könnt Ihr Euch der Sache ganz versichern. Aber bewahrt das Geheimnis, zeigt Euch heiter und unbefangen: sonst verderbt Ihr, wie man im Sprichwort sagt, dem Fasan seinen Schwanz. Dann an dem Tage, wo Ihr abreisen wollt, stellt Euch, als steigt Ihr zu Schiffe, und kommt dann so heimlich, als Ihr könnt, in mein Haus! Ich versichere Euch, ich will Euch alles mit Augen sehen lassen.«

Als nun der Tag kam, da Dimitrio abreisen sollte, war er sehr zärtlich mit seiner Frau, empfahl ihr das Haus, verabschiedete sich und tat, als ginge er zu Schiffe, schlich aber heimlich in Manussos Haus. Das Schicksal wollte, daß nicht zwei Stunden vorübergingen, als sich ein Sturm mit solchem Regen erhob, daß man meinte, der Himmel wolle herunterfallen, und es hörte die ganze Nacht nicht auf zu regnen. Der Geistliche, der bereits Dimitrios Abreise vernommen hatte, fürchtete weder Regen noch Wind, sondern erwartete nur die gewohnte Stunde, um zu seinem teuern Schatz zu kommen, gab also das Zeichen: plötzlich ward die Tür aufgetan, er trat hinein und gab ihr einen süßen, würzigen Kuß. Das sah Dimitrio, der an einer verborgenen Öffnung stand, und konnte nun dem nicht mehr widersprechen, was der Gevatter ihm gesagt hatte, stand also ganz erstaunt da, und dann traten ihm vor gerechtem Schmerze die Tränen in die Augen.

»Was dünkt Euch nun?« sagte sodann der Gevatter zu Dimitrio; »habt Ihr nun mit Augen gesehen, was Ihr Euch nie eingebildet hättet? Aber seid still und entsetzt Euch nicht! Wenn ihr auf mich hört und tut, was ich Euch sage, so werdet Ihr's noch besser sehen. Geht, zieht diese Kleider aus, nehmt die Lumpen eines Bettlers, legt sie an, überzieht Euch Hände und Gesicht mit Schmutz, verändert Eure Stimme, geht nach Hause und stellt Euch an als armer Mann, der eine Nachtherberge begehrt! Die Magd wird vielleicht, wenn sie das rauhe Wetter sieht, sich zum Mitleid rühren lassen und Euch aufnehmen; dann könnt Ihr leicht mit ansehen, was Ihr nicht gerne sehen mögt.«

Als Dimitrio dies hörte, zog er sich aus und legte die Lumpen eines Bettlers an, der eben in das Haus trat, um ein Unterkommen zu suchen. Während es immer heftig regnete, ging er dann an die Tür seines Hauses, pochte dreimal an, jammerte und seufzte heftig. Die Magd kam ans Fenster und sprach: »Wer pocht da unten?«

Mit zitternder Stimme antwortete er: »Ich bin ein armer alter Mann, ich triefe ganz von Regen und bitte um Herberge für diese Nacht.«

Die Magd, die nicht minder erbarmungsvoll gegen die Armen war als ihre Herrin gegen den Priester, lief zu der Frau und bat sie dringend, zu erlauben, daß ein armer Bettler, der ganz durchnäßt und gebadet vom Regen sei, sich im Hause aufhalten dürfe, bis er gewärmt und getrocknet sei. »Er kann Wasser tragen, den Spieß drehen und das Feuer schüren, daß die Hähne um so schneller gebraten werden. Unterdessen kann ich die Pfanne überhängen, die Schüsseln rüsten und anderes in der Küche besorgen.«

Die Frau war einverstanden, und die Magd öffnete die Tür. Sie rief ihn herein, ließ ihn sich ans Feuer setzen, und während der Arme den Bratspieß drehte, gaben sich der Priester und die Frau im Zimmer ihrer Lust hin. Dann kamen beide, sich an der Hand führend, in die Küche, grüßten den Armen, und da sie ihn so garstig beschmiert sahen, verspotteten sie ihn. Die Hausfrau trat zu ihm und fragte ihn, wie er heiße.

»Madonna«, antwortete er ihr, »ich heiße Gramotiveggio d.h. Traurig-seh-ich-dich.«

Als die Frau diesen Namen hörte, begann sie zu lachen, daß ihr die Zähne hätten ausfallen sollen. Dann umarmte sie den Priester und sagte: »Komm, liebes Herz, laß mich dir einen Kuß geben!« Und vor den Augen des Bettlers drückte sie ihn fest an sich und küßte ihn. Da mag sich jeder selbst vorstellen, in welcher Stimmung der Ehemann war, als er sah, wie seine Frau und der Priester einander umarmten und küßten.

Als die Stunde des Abendessens kam, deckte die Magd den Liebenden den Tisch, kehrte dann in die Küche zurück und plauderte mit dem Alten.

»Mein lieber kleiner Paris«, sagte sie, »meine Gebieterin hat einen Mann, rechtschaffen, wie nur irgendeiner im Lande, und der läßt es ihr an nichts mangeln. Weiß Gott, wo der arme Schelm in dem schlimmen Wetter jetzt ist! Die Undankbare aber denkt nicht an ihn und noch weniger an ihre Ehre; denn sie hat sich von Wollust blenden lassen, einen Liebhaber angenommen und verschließt jedem, außer ihm, das Haus. Kommt nur her: wir wollen leise an die Kammertür treten und sehen, was sie machen und wie sie essen.«

Sie gingen an die Tür und sahen, wie sie einander die Bissen in den Mund steckten und Liebesgespräche führten. Als die Schlafenszeit kam, gingen sie zu Bette, scherzten und freuten sich miteinander und waren in ihrem Treiben so ungezwungen und laut, daß der Bettler, der im anstoßenden Zimmer lag, alles verstand. Der arme Schelm tat kein Auge zu die ganze Nacht; aber als es Tag wurde, stand er schnell auf, dankte der Magd für die Menschenfreundlichkeit, die sie ihm bewiesen, nahm Abschied und ging, ohne von jemand gesehen zu werden, in das Haus Manussos, seines Gevatters.

»Gevatter«, sprach dieser lächelnd, »was macht das Handwerk? Habt Ihr wohl gefunden, was Ihr nicht finden wolltet?«

»Ja freilich«, sagte Dimitrio, »und ich hätte es nie geglaubt, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. Doch Geduld! So will es nun einmal mein hartes Los.«

Manusso sagte: »Gevatter, ich bitte Euch, tut, was ich Euch sage: Steht früh auf, nehmt Eure Kleider und zieht sie an und geht, ohne einen Augenblick zu verlieren, nach Hause, tut, als habt Ihr wegen des Gewitters nicht fortkommen können, und gebt acht, daß Euch der Priester nicht entwische! Wenn Ihr im Hause seid, wird er sich irgendwo verstecken und seinen Schlupfwinkel nicht verlassen, bis er mit Bequemlichkeit hinauskann. Ihr schickt unterdessen nach den Verwandten der Frau, daß sie zu Euch zum Essen kommen, und wenn Ihr den Priester im Hause findet, so fangt mit ihm an, was Ihr wollt!«

Dimitrio gefiel der Rat seines Gevatters Manusso wohl; er zog die Lumpen aus, legte seine eigenen Kleider an, ging an sein Haus und klopfte an die Tür. Als die Magd sah, daß es der Herr sei, lief sie schnell in das Schlafzimmer der Frau, die noch mit dem Priester im Bette lag.

»Madonna«, rief sie, »der Herr kommt zurück.«

Als die Frau dies hörte, erschrak sie nicht wenig, stand auf, so schnell sie konnte, und verbarg den Priester, der im Hemde war, in einer Kiste, in der sie ihre Staatskleider verwahrte. Dann lief sie, einen Pelzrock umwerfend, barfuß hinunter und machte ihm auf.

»Ach, mein lieber Mann«, rief sie, »seid willkommen! Ich habe aus Liebe zu Euch gar kein Auge zutun können, da ich immer an den heftigen Sturm denken mußte. Aber gottlob, daß Ihr nun wohlbehalten zurück seid!« Dimitrio trat nun in das Zimmer und sagte zu seiner Frau: »Polissena, ich konnte heute nacht wegen des bösen Wetters gar nicht schlafen; ich möchte mich jetzt gerne ein wenig niederlegen; aber während ich schlafe, soll die Magd zu deinen Brüdern gehen und sie in unserem Namen einladen, heute mit uns zu speisen.«

»Nicht heute«, sagte Polissena, »aber auf einen andern Tag mögt Ihr sie einladen: denn heute regnet es, und die Magd hat zu tun mit Bügeln unserer Hemden, Leintücher und der übrigen Wäsche,«

»Morgen vielleicht ist besseres Wetter«, sagte Dimitrio, »dann muß ich abreisen.«

»Ihr könntet auch hingehen«, sagte Polissena, »und wenn Ihr zu müde seid, ruft unseren Gevatter Manusso da drüben, der wird es Euch schon zu Gefallen tun.«

»Du hast recht«, sagte Dimitrio.

Man ließ Manusso rufen; er kam und führte den Auftrag aus.

So kamen denn Polissenas Brüder zu Dimitrio, und sie speisten heiter zusammen. Als die Tafel aufgehoben war, sagte Dimitrio: »Liebe Schwäger, ich habe euch noch nie das Haus gezeigt und die Kleider, die ich eurer Schwester Polissena, meiner Frau, machen ließ; darum seid so gut und seht, wie gut sie es bei mir hat! Steh auf, Polissena! Zeigen wir deinen Brüdern ein wenig das Haus!«

Sie standen auf; Dimitrio zeigte ihnen die vollen Vorratskammern mit Holz, Getreide, Öl, Spezereien, dann volle Fässer mit Malvasier, griechischen und andern köstlichen und ausgezeichneten Weinen. Darauf sagte er zu der Frau: »Zeige ihnen deinen Anhänger und die dicken weißen Perlen! Nimm aus diesem Kästchen die Smaragde, die Diamanten, die Rubine und andere Juwelen! Was dünkt euch nun, ihr Schwäger ? Hat es eure Schwester nicht gut?«

Alle antworteten: »Das wußten wir wohl, und hätten wir nicht Euern Wohlstand und Eure Gesinnung gekannt, so hätten wir Euch unsere Schwester nicht zur Frau gegeben.« Damit nicht zufrieden, befahl er ihr, die Kisten aufzumachen und ihnen ihre mannigfaltigen schönen Kleider zu zeigen. Aber Polissena zitterte am ganzen Leibe und sagte: »Was brauche ich die Kisten aufzumachen und ihnen meine Kleider zu zeigen? Wissen sie denn nicht, daß Ihr mich ganz anständig gekleidet habt, ja weit über unseren Stand?«

Aber Dimitrio sprach fast zornig: »Mache diese Kiste auf! Mache die andere auf!« Und er zeigte ihnen die Kleider.

Nun war nur noch eine einzige Kiste zu öffnen übrig; dazu wollte sich aber der Schlüssel nicht finden, denn darin steckte der Priester verborgen. Als nun Dimitrio sah, daß der Schlüssel nicht zu bekommen war, nahm er einen Hammer und klopfte damit so lange, bis das Schloß zerbrach und die Kiste aufging. Der Pfaffe zitterte am ganzen Leibe vor Furcht, wußte sich aber nicht so zu verstecken, daß ihn nicht alle erkannten. Als Polissenas Brüder dies sahen, erschraken sie sehr und entbrannten so von Zorn und Wut, daß wenig fehlte, so hätten sie beide mit den Dolchen, die sie an der Seite trugen, ihn erstochen. Dimitrio litt es aber nicht, daß sie ihn umbrachten; denn er hielt es für niederträchtig, einen Mann im Hemde zu töten, wenn er auch noch so stark sei. Aber er wandte sich zu den Schwägern und sagte: »Was dünkt euch von diesem gottlosen Weibe, auf das ich einst alle meine Hoffnung gesetzt habe? Verdiene ich von ihr solche Ehre? Du unseliges, gottverlassenes Weib, was hält mich ab, dir die Adern zu durchschneiden?«

Die Schändliche konnte sich nicht weiter entschuldigen und schwieg, als ihr Mann ihr ins Gesicht sagte, was er in der vorigen Nacht getan und gesehen hatte: da konnte sie nicht mehr leugnen. Dann wandte er sich an den Pfaffen, der mit gesenktem Haupte dastand, und sagte: »Nimm deine Kleider und hebe dich alsbald von hinnen! Geh zum Henker und laß dich nicht wieder bei mir blicken! Ich gedenke nicht wegen eines verbrecherischen Weibes meine Hände mit geweihtem Blute zu besudeln. Mache dich schnell auf! Was zögerst du?« Ohne den Mund zu öffnen, ging der Pfaffe hinweg; es war ihm, als spüre er Dimitrio und die Schwäger mit ihren Dolchen hinter sich.

Dann wandte sich Dimitrio zu den Schwägern und sagte: »Führt eure Schwester hinweg, wohin es euch beliebt! Sie soll mir nicht mehr unter die Augen kommen.«

Die Brüder waren kaum mit ihr nach Hause gekommen, so brachten sie sie ums Leben. Als Dimitrio dies hörte, bedachte er, wie schön seine Magd sei, und erinnerte sich, wie mitleidig sie sich gegen ihn erwiesen; daher nahm er sie zu seinem lieben Weibe. Er schenkte ihr alle Kleider und Juwelen seiner ersten Frau und lebte mit ihr lange glücklich und in Frieden.

Die Rache

In Bologna, der edeln Stadt in der Lombardei, der Mutter der Gelehrsamkeit, die alles im Überfluß besitzt, was ihre Pflege begünstigt, lebte ein adliger Student aus Kreta mit Namen Filenio Sisterna, ein aufgeweckter, liebenswürdiger Jüngling. Eines Tages beging man in Bologna ein schönes, glänzendes Fest, zu dem viele der schönsten Frauen der Stadt geladen waren und woran unter vielen bolognesischen Edelleuten und Studierenden auch Filenio teilnahm. Nach der Sitte junger Leute warf er seine Blicke bald auf diese, bald auf jene Schöne, und da sie ihm sämtlich wohlgefielen, wollte er sich mit einer derselben dem Ringeltanz anschließen. Er trat also zu der einen, welche Emerentiana hieß, der Gattin des Messer Lamberto Bentivogli, und forderte sie zum Tanze auf. Sie war anmutig und nicht minder aufgeräumt als schön und schlug den Antrag nicht aus. Mit zögerndem Schritt führte sie daher Filenio zum Tanz, drückte ihr zuweilen die Hand und flüsterte ihr leise die Worte zu: »Edle Dame, Eure Schönheit ist so groß, daß sie unbestritten jede andere überstrahlt, die je mein Auge gesehen. Auf der Welt ist kein Weib, zu der ich so heftige Liebe empfände, wie zu Eurer Hoheit; und wenn Ihr meine Liebe erwidertet, so würde ich mich für den glücklichsten, seligsten Menschen erachten, der auf der Welt zu finden wäre; wo nicht, so werdet Ihr mich bald des Lebens beraubt sehen und die Schuld meines Todes tragen. Da ich Euch nun, meine Gebieterin, hebe, wie ich tue und wie es meine Pflicht ist, so nehmt mich zu Euerm Diener an und verfügt über mich und das Meinige, wie geringfügig es sein mag, wie über Euer Eigentum! Keine höhere Gnade wüßte ich vom Himmel zu erflehen, als einer so hohen Herrin Untertan zu werden, die mich wie einen Vogel gefangen hat durch den süßen Leim der Liebe.«

Emerentiana, die die holden, lieblichen Worte mit Aufmerksamkeit angehört hatte, war klug genug, sich taub zu stellen, und antwortete nichts. Als der Tanz beendigt war und Emerentiana ihren Sitz wieder eingenommen hatte, ergriff der junge Filenio die Hand einer andern Dame und trat den Tanz mit ihr an. Aber kaum hatte er ihn begonnen, so redete er sie mit folgenden Worten an: »Gewiß, anmutigste Dame, habe ich nicht nötig, Euch mit Worten auszudrücken, wie groß und heftig die heiße Liebe ist, die ich zu Euch trage und tragen werde, solange mein Geist diese schwachen Glieder, dieses unselige Gebein beherrscht. Aber für glücklich, ja, für überselig müßte ich mich halten, wenn ich Euch zu meiner Herrin und Schutzheiligen erwürbe. Da ich Euch nun so sehr hebe und Euch ganz ergeben bin, wie Ihr leicht selber bemerken werdet, so verschmäht es nicht, mich zu Euerm unterwürfigsten Diener anzunehmen, da all mein Glück, ja mein Leben selbst von Euch und von sonst niemand abhängig ist!«

Die junge Frau, die Panthemia hieß, so gut sie alles verstanden hatte, erwiderte doch nichts, sondern setzte den Tanz mit vielem Anstande fort und nahm, als er zu Ende war, halb lächelnd neben den andern Damen ihren Platz ein. Es währte nicht lange, so ergriff der verliebte Filenio die Hand einer dritten, die die liebenswürdigste, anmutigste und schönste Frau war, die man dazumal in Bologna finden mochte, und begann sich mit ihr im Tanze zu schwingen, indem er sich eine Gasse durch diejenigen bahnte, welche sich herzudrängten, um sie zu bewundern. Ehe sie aber den Tanz beschlossen, redete er sie in folgender Art an: »Verehrungswürdige Frau, vielleicht werdet Ihr mich für nicht wenig anmaßend halten, wenn ich Euch jetzt die stille Liebe entdecke, die mein Herz für Euch empfindet und längst empfunden hat. Aber beschuldigt nicht mich, sondern Eure Schönheit, die Euch über alle andern Frauen erhebt und mich ewig zu Euerm Gefangenen macht! Ich schweige jetzt von Euren untadeligen Sitten, ich schweige von Euren ausgesuchten und bewundernswürdigen Tugenden, die so groß und zahlreich sind, daß sie Macht hätten, die höchsten Götter vom Himmel herniederzulocken. Wenn denn Eure natürliche kunstlose Schönheit den unsterblichen Göttern gefällt, – was wunder, daß sie mich zwingt, Euch zu lieben und Euer Bild in den Tiefen meines Herzens verschlossen zu tragen! Darum bitte ich Euch, edle Herrin, einziger Balsam meines Lebens, den wertzuhalten, der des Tages tausendmal für Euch stirbt. Dann werde ich glauben, ich verdanke mein Leben Euch, um deren Gunst ich werbe.«

Die schöne Frau, die Sinforosia hieß, hatte die süßen, holden Worte wohl verstanden, die aus dem feurigen Herzen Filenios hervordrangen; auch konnte sie ein kleines Seufzerchen nicht unterdrücken; jedoch bedachte sie ihre Ehre und daß sie vermählt sei, und antwortete ihm nichts, sondern ließ sich nach beendigtem Tanz wieder auf ihrem Platze nieder.

Nun saßen die drei fast in einem Kreise beisammen und unterhielten sich mit angenehmen Gesprächen, als Emerentiana, die Frau des Messer Lamberto, nicht in böser Absicht, sondern scherzweise zu ihren zwei Gefährtinnen sprach: »Meine lieben Frauen, soll ich Euch nicht einen Spaß erzählen, der mir heute begegnet ist?« »Nun, was denn?« fragten die Freundinnen.

»Ich habe«, fuhr Emerentiana fort, »beim Tanz einen Liebhaber gefunden, und zwar den schönsten, liebenswürdigsten und gebildetsten, der zu finden ist. Er sagt, er sei so entbrannt für mich meiner Schönheit wegen, daß er Tag und Nacht keine Ruhe finde.« Und so erzählte sie ihnen Wort für Wort, was er ihr gesagt hatte. Als dies Panthemia und Sinforosia hörten, sagten sie, ganz dasselbe sei ihnen begegnet, und sie verließen das Fest nicht, ohne es herausgebracht zu haben, daß es einer und derselbe gewesen sei, der allen dreien zugleich den Hof gemacht habe. Hieraus entnahmen sie die Gewißheit, daß jene Worte des Verliebten nicht aus aufrichtiger Liebe, sondern aus Verstellung und Arglist hervorgegangen seien, und maßen ihnen daher denselben Glauben bei, den man den Fieberträumen der Kranken oder den Possen der Bänkelsänger zu schenken pflegt. Sie schieden auch nicht eher voneinander, bis sie sich alle drei das Wort gegeben, eine jede von ihnen wolle ihn auf eine Weise zum besten haben, daß der Verliebte sich zeitlebens erinnern solle, daß auch die Frauen zu foppen verstehen.

Filenio fuhr fort, bald dieser, bald jener schönzutun, und da er sah, daß sich ihm alle drei wohlgewogen zeigten, so setzte er sich vor, wenn es möglich wäre, von jeglicher die letzte Frucht der Liebe zu empfangen; aber es gelang ihm nicht, wie er wünschte und hoffte, sondern es ward ihm ein Strich durch seine ganze Rechnung gemacht. Emerentiana, der geheuchelten Liebe des albernen Studenten überdrüssig, rief eine ihrer Mädchen, die gar anmutig und schön war, und trug ihr auf, zu gelegener Zeit mit Filenio zu sprechen und ihm die Liebe anzuvertrauen, die ihre Herrin für ihn fühle, und wenn es ihm recht sei, wolle sie eine Nacht in ihrem Hause mit ihm zubringen. Als das Filenio hörte, ward er froh und sprach zu dem Mädchen: »Geh, eile nach Haus, empfiehl mich deiner gnädigen Frau und sage ihr von mir, sie solle mich heute abend erwarten, da ihr Mann nicht zu Hause übernachtet!« Inzwischen ließ Emerentiana viele Bündel scharfer Dornen zusammenlesen und legte sie unter die Bettstelle, worin sie des Nachts schlief, und erwartete so die Ankunft ihres Liebhabers. Als die Nacht herankam, griff Filenio nach seinem Degen und schlich sich ganz allein zu dem Hause seiner Feindin, wo ihm beim ersten Zeichen geöffnet wurde. Nachdem sie sich eine Weile mit Gespräch unterhalten und festlich miteinander zu Nacht gespeist hatten, gingen sie zusammen in die Kammer, um sich schlafen zu legen. Aber kaum hatte sich Filenio entkleidet, um zu Bette zu gehen, so kam Messer Lamberto, ihr Gemahl, daher. Als die Frau dies hörte, stellte sie sich sehr erschrocken, und in der Angst, wo sie ihren Liebhaber verbergen sollte, befahl sie ihm, sich unter das Bett zu verkriechen. Als Filenio die Gefahr sah, worin er und die Frau schwebte, lief er nackt und in bloßem Hemde unter die Bettstelle und zerkratzte sich so entsetzlich, daß an seinem ganzen Leibe von Kopf bis zu den Füßen keine Stelle war, die nicht Blut geschwitzt hätte. Und je mehr er sich in der Dunkelheit der Dornen erwehren wollte, desto ärger zerstachelte er sich, und doch durfte er nicht schreien, damit nicht Messer Lamberto ihn höre und umbringe. Ich überlasse es euch, den Zustand euch vorzustellen, in dem der Unglückliche die Nacht verbrachte, der, wie er keinen Laut hervorbringen durfte, auch fast keinen Schmerz mehr empfand.

Als der Morgen kam und der Ehemann das Haus verließ, kleidete sich der arme Student, so gut er konnte, wieder an und begab sich blutrünstig nach Hause zurück, wo er noch lange Todesangst zu leiden hatte. Doch unter der Pflege eines sorgsamen Arztes erholte er sich bald und ward wieder so gesund wie vorher. Auch währte es nicht lange, so verfiel er von neuem auf seine verliebten Neigungen und fuhr fort, jenen beiden andern, Panthemia und Sinforosia, den Hof zu machen, so lange, bis er eines Abends Gelegenheit fand, Panthemia zu sprechen, der er seinen langen Kummer und stete Schmerzen klagte, und die er bat, doch Mitleid mit ihm zu haben. Die schlaue Panthemia stellte sich, als bedauere sie ihn, entschuldigte sich, daß sie keine Gelegenheit wisse, ihn zufriedenzustellen; zuletzt aber, wie von seinen süßen Bitten und heißen Seufzern besiegt, ließ sie ihn ins Haus.

Schon war er entkleidet, um mit ihr zu Bette zu gehen, als ihm Panthemia befahl, in die Nebenkammer zu gehen, wo sie ihr wohlriechendes Wasser und Räucherwerk habe, um sich erst wohl zu parfümieren, ehe er ins Bett komme. Der Student, der sich keiner Arglist bei der boshaften Frau versah, trat in die Kammer. Aber kaum hatte er den Fuß auf eine Planke gesetzt, die von dem Tragbalken, der sie hielt, losgemacht war, so stürzte er, ohne sich halten zu können, mitsamt dem Brette in ein Gewölbe hinab, in welchem einige Kaufleute baumwollene und wollene Zeuge gelagert hatten. Obwohl er tief herabgefallen war, hatte er sich doch beim Fallen keinen Schaden getan. Als sich nun der Student an diesem dunkeln Ort befand, begann er umherzutappen, ob er eine Treppe oder eine Tür finde; da er aber nichts fand, verfluchte er die Stunde und den Augenblick, wo er Panthemia kennengelernt.

Als der Morgen dämmerte und der arme Jüngling freilich zu spät den Betrug der Frau einsah, bemerkte er an einer Seite des Warenlagers einige Ritzen in der Wand, die etwas Licht eindringen ließen, und weil die Mauer alt und mit ekelhaftem Schimmel bedeckt war, begann er mit ungeheurer Anstrengung Steine herauszunehmen und machte ein so großes Loch, daß er dadurch hinausschlüpfen konnte. Hier fand er einen Pfad, der nicht weit von der öffentlichen Straße entlegen war, und schlug barfuß und im Hemd den Weg nach Seiner Herberge ein, wo er auch, ohne von jemand erkannt zu werden, glücklich anlangte.

Sinforosia, die schon von den beiden Streichen vernommen hatte, die dem Filenio gespielt worden waren, besann sich darauf, ihnen einen dritten hinzuzufügen, der den ersten nichts nachgäbe. Sie begann daher, sooft sie ihn sah, ihn von der Seite bedeutsam verstohlen anzublicken, als wolle sie ihm zu verstehen geben, wie sie sich um ihn verzehre. Der Student, der die erlittene doppelte Unbill schon vergessen hatte, fing bald an, vor ihrem Hause vorüberzuspazieren und den Verliebten zu spielen. Als Sinforosia sah, daß er schon über und über von Liebe zu ihr glühe, schickte sie ihm durch ein altes Mütterchen einen Brief, worin sie ihm kundgab, er habe sie mit seiner Schönheit und seinem edlem Betragen so sehr für sich eingenommen und gefesselt, daß sie Tag und Nacht keine Ruhe finde; sie wünsche daher über alles in der Welt, wenn es ihm nicht unangenehm wäre, mit ihm zu sprechen. Als Filenio den Brief empfangen und den Inhalt ersehen hatte, dachte er an keinen Betrug, vergaß alle früher erfahrenen Beleidigungen und war der fröhlichste und zufriedenste Mensch, der jemals gefunden war. Er nahm Papier und Feder und antwortete, wenn sie ihn liebe und nach ihm schmachte, so gehe es ihm nicht besser, denn er liebe sie noch viel mehr als sie ihn, und zu jeder Stunde, wo sie befehle, sei er zu ihren Diensten bereit. Sobald sie die Antwort gelesen und den günstigen Augenblick gefunden hatte, ließ ihn Sinforosia ins Haus kommen und sprach zu ihm nach vielen erheuchelten Seufzern: »Mein Filenio, ich weiß nicht, wer außer dir mich zu dem Schritte verleitet hätte, zu dem du mich gebracht hast; denn deine Schönheit, deine Anmut und der Reiz deiner Rede haben ein solches Feuer in meiner Seele entzündet, daß ich wie trocknes Holz zu lodern glaube.«

Als der Student sie so sprechen hörte, zweifelte er keinen Augenblick, daß sie vor Liebe zu ihm zerschmelzen wolle. So erging sich der arme Schelm eine Weile mit Sinforosia in holden, ergötzlichen Liebesreden, und als es ihm endlich Zeit schien, sich zu Bette zu legen und an ihre Seite zu schmiegen, sprach Sinforosia: »Meine süße Seele, bevor wir zu Bette gehen, scheint es mir rätlich, uns ein wenig zu stärken.«

Dann ergriff sie ihn bei der Hand und führte ihn in ein Seitengemach, wo ein Tisch mit köstlichem Zuckerwerk und trefflichen Weinen bereitstand. Die verschlagene Frau hatte den Wein mit Kräutersaft gemischt, um zu machen, daß er bis zu einem gewissen Zeitpunkt einschliefe. Filenio ergriff den Becher, füllte ihn mit jenem Wein an und trank ihn, ohne einen Betrug zu ahnen, ganz aus. Nachdem er die Lebensgeister erfrischt und sich mit wohlriechendem Wasser gesalbt und durchduftet hatte, begab er sich zu Bett. Es währte nicht lange, so tat der Trank seine Wirkung, und der Jüngling verfiel in einen so tiefen Schlaf, daß der stärkste Geschützdonner oder jeder andere noch so heftige Lärm ihn schwerlich erweckt hätte. Als Sinforosia sah, daß er fest schlafe und der Saft seine Wirkung vollkommen bewähre, ging sie hinweg und rief eine junge, rüstige Magd, die in das Geheimnis eingeweiht war, worauf beide den Studenten bei Händen und Füßen ergriffen, gemach die Tür öffneten und ihn auf die Straße trugen, wo sie ihn etwa einen Steinwurf weit von dem Hause liegen ließen.

Etwa eine Stunde vor dem Anbruch der Morgenröte, als der Trank seine Kraft verloren hatte, erwachte der Arme und meinte an Sinforosias Seite zu liegen, fand sich aber statt dessen barfuß und im Hemd halbtot vor Kälte auf der bloßen Erde liegen. Kaum konnte sich der Bedauernswürdige, an Armen und Beinen Erstarrte wieder auf die Füße heben. Nur mit großer Beschwerde stand er auf, konnte sich aber fast nicht aufrecht halten und schleppte sich dann, so gut er vermochte und ohne von jemand bemerkt zu werden, zu seiner Herberge zurück und sorgte nun für seine Gesundheit. Und wäre nicht die Kraft der Jugend ihm zu Hilfe gekommen, so wäre er gewiß nervenlahm geworden.

Als er aber seine frühere Gesundheit wiedererlangt hatte, verschloß er die erlittenen Beleidigungen in der Tiefe seines Herzens, und ohne sich irgend gekränkt oder erbittert zu zeigen, stellte er sich vielmehr in alle drei noch weit verliebter als zuvor, indem er bald nach der einen, bald nach der andern liebäugelte. Jene versahen sich seiner Arglist nicht, sondern hatten ihre Freude an seinem Betragen und zeigten ihm die freundliche, wohlwollende und heitere Miene, die man wahrhaft Liebenden nicht versagt. Manchmal war der gereizte Jüngling nahe daran, seine Hand zu gebrauchen und ihnen das Angesicht zu zeichnen; aber er bedachte klüglich den hohen Stand der Frauen und wie schimpflich es für ihn wäre, drei schwache Weiber zu schlagen, und er bezwang seinen Ingrimm. Lange sann er hin und her, auf was Art er sich rächen könne, und da er es durchaus nicht anzustellen wußte, geriet er außer sich vor Betrübnis. Nach geraumer Zeit fiel es ihm ein, was er tun müsse, um seinen Wunsch leicht zu befriedigen, und das Glück begünstigte ihn, den entworfenen Plan ins Werk zu rufen. Filenio hatte in Bologna einen sehr schönen Palast zur Miete, worin sich ein geräumiger Saal und geschmackvolle Zimmer befanden. Hier beschloß er ein prächtiges und glänzendes Fest zu geben und viele Frauen einzuladen, worunter auch Emerentiana, Panthemia und Sinforosia.

Die Einladung wurde bestellt und angenommen, und als der Tag des glänzenden Festes erschien, begaben sich die Frauen, die in ihrem Leichtsinn nichts ahnten, alle drei dahin.

Als es Zeit war, die Frauen mit kühlen Weinen und köstlichem Zuckerwerk zu erquicken, ergriff der verschlagene Jüngling seine drei Liebsten bei der Hand und führte sie mit vielem Anstand in ein Nebengemach mit der Bitte, sich ein wenig zu erfrischen. Kaum aber waren die törichten, unvorsichtigen Frauen in der Kammer angelangt, so verschloß der Jüngling die Tür derselben, wandte sich dann zu ihnen und sprach: »Jetzt, ihr boshaften Weiber, ist die Stunde gekommen, mich zu rächen und euch für die Beleidigungen zu strafen, wodurch ihr meine heiße Liebe vergaltet.«

Als die Frauen diese Worte hörten, waren sie mehr tot als lebendig, bereuten es im stillen ernstlich, ihn beleidigt zu haben, und machten sich darauf die größten Vorwürfe, daß sie dem getraut hatten, den sie hätten hassen sollen. Mit drohender, zornglühender Miene befahl ihnen der Jüngling, wofern ihnen ihr Leben lieb sei, sich alle drei nackt auszuziehen. Als die Schelminnen dies vernahmen, sahen sie einander an und begannen heftig zu weinen, baten ihn auch, wenn nicht um ihrer Liebe, so doch um seiner Ritterlichkeit und angebornen Menschlichkeit willen, mindestens ihre Ehre zu schonen. In der Freude seines Herzens gewährte ihnen der Jüngling dies, bestand aber darauf, daß sie sich in seinem Beisein entkleiden müßten. Die Frauen warfen sich dem Studenten zu Füßen und flehten ihn unter kläglichen Tränen demütig an, ihnen dies zu erlassen und ihnen so unendliche Schmach nicht zuzufügen. Aber er hatte sein Herz schon zum Diamant verhärtet und sagte, es sei dies nichts Tadelnswertes, sondern gerechte Rache. So mußten sich denn die Frauen ausziehen, daß sie dastanden, wie sie aus Mutterleib gekommen waren, und doch waren sie nackt nicht minder schön als bekleidet. Der junge Student betrachtete sie von Kopf bis zu Fuß, und als er sie so schön und zart erblickte, daß die Weiße ihrer Haut den Schnee übertraf, begann sich doch einiges Mitleid mit ihnen zu regen; aber die Erinnerung an die erlittene Beleidigung und die Todesgefahr kehrte in sein Gedächtnis zurück und verscheuchte alles Erbarmen, so daß er in seinem grausamen, fühllosen Vorsatz beharrte. Alsdann nahm der listige Jüngling die Kleider und alles Zeug, das sie an sich gehabt hatten, legte es in ein Nebenzimmer und befahl ihnen nicht eben allzu höflich, sich alle drei nebeneinander in das Bett zu legen. Ganz bestürzt und bebend vor Schrecken, riefen sie aus: »Wehe über unsere Torheit, was werden unsere Männer, was unsere Eltern sagen, wenn sie erfahren, daß man uns hier so nackt, wie wir sind, ermordet gefunden! Besser wären wir in den Windeln gestorben, als daß die Welt diese Schmach und Schande von uns erfahren soll!«

Als der Student sie nebeneinander liegen sah wie Mann und Weib, nahm er ein schneeweißes Leintuch, das aber nicht sehr fein war, damit das Gesicht nicht durchschimmern und sie verraten möchte, und bedeckte sie damit von Kopf bis zu Fuß. Dann verließ er das Gemach, verschloß die Tür und suchte ihre Männer auf, welche im Saale tanzten. Als der Tanz vorbei war, führte er sie in das Nebengemach, wo die drei Frauen im Bette lagen, und sprach zu ihnen: »Ihr Herren, ich habe euch hierhergeführt, um euch ein kleines Vergnügen zu machen und euch den schönsten Anblick zu verschaffen, der euch in euerm Leben zuteil geworden ist.«

Hierauf näherte er sich dem Bette mit einer Kerze in der Hand, zog allmählich das Leintuch von den Füßen empor und wickelte es auf, indem er die Frauen bis zu den Knien bloßdeckte, so daß die Männer die runden weißen Beine mit den zierlichen Füßen sehen konnten, was ein wundervoller Anblick war. Dann enthüllte er sie bis zur Brust und zeigte ihnen die blendenden Schenkel, welche zwei Säulen von reinem Marmor schienen, und den gerundeten Leib, der dem feinsten Alabaster ähnlich war. Hierauf enthüllte er sie noch weiter hinauf und zeigte ihnen den zarten, sanftgewölbten Busen mit den zwei prallen köstlichen runden Brüsten, die den erhabenen Jupiter gezwungen hätten, sie zu umarmen und zu küssen. Dies gewährte den drei Ehemännern das größte Vergnügen und Ergötzen, das sich denken läßt. Ich überlasse es euch, zu ermessen, wie es den armen unglücklichen Frauen zumut war, als sie hörten, daß ihre Männer sich an ihrem Anblick weideten. Sie hielten sich ruhig und wagten kaum Atem zu holen, um nicht erkannt zu werden. Die Männer versuchten den Studenten zu bewegen, auch von dem Gesicht den Vorhang wegzuziehen; er aber, in fremden Angelegenheiten vorsichtiger als in seinen eigenen, wollte nicht einwilligen. Aber dennoch begnügte sich der Student nicht hiermit, sondern nahm die Kleider der drei Frauen und zeigte sie ihren Männern. Diese überfiel bei ihrem Anblick eine gewisse Betroffenheit, die ihnen am Herzen nagte. Mit steigendem Erstaunen betrachteten sie dieselben näher und sprachen bei sich selbst: »Ist dies nicht das Kleid, das ich meiner Frau machen ließ? Ist das nicht die Haube, die ich ihr kaufte? Ist das nicht das Halsgehänge, das ihr vom Hals vor der Brust niederhängt? Sind dies nicht die Ringe, die sie am Finger trägt?«

Sie verließen das Gemach, um nicht das Fest zu stören, entfernten sich aber nicht, sondern blieben zum Abendessen. Der Student hatte bereits gehört, daß das Mahl fertig und von seinem einsichtigen Haushofmeister vollkommen angeordnet sei und forderte daher die Gesellschaft auf, sich zu Tisch zu begeben. Während nun die Gäste es sich wohlschmecken ließen, kehrte der Student in das Nebengemach zurück, wo die drei Frauen im Bett lagen, deckte sie auf und sprach: »Guten Morgen, meine Damen, habt ihr eure Männer nicht gehört? Sie erwarten euch draußen mit dem heißesten Verlangen. Worauf wartet ihr? Steht auf, ihr Schlafratzen, gähnt nicht lange, laßt ab, euch die Augen zu reiben! Nehmt eure Kleider und schlüpft eilig hinein! Es ist Zeit, in den Saal zurückzukehren, wo euch die andern Frauen erwarten.«

So neckte er sie und weidete sich an ihrer Ratlosigkeit. Die trostlosen Frauen fürchteten, ihr Abenteuer werde ein grausames Ende nehmen; sie weinten und verzweifelten an ihrem Heil. So geängstigt und von Schmerz durchbohrt, erhoben sie sich und erwarteten nichts sicherer als den Tod.

»Filenio«, sprachen sie zu dem Studenten, »du hast vollkommene Rache an uns genommen. Es bleibt nichts mehr übrig, als daß du dein scharfes Schwert nimmst und uns den Tod damit gibst, den wir über alles in der Welt wünschen. Willst du uns aber diese Gnade nicht erzeigen, so laß uns wenigstens unerkannt nach Hause gelangen, damit unsere Ehre unbescholten bleibe!«

Filenio glaubte nun genug getan zu haben, holte ihre Kleider, gab sie ihnen zurück und befahl ihnen, sich eiligst anzuziehen. Als dies geschehen war, ließ er sie durch ein geheimes Hinterpförtchen hinaus, und so kamen sie beschämt, ohne von jemand erkannt zu werden, nach Haus. Sogleich zogen sie ihre Kleider wieder aus, die sie getragen hatten, und verschlossen sie in ihre Schränke, begaben sich aber klüglich noch nicht zu Bett, sondern setzten sich an die Arbeit.

Nach der Mahlzeit dankten ihre Männer dem Studenten für die gute Aufnahme, die sie bei ihm gefunden, noch mehr aber für das Vergnügen, das er ihnen gewährt, indem er sie die köstlichen Glieder habe sehen lassen, deren Schönheit die Sonne überstrahlt habe, nahmen Abschied von ihm und kehrten zurück in ihre Wohnungen. Zu Hause fanden sie ihre Frauen in ihrem Kämmerlein neben dem Feuer sitzend und nähend. Weil ihnen aber die Kleider, Ringe und andere Kostbarkeiten, die sie in Filenios Kammer gesehen hatten, noch einigen Verdacht erregten, fragten sie, um auch diesen zu beseitigen, jeder die seinige, wo sie den Abend zugebracht habe und wo ihre Kleider seien. Ganz unbefangen antworteten ihnen die Frauen, sie hätten diesen Abend das Haus nicht verlassen, nahmen die Schlüssel zu den Schreinen, wo der Anzug verwahrt wurde, und zeigten ihnen Kleider, Ringe und alles, was ihnen ihre Männer hatten machen lassen. Als die Männer dies sahen, wußten sie nicht, was sie sagen sollten, und verhielten sich ruhig, erzählten aber doch ihren Frauen alles haarklein, was ihnen jenen Abend begegnet sei. Als dies die Frauen hörten, stellten sie sich, als wüßten sie von nichts, und nachdem sie das Abenteuer eine Weile belacht hatten, entkleideten sie sich und begaben sich zu Bette.

Wenige Tage vergingen, so begegnete Filenio seinen holden Damen mehrmals auf der Straße und sagte zu ihnen: »Wer von uns hat mehr Angst ausgestanden? Wer von uns ward übler behandelt?«

Sie aber schlugen die Augen nieder und antworteten nichts. Und so rächte sich der Student so gut, als er wußte und konnte, ohne alle Gewalttätigkeit, wie es einem Manne geziemt, für die erlittenen Beleidigungen.

Simplicio di Rossi

In dem Flecken Santa Eufemia unter Campo Sanpietro auf dem Gebiet der berühmten und weitbekannten Stadt Padua wohnte schon vor langer Zeit Ghirotto Scanferla, ein für einen Landmann sehr reicher und mächtiger, aber aufrührerischer Mann und ein unruhiger Kopf. Dieser hatte eine junge Frau namens Giliola, die für eine Dörferin bei allen Leuten für sehr schön galt. In diese verliebte sich heftig ein gewisser Simplicio di Rossi, ein Bürger von Padua, und weil sein Haus nicht weit von dem Hause Ghirottos entfernt stand, ging er mit seiner Gattin, welche liebenswürdig, gesittet und schön war, oft in die Gegend spazieren. Und so viele Eigenschaften die Gattin auch besaß, die sie schätzenswürdig machten, so kümmerte er sich dennoch nicht viel um sie und war so sehr von Liebe zu Giliola entzündet, daß er Tag und Nacht nicht mehr zur Ruhe zu gelangen wußte. Er hielt seine Liebe in seinem Herzen verborgen und wagte sie auf keine Weise zu entdecken, teils aus Furcht vor ihrem Mann, teils wegen des rechtschaffenen Wandels der Giliola, teils auch um der klugen Gattin kein Ärgernis zu geben.

Herr Simplicio hatte am Hause einen Brunnen, aus dem so klares, wohlschmeckendes Wasser hervorsprudelte, daß nicht nur Lebende, sondern auch Tote hätten davon trinken dürfen. Daher kam Giliola morgens und abends und sooft es nötig war, zu der klaren Quelle, schöpfte Wasser mit einem aus Zweigen geflochtenen Eimer und trug es nach Hause. Die Liebe, die in der Tat niemand frei ausgehen läßt, spornte Herrn Simplicio unaufhörlich. Da er jedoch das Leben kannte, das sie führte, und den guten Ruf, der dafür bürgte, wagte er nicht, sich irgend gegen sie zu äußern, sondern weidete sich nur zuweilen an ihrem Anblick und tröstete damit sein Herz. Sie selbst wußte nichts davon und hatte es nie bemerkt; denn als eine rechtschaffene, in gutem Rufe stehende Frau hatte sie nur acht auf ihren Mann und ihr Haus und auf sonst nichts. Als nun eines Tages Giliola an den Brunnen ging, wie sie es im Gebrauch hatte, um Wasser zu schöpfen, traf sie zufällig auf Herrn Simplicio und sagte in aller Einfalt, wie jede andere Frau auch getan haben würde, zu ihm: »Guten Tag, Herr!«

Er aber antwortete ihr: »Fick.«

Er meinte, durch dieses Wort sie aufmerksam und etwas vertraut machen zu sollen; sie aber dachte an weiter nichts, antwortete ihm auch nicht, sondern ging weiter ihren Angelegenheiten nach. Herr Simplicio hatte oft und viel dieselbe Antwort Giliola gegeben, die ihn immer, sooft sie ihn sah, grüßte; sie aber, die seine Bosheit nicht merkte, kehrte ohne aufzublicken nach Hause zurück. Da jedoch Herr Simplicio mit dieser Antwort immer fortfuhr, nahm sich Giliola vor, es Ghirotto, ihrem Mann, zu sagen, und als sie eines Tages in zärtlichem Gespräche mit ihm war, sagte sie: »Mein lieber Mann, ich muß Euch etwas sagen, worüber Ihr vielleicht lachen werdet.«

»Nun, was?« fragte Ghirotto.

»Sooft ich«, versetzte Giliola, »an den Brunnen gehe, um Wasser zu schöpfen, finde ich den Herrn Simplicio und sage ihm guten Tag; er aber antwortet mir immer: ›Fick.‹ Ich habe mich oft und viel über das Wort besonnen, konnte mir aber nie vorstellen, was das heiße: ›Fick.‹«

»Und du«, sagte Ghirotto, »was hast du ihm geantwortet?«

»Ich«, antwortete Giliola, »ich habe ihm niemals etwas darauf erwidert.«

»Aber in Zukunft«, fuhr Ghirotto fort, »wenn er wieder zu dir sagt: ›Fick!‹, so antworte ihm: ›Fack!‹ Dann sieh wohl zu und merke auf, was er dir sagt! Sonst aber antworte ihm nichts, sondern geh wie gewöhnlich nach Hause!«

Giliola ging um dieselbe Stunde, wie sonst, nach dem Brunnen, um Wasser zu holen, traf Herrn Simplicio und sagte ihm: »Guten Tag!«

Er antwortete ihr nach seiner Gewohnheit: »Fick!« Gihola aber entgegnete, wie ihr Gatte sie unterwiesen hatte, mit: »Fack!«

Darüber geriet Herr Simplicio ganz in Entzücken, dachte, sie habe seine Liebe gemerkt, und meinte, er habe sie jetzt ganz zu seinem Befehl. Deshalb faßte er sich ein Herz und fragte weiter: »Wann soll ich kommen?«

Giliola aber antwortete nichts, wie ihr Gatte ihr aufgegeben hatte, kehrte nach Hause zurück und sagte, von ihrem Gatten befragt, wie es gegangen sei, sie habe befolgt, was er ihr vorgeschrieben, und als Herr Simplicio sie gefragt habe: »Wann soll ich kommen?«, habe sie ihm nichts geantwortet.

Ghirotto war, obschon ein Landmann, scharfsichtig genug, um die Worte des Herrn Simplicio gar wohl zu verstehen, und ward deshalb sehr ärgerlich; denn er stellte sich vor, daß diese Reden auf etwas anderes hinauslaufen sollen, als Perlen im Dunkeln einzufädeln. Darum sprach er zu seiner Frau: »Wenn du wieder hinkommst und er sagt: ›Wann soll ich kommen?‹, so antworte ihm: ›Heut abend‹. Dann komm nach Hause und laß mich machen!«

Als nun der folgende Tag gekommen war, ging Giliola nach ihrer Gewohnheit, um Wasser aus dem Brunnen zu holen, und fand Herrn Simplicio, der sie mit größtem Verlangen erwartete. Sie sagte zu ihm: »Guten Morgen, Herr!«

Darauf antwortete Herr Simplicio: »Fick.«

Und sie sagte zu ihm: »Fack.«

Er fuhr fort: »Wann soll ich kommen?«

»Heut abend«, antwortete Gihola.

»Recht«, sagte er, »heut abend.«

Gihola kehrte nun nach Hause zurück und sagte zu ihrem Mann: »Ich habe ausgeführt, was Ihr mir befohlen habt.«

»Und was hat er dir geantwortet?« fragte Ghirotto.

»Recht, heut abend«, sagte Gihola.

Ghirotto, der schon ganz genug hatte, aber nicht von Nudeln und Makkaroni, sagte: »Giliola, komm, wir wollen zwölf Säcke Korn messen, denn ich will tun, als ginge ich in die Mühle, und wenn Herr Simplicio kommt, so empfange ihn freundlich und ehrenvoll! Dann halte einen leeren Sack in Bereitschaft neben den mit Korn gefüllten, und wenn du hörst, daß ich nach Hause gekommen bin, so mach, daß er in den bereitliegenden Sack schlüpft, um sich zu verstecken! Das Weitere überlaß mir!«

»Es sind aber nicht so viel Säcke im Hause, als Ihr verlangt«, sagte Giliola.

»So schicke«, fiel Ghirotto sogleich ein, »unsere Nachbarin Cia zum Herrn Simplicio und mache, daß er dir zwei leiht, und laß ihm sagen, ich wünsche sie zu haben, weil ich diesen Abend in die Mühle gehe.«

Und so geschah es. Herr Simplicio, der Giliolas Reden aufs beste aufgefaßt hatte und nun sah, daß sie zu ihm schickte, um zwei Säcke von ihm zu entlehnen, glaubte wirklich, ihr Mann gehe in die Mühle, und hielt sich nun für den glücklichsten und zufriedensten Mann von der Welt, da er sich einredete, sie sei ebenso von Liebe zu ihm entzündet, wie er zu ihr. Aber der arme Narr ahnte nicht, was gegen ihn angesponnen und vorbereitet war; sonst hätte er sich vielleicht etwas vorsichtiger benommen.

Herr Simplicio, der in seinem Hofe viel gute Kapaunen hatte, nahm zwei der besten heraus und schickte sie durch seinen Diener der Giliola mit dem Auftrag, sie möge sie zubereiten, denn er werde heute abend zu ihr kommen nach der getroffenen Verabredung. Als die dunkle Nacht gekommen war, ging Herr Simplicio heimlich von Hause weg und nach Ghirottos Hause hin, wo er von Giliola liebenswürdig empfangen wurde. Als nun Herr Simplicio die Säcke voll Korn sah, fragte er Giliola, da er geglaubt hatte, ihr Mann sei schon zur Mühle gegangen: »Wo ist Ghirotto? Ich glaubte, er sei schon in der Mühle. Nun sehe ich aber noch hier die Säcke im Hause. Was soll das bedeuten?«

Giliola antwortete: »Herr Simplicio, macht Euch keine Gedanken und fürchtet nichts! Es wird alles gut gehen. Es ist nämlich um Vesperzeit sein Schwager ins Haus gekommen, der die Nachricht brachte, seine Schwester sei schwer belästigt von einem unaufhörlichen Fieber, so daß er sie wohl morgen nicht mehr am Leben treffen würde. Er stieg daher zu Pferd und ritt hinweg, um sie vor ihrem Tode nochmals zu sehen.«

Herr Simplicio, der eigentlich hätte Simpel heißen sollen, nahm dies alles für wahr hin und beruhigte sich. Während nun Giliola geschäftig war, die Kapaunen zu braten und den Tisch zu decken, siehe, da kam Ghirotto, ihr Mann, plötzlich in den Hof, und sobald ihn Giliola hörte, sagte sie, sich sehr betrübt stellend: »Ach, weh uns! Wir sind des Todes!«

Und ohne einen Augenblick zu verlieren, traf sie die Veranstaltung, daß Herr Simplicio in den Sack schlüpfte, der leergeblieben war. Er kroch hinein, wiewohl nicht ohne Widerstreben, und der Sack mit Herrn Simplicio wurde hinten an die andern Säcke, die mit Korn gefüllt waren, gelehnt, und so wartete sie, bis ihr Mann ins Haus käme.

Als Ghirotto ins Haus trat und den Tisch gedeckt sah und die Kapaunen, die in der Pfanne brieten, sagte er zu seiner Gattin: »Was bedeutet das, daß du mir ein so kostbares Abendessen bereitet hast?«

Giliola antwortete: »Ich dachte, Ihr werdet recht müde und matt nach Haus kommen und vielleicht erst um Mitternacht. Damit Ihr Euch dann etwas erquicken und bei Euern beständigen Anstrengungen erhalten könnt, wollte ich Euch etwas Kräftiges zum Nachtessen bereiten.«

»Meiner Treu«, sagte Ghirotto, »daran hast du recht wohlgetan; denn es ist mir ganz unwohl, und ich kann es kaum erwarten, bis ich zu Nacht essen und ins Bett gehen darf, damit ich morgen zeitig in die Mühle komme. Aber ehe wir uns zum Essen setzen, will ich sehen, ob die Säcke, die nach der Mühle Wandern sollen, auch die rechte Schwere haben und voll sind.« Er trat zu den Säcken und begann zuerst, sie zu zählen und fand, daß es dreizehn waren. Er tat, als habe er nicht recht gezählt, zählte also nochmals von vorn, und da er wieder dreizehn fand, sagte er zu seiner Frau: »Wie kommt denn das, Giliola, daß hier dreizehn Säcke stehen? Wir haben doch nur zwölf zugerüstet. Was soll nun das bedeuten?«

Sie gab ihm zur Antwort: »Ich weiß wohl, daß, als wir das Korn einfüllten, es nur zwölf Säcke waren. Wie aber der dreizehnte hinzukam, das kann ich Euch nicht sagen.«

Herr Simplicio, der in dem Sacke steckte und wohl wußte, daß es dreizehn waren, aber nicht mit seinem Willen, verhielt sich ganz still, betete leise Vaterunser, verwünschte in seinem Herzen das Weib und seine Liebe und sich selbst, daß er ihr getraut hatte; und wenn er hätte aus ihren Händen kommen können, so wäre er gern geflohen, aber er fürchtete fast noch mehr den Spott als den Schaden. Ghirotto jedoch kannte den Sack wohl, packte ihn und schleppte ihn hinaus vor die Tür, die er listigerweise hatte offenhalten lassen, in der Absicht nämlich, daß jener, wenn er die Püffe bekäme, freies Feld habe, um aus dem Sacke zu kriechen und zu fliehen, wohin ihm beliebe. Ghirotto hatte einen zu diesem Zwecke bereitgehaltenen Knotenstock ergriffen und fing an, so gewaltig auf ihn loszuschlagen, daß ihm am ganzen Leibe kein ganzes, heiles Glied blieb und er halbtot am Boden lag. Und wäre nicht die Frau gewesen, die aus Mitleid oder aus Furcht, ihr Mann möchte dafür mit dem Bann belegt werden, ihm den Stock aus der Hand riß, so hätte er ihn vielleicht getötet.

Ghirotto ging daher weg, gab das Unternehmen auf, und Herr Simplicio kroch aus dem Sack und eilte nach Hause, so schnell er nach dieser übeln Behandlung vermochte; denn er meinte, Ghirotto mit seinem Stocke sei ihm beständig auf den Fersen. Er legte sich zu Bett und blieb mehrere Tage darin, bis er sich wieder erholt hatte. Ghirotto hatte unterdessen mit seiner Giliola auf Kosten des Herrn Simplicio trefflich zu Nacht gegessen und begab sich nunmehr zur Ruhe.

Nach einigen Tagen, als Giliola an den Brunnen kam, sah sie Herrn Simplicio wieder, der in der Halle an seinem Hause auf und ab ging, und grüßte ihn mit heiterem Gesicht, indem sie sagte: »Fick.«

Herr Simplicio aber, der noch die wegen dieses Wortes empfangenen Schläge fühlte, rief ihr entgegen:

Nichts guten Tag! Nichts Fick noch Fack!
Du kriegst mich nimmer in den Sack!

Als Giliola das hörte, schwieg sie und kehrte errötend nach Hause zurück. Herr Simplicio aber änderte nach einer so außerordentlichen Erfahrung seinen Sinn und behandelte seine Frau, die er fast gehaßt hatte, mit größerer Aufmerksamkeit und Liebe und warf seinen Haß auf fremde Weiber, damit ihm fürder das nicht mehr widerfahre, was ihm neulich widerfahren war.

Der Ring

(Shakespeare, Die lustigen Weiber von Windsor)

Gallese, König von Portugal, hatte einen Sohn namens Nerino, den er dergestalt erziehen ließ, daß er bis zum achtzehnten Jahr seines Alters keine andere Frau zu sehen bekam als seine Mutter und die Amme, die ihn säugte. Als nun aber Nerino zur Volljährigkeit gelangt war, beschloß der König, ihn auf die Universität Padua zu schicken, um dort die lateinische Literatur, die Sprache und die Sitten Italiens kennenzulernen. Gedacht, getan. Als der junge Nerino in Padua angelangt war, schloß er Freundschaft mit vielen Studenten, die ihm täglich den Hof machten. Unter diesen war auch ein Arzt, der sich Meister Raimondo Brunello den Physiker nannte. Da sie nun oft sich über verschiedene Dinge miteinander unterhielten, kamen sie eines Tages, wie es unter jungen Leuten zu geschehen pflegt, auch auf die Schönheit der Frauen zu sprechen, und der eine sagte dies, der andere jenes. Nerino aber, weil er früher keine Frau gesehen hatte als seine Mutter und seine Amme, behauptete mit großer Entschiedenheit, daß seinem Urteil nach in der ganzen Welt keine schönere, anmutigere und stattlichere Frau zu finden sei als seine Mutter, und alle, die man ihm nannte, behandelte er im Vergleich mit seiner Mutter wie Gesindel.

Meister Raimondo, der eine der schönsten Frauen hatte, die je die Natur geschaffen, rückte sich über diese Possen die Halskrause zurecht und sprach: »Herr Nerino, ich kenne ein Weib von so großer Schönheit; sähet Ihr sie, Ihr würdet sie nicht für minder schön, vielmehr für schöner als Eure Mutter erachten.«

Nerino antwortete, er könne nicht glauben, daß sie schöner sei als seine Mutter; aber es würde ihm Vergnügen machen, sie zu sehen. Worauf Raimondo versetzte: »Wenn es Euch gefällig ist, sie zu sehen, so bin ich erbötig, sie Euch zu zeigen.«

»Das wird mir sehr lieb sein«, entgegnete Nerino: »ich werde Euch dafür verbunden sein.«

»Wenn es Euch also behebt, sie zu sehen«, begann hierauf Meister Raimondo, »so kommt morgen früh in die Domkirche, und ich verspreche Euch, sie Euch zu zeigen.«

Alsdann ging er nach Hause und sprach zu seiner Frau: »Steh morgen zeitig auf, ordne dein Haar, mache dich schön und kleide dich anständig: denn ich will, daß du zur Zeit der Messe in den Dom gehst, das Hochamt zu hören.«

Genobbia (so hieß die Gattin des Meister Raimondo) war nicht gewohnt, viel hinundherzulaufen, sondern brachte fast den ganzen Tag mit Nähen und Sticken zu Hause zu. Sie verwunderte sich daher über dieses Ansinnen nicht wenig; weil es aber sein Wunsch und Wille war, so ergab sie sich darein und kleidete und rüstete sich so herrlich, daß sie nicht eine Frau, sondern eine Göttin schien. Als Genobbia nun nach ihres Gatten Befehl in den heiligen Tempel gegangen war, kam auch Nerino, der Königssohn, in die Kirche, und da er Genobbia sah, hielt er sie in seinem Sinne für außerordentlich schön. Als die schöne Genobbia sich entfernt hatte, kam Meister Raimondo, trat zu Nerino und sprach: »Nun, was dünkt Euch von der Frau, die soeben aus der Kirche gegangen ist? Meint Ihr, daß sich irgendeine neben sie stellen dürfe? Ist sie nicht schöner als Eure Mutter?«

»In der Tat«, sagte Nerino, »sie ist schön; die Natur könnte keine schönere schaffen. Aber seid so gut und sagt mir, wessen Frau sie ist, und wo sie wohnt?«

Darauf antwortete ihm aber Meister Raimondo nicht, denn er wollte es nicht verraten.

»Lieber Meister Raimondo«, sagte hierauf Nerino, »wenn Ihr es mir nicht sagen wollt, wer sie ist, und wo sie wohnt, so versprecht mir wenigstens, daß ich sie noch einmal zu sehen bekomme!«

»Recht gern«, antwortete Raimondo. »Kommt morgen wieder her in die Kirche, so will ich machen, daß Ihr sie wie heute sehen könnt.«

Darauf begab sich Meister Raimondo nach Hause und sprach zu seiner Frau: »Genobbia, morgen früh halte dich bereit: denn ich will, daß du zu der Messe in den Dom gehst; und wenn du dich jemals schöngemacht und prachtvoll gekleidet hast, so tu es morgen!«

Darüber verwunderte sich Genobbia von neuem, wie das erstemal; weil sie aber dem Befehl ihres Mannes Gehorsam schuldig war, tat sie, was er von ihr verlangte. Als der Morgen kam, begab sich Genobbia in reicher Kleidung und mehr als gewöhnlich geschmückt nach der Kirche. Es währte nicht lange, so kam auch Nerino, und als er sie äußerst schön sah, erglühte er so heftig in Liebe zu ihr, als nur je ein Mann für ein Weib geglüht hat. Meister Raimondo kam nun auch hinzu, und Nerino bat ihn, er möge ihm sagen, wer sie sei, die in seinen Augen so viel Reize besitze. Aber Meister Raimondo, der sich stellte, als habe er seiner Praxis wegen große Eile, wollte es ihm jetzt nicht sagen, sondern ließ den Jüngling sich in seinem Fette braten und ging lachend davon. Nerino geriet in großen Zorn wegen des Mangels an Achtung, womit ihn Raimondo zu behandeln scheine, und sprach zu sich selbst: »Du willst nicht, daß ich wissen soll, wer sie sei; aber ich werde es dir zum Trotz schon erfahren.«

Er verließ die Kirche und wartete draußen so lange, bis die schöne Frau ebenfalls aus dem Dome kam, worauf er sie ebenso bescheiden als freundlich grüßte und bis zu ihrem Hause begleitete. Da nun Nerino die Wohnung der Frau ermittelt hatte, begann er ihr den Hof zu machen und ließ selten einen Tag verstreichen, wo er nicht zehnmal vor ihrem Hause vorübergegangen wäre. Er wünschte eine Unterredung mit ihr zu haben und versank unaufhörlich in Gedanken, wie er es einrichten könne, daß er seinen Zweck erreiche und die Ehre der Frau unverletzt bleibe. Nach langem Hinundhersinnen wollte ihm kein Mittel einfallen, das ihm heilsam wäre. Er geriet aber nun so lange auf die abenteuerlichsten Einfälle, bis er die Bekanntschaft einer Alten machte, die dem Hause Genobbias gegenüber wohnte. Dieser machte er verschiedene kleine Geschenke, wodurch er ihre Freundschaft gewann, und schlich sich heimlich in ihr Haus. Das Haus dieser Alten hatte ein Fenster, das nach dem Saal von Genobbias Hause blickte; von dort aus konnte Nerino sie mit Muße betrachten, wie sie sich in ihrem Hause hin und her bewegte. Doch wollte er sich selbst nicht zeigen, um ihr keinen Anlaß zu geben, sich künftig vor seinen Blicken zu verbergen.

Als Nerino nun alle Tage auf seinem geheimen Lauschörtchen zubrachte und der heißen Flamme nicht widerstehen konnte, die ihm das Herz verzehrte, beschloß er bei sich, ihr einen Brief zu schreiben und zu einer Zeit ins Haus zu werfen, wo er ihren Mann nicht daheim glaubte. Und also tat er, ja wiederholte es mehrmals; aber Genobbia warf sie ungelesen und ohne viel Bedenken ins Feuer. Doch als sie dies mehrmals getan hatte, fiel es ihr ein, auch einmal einen zu öffnen und zu sehen, was darin stehe. Als sie ihn aufgemacht hatte, sah sie, daß der Briefschreiber Nerino, der Sohn des Königs von Portugal, sei, der sich heftig in sie verhebt habe, worüber sie erst eine Weile in Nachdenken versank, dann aber in Anbetracht des übeln Lebens, das sie bei ihrem Manne führe, guten Mut schöpfte und Nerino freundliche Bücke zuwarf, ja ihn sogar auf geschickte Weise ins Haus schaffte, wo ihr der Jüngling denn die heiße Liebe erklärte, die er zu ihr trage, und die Qualen, die er um ihretwillen stündlich erdulden müsse, ebenso die Weise, wie er sich in sie verliebt habe. Und sie, die schön, liebreizend und mitleidig war, versagte ihm ihre Liebe nicht.

Während sie nun beide in gegenseitiger Liebe vereinigt waren und verliebter Gespräche pflogen, siehe, da klopfte plötzlich Meister Raimondo an die Haustür. Als Genobbia dies hörte, hieß sie den Nerino sich auf das Bett strecken, zog die Vorhänge zu und wies ihn an, hier die Entfernung ihres Gatten abzuwarten. Raimondo trat ins Haus, steckte irgend etwas von seinen Siebensachen zu sich und entfernte sich wieder, ohne etwas zu merken. Ein Gleiches tat auch Nerino.

Des andern Tages, als Nerino sich auf dem Marktplatze erging, kam zufällig Meister Raimondo vorüber, dem Nerino durch Winken andeutete, daß er ihn zu sprechen wünsche, worauf er auf ihn zuging und sprach: »Messere, habe ich Euch nicht gute Botschaft zu bringen?«

»Und welche?« fragte Meister Raimondo.

»Kenne ich nicht jetzt«, sagte Nerino, »die Wohnung jener wunderschönen Frau? Hatte ich nicht anmutige Unterredungen mit ihr? Und als ihr Mann nach Hause kam, verbarg sie mich in dem Bette und zog die Vorhänge zu, damit er mich nicht sehen konnte, worauf er sich auch sogleich wieder entfernte.«

»Ist dies möglich?« sagte Meister Raimondo.

»Möglich«, versetzte Nerino, »und wirklich; und in meinem Leben habe ich kein herrlicheres, holdseligeres Weib gesehen. Solltet Ihr sie vielleicht nächstens besuchen, so empfehlt mich ihr und bittet sie, mich in gutem Andenken zu behalten!«

Meister Raimondo versprach ihm dies zu tun und nahm unwillig Abschied. Doch fragte er zuerst Nerino: »Werdet Ihr wieder hingehen?«

Nerino versetzte: »Das könnt Ihr Euch denken.«

Meister Raimondo begab sich nach Hause, entschloß sich aber, seiner Frau nichts zu sagen, sondern abzuwarten, bis er sie zusammen fände. Am folgenden Tag besuchte Nerino Genobbia wieder, und während sie sich den Freuden der Liebe und ergötzlichen Gesprächen hingaben, kam plötzlich der Mann nach Hause. Sie aber verbarg den Nerino geschwind in einem Koffer und warf eine Menge Kleider darüber, die sie abscheren wollte, um sie vor den Motten zu wahren. Der Mann stellte sich, als suche er etwas von seinen Sachen, durchstöberte das ganze Haus, guckte sogar in das Bett hinein, aber er fand nichts und ging sodann beruhigter hinweg und besuchte seine Patienten.

Auch Nerino entfernte sich gleichfalls, und als er dem Meister Raimondo wieder begegnete, sprach er zu ihm: »Herr Doktor, da komme ich eben von der schönen Frau; aber das neidische Geschick hat mir alle Freude verkümmert, denn ihr Mann kam dazu und störte alles.«

»Und wie entkamt Ihr?« fragte Meister Raimondo.

»Sie schloß einen Koffer auf«, antwortete Nerino, »und steckte mich hinein, und darüber her warf sie eine Menge Kleider, welche sie bearbeitete, daß sie nicht schäbig würden. Er aber kehrte das Bett um und um, und als er nichts fand, ging er seiner Wege.«

Wie verdrießlich dies Meister Raimondo gewesen sein muß, mag sich jeder vorstellen, der weiß, wie die Liebe tut.

Inzwischen hatte Nerino Genobbia einen schönen kostbaren Diamant geschenkt, in dessen goldner Fassung sein Kopf und sein Name eingegraben stand. Des andern Tages, als Meister Raimondo ausgegangen war, seine Kranken zu besuchen, ließ die Frau den Nerino wieder ins Haus; und kaum war sie mit ihm in den Freuden der Liebe und anmutigen Wechselreden begriffen, so kehrte jener schon wieder nach Hause zurück. Aber die verschlagene Genobbia hatte kaum die Rückkehr ihres Mannes wahrgenommen, so öffnete sie einen großen Schrank, der in ihrer Kammer stand, und verbarg Nerino darin. Meister Raimondo trat ins Haus, stellte sich, als suche er etwas von seinen Sachen, und kehrte in der Stube alles zuunterst zuoberst, und als er nichts im Bette noch in den Kisten fand, nahm er wie ein Rasender einen Feuerbrand und hielt ihn, fest entschlossen, die ganze Kammer mit allem, was darin war, zu verbrennen, an die vier Pfähle des Gemachs. Schon hatten die Wände und Querbalken Feuer gefangen, als Genobbia sich zu ihrem Mann wandte und sprach: »Was soll das heißen, mein Gemahl? Seid Ihr etwa toll geworden? Wollt Ihr das Haus einäschern, so fahrt nur zu! Aber meiner Treu, diesen Schrank sollt Ihr mir nicht verbrennen, worin die Schriften liegen, die zu meinem Heiratsgut gehören.«

Hierauf ließ sie vier starke Kerle kommen und den Schrank aus dem Hause tragen nach dem Haus der Alten, ihrer Nachbarin, wo sie ihn heimlich, ohne daß es jemand merkte, öffnete und sich nach Hause zurückbegab.

Der sinnlose Meister Raimondo hatte nur sehen wollen, ob jemand hervorkomme, der ihm nicht angenehm wäre; aber er sah nichts als einen unerträglichen Rauch und das glühende Feuer, das das Haus verzehrte. Inzwischen liefen die Nachbarn herbei, um die Feuersbrunst zu ersticken, und arbeiteten so lange, bis sie endlich sie bemeisterten.

Des folgenden Tages, als Nerino nach Prato im Tale ging, stieß er auf Meister Raimondo, grüßte ihn und sprach: »Lieber Meister, ich muß Euch wieder eine Geschichte erzählen, die Euch sehr behagen wird.«

»Und welche?« fragte Meister Raimondo.

»Ich bin der schrecklichsten Gefahr entgangen«, fuhr Nerino fort, »der jemals ein Mensch entronnen sein mag. Ich ging wieder in das Haus jener edeln Dame und war mit ihr in anmutigen Unterhaltungen begriffen, als plötzlich ihr Mann dazukam, das ganze Haus um und umkehrte, endlich einen Brand ergriff und ihn an alle vier Ecken der Stube hielt, so daß alles verbrannte, was darin war.«

»Und Ihr«, sagte Meister Raimondo, »wo stecktet Ihr?«

»Ich war in einem Schranke verborgen«, antwortete Nerino, »den sie aus dem Haus tragen ließ.«

Als Meister Raimondo dies vernahm und an der Wahrheit der Erzählung nicht zweifeln konnte, meinte er vor Schmerz und Ärger zu sterben. Aber er durfte sich nicht verraten, weil er hoffte, ihn auf frischer Tat zu ertappen.

»Nun, Herr Nerino«, fragte er ihn, »werdet Ihr wohl noch einmal zu ihr zurückkehren?«

Nerino versetzte: »Da ich dem Feuer entgangen bin, wovor sollte ich mich noch fürchten?«

Meister Raimondo brach nun dieses Gespräch ab und bat Nerino, am folgenden Tag mit ihm zum Frühstück zu kommen. Der Jüngling nahm die Einladung mit Freuden an. Am folgenden Tag lud Meister Raimondo alle seine Verwandten und die seiner Frau zu sich ein und bereitete ein pomphaftes, prächtiges Mahl, nicht in seinem Hause, das halb abgebrannt war, sondern anderwärts, und wies auch seine Frau an, sich dahin zu begeben, jedoch sich nicht zu Tisch zu setzen, sondern sich verborgen zu halten und das Nötige zu besorgen. Als nun die Verwandten sowie auch der junge Nerino versammelt Waren und man sich zu Tisch setzte, suchte Meister Raimondo durch erkünstelte Lustigkeit den Nerino betrunken zu machen, um hernach seinen Anschlag ausführen zu können. Nachdem ihm Meister Raimondo den mit Malvasier gefüllten Becher zum öftern gereicht und ihn Nerino immer redlich geleert hatte, sprach Meister Raimondo: »Ach, Herr Nerino, erzählt doch diesen unsern Verwandten irgendein drolliges Geschichtchen!«

Der arme Nerino wußte nicht, daß Genobbia Meister Raimondos Frau sei, und hub an, sein Abenteuer mit derselben zu erzählen, jedoch ohne irgendeinen Namen zu nennen. Es geschah nun, daß einer der Aufwärter in die Kammer ging, wo sich Genobbia befand, und zu ihr sprach: »Madonna, wäret Ihr irgendwo in einer Ecke versteckt, so könntet Ihr die schönste Geschichte erzählen hören, die Ihr in Euerm Leben gehört habt. Ich bitte Euch, kommt mit mir!«

Sie versteckte sich also in einem Winkel und erkannte bald die Stimme ihres Liebhabers Nerino, und daß die Geschichte, die er erzählte, ihre eigene sei. Hierauf nahm die listige, kluge Frau den Diamant, den ihr Nerino geschenkt hatte, warf ihn in eine silberne Schale, die sie mit dem köstlichsten Trank füllte, und sprach zu dem Aufwärter; »Nimm diese Schale und reiche sie Nerino! Sag ihm, er möge sie trinken. Nachher wird er um so besser erzählen können.«

Der Diener nahm die Schale, trug sie zur Tafel, und als Nerino trinken wollte, sprach er zu ihm: »Herr, nehmt diese Schale: dann könnt Ihr um so besser erzählen!«

Er nahm die Schale und trank den Wein ganz aus. Da sah er und erkannte den Diamant, der darin war, ließ sich ihn in den Mund gleiten und tat dann, als wolle er den Mund reinigen, wobei er ihn herauszog und an den Finger steckte. Nun erkannte Nerino, daß die schöne Frau, von der er erzählte, Meister Raimondos Gattin sei, und wollte nicht fortfahren; sondern als Meister Raimondo und seine Verwandten ihn aufforderten, die angefangene Geschichte fertigzuerzählen, antwortete er: »Und wieder und wieder krähte der Hahn, und plötzlich ward es Tag; ich erwachte aus meinen Träumen und hörte nichts mehr davon.«

Als die Verwandten des Meister Raimondo dies hörten, welche vorher geglaubt hatten, alles, was sie von Nerino über seine Frau hörten, sei wahr, behandelten sie den einen wie den andern als die größten Trunkenbolde. Nach einigen Tagen traf Nerino den Meister Raimondo, stellte sich, als wisse er nicht, daß er der Mann Genobbias sei, und sagte ihm, daß er in einigen Tagen abreisen werde, indem ihm sein Vater geschrieben habe, er solle unverzüglich in sein Reich zurückkehren. Meister Raimondo wünschte ihm Glück zur Reise. Aber Nerino hatte heimliche Abrede mit Genobbia getroffen, entfloh mit ihr und brachte sie nach Portugal, wo er lange in Freuden mit ihr lebte. Als aber Meister Raimondo nach Hause kam und seine Frau nicht fand, gab er wenige Tage nachher in Verzweiflung den Geist auf.

Die Liebenden in Dalmatien

(Hero und Leander; Grillparzer, Des Meeres und der Liebe Wellen)

Die Liebe, wie sie von verständigen Männern sehr richtig geschildert worden, ist nichts anderes als eine unvernünftige Sehnsucht und eine rastlose Leidenschaft, die vermöge unzüchtiger Gedanken sich in das Herz geschlichen hat. Ihre heillosen Folgen sind: Verschwendung der irdischen Güter, Vergeudung der Kräfte des Körpers, Verwirrung des Geistes und Verlust der Freiheit. Es ist in ihr kein Grund, keine Ordnung und gar keine Beständigkeit. Sie ist die Mutter der Untugend, die Feindin der Jugend und des Alters Tod. Daß sie selten, wenn jemals, zu einem glücklichen, ruhmwürdigen Ausgange führt, mag hiermit auch diese Geschichte von einer Jungfrau aus der Familie Spoletina beweisen, die der Liebe zufolge höchst unglücklich endete.

Unfern der namhaften, am Meer gelegenen dalmatischen Stadt Ragusa hegt eine kleine, gemeinhin »die mittlere« genannte Insel, auf der sich ein festes, wohlbegründetes Schloß befindet. Zwischen Ragusa und dieser Insel ragt eine Klippe aus der See empor, auf der man weiter nichts als eine äußerst kleine Kapelle und eine schlechte Bretterhütte antrifft. Es wohnen daselbst keine Menschen, weil der Boden unfruchtbar und die Luft ungesund ist, und nur ein Jüngling namens Teodoro Calogero brachte vorzeiten einmal auf dem Felsen, einem um seiner Sünden willen getanen Gelübde gemäß, sein Leben im Dienste des armseligen Gotteshauses zu. Weil er seinen Unterhalt nicht mit diesem Amte zu verdienen vermochte, so ging er dann und wann nach Ragusa oder nach der mittlern Insel und bettelte, und so trug es sich zu, daß Teodoro, seiner Gewohnheit nach auf der Insel Brot als Almosen einsammelnd, eines Tages fand, was er nimmermehr zu finden vermeint hatte.

Denn es traf mit ihm eine schöne und liebreiche Jungfrau, Margarita genannt, zusammen, der es bei dem Anblicke seiner männlichen Wohlgestalt und Bildung bedünken wollte, daß er doch viel mehr zum Genüsse menschlicher Freuden als zur Einsamkeit geschaffen sei, und die ihn deswegen so innig in ihr Herz schloß, daß sie Tag und Nacht keinen andern Gedanken hatte als ihn.

Calogero, der in seiner Unbefangenheit sich dessen nicht versah, fuhr fort, des öftern, um Almosen ansprechend, in ihr Haus zu kommen, und wie heftig auch Margarita in Liebe zu ihm entzündet war, so wagte sie doch niemals, wenn sie ihm ihre milden Gaben spendete, ihm ihre Leidenschaft zu verkündigen. Am Ende freilich gab ihr die Liebe, der getreue Hort aller, die ihren Spuren folgen, und die allzeit sichere Führerin zu dem ersehnten Ziele, eine ausreichende Kühnheit ein, und sie wendete sich mit den Worten an den Jüngling: »Bruder Teodoro, du Trost meines Herzens, mich quält eine so heftige Leidenschaft zu dir, daß du mich bald entseelt vor dir erblicken wirst, wenn du mir keine Hilfe leihst. Die Flammen meiner Liebe verzehren mein Leben, und es löscht sie nur deine Gegenliebe aus.«

Margarita vergoß reichliche Tränen, sobald sie dies gesprochen hatte, und der ihre Liebe vorher nicht ahnende Calogero blieb wie betört vor ihr stehen. Nachdem er sich indessen ein wenig wieder gesammelt hatte, ließ er sich mit ihr des weitern ein, und es gab so lange ein Wort das andre, bis sie untereinander die himmlischen Dinge beseitigten und sich zu den Verliebten wendeten, wobei ihnen denn eben nichts Wichtigeres mehr zu bedenken übrigblieb als die Ermittelung einer Gelegenheit, heimlicherweise zusammenzukommen, um ihre sehnsüchtigen Lüste zu befriedigen.

Die schlaue Jungfrau sagte zu ihrem Geliebten: »Verlaß dich auf mich, mein Teuerster, daß ich bereits ausfindig machte, was wir zu tun haben, und höre mich aufmerksam an: Du stellst in der vierten Stunde der nächstfolgenden Nacht ein brennendes Licht an das Fenster deiner Hütte, und ich komme zu dir, sobald ich es wahrgenommen habe.«

Teodoro sagte zwar: »Wie gedenkst du aber über das tiefe Meer zu kommen, mein süßes Kind? Du weißt, daß keines von uns beiden einen Kahn zur Überfahrt besitzt, und daß es unsere Ehre und unser beider Leben in Gefahr bringen würde, vertrauten wir uns andern Menschen an.«

Die Jungfrau erwiderte ihm aber: »Sei du nur keineswegs zweifelhaft und überlaß mir diese Sorge einzig und allein; ich werde dich besuchen, ohne unsere Leben zu gefährden: sobald ich das brennende Licht gesehen habe, komme ich schwimmend zu dir hinüber, und kein Mensch erfährt etwas von unserm Tun.«

Auch seine fernem Einwürfe: »Du läufst aber Gefahr zu ertrinken, da du als ein so junges, zartes Mädchen unmöglich Kraft und Atem genug haben wirst, dich die weite Strecke entlang über dem Wasser zu halten,« wußte sie mit den Worten zu beschwichtigen: »Fürchte nicht, daß ich aus Mangel an Atem sinken könnte: ich schwimme mit den Fischen um die Wette.«

Calogero gab am Ende dem festen Willen der Jungfrau nach. Sobald die finstere Nacht angebrochen war, zündete er ihrer Weisung gemäß ein Licht an seinem Fenster an, legte ein schneeweißes Linnentuch zurecht und erwartete mit heißem Verlangen die Liebreizende.

Kaum hatte Margarita zu ihrer innigsten Freude das leuchtende Flämmchen entdeckt, als sie ihre Kleider von sich warf und sich barfuß und im bloßen Hemd allein an das Gestade des Meeres schlich, wo sie auch die letzte Hülle von ihrem Körper zog und um ihren Kopf wickelte. Darauf stürzte sie sich nackt in das weite Meer und verstand ihre Arme und Füße so wohl zum Schwimmen zu rühren, daß sie in weniger als einer Viertelstunde bei der Hütte des sie erwartenden Calogero landete. Teodoro nahm das Mädchen, sowie er sie vor sich erblickte, bei der Hand, führte sie in seine niedrige Behausung ein, wo er mit dem weichen Linnen eigenhändig ihre feuchten Glieder trocknete, und genoß mit ihr auf seiner Lagerstätte zwei volle Stunden lang der seligen Ruhe zärtlicher Gespräche und enger Umarmungen.

Die gar wohl befriedigte Jungfrau schied zwar endlich dies erstemal von dem geliebten Freunde, mochte aber auch in der Folge der Zeit dem süßen Drange der Gewohnheit so wenig widerstehen, daß sie jedesmal, wenn sie das verabredete Zeichen des brennenden Lichtes erschaute, zu Teodoro durch das Meer hinüberschwamm.

Das ewig blind wechselnde Glück harrte freilich nicht lange Zeit bei den Liebenden aus. Denn eines Nachts, als die Luft von einem lästigen Nebel ringsumher eingehüllt war, warf sich die Jungfrau, die das Licht hatte schimmern sehen, in das Meer und ward von einigen unfern von ihr auf den Fang ausgegangenen Fischern wahrgenommen, wie sie sich durch die Wellen Bahn brach. In der anfänglichen Meinung, der schwimmende Körper sei ein Fisch, setzten sich die fremden Männer alsbald in Bewegung, um näher hinzuzusehen, und erkannten ein in des Calogero Hütte verschwindendes Weib. Höchlich darob verwundert, ruderten sie nunmehr dicht zu dem ärmlichen Häuschen heran und blieben in dessen Nähe so lange verborgen, bis die Jungfrau es wieder verließ und nach der mittlern Insel zurückschwamm.

Der Schleier der Nacht hüllte die Unglückliche nicht so tief in seine Falten ein, daß er sie hätte bewahren können, von ihren Verfolgern erkannt zu werden. Gewannen die neugierigen Fischersleute also die Gewißheit, in der kühnen Schwimmerin Margarita Spoletina vor sich zu sehen, so begleiteten sie dieselbe öftere Male in der Stille der Nacht auf ihren gefahrvollen Wegen und nahmen sich jedesmal untereinander vor, nachdem sie zum Verständnis des anzeigenden Lichtschimmers gelangt waren, das Ereignis geheimzuhalten, Gedachten sie aber andrerseits wiederholt der Beschimpfung, die eine ehrenwerte Familie bedrohte, und der Todesgefahren, in welche das junge Mädchen sich begab, so wurden sie am Ende andern Sinnes und entschlossen sich, Margaritas Brüdern das bedenkliche Geheimnis anzuvertrauen.

Die Brüder ergriff kein geringer Zorn, als die Fischer zu ihnen ins Haus kamen und ihnen die unerwartete Neuigkeit hinterbrachten. Sie wollten ihr keinen Glauben beimessen, bevor sie sich nicht durch den eigenen Augenschein davon überzeugt hätten. Sobald sie aber erst keine Zweifel mehr gegen die Wahrheit der Anklage ihrer Schwester hegen konnten, beschlossen sie deren Tod, den sie nach reiflicher Überlegung auf die folgende Weise bewerkstelligten.

In der Dämmerung des Abends bestieg der jüngere Bruder einen Kahn, fuhr allein in aller Stille zu Calogero und ersuchte ihn, ihn für diese Nacht bei sich zu beherbergen,

weil ihm ein Unfall zugestoßen sei, um dessentwillen er Gefahr laufe, von den Gerichten verhaftet und zum Tode verurteilt zu werden. Calogero, der seinen Gast als Margaritas Bruder kannte, nahm ihn wohlwollend und mit Freuden auf, indem er die ganze Nacht hindurch über verschiedene Dinge mit ihm sprach und ihm das Elend sowie die Nichtigkeit alles Weltlichen und die menschliche Sündhaftigkeit auseinandersetzte, welche die Seele zu ertöten und zur Sklavin des Teufels zu machen pflegt.

Derweil also der jüngere der Brüder bei Calogero blieb, verließen auch die andern heimlicherweise ihre Wohnung, nahmen eine Segelstange und ein Licht und bestiegen eine Barke, in der sie nach der Hütte Calogeros steuerten. In deren Nähe angelangt, richteten sie die Segelstange empor, befestigten die angezündete Laterne daran und erwarteten, was erfolgen werde. Das Mädchen hatte kaum das brennende Licht aus der Ferne mit ihren Blicken erspäht, so vertraute sie sich, wie sie es gewohnt war, dem Meere an und schwamm der Hütte ihres Geliebten rüstig zu; ihre Brüder aber faßten bei dem Geräusche, das ihre die Fluten zerteilenden Arme machten, ihre Ruder in die Hand und entfernten sich höchst langsam und geräuschlos mit dem aufgerichteten Lichte von der Hütte, ohne von der Schwester gehört oder in der Finsternis der Nacht irgend gesehen zu werden. Der armen Margarita Auge erblickte nichts als das trügerische Licht, wonach sie ihre Richtung nahm. Die grausamen Brüder ruderten allmählich weit in das hohe Meer hinweg, zogen dann die Segelstange ein und löschten das Licht aus.

Sowie Margarita das Licht nicht mehr leuchten sah und nicht mehr wußte, wo sie war, entsetzte sie sich über die Maßen und gab sich für verloren, da sie sich außer dem Bereich aller menschlichen Hilfe sah. Das Meer verschlang die von der langen Anstrengung des Schwimmens Ermattete wie ein geborstenes Schiff.

Überzeugt, daß ein Ausweg der Rettung für ihre ihnen nachgefolgte Schwester nicht mehr vorhanden sei, verließen die Brüder sie mitten auf dem offenen Meere und kehrten in ihre Wohnung zurück. Der jüngere Bruder dankte beim Anbruche des Tages Calogero für seine gastliche Aufnahme und ging von dannen.

Bald verbreitete sich durch den ganzen Flecken die traurige Kunde, Margarita Spoletina werde vermißt. Die Brüder gaben sich das Ansehn, darüber schwer betrübt zu sein; doch in ihren Herzen waren sie erfreut.

Erst mit dem Ausgange des dritten Tages warf das Meer den Leichnam der Verunglückten an Calogeros Gestade aus. Der Jüngling fand ihn vor, erkannte ihn und hätte vor Schmerz über dieses Wiederfinden fast selbst seine Seele ausgehaucht. Ohne daß sich dessen jemand versah, zog er den toten Körper bei einem Arme aus den Wogen in die Höhe und trug ihn in sein Haus, wo er sich über das bleiche Antlitz der Geliebten warf und lange Zeit ihren Verlust beweinte, indem seine Tränen im Übermaße auf die weiße Brust hinabtroffen und seine von Schluchzen und Seufzern erstickte Stimme oft umsonst wiederholt ihren Namen ausrief.

Der nächste Gedanke des leidtragenden Teodoro war die würdige Beerdigung der Ertrunkenen und die Stiftung frommer Werke in Gebeten und Fasten zu der Wohlfahrt ihrer Seele. Er nahm deshalb den Spaten zur Hand, mit dem er gemeiniglich sein Gärtchen umzugraben pflegte, grub eine Grube in seinem kleinen Gotteshause, drückte dem Leichnam unter vielen Tränen Mund und Augen zu, setzte ihm einen Kranz von Rosen und Violen, den er selbst wand, auf das Haupt und senkte ihn, indem er ihn küßte und segnete, in das Grab hinab, das er mit Erde wieder zuwarf.

Auf solche Weise wurde die Ehre der Brüder und der Schwester gerettet, und nimmermehr verlautete, was aus Margarita Spoletina geworden sei.

Wer ist der Faulste?

(Goethe, Altschottisch)

Es ist noch nicht zwei Jahre her, da begegneten sich im Gebiete von Siena drei Burschen, die zwar jung von Jahren waren, jedoch erfahren und ausgezeichnet in jeder Art Faulenzerei, die man sagen oder sich vorstellen kann. Von diesen hieß der Eine, weil er mehr als die andern der Gefräßigkeit ergeben war, Gierling; den Zweiten, da er noch ziemlich klein und kindlich war, nannten alle Kinding; der Dritte hieß Sinnerling, weil er wenig Sinn und Verstand in seinem Schädel hatte.

Wie die drei sich eines Tages zufällig an einem Kreuzweg trafen und zusammen sich unterhielten, sagte Kinding:

»Wohin nehmt ihr euren Weg, Brüder?«

Gierling antwortete: »Ich gehe nach Rom.«

»Um was zu tun?« fragte Kinding.

»Um irgendeinen glücklichen Zufall zu finden«, erwiderte Gierling, »der mir erlaubt, daß ich leben kann, ohne mich anzustrengen«.

»Dasselbe suchen wir auch«, sagten die zwei Genossen.

»Wenn ihr es zufrieden seid«, meinte Sinnerling, »möchte ich gern mit euch gehen«.

Die beiden Gefährten nahmen ihn freundlich als Begleiter an, und sie gaben sich gegenseitig das Versprechen, sich nicht voneinander zu trennen, bis sie nach Rom gekommen wären.

Wie alle drei nun ihren Weg fortsetzten und sich dabei über verschiedene Dinge unterhielten, senkte Gierling seine Augen auf die Erde, und er sah ein in Gold gefaßtes Juwel, das so sehr funkelte, daß es ihn blendete. Aber Kinding hatte es als erster seinen zwei Gefährten gezeigt, und Sinnerling hob es von der Erde auf und steckte es an den Finger. Darauf entstand unter ihnen ein lebhafter Streit, wem es gehören sollte. Gierling sagte, es komme ihm zu, da er es zuerst gesehen habe.

»Im Gegenteil, es müßte mir gehören«, sagte Kinding, »weil ich es euch zuerst gezeigt habe«.

»Im Gegenteil, von Rechts wegen gehört es mir«, sprach Sinnerling, »weil ich es von der Erde aufgehoben und mir an den Finger gesteckt habe«.

Die Unglücksmenschen stritten sich also darüber, und weil keiner nachgeben wollte, wurden sie handgemein und versetzten sich auf Kopf und Gesicht solche Schläge, daß das Blut fast überall herabströmte.

In diesem Augenblick kam Herr Gavardo Colonna des Weges geritten, ein vornehmer römischer Edelmann, der von einem seiner Güter kam und nach Rom zurückkehrte. Als Gavardo von ferne die drei Taugenichtse sah und ihren Lärm hörte, blieb er stehen und dachte einige Zeit nach, denn er fürchtete sehr, es seien Straßenräuber, und sie würden ihn töten; und mehrmals wollte er sein Pferd rückwärts lenken und umkehren. Aber dann faßte er doch Mut, fühlte sich sicher und setzte seinen Weg fort, näherte sich ihnen, grüßte sie und sprach: »Ihr Freunde, was streitet ihr euch hier untereinander?«

»Herr Edelmann«, antwortete Gierling, »folgendes ist unser Streit: Wir sind aus unseren Herbergen fortgegangen, haben uns zufällig auf der Landstraße getroffen und uns gegenseitig begleitet, denn wir gehen nach Rom. Wie wir nun gingen und uns unterhielten, sah ich auf der Erde einen wunderschönen Edelstein, der in Gold gefaßt war, der nach Fug und Recht mein sein müßte, weil ich ihn zuerst gesehen habe.«

»Und ich«, sagte Kinding, »habe ihn ihnen zuerst gezeigt, und weil ich ihn ihnen zuerst gezeigt habe, scheint es mir, daß er eher mir gehört als ihnen«.

Aber Sinnerling schlief keineswegs und sagte: »Im Gegenteil, mein Herr, der Edelstein sollte mir zukommen und nicht ihnen, weil ich ihn, ohne daß man mir ein Zeichen gemacht hätte, von der Erde aufhob und mir an den Finger steckte. Da nun keiner dem anderen nachgeben will, sind wir in Lebensgefahr geraten.«

Nachdem Herr Gavardo die Ursache ihres Streites gehört hatte, sagte er: »Wollt ihr, Gefährten, eure Zwistigkeiten mir überlassen, daß ich versuche, euch zu versöhnen?«

Das bejahten alle drei einstimmig, und sie versprachen, sich der Entscheidung des Edelmanns zu fügen. Wie dieser ihre gute Absicht sah, sprach er: »Nachdem ihr euch gemeinsam in meine Hände gegeben habt und wollt, daß ich allein der Schiedsrichter eures Streites sein soll, verlange ich von euch nur zwei Dinge: erstens, daß ihr mir den Edelstein in die Hände gebt; zweitens, daß jeder von euch es sich angelegen sein lassen soll, irgendein Faulenzerstück zu vollbringen; und wer innerhalb von vierzehn Tagen das nutzloseste und minderwertigste Stückchen sich geleistet hat, der wird der wahre Besitzer des Edelsteins sein.«

Die Gefährten waren es zufrieden und vertrauten ihm das Juwel an; dann zogen sie nach Rom. Wie sie in Rom angekommen waren, trennten sie sich: der eine ging hierhin, der andere dahin, wobei jeder von ihnen danach trachtete, nach seinem Vermögen irgendein herrliches Faulenzerstück zu vollbringen, das jedes Lobes und ewigen Angedenkens würdig wäre.

Gierling fand einen Herrn und wurde mit ihm einig. Dieser kaufte eines Tages auf dem Marktplatz die ersten Feigen, die gegen Ende des Monats Juni in den Handel kamen, und er gab sie Gierling, damit er sie bewahrte, bis er nach Hause ginge. Gierling, der ein Erzfaulpelz und gleichzeitig von Natur sehr gefräßig war, nahm eine der Feigen und aß sie heimlich nach und nach, während er hinter seinem Herrn herging. Weil die Feige ihm ziemlich gut schmeckte, setzte der Schlingel seinen Brauch fort und aß heimlich auch von den anderen Feigen. Wie der Taugenichts in seiner Gefräßigkeit fortfuhr, steckte er schließlich eine Feige in den Mund, die übermäßig groß war, und aus Furcht, der Herr möchte es bemerken, schob er sie nach Art der Affen in einen Winkel des Mundes und hielt diesen geschlossen. Zufällig drehte sich der Herr um: da schien es ihm, Gierlings linke Backe sei stark geschwollen, und wie er ihm besser ins Gesicht schaute, sah er, daß es wirklich sehr angeschwollen war. Er fragte ihn, was er denn habe, da seine Backe so sehr geschwollen sei; jener aber gab wie ein Stummer ihm keine Antwort.

Wie das der Herr sah, wunderte er sich sehr und sagte: »Gierling, mach den Mund auf, damit ich sehe, was dir fehlt, und dir besser helfen kann.«

Aber der arme Kerl wollte weder den Mund aufmachen noch reden. Und je mehr der Herr sich bemühte, ihn zu veranlassen, den Mund aufzumachen, um so mehr biß der Taugenichts die Zähne zusammen und verschloß seinen Mund.

Nachdem der Herr verschiedene Versuche gemacht hatte, ihn zum Öffnen des Mundes zu bewegen, und sah, daß ihm kein Versuch glücken wollte, hatte er Angst, es könnte ihm ein Unglück zustoßen, und führte ihn in eine nahe Barbierstube, zeigte ihn dem Wundarzt und sprach folgendermaßen: »Meister, diesem meinem Diener ist ein grausames Übel zugestoßen: wie Ihr seht, ist ihm seine Backe so angeschwollen, daß er weder spricht noch den Mund aufmachen kann. Ich habe Angst, er wird noch ersticken!«

Der Wundarzt betastete die Backe ganz behutsam und sagte zu Gierling: »Was fühlst du, Bruder?«

Aber der gab ihm keine Antwort.

»Mach den Mund auf!«, fuhr der Wundarzt fort – aber er rührte sich nicht. Da der Wundarzt sah, daß er mit Worten nichts ausrichten konnte, griff er zu einigen seiner Werkzeuge und versuchte, ob er ihm damit den Mund öffnen könnte: aber der Taugenichts wollte ihn auf keine Weise und durch kein Mittel öffnen. Dem Wundarzt schien es, es handele sich um ein Geschwür, das nach und nach immer mehr gewachsen sei, und jetzt sei es reif und an der Zeit, aufgemacht zu werden. Daher führte er einen Schnitt, damit das Geschwür besser vom Eiter befreit werden könne. Der Taugenichts Gierling, der alles gehört hatte, sich aber nicht rührte, sagte auch jetzt kein einziges Wort, sondern blieb unerschütterlich, wie ein festgebauter Turm. Der Wundarzt begann die Backe zu drücken, um zu sehen, was aus dem Geschwür herauskäme; aber anstatt Fäulnis und Eiter kam gesundes Blut heraus zusammen mit der Feige. Als der Herr die Feige erblickte und Gierlings Nichtsnutzigkeit erkannte, ließ er ihn erst ausheilen; dann jagte er ihn fort.

Kinding, der in Faulenzerei es mit Gierling aufnehmen konnte, hatte schon einige wenige Pfennige, die er noch besaß, ausgegeben, ohne daß er wegen seiner Untauglichkeit jemanden gefunden hätte, auf den er sich hätte stützen können; so ging er bettelnd von Haus zu Haus und schlief entweder unter einem Säulengang oder in einem Hausflur oder manchmal auch im Walde. Eines Nachts nun kam der Taugenichts an einem ganz verfallenen Orte an, und wie er hineingegangen war, fand er einen Misthaufen mit einem bißchen Stroh, auf das er so gut wie möglich sich hinlegte, indem er die Beine weit auseinander spreizte, und da er todmüde war, schlief er bald ein. Es dauerte nicht lange, so erhob sich ein mächtiger Windsturm mit solch fürchterlichem Regen und Unwetter, daß es schien, als wollte die Welt untergehen; und es hörte in dieser ganzen Nacht nicht auf zu regnen und zu blitzen. Weil das Dach seines Nachtquartiers in schlechtem Zustande war, fiel ein Regentropfen von oben durch ein Loch und traf ihm ein Auge, so daß er aufwachte und nicht ruhen konnte. Wegen der großen Faulheit jedoch, die Herr über seinen Körper war, wollte der Unglücksmensch sich nicht von dieser Stelle entfernen und der ihm drohenden Gefahr aus dem Wege gehen; vielmehr blieb er fest bei seinem verkehrten halsstarrigen Willen und ließ den Tropfen unglücklicherweise immer wieder sein Auge treffen – nicht anders, wie wenn es ein harter kleiner Stein gewesen wäre. Der Tropfen fiel weiter vom Dach herunter, traf das Auge und war von solcher Kälte, daß Kinding bei Tagesanbruch auf dem Auge erblindet war.

Als Kinding am Morgen nicht sehr früh aufstand, um für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, fand er, daß ihm das Augenlicht fehlte; aber da er glaubte, er träume, legte er die Hand auf das gute Auge und hielt es zu: und jetzt erkannte er, daß er auf dem anderen der Sehkraft beraubt war. Hierüber freute er sich über die Maßen; denn nichts Lieberes oder Angenehmeres hätte ihm geschehen können, weil er überzeugt war, daß er durch solche nichtsnutzige Heldentat den Edelstein sich erworben habe.

Sinnerling, der sein Leben mit nicht weniger Faulenzerei hinbrachte als die beiden andern, verheiratete sich und nahm zur Frau ein Weibsbild, das es an Nichtsnutzigkeit mit ihm aufnahm. Sie hieß Bedovina. Als beide eines Abends nach dem Essen in der Nähe der Haustür saßen, um ein wenig frische Luft zu schöpfen, weil es die heiße Jahreszeit war, sagte Sinnerling zu der Frau: »Bedovina, mach die Haustür zu, denn jetzt ist es Zeit, daß wir zur Ruhe gehen.«

Worauf sie erwiderte: »Mach du sie zu!«

Beide stritten sich deswegen, und keiner wollte die Haustür zumachen. Da sagte Sinnerling: »Bedovina, wir wollen untereinander einen Vertrag schließen: Wer von uns zuerst sprechen wird, der soll die Tür zumachen!«

Die Frau, die von Natur faul und von Gewohnheit widerspenstig war, war damit einverstanden. So blieben Sinnerling und Bedovina bei ihrer Faulheit und wagten nicht zu reden, um nicht in die Strafe zu verfallen, die Haustür zu schließen. Die gute Frau, der die Geschichte schon leid tat und die der Schlaf ankam, ließ ihren Mann auf seiner Bank sitzen, zog sich aus und ging ins Bett.

Nicht viel später kam auf der Straße ein Diener eines Edelmannes vorbei, der in seine Herberge ging. Zufällig war ihm das Licht in der Laterne, die er trug, ausgegangen; und wie er die Tür dieses Häuschens offen sah, trat er ein und rief: »Heda! Ist jemand da? Zündet mir bitte dies Licht an!« – aber niemand antwortete.

Wie der Diener nun näher hineinging, fand er Sinnerling, der mit offenen Augen auf der Bank lag; er bat ihn, ihm sein Licht anzuzünden, erhielt aber keine Antwort. Der Diener glaubte, Sinnerling schlafe, nahm ihn am Arm und begann ihn zu schütteln, wobei er sprach: »Bruder, holla, was ist los? Antworte!« Aber Sinnerling, der keineswegs schlief, jedoch Angst hatte, die Strafe des Türschließens auf sich nehmen zu müssen, wollte nicht sprechen.

Wie der Diener nun noch etwas mehr hineinging, sah er ein wenig Licht, das aus einer Kammer herausschimmerte; er ging hinein, erblickte aber niemand, außer Bedovina, die allein im Bette lag. Er rief sie an und schüttelte sie mehrmals; sie aber wollte sich weder rühren noch reden, aus Furcht, in die besagte Strafe zu verfallen, die Haustür schließen zu müssen. Der Diener sah, daß sie schön war, aber zu bequem war zu reden, legte sich sachte neben sie; er führte seine Hand an seine Eisen, die fast eingerostet waren, und brachte sie in die Schmiede.

Bedovina sagte nichts, duldete alles sanft und ließ den jungen Mann – immer ihre Augen auf ihren Mann gerichtet – seine Freude haben.

Als der Diener weggegangen war und einen guten Abend erhalten hatte, erhob Bedovina sich aus dem Bett, ging zur Haustür hinaus und fand ihren Mann, der keineswegs schlief; da sagte sie ihm in Form eines Vorwurfs: »Du bist mir aber ein schöner Mann! Du hast die ganze Nacht die Haustür offen gelassen, läßt fremde Männer schamlos ins Haus kommen, ohne sie daran zu hindern! Man müßte dir aus einem zerrissenen Schuh zu trinken geben!«

Jetzt stellte sich der Faulpelz Sinnerling auf die Füße und sagte statt einer Antwort: »Geh, mach die Haustür zu, dumme Gans, die du bist! Endlich habe ich dich erwischt! Du hast geglaubt, mich dazu zu bringen, sie zuzumachen; aber darin hast du dich getäuscht: So straft man widerspenstige Weiber!«

Bedovina sah, daß sie die Wette mit ihrem Mann verloren, aber trotzdem einen guten Abend gehabt hatte, und schloß schnell die Haustür; dann ging sie mit ihrem gehörnten Ehemann zur Ruhe.

Als der verabredete Tag gekommen war, fanden sich alle drei vor Gavardo ein. Dieser hörte ihre obenerzählten Heldentaten, würdigte ihre Gründe, wollte nun aber keinen Schiedsspruch fällen, weil er meinte, unter dem Himmelsgewölbe gäbe es keine anderen drei Faulenzer, die diesen vergleichbar seien. Daher nahm er den Ring, warf ihn auf die Erde und sagte: »Wer ihn nimmt, dem gehöre er!«

Die gezähmte Keiferin

(Shakespeare, Der Widerspenstigen Zähmung)

Der weise und vorsichtige Arzt, wenn er sieht, daß sich eine Krankheit im menschlichen Körper festsetzen will, ergreift zu seiner Erhaltung diejenigen Mittel, die ihm die beste Vorkehrung dagegen zutreffen scheinen, und wartet nicht erst, bis die Krankheit da ist, denn ein frisches Übel ist leichter zu heilen als ein eingewurzeltes. Ebenso (die Frauen werden mir verzeihen!) muß es der Mann machen, wenn er eine Frau nimmt, das heißt er darf sie keine Herrschaft über ihn ergreifen lassen, so daß er nachher, wenn er vorsichtig wird, nichts mehr tun kann und sie begleiten muß bis zum Tod, wie das einem Soldaten begegnete, der sein Weib züchtigen wollte: aber weil er zu lange gewartet hatte, mußte er geduldig bis zum Tod alle ihre Fehler ertragen.

Es lebten vor nicht langer Zeit in Corneto, einem römischen Kastell im Erbgut des heiligen Peter, zwei geschworene Brüder, die sich mit nicht geringerer Liebe zugetan waren, als hätte sie dieselbe Mutter geboren. Der eine von ihnen hieß Pisardo, der andere Silverio; beide hatten das Kriegshandwerk ergriffen und standen im Solde des Papstes. So groß indessen ihre Liebe zueinander war, so wohnten sie doch nicht beisammen. Der jüngere, Silverio, dem es an Wartung fehlte, heiratete die Tochter eines Schneiders, mit Namen Spinella, ein schönes, reizendes Mädchen, doch von sehr hitzigem Geblüt.

Als die Hochzeit gefeiert und die Frau ihm ins Haus geführt wurde, nahm ihn ihre Schönheit, die ihm über allen Vergleich erhaben schien, so sehr ein, daß er sich ihr in allem, was sie von ihm verlangte, gefällig erwies. Dadurch wurde Spinella so übermütig und herrschsüchtig, daß sie ihres Gatten wenig oder gar nicht achtete. Schon hatte er es durch seine Schwäche dahin gebracht, daß, wenn er ihr befahl, dies zu tun, sie jenes tat, und wenn er sagte: »Komm daher!«, so ging sie dorthin und lachte ihn aus. Und weil der Laffe nicht durch fremde, sondern durch seine eigenen Augen sah, wagte er es nicht, sie zurechtzuweisen noch auf Heilung des Übels zu denken, sondern ließ sie tun, was ihr einfiel und beliebte.

Ehe das Jahr um war, nahm Pisardo die zweite Tochter des Schneiders, mit Namen Fiorella, die nicht minder schön von Angesicht und auch nicht minder hitzköpfig war als ihre Schwester Spinella. Nach der Hochzeit, als die Frau ihm ins Haus geführt wurde, ergriff Pisardo ein Paar Männerhosen und zwei Prügel und sprach: »Fiorella, das sind Mannshosen; fasse du dieses Ende, ich will das andere fassen. Wir wollen um die Hosen ringen, wer von uns sie tragen soll, und wer Sieger bleibt, der soll sie anziehen; wer aber verliert, der muß dem andern gehorchen.«

Fiorella hatte kaum die Worte ihres Mannes gehört, so antwortete sie mit vieler Mäßigung: »Ach, mein Gemahl, was sind das für Reden, die Ihr führt? Seid nicht Ihr der Mann, und ich bin die Frau? Muß die Frau nicht dem Manne gehorchen? Wie sollte ich denn solche Torheit beginnen? Tragt Ihr also nur die Hosen: sie schicken sich besser für Euch als für mich.«

»Gut«, sprach Pisardo, »ich werde also die Hosen tragen und der Herr im Hause sein, und du wirst als mein liebes Weib mir Gehorsam leisten. Aber hüte dich, nicht anderen Sinnes zu werden, daß du der Mann sein willst und ich die Frau werden soll, damit du dich nicht hernach über mich zu beklagen hast!«

Fiorella war klug, bestätigte nochmals, was sie gesagt hatte, und der Mann übergab ihr unter diesem Vorbehalt das Regiment des ganzen Hauses, überwies ihr die fahrende Habe und belehrte sie über die Art und Weise, wie er zu leben gewohnt sei. Darauf sprach er: »Komm mit mir, Fiorella, ich will dir meine Pferde zeigen und dich lehren, wie du sie behandeln mußt, wenn es nottut.«

Als sie in den Stall kamen, sprach er: »Was meinst du zu diesen meinen Pferden, Fiorella? Sind sie nicht schön? Werden sie nicht gut gehalten?«

»Gewiß, Herr«, antwortete Fiorella.

»Aber gib acht«, sprach Pisardo, »wie lenksam und geschmeidig sie sind!«

Dann nahm er eine Peitsche zur Hand und schlug erst dieses, dann jenes und rief abwechselnd: »Rechts! Links!« Die Pferde nahmen den Schwanz zwischen die Beine, stellten sich alle in eine Reihe und gehorchten ihrem Herrn. Pisardo hatte unter andern ein Pferd, das zwar von ziemlich gutem Aussehen, aber träge und widerspenstig war, und worauf er deshalb wenig hielt. Zu diesem ging er mit der Peitsche, ließ es sich rechts und links wenden und züchtigte es. Aber das von Natur störrische Pferd ließ sich schlagen und tat nichts von alledem, was sein Herr verlangte, sondern schlug bald mit dem einen Fuß, bald mit dem andern, bald mit beiden aus. Wie nun Pisardo sah, daß das Pferd so ungebärdig sei, nahm er einen derben Knittel und gerbte ihm das Fell dermaßen durch, daß er selbst davon ermüdete. Aber das Pferd ward nur eigensinniger als bisher, ließ sich schlagen und rührte sich nicht. Über diese Hartnäckigkeit des Pferdes erglühte Pisardo vor Zorn, legte die Hand an das Schwert, das er an der Seite hatte, und erstach es.

Fiorella, die dies mit ansah, hatte Mitleid mit dem Pferde und sprach: »Ach, mein Gemahl, warum habt Ihr das Pferd getötet? Es war doch ein schönes Tier; es ist ewig schade, daß Ihr es umgebracht habt.«

Aber Pisardo versetzte mit zornglühendem Antlitz: »Wisse, daß ich alle, die mein Brot essen und meinen Willen nicht tun, mit dieser Münze bezahle!«

Bei dieser Antwort erschrak Fiorella und sprach bei sich selbst: »Weh mir Armen, mir Unglücklichen, wie übel bin ich mit diesem angekommen! Ich glaubte, ich habe einen besonnenen Mann zum Gemahl, und bin an einen Wüterich geraten. Wie hat er das schöne Pferd um nichts und wieder nichts umgebracht!«

So beklagte sie sich bei sich selbst, ohne zu ahnen, mit welcher Absicht ihr Mann so spreche. Dieser Vorfall hatte Fiorella solche Furcht und solchen Schrecken vor ihrem Manne eingeflößt, daß er sich nur zu rühren brauchte, so zitterte sie an allen Gliedern; und wenn er etwas befahl, so tat sie es auf der Stelle. Kaum hatte der Mann den Mund geöffnet, so verstand sie, was sein Wille war, und niemals fiel ein unfreundliches Wörtchen zwischen ihnen vor.

Silverio, der den Pisardo sehr liebte, besuchte ihn oft und aß zu Mittag und zu Abend bei ihm. Als er aber Fiorellas Betragen und Aufführung bemerkte, wunderte er sich sehr und sprach bei sich selbst: »O Gott, warum mußte ich nicht das Glück haben, Fiorella zum Weibe zu bekommen, wie mein Bruder Pisardo? Schaut, wie gut sie das Haus in Ordnung hält und ihn ohne das geringste Widerstreben bedient! Wie sie ihrem Manne gehorcht und alles tut, was er befiehlt! Aber die meinige (ich Unglücklicher!) tut just das Gegenteil und behandelt mich so übel wie nur möglich!«

Eines Tages war Silverio bei Pisardo, und nach allerlei Gesprächen sagte er zu ihm: »Lieber Bruder Pisardo, du weißt, wie sehr wir uns lieben. Ich möchte von dir hören, wie du es gemacht hast, deine Frau so zu ziehen, daß sie dir so unbedingt gehorcht und dir so viel schmeichelt und dich liebkost. Ich mag Spinella eine Sache noch so liebreich befehlen, so gibt sie mir eine barsche Antwort und tut dann gerade das Gegenteil von dem, was ich ihr befehle.«

Pisardo lächelte und erzählte ihm von Wort zu Wort, wie er es gehalten, als er sein Weib heimgeführt habe, riet ihm, auch ein Gleiches zu tun und zu sehen, ob es anschlage; denn wenn es nicht anschlage, so wisse er nicht, was er ihm weiter raten solle. Dem Silverio gefiel dieser Rat äußerst wohl; er verabschiedete sich von ihm, rief, als er nach Hause kam, unverweilt seine Frau, nahm ein Paar seiner Hosen und zwei Stöcke und tat, was ihm Pisardo geraten hatte.

Als Spinella dies sah, sprach sie: »Was macht Ihr da für Streiche, Silverio? Was für Grillen sind Euch in den Kopf gefahren? Solltet Ihr etwa närrisch geworden sein? Glaubt Ihr, ich wisse nicht, daß die Männer und nicht die Frauen Hosen tragen? Wozu jetzt ohne allen Anlaß dergleichen Zeug machen?«

Aber Silverio antwortete nichts, sondern befolgte die einmal begonnene Ordnung und gab ihr jetzt die Regeln für die Führung des Hauswesens. Spinella, deren Verwunderung immer stieg, sagte mit spöttischem Lächeln: »Glaubt Ihr vielleicht, Silverio, ich wisse noch nicht Eure Sachen in der Ordnung zu erhalten, daß Ihr mich so ernstlich darüber belehrt?«

Aber der Ehemann schwieg und begab sich jetzt mit der Gattin nach dem Stalle, wo er mit den Pferden ganz so verfuhr, wie Pisardo getan hatte, auch eines davon tötete. Als Spinella diese Torheit erblickte, dachte sie bei sich, ihr Mann müsse in Wahrheit den Verstand verloren haben, und sprach: »Was wollen diese Narrheiten sagen, die Ihr so unbesonnen vollführt? Solltet Ihr etwa zu Euerm Unstern verrückt geworden sein?«

Silverio antwortete: »Ich bin nicht verrückt; aber alle, die mein Brot essen und meinen Willen nicht tun, bestrafe ich so, wie du gesehen hast.«

Nun merkte Spinella den törichten Vorsatz ihres einfältigen Gatten und sprach: »O Tropf, man sieht wohl, daß Euer Pferd ein dummes Tier war, weil es sich so jämmerlich umbringen ließ. Aber wo denkt Ihr hin? Meint Ihr vielleicht, mit mir zu verfahren wie mit dem Pferde? Wahrhaftig, wenn Ihr das glaubt, so irrt Ihr Euch gewaltig, und viel zu spät versucht Ihr jetzt dafür zu sorgen, wofür Ihr früher hättet sorgen sollen. Aus Knorpel ist Knochen geworden, die Wunde ist in Krebs übergegangen, es gibt kein Mittel mehr für einen so alten Schaden. Hättet Ihr doch früher Euerm Unheil abzuhelfen gesucht! O Narr, hirnloser Narr, merkt Ihr denn nicht, zu welchem Schaden, zu welchem Spott Euch Eure zahllosen Torheiten gereichen? Und was wird Euch das alles helfen? Nichts und wieder nichts.«

Als Silverio diese Worte des klugen Weibes vernahm, merkte er wohl, daß er mit seiner allzu großen Zärtlichkeit wenig Gutes gestiftet habe. Er entschloß sich daher, so schwer es ihm auch fiel, sein trauriges Los lebenslänglich mit Geduld zu ertragen. Spinella hatte nun gesehen, daß der Ratschlag ihrem Manne wenig gefrommt habe, und wenn sie sonst ihren Willen fingerslang durchsetzen wollte, so machte sie ihn nun in der ganzen Armeslänge geltend; denn es hegt in der Natur halsstarriger Weiber, lieber tausendmal den Tod zu dulden, als ihren ernstlichen Vorsatz aufzugeben.

Das Kruzifix des Holzbildhauers

Wenn heutzutage, schöne Damen, die Geistlichen (ich spreche aber nur von den schlimmen, nicht von den guten) sich ihren Studien widmen, gute Beispiele geben und fromm nach ihrer Regel leben würden, so wären die unwissenden Leute aus dem Volk nicht so dreist, von ihnen Geschichten zu erzählen, würden sie im Gegenteil so verehren, daß sie sich heil und glücklich schätzen würden, sobald sie nur den Saum ihrer Gewänder berührten. Aber da sie sich mit den Weltleuten vermischt, sich der Welt und den sinnlichen Lastern hingeben und selbst rücksichtslos das tun, was sie uns verbieten müßten, so redet man öffentlich und privat lang und breit über sie. Da es nun mal so ist, werde ich mich nicht enthalten, euch die Geschichte eines ehemaligen Mönches zu erzählen, die, wenn sie auch etwas lang, darum nicht weniger ergötzlich und spaßhaft ist und euch vielleicht nicht wenig befriedigen wird. So hört denn, daß in der edlen und alten Stadt Florenz ein ehrwürdiger Pater lebte, der Magister Tiberio genannt wurde. Welcher Regel er angehörte, wage ich nicht zu behaupten, weil ich mich dessen jetzt nicht entsinne. Er war ein gebildeter Mann, machtvoller Prediger, sehr feiner Disputator und allgemein sehr geachtet und verehrt.

Aus gewissen Gründen, die mir unbekannt sind, schien es ihm richtig, das Ordenskleid abzulegen und Weltpriester zu werden, und da begab es sich, daß er nach dem Verlassen des Ordens nicht mehr in derselben Verehrung stand wie früher; doch blieb er bei einigen wenigen Edelleuten und vor allem beim Volke in Ansehen. Und da er ein guter Beichtvater war, so erschien vor ihm, um zu beichten, eine sehr schöne Frau, die Savia genannt wurde, ein Name, der der Bescheidenheit eines so fraulichen Wesens, wie sie es war, wahrhaft angemessen war. Sie hatte zum Gatten einen Holzbildhauer, der Meister Chechino hieß und in dieser Kunst zu seiner Zeit von keinem übertroffen wurde. Savia war denn vor Magister Tiberio niedergekniet und sagte: »Mein Vater, mein Beichtvater, dem ich meine geheimen Sünden bekannte, ist mir gestorben, und da vernahm ich den Ruf Eures Ruhmes und Eurer Heiligkeit: so habe ich Euch zu meinem geistlichen Vater erwählt und bitte, Ihr möget Euch meiner Seele annehmen.«

Magister Tiberio sah sie schön und frisch vor sich, die einer morgendlichen Rose glich. Er wußte sich strotzend von einer Kraft, die in der allerschönsten Blüte stand, die nur möglich war, und entflammte sich dergestalt an ihr, daß er fast außer sich geriet, als er sie beichten ließ und es nicht vermochte, sie sich aus den Augen zu schaffen. Als er zur Sünde der Wollust gekommen war, fragte er sie aus: »Hattet Ihr niemals, liebe Frau, und zu keiner Zeit besondere Zuneigung zu irgendeinem Priester oder Mönch, in den Ihr verliebt gewesen seid?«

Und sie, die nicht ahnte, worauf er hinaus wollte, antwortete in aller Reinheit: »Doch, Vater, ich liebte meinen Beichtiger sehr, wie einen Vater, und brachte ihm die Verehrung und Ehrfurcht entgegen, die ihm zukam.«

Als dem Magister Tiberio die sehr günstige Einstellung der Frau klar geworden war, sprach er mit süßen und geschickten Worten zu ihr, ließ sich Namen und Stand sagen und das Haus bezeichnen, in dem sie wohnte, empfahl sich ihr und bat sie, sie möge ihm so gewogen bleiben, wie sie ihren verstorbenen Beichtvater geliebt und wert gehalten habe; und im Zeichen der christlichen Liebe wolle er, wenn das Osterfest vorüber sei, sie besuchen, um ihr einige geistliche Tröstung zu geben. Sie dankte ihm sehr dafür und ging fort, als sie die Absolution erhalten hatte.

Nachdem Savia weggegangen war, begann Magister Tiberio bei sich die Schönheit der Frau und ihre Art sich zu geben genau zu betrachten und entbrannte noch heftiger für sie. Er faßte bei sich den Beschluß, ihre Liebe zu erlangen; aber er kam nicht damit vorwärts, denn er vermochte nicht so gut auszuführen wie zu planen. Als das Auferstehungsfest vorüber war, begann Magister Tiberio vor dem Haus der Savia zu promenieren, und wenn er sie sah, machte er ihr ein Zeichen und grüßte sie in bescheidener Weise. Aber sie, die klug war, hielt die Augen niedergeschlagen und tat so, als sähe sie ihn nicht. Als Magister Tiberio fortfuhr, sie nach seiner Art zu grüßen, kam es der Frau in den Sinn, sich nicht mehr sehen zu lassen, damit nicht irgendein finsterer Verdacht aufkäme, in den sie geraten könne. Das mißfiel ihm nicht wenig. Aber da ihn die Liebe so heftig gebunden hatte, daß er sich selbst nicht mehr leicht losmachen konnte, beschloß er, einen kleinen Kleriker zu ihr zu senden, um mit ihr zu sprechen und sie zu bitten, sie möge freundlichst zustimmen, daß er ins Haus komme, um sie als Beichtvater zu besuchen.

Die Frau sah den Kleinen und vernahm den Vorschlag, erwiderte aber als kluge und weise Frau nichts. Als Magister Tiberio, schlau wie er war, hörte, die Frau habe nichts geantwortet, da dachte er bei sich selbst, sie müsse sehr klug sein und man müsse mehrmals an das Tor klopfen, denn ein wohlfundierter Turm, der nicht oft berannt wird, hält sich aufrecht. Er beschloß darum die Unternehmung nicht aufzugeben, sandte ihr ständig Botschaften und folgte ihr, wohin auch immer sie ging.

Savia sah Magister Tiberios Ausdauer, entrüstete sich sehr, weil sie für ihre Ehre fürchtete, und sagte eines Tages zu ihrem Gatten: »Chechino, es sind nun viele Tage, daß Magister Tiberio, mein Beichtvater, verschiedene Boten gesandt hat, um mich zu sprechen, und wo er mich sieht, grüßt er mich nicht nur, sondern verfolgt mich auch, indem er von hinten auf mich einredet. Um diese Belästigungen loszuwerden, lasse ich mich nirgends mehr sehen, noch kann ich irgendwo den Blick erheben, noch irgendwo mich zeigen.«

»Und du«, sagte Meister Chechino, »was antwortest du ihm?«

»Nichts«, antwortete seine Frau.

»Klug, wie du bist, hast du dich benommen; aber mache es nun so: wenn er dich wieder grüßt und dir irgendetwas sagt, so antworte ihm klug auf eine ehrbare Weise, wie es dir am angemessensten erscheint, und später wirst du mir erzählen, was dann geschieht.«

Als Savia eines Tages nach dem Essen in der Werkstatt war (denn Meister Chechino war in Geschäften weggegangen), da erschien Magister Tiberio und sagte, als er sie allein in der Werkstatt sah: »Guten Tag, meine liebe Frau!« – und sie antwortete ihm freundlich: »Guten Tag und ein gutes Jahr, mein Vater!« – Als Magister Tiberio hörte, daß sie ihm den Gruß erwiderte, was sie bisher noch nie getan hatte, glaubte er ihre große Härte gemildert zu haben und entbrannte noch glühender für sie. Er trat in die Werkstatt und begann liebevoll mit ihr zu plaudern und blieb länger als eine Stunde. Aber da er fürchtete, Meister Chechino kehre nach Hause zurück und fände sie mit ihm plaudern, nahm er Abschied und bat sie, ihm ihre Huld zu bewahren, und erbot sich, ihr in jeder Hinsicht dienstbar zu sein. Dafür dankte sie ihm vielmals und bot ihm ihre Dienste an.

Als Magister Tiberio gegangen war, erschien Meister Chechino, dem sie genauestens erzählte, was vorgefallen war. Meister Chechino sagte: »Du hast dich gut betragen und klug geantwortet; wenn er aber noch einmal zu dir kommt, mache ihm eine freundliche Miene und bereite ihm die Aufnahme, die dir ehrbar erscheint!«

Die Frau sagte, sie werde so tun.

Magister Tiberio, den schon die süßen Reden der geliebten Frau entzückt hatten, begann ihr einige schätzbare Geschenke zu senden, die von Savia angenommen wurden. Und dann erbat er mit sehr menschlichen und wohlbegründeten Worten ihre Liebe und flehte, sie möge sie ihm nicht versagen, denn das würde unfehlbar die Ursache seines Todes sein. Die Frau antwortete: »Mein Vater, ich würde Euren Willen erfüllen und den meinen; aber ich fürchte von meinem Gatten entdeckt zu werden und Leben und Ehre zusammen zu verlieren.«

Diese Worte mißfielen dem Magister Tiberio sehr und bewirkten, daß er in Gegenwart der Frau fast gestorben wäre. Als er sich wieder gefaßt hatte, bat er, sie möge nicht an seinem Tode schuld sein. Savia tat, als ob sie Mitleid mit ihm habe, beschloß ihn zufriedenzustellen und verabredete sich, sich den andern Abend mit ihm zu treffen, da ihr Gatte morgen fortreisen wolle, um außerhalb der Stadt Holz einzukaufen. Als Magister Tiberio das gehört hatte, ward er der zufriedenste Mensch, den es je gegeben hat, nahm Abschied und ging fort.

Dann kam Meister Chechino nach Hause, und seine Frau erzählte ihm ohne Umschweife, was sie gemacht habe. Er sagte: »Das genügt nicht, sondern ich will, daß wir ihm einen Schimpf antun, daß ihm dies Haus aus dem Kopf kommt und er nie wieder wagt dich zu belästigen. Geh und richte das Bett großartig her und räume alles weg, was sich im Zimmer befindet, außer den Kasten, die da herumstehen, und dann bringe die zwei Schränke in Ordnung, daß nichts oben daraufbleibt, und ich werde die Werkstatt ebenso herrichten und alles wegräumen; denn ich möchte, daß wir ihm den Streich spielen, den ich dir jetzt erklären werde«, und er erzählte ihr genau, was sie zu tun hätte. Als Savia die Absicht ihres Gatten vernommen hatte, versprach sie es ihm recht zu machen. Dem Magister Tiberio schienen es tausend Jahre zu sein, bis jene Nacht kam, um in der engen Umarmung der heftig begehrten Frau zu sein. Er ging auf den Marktplatz und kaufte viele Dinge, sandte sie ins Haus der Savia und ließ ihr sagen, sie solle alles sorgfältig zubereiten, da er zur richtigen Stunde kommen werde, um mit ihr zu Abend zu speisen. Als Savia die Sachen erhalten hatte, begann sie das Nachtmahl vorzubereiten, und Meister Chechino verbarg sich in Erwartung, daß Magister Tiberio nun kommen würde.

Wie nun Meister Chechino im Hinterhalt lag, siehe, da kam Magister Tiberio und ging ins Haus. Als er die Geliebte sah, die die Mahlzeit bereitete, wollte er ihr einen Kuß geben; aber sie widerstand und sagte: »Leidet nur noch ein wenig, meine gute Seele, die Ihr so viel durchgemacht habt: denn es ist unpassend, daß ich Euch so schmutzig von der Küche berühre«, und dabei steckte sie die Hühner auf den Bratspieß und tat das Kalbfleisch in die Pfanne. Meister Chechino hatte sich an ein geheimes Guckloch gestellt, das in das Zimmer ging, um zu hören, was sie untereinander sagten, und zu sehen, was sie täten, vielleicht auch, damit der Streich nicht doppelseitig würde. Während also nun Savia in den angemessenen Grenzen blieb und so tat, als ob sie nun dies und jetzt das verrichtete, da war es dem Magister Tiberio, als ob seine Seele den Körper verließe, und damit sie schneller zu Rande käme, legte er mit Hand an, um die Sachen fertig zu machen; aber sie beeilte sich nur noch weniger. Als Magister Tiberio sah, daß sich die Sache in die Länge zog, und es ihm schien, daß die Zeit ungewöhnlich dahineilte, sagte er zu der Frau: »Ich habe solches Verlangen, mit Euch zusammen zu sein, daß mir der Appetit vergangen ist, und ich möchte heute abend überhaupt nicht zu Nacht essen«, zog sich die Kleider vom Leibe und ging ins Bett.

Savia, die sich über ihn lustig machte, sagte schalkhaft: »Nur eine Törin würde das Nachtessen aufgeben: wenn Ihr, Vater, so töricht seid, nicht essen zu wollen, so ist es Euer Schaden; ich will das Abendessen nicht entbehren«, und unterdessen fuhr sie fort, ihren Verrichtungen zu obliegen.

Magister Tiberio flehte sie sehr an, sie möchte ins Bett kommen, aber nur um so mehr trödelte sie herum. Schließlich aber sah sie ihn mißlaunig werden und sagte, um ihn zufriedenzustellen: »Mein Vater, ich werde nie mit einem Manne schlafen, der nachts ein Hemd anhat; und wenn Ihr wollt, daß ich zu Euch ins Bett komme, zieht es aus – und dann bin ich bereit zu unserm gemeinsamen Vergnügen.«

Als Tiberio ihren Wunsch vernommen hatte, schien ihm das eine Kleinigkeit; er streifte sofort das Hemd ab und blieb nackt, wie er geschaffen war. Savia sah, daß sie den guten Vater dahin gebracht hatte, wohin sie es wünschte, nahm das Hemd mit all seinen Kleidern, tat sie in eine Truhe und verschloß diese. Dann stellte sie sich, als wollte sie sich entkleiden, waschen und parfümieren, und erledigte dazwischen einige Haushaltsgeschäfte, so daß der klägliche Tor sich im Bett allein verzehrte.

Meister Chechino, der durch das Guckloch alles gesehen hatte, ging ganz leise aus dem Hause und pochte ans Tor. Als die Frau das Pochen hörte, tat sie ganz bestürzt und sagte, an allen Gliedern zitternd: »O weh, mein lieber Herr, wer klopft da an unsere Tür? Sicher ist es mein Mann! O ich Arme, wie machen wir es, daß er Euch hier nicht trifft und Ihr nicht von ihm gesehen werdet?«

Da sagte Magister Tiberio: »Gebt mir schnell meine Gewänder, daß ich mich anziehe: dann werde ich mich unterm Bett verstecken.«

»Nein«, sagte die Frau, »sucht nicht erst die Kleider, das dauert zu lange, sondern steigt auf diesen Schrank da in der rechten Ecke des Zimmers: ich helfe Euch hinaufsteigen, und stellt Euch dort mit geöffneten Armen auf, damit mein Mann, wenn er ins Zimmer kommt und Euch in Kreuzform stehen sieht, meint, Ihr seid eines von den Kruzifixen, an denen er bei Tag arbeitet, und er wird weiter nichts denken.«

Indem pochte der Gatte heftig an das Tor. Magister Tiberio, der weiter nichts durchschaute und nicht an eine böse List des Gatten dachte, stieg auf den Schrank und stellte sich in der Form eines Kreuzes mit ausgebreiteten Armen auf, ohne sich zu rühren. Savia ging hinunter und öffnete dem Gatten das Tor, der sich erzürnt stellte, weil sie ihm nicht schnell genug geöffnet hatte. Er kam in das Zimmer, tat so, als ob er Magister Tiberio nicht sähe, setzte sich mit seiner Frau zum Abendessen, und als sie gespeist hatten, gingen sie beide zu Bett. Wie unangenehm dies für Magister Tiberio war, lasse ich euch, die ihr heftige Liebesqualen erduldet, beurteilen: Er mußte mit anhören, wie der Gatte die Speise genoß, nach der er sich so glühend verzehrte, und obendrein hatte er noch den Schaden und den Spott.

Schon begann sich die Morgenröte zu zeigen, und nach und nach sah man Apoll mit seinen brennenden Strahlen aus den Wogen des Meeres sich erheben, als sich Meister Chechino vom Lager erhob, sein Werkzeug herrichtete und zu arbeiten beginnen wollte. Doch kaum hatte er angefangen, als zwei Nonnen aus einem in der Nähe liegendem Kloster kamen und sagten: »Meister, unsere Mutter Äbtissin hat uns hergeschickt und bittet Euch, daß Ihr uns das Kruzifix gebt, das sie schon lange bei Euch bestellte.«

Da antwortete Meister Chechino: »Liebe Schwestern, sagt der Mutter Äbtissin, daß das Kruzifix angefangen, aber noch nicht vollendet ist; aber binnen zwei Tagen längstens wird sie es erhalten.«

Darauf sagten die Nonnen: »Lieber Meister, nehmt es nicht übel, unsere Mutter hat uns ausdrücklich befohlen, daß wir es ihr bringen, fertig oder unfertig, denn Ihr habt sie schon zu lange hingehalten!«

Meister Chechino tat, als ob ihn der lästige Vorwurf der Nonnen erregte, und rief, als ob er erzürnt wäre: »Liebe Frauen, kommt herein in dieses Gemach, damit ihr ihn sehen könnt – angefangen, aber nicht fertig!«

Die Nonnen gingen in das Zimmer, und Meister Chechino sagte: »Erhebt eure Blicke hinauf zu jenem Schrank und schaut ihn an und überzeugt euch selbst, ob er ziemlich weit gediehen ist und daß wenig fehlt, um ihn fertig zu machen, und berichtet der Mutter Äbtissin, daß ihr ihn mit eignen Äugen gesehen habt.«

Die Nonnen sahen hinauf, sahen den Kruzifixus und sagten mit größter Bewunderung: »O Meister, wie habt ihr ihn der Natur ähnlich gemacht! Er scheint wirklich lebendig und aus Fleisch zu sein wie wir! Sicher ist er sehr schön und wird der Mutter und den Schwestern wohl gefallen. Aber eine einzige Sache«, sagten die Nonnen, »mißfällt uns sehr daran, an die Ihr nicht gedacht habt, daß man nicht so unbedeckt diesen Unrat sehe, den er vorn hat, denn daraus könnte dem ganzen Kloster ein kleiner Skandal erwachsen.«

Da sagte Meister Chechino: »Sagte ich euch nicht, daß er nicht ganz fertig wäre? Aber nehmt daran keinen Anstoß! Gäbe es doch ein Mittel, den Tod zu beseitigen, so wie ich dies hier beseitigen kann, und gleich in eurer Gegenwart werde ich dem abhelfen.«

Und er nahm eines seiner Eisen zur Hand, schliff es und sagte zu den Nonnen: »Tretet näher und paßt gut auf, wie ich ihm alles entferne, ohne etwas zu verunstalten!«

Magister Tiberio, der bis dahin so still stand, daß er fast tot zu sein schien, hörte die Rede und sah Meister Chechino mit dem frischgeschliffnen Messer in der Hand; ohne weiter Zeit oder Worte zu verlieren, warf er sich vom Schrank herunter und begab sich so nackt, wie er war, auf die Flucht, hinter ihm her Meister Chechino mit dem Messer in der Hand, um den Unrat zu entfernen, den er vorn hatte. Savia, die fürchtete, es möchte sich etwas Schlimmes ereignen, faßte den Gatten bei den Kleidern und hielt ihn zurück, damit der Priester artigerweise entfliehen könne. Die Nonnen, die aufmerksam dastanden, begannen mit lauter Stimme zu schreien: »Wunder! Wunder! Der Gekreuzigte ist entflohen!« und konnten sich nicht beruhigen. Auf ihr Geschrei liefen unzählige Leute zusammen, und als sie vernahmen, was los war, hatten sie großen Spaß. Magister Tiberio nahm andere Kleider und verließ die Stadt; und wohin er ging, weiß man nicht, aber das eine weiß ich, daß er nie wieder gesehen wurde.

Der Tugendwächter Anastasius

In unserer Stadt, die an schönen Frauen jede andre übertrifft, befand sich eine edle, liebreizende Dame von vollendeter Schönheit, deren sehnsüchtige Augen funkelten wie der Morgenstern. Da sie sehr verwöhnt lebte und sehr zart war und vielleicht vom Gatten im Bett vernachlässigt wurde, erwählte sie sich zu ihrem Liebhaber einen kräftigen jungen Mann, der wohlerzogen und aus guter Familie war, schenkte ihm ihre Liebe und liebte ihn mehr als den eignen Gatten. Nun geschah es, daß ein sehr bejahrter Mann und Freund ihres Gatten, dessen Name Anastasius war, so heftig von Liebe zu ihr entbrannte, daß er bei Tag und Nacht keine Ruhe mehr fand; und derart groß war die Leidenschaft und Seelenqual, die er verspürte, daß er in wenigen Tagen so abgezehrt und mager wurde, daß ihm kaum noch die Haut die Knochen bedeckte. Er hatte tränende Augen, ein runzeliges Angesicht, eine Quetschnase, die ihm wie ein Destillierkolben immerzu tröpfelte, und wenn er ausatmete, verbreitete er einen solchen Gestank, daß er jeden, der sich ihm näherte, fast krank machte; im Munde hatte er nur zwei Zähne, die ihm eher schadeten als nützten. Außerdem war er gelähmt und fühlte sich niemals warm, mochte auch die Sonne im Löwen stehen und sehr heiß herniederbrennen. Da nun dieser arme Unglückliche von der Liebe entflammt und ergriffen war, suchte er die Dame oftmals, jetzt mit einem Geschenk und dann wieder mit einem andern zu verführen. Diese aber wies sie alle zurück, von wie großem Wert sie auch sein mochten, denn sie hatte seine Geschenke nicht nötig, da sie einen reichen Gatten hatte, der ihr nichts fehlen ließ. Verschiedene Male grüßte sie der Alte auf der Straße, wenn sie zum Gottesdienst ging oder davon zurückkehrte, wobei er sie bat, ihn als ihren treuen Diener anzunehmen und nicht so hart zu sein, um seinen Tod zu wünschen. Aber klug und weise antwortete sie ihm nichts und kehrte mit gesenkten Augen nach Hause zurück.

Nun begab es sich, daß Anastasius gewahr wurde, wie der Jüngling, von dem wir oben sprachen, häufig das Haus der schönen Dame besuchte, und er spionierte so vorsichtig, daß er ihn eines Abends, als der Gatte außerhalb der Stadt war, in das Haus eintreten sah. Das war ihm wie ein Messerstich ins Herz. Und völlig verrückt und ohne Rücksicht weder auf seine Ehre noch auf die der Dame, raffte er viel Geld und Juwelen zusammen, ging zum Haus der Dame und pochte ans Tor. Die Magd hörte an der Tür klopfen, ging auf den Balkon und fragte: »Wer pocht?«

Der Alte antwortete: »Öffne, denn ich bin Anastasius und will die Herrin in einer äußerst wichtigen Sache sprechen.« Die Magd, die ihn erkannt hatte, ging sofort zu jener, die mit dem Liebhaber in der Kammer war und sich mit ihm die Zeit vertrieb. Sie rief sie beiseite und sagte: »Herrin, Herr Anastasius pocht an das Tor.« Darauf erwiderte die Frau: »Geh und sag ihm, er soll sich um seine Sachen kümmern, denn ich öffne nachts niemandem das Tor, wenn mein Mann nicht zu Hause ist.«

Die Magd verstand, was die Herrin wollte, und überbrachte jenem, was sie ihr gesagt hatte. Als der Alte sah, daß er zurückgewiesen wurde, begann er auf ungestüme Art zu pochen und bestand halsstarrig darauf, einzutreten.

Die Dame, entbrannt von Unwillen und Zorn wegen der Störung wie wegen des Jünglings, der im Hause war, begab sich ans Fenster und sagte: »Ich wundere mich sehr über Euch, Herr Anastasius, daß Ihr ohne irgendwelche Rücksicht zu dieser Stunde kommt, um an eines andern Haustor zu pochen; geht fort, armer Kerl, legt Euch zur Ruhe und belästigt die nicht, die Euch nicht stören! Wenn mein Mann im Lande und zu Hause wäre, was er nicht ist, würde ich Euch gern öffnen; aber da er nicht zu Hause ist, habe ich nicht die Absicht, Euch zu öffnen.« Der Alte aber bestand darauf, daß er sie sprechen wolle und wegen einer Sache von nicht geringer Bedeutung, und hörte nicht auf, an das Tor zu pochen. Als die Frau die Unbesonnenheit des rohen Menschen sah und fürchtete, daß er aus Narrheit etwas sage, was gegen ihre Ehre ginge, beriet sie sich mit dem verliebten Jüngling. Dieser riet, sie solle öffnen, anhören, was er sagen wolle, und nichts fürchten. Sie ließ – während der Alte die ganze Zeit stark gegen die Tür schlug – eine Fackel anzünden und sandte die Magd, ihm zu öffnen.

Als der Alte in den Saal gekommen war, kam die Dame aus ihrem Zimmer; sie ging ihm entgegen frisch wie eine Rosenknospe und fragte ihn, was er zu dieser Stunde zu tun beabsichtige. Der alte Verliebte sagte mit sanften und kläglichen Worten, fast weinend: »Herrin, einzige Hoffnung und Stütze meines elenden Lebens, laßt es Euch nicht verdrießen, daß ich verwegen und anmaßend hierher gekommen bin, um an Eure Pforte zu pochen, und Euch damit belästige. Ich bin nicht gekommen, um Euch zu ärgern, sondern um Euch meine Leidenschaft zu erklären und die Besessenheit, die ich für Euch, Herrin, fühle; der Grund dafür ist Eure einzigartige Schönheit, die Euch jeder andern Frau überlegen macht. Und wenn Ihr die Tore des Erbarmens nicht verschlossen hättet, würdet Ihr mir helfen, der ich für Euch am Tage wohl tausendmal sterbe. Ach, erweicht Euer hartes Herz, schaut nicht auf mein Alter noch auf meine jämmerliche Beschaffenheit, sondern auf meinen hochfliegenden und großherzigen Geist und die heiße Liebe, die ich Euch entgegenbrachte, entgegenbringe und immer entgegenbringen werde, solange die betrübte Seele diese schwachen und gequälten Glieder regieren wird. Und zum Zeichen meiner Liebe gegen Euch nehmt fröhlich dieses Geschenk an: Mag es auch noch so klein sein, so wird es Euch doch teuer sein.« Und er zog aus dem Wams einen Beutel mit Golddukaten, die wie die Sonne leuchteten, und eine Schnur von großen runden weißen Perlen und zwei in Gold gefaßte Juwelen, bot sie ihr dar und bat sie, ihm seine Liebe nicht zurückzuweisen.

Als die Dame die Worte des wahnwitzigen Alten gehört und klar verstanden hatte, sagte sie: »Herr Anastasius, ich dachte bei mir, daß Ihr einen andern Verstand hättet, als den Ihr habt; aber jetzt scheint Ihr mir bar aller Vernunft. Wo ist Eure Weisheit und Klugheit? Glaubt Ihr, ich sei irgendein Freudenmädchen, da Ihr mich mit Euren Geschenken versucht? Sicher täuscht Ihr Euch. Mir fehlen die Dinge nicht, die Ihr mir geben wollt. Tragt sie zu Euren Huren, die Euch zufriedenstellen werden! Wie Ihr wohl wißt, habe ich einen Gatten, der mir nichts versagt, dessen ich bedarf. Geht denn in Gottes Namen hinweg und verwendet das bißchen Zeit, das Euch bleibt, um zu leben!«

Der Alte sagte, von Schmerz und Verdruß erfüllt: »Herrin, ich bin sicher, daß Ihr das nicht aus Schicklichkeit sagt, sondern aus Furcht vor dem jungen Mann, den Ihr jetzt im Hause habt – (und er nannte ihn mit seinem Namen), – und wenn Ihr mich nicht zufriedenstellt in meinem Begehr, werde ich Eurem Gatten alles enthüllen.«

Als die Dame den Jüngling, den sie im Hause hatte, beim Namen nennen hörte, geriet sie nicht außer Fassung, sondern sagte dem Alten die größten Beschimpfungen, die je einem Sterblichen gesagt wurden, und nahm einen Stock zur Hand, um ihn zu verprügeln; aber der ging schön die Treppe hinunter, öffnete das Tor und lief davon.

Als der Alte fort war, ging die Dame in die Kammer, wo der verliebte Jüngling war; und fast weinend erzählte sie ihm alles und fürchtete sehr, daß der verbrecherische Alte sie dem Gatten verriete. Sie bat ihn um seinen Rat, was sie nun tun solle. Der Jüngling, der klug und schlau war, tröstete zunächst die Frau und machte ihr Mut; dann traf er die beste Entscheidung und sagte: »Meine Liebe, seid ganz ruhig und verzaget nicht: haltet Euch an den Rat, den ich Euch gebe, und seid sicher, daß alles gut gehen wird! Sowie Euer Mann zurück ist, erzählt Ihr die Angelegenheit, wie sie ist, und sagt ihm, daß der gemeine und ruchlose Alte Euch verleumdet, mit diesem und mit jenem zu buhlen, und zählt vier oder sechs auf und nennt darunter auch mich, und dann lasset das Schicksal walten, das Euch günstig sein wird!«

Das erschien der Dame ein ausgezeichneter Rat, und sie tat so, wie ihr der Liebhaber riet. Als der Gatte zurückgekehrt war, zeigte sich die Dame sehr betrübt und traurig, und mit Augen voll Tränen verwünschte sie ihr trauriges Los. Als sie vom Gatten gefragt wurde, was sie habe, antwortete sie nichts, sondern sagte nur weinend mit lauter Stimme: »Ich weiß nicht, was mich abhält, daß ich mich nicht selbst umbringe, denn ich kann es nicht ertragen, daß ein heimtückischer Verräter die Ursache meines Untergangs und ewiger Schande ist. O weh, ich Elende, was habe ich begangen, daß ich zerrissen und bei lebendem Leib zerfetzt werden muß? Und von wem? Von einem Schurken, von einem Mörder, der tausend Tode verdiente.« – Jedoch vom Gatten genötigt, sagte sie: »Dieser unverschämte und anmaßende alte Freund von Euch, Anastasius, ein alberner, geiler und ausschweifender Kerl, ist er nicht gestern nacht gekommen, um von mir ebenso unzüchtige wie gemeine Dinge zu verlangen, wofür er mir Geld und Geschmeide anbot? Und weil ich ihn nicht anhörte noch gar willig sein wollte, begann er mich zu beschimpfen, indem er mir sagte, ich sei eine Hure, daß ich Männer ins Haus führte und mich einlasse mit diesem und jenem. Als ich dies hörte, war ich wie erschlagen, aber ich nahm meinen Mut zusammen, ergriff einen Stock, um ihn zu verprügeln, und er, fürchtend, was ihm begegnen möge, lief schnell die Treppe hinunter und verschwand.« Als der Gatte das hörte, schmerzte es ihn über die Maßen; er tröstete seine Frau und beschloß, jenem einen solchen Possen zu spielen, daß er sich seiner immer erinnern würde.

Tags darauf begegneten sich der Gatte der Dame und Anastasius, und bevor der Gatte irgend etwas sagte, gab ihm Anastasius zu verstehen, daß er ihn sprechen wolle. Und er hörte ihn sehr gerne an. Darauf sagte Anastasius: »Mein Herr, Ihr wißt, wie groß immer die Liebe und das Wohlwollen zwischen uns gewesen ist, und daß man das kaum vermehren könnte. Darum, bewegt von brennendem Eifer, über Eure Ehre zu wachen, habe ich beschlossen, Euch einige Worte zu sagen, wobei ich Euch jedoch bei der Liebe, die zwischen uns herrscht, bitte, daß Ihr sie für Euch behaltet, während Ihr mit gereiftem Urteil und mit jeder Beschleunigung Eure Angelegenheiten in Ordnung bringt. Um Euch nicht mit langer Rede aufzuhalten, sage ich Euch, daß Eure Frau umschwärmt wird von dem und dem Jüngling, und sie liebt ihn, und sie vergnügen und ergötzen sich zusammen zur schweren Schande für Euch und Eure Familie. Ich versichere Euch das darum, weil ich ihn gestern abend, als Ihr außerhalb der Stadt wart, mit meinen eignen Augen abends heimlich in Euer Haus gehen und am Morgen herauskommen sah.« Als der Gatte das hörte, entbrannte er von Zorn und begann ihn zu beschimpfen, indem er sagte: »Ah, elender Gauner und Schuft! Ich weiß nicht, was mich abhält, dich an diesem Barte zu packen und ihn dir Haar um Haar auszureißen! Weiß ich etwa nicht, von welcher Art meine Frau ist? Weiß ich nicht, wie du sie verderben wolltest mit Geld, Juwelen und Perlen? Hast nicht du Gauner und Bösewicht gesagt, daß, wenn sie deiner entfesselten Gier nicht willig sei, du sie bei mir anklagen würdest, um sie für ihr ganzes Leben leidend und unglücklich zu machen? Hast nicht du gesagt, daß dieser und jener und viele andere sich mit ihr vergnügen? Wenn ich nicht auf dein Alter Rücksicht nähme, würde ich dich niedertreten und würde dir so viele Fußtritte geben, daß du den Geist aufgibst. Geh zum Teufel, wahnwitziger Alter, und komme mir ja nicht mehr vor die Augen und wage es nicht, dich meinem Hause zu nähern!«

Der Alte gab klein bei und verschwand, wie wenn er stumm geworden sei. Und die Dame, vom Gatten für weise und klug gehalten, gab sich mit größerer Sicherheit als vorher guter Zeit mit ihrem Liebhaber hin.

Die verschlagenen Bergamasken

Einstmals, wie ich es öfter von meinen Vorfahren hörte, und wie vielleicht auch noch ihr es gehört habt, waren einige Kaufleute aus Florenz und Bergamo beieinander, die, während sie zusammen unterwegs waren, sich, wie man es zu tun pflegt, über die verschiedensten Dinge unterhielten. Wie man nun so von einem aufs andere kam, sagte ein Florentiner: »Fürwahr, ihr Bergamasken seid, soweit wir das erfassen können, törichte und schwerfällige Menschen, und wenn dies bißchen Handel nicht wäre, würdet ihr zu nichts zu brauchen sein eben wegen eurer großen Einfalt. Zwar mag das Glück euch beim Handel günstig sein, doch nicht wegen der Schärfe eures Verstandes noch wegen des Wissens, das ihr besitzt, sondern viel eher wegen der Gier und Habsucht in euch, die Gewinne machen will, und trotzdem kenne ich keine ungeschickteren und unwissenderen Menschen als euch.«

Da trat ein Bergamaske hervor und sagte: »Und ich sage euch, daß wir Bergamasken in jeder Hinsicht begabter sind als ihr. Und wenn ihr Florentiner auch jene einschmeichelnde Sprache habt, die das Ohr der Hörer mehr entzückt als die unsere, so seid ihr uns doch in jeder andern Beziehung bei weitem unterlegen. Wenn wir es gut überlegen, so gibt es niemand unter unsern Landsleuten, sei er groß oder klein, der nicht etwas schriftkundig wäre, und dabei sind wir durchaus fähig zu jeder edlen Tat, was man bei euch wahrhaftig nicht antrifft, und wenn man doch dergleichen findet, sind es nur wenige.«

Nun entbrannte der Streit von beiden Seiten aufs heftigste, da weder die Bergamasken den Florentinern noch die Florentiner den Bergamasken nachgeben wollten, sondern jeder seine Sache verteidigte, – als sich ein Bergamaske erhob und sagte: »Wozu so viele Worte? Machen wir die Probe und setzen wir eine feierliche Disputation an, in der die Blüte der Gelehrten in Wettstreit tritt: dann wird man klar sehen, wer von uns vortrefflicher ist.«

Dem stimmten die Florentiner bei, aber es blieb strittig, ob die Florentiner nach Bergamo oder die Bergamasken nach Florenz gehen sollten; nach vielen Worten wurde man einig, das Los zu werfen. Man machte zwei Zettel, tat sie in ein Gefäß, und es traf die Florentiner, nach Bergamo zu gehen. Der Disputationstag wurde auf den ersten Tag des Monats Mai festgesetzt.

Die Kaufleute gingen in ihre Städte und berichteten alles ihren Gelehrten. Diese waren sehr zufrieden, als sie die Sache gehört hatten, und bereiteten sich auf eine schöne und lange Disputation vor. Die Bergamasken als kluge und gerissene Leute dachten sich etwas aus, damit die Florentiner verwirrt und beschämt würden. Deshalb rief man alle Gelehrten der Stadt zusammen, Grammatiker wie Rhetoriker, geistliche wie weltliche Juristen, Philosophen wie Theologen und jede andere Art von Doktoren und wählte die besten aus und hielt sie in der Stadt zurück, damit sie als Fels und Festung in der Disputation gegen die Florentiner stünden. Die andern jedoch steckte man in gemeine Kleider und schickte sie vor die Stadt hinaus in jene Gegend, wo die Florentiner vorbeikommen mußten, mit dem Auftrag, mit ihnen immer lateinisch zu reden. Die Bergamasker Doktoren mischten sich so, in grobes Tuch gehüllt, unter die Bauern und machten sich an allerhand Tätigkeiten: diese hoben Gräben aus, jene hackten die Erde, der machte dies, ein andrer jenes.

Während nun die Bergamasker Doktoren sich so betätigten, daß sie Bauern zu sein schienen, da kamen die Florentiner hoch zu Roß mit großem Prunk daher. Als sie jene Leute sahen, die die Erde bearbeiteten, sagten sie: »Gott segne euch, Brüder!«

Darauf antworteten die Bauern: »Bene veniant tanti viri!« Die Florentiner, die dachten, sie täuschten sich, fragten: »Wieviel Meilen sind es noch bis zur Stadt Bergamo?«

Worauf die Bergamasken antworteten: »Decem vel circa.« Als sie diese Antwort hörten, fragten die Florentiner: »Brüder, wir sprechen zu euch italienisch; woher kommt es, daß ihr lateinisch antwortet?«

Die Bergamasken antworteten: »Ne miremini, excellentissimi domini. Unusquisque enim nostrum sic ut auditis loquitur, quoniam maiores et sapentiores nostri sic nos docuerunt

Während die Florentiner ihren Weg fortsetzten, sahen sie einige andere Bauern, die oberhalb der Straße Gräben aushoben. Sie hielten an und riefen: »Gefährten, ihr da, Gott sei mit euch!«

Worauf die Bergamasken antworteten: »Et deus vobiscum semper sit!«

»Wie weit ist's noch nach Bergamo?« fragten die Florentiner. »Exigua vobis restat via

Und ein Wort gab das andere, und sie begannen zusammen über Philosophie zu streiten; und die Bergamasker Bauern führten so starke Argumente ins Feld, daß die Florentiner Doktoren fast nicht zu antworten wußten. Darüber verwunderten sie sich alle und sagten untereinander: »Wie ist es möglich, daß diese ungehobelten und dem Ackerbau und anderen ländlichen Arbeiten hingegebenen Menschen so gut in den humanistischen Wissenschaften unterrichtet sind?«

Sie zogen weiter und ritten zu einer Gastwirtschaft, die nicht weit von der Stadt und recht ordentlich war. Aber bevor sie die Wirtschaft erreichten, erschien ein Stallknecht, der sie in das Haus zu kommen folgendermaßen einlud: »Domini, libetne vobis hospitari? hic enim vobis erit bonum hospitium.« Und da die Florentiner durch den langen Weg schon müde waren, stiegen sie von ihren Pferden. Während sie die Treppe hinaufgehen wollten, um sich auszuruhen, kam ihnen der Wirt entgegen und sagte: »Excellentissimi domini, placetne vobis ut praeparetur coena? Hic enim sunt bona vina, ova recentia, carnes, volatilia et alia huiusmodi.« Die Florentiner standen völlig verblüfft und wußten nicht, was sie sagen sollten, und zwar deswegen, weil alle, mit denen sie redeten, lateinisch sprachen, nicht anders als ob sie all ihr Leben lang studiert hätten.

Nach kurzer Zeit kam eine junge Magd, die in Wirklichkeit eine Nonne war, eine sehr gescheite und gelehrte Frau, die zu diesem Zweck listigerweise dorthin gebracht war, und sagte: »Indigentne dominationes vestrae re aliqua? Placet ut sternantur lectuli, ut requiem capiatis?« Diese Worte der Magd brachten die Florentiner noch mehr aus der Fassung, und sie begannen mit ihr zu reden; nachdem sie dann über viele Dinge mit ihnen gesprochen hatte, immerzu lateinisch, begann sie mit der Theologie, und sie sprach so sehr im rechten Glauben, daß keiner da war, der sie nicht sehr gelobt hätte.

Während das Mädchen redete, kam einer als Bäcker gekleidet und ganz schwarz von Kohlen, der, als er die Disputation mit angehört, die jene mit der Magd führten, sich einmischte und mit solchem Wissen und solcher Gelehrsamkeit die Heilige Schrift auslegte, daß alle Florentiner Doktoren unter sich bezeugten, nie hätten sie früher je Besseres gehört.

Nachdem die Disputation beendet war, gingen die Florentiner sich auszuruhen; anderntags beratschlagten sie untereinander, ob sie sich entfernen oder weitergehen sollten, und nach lebhafter Debatte beschlossen sie, wegzugehen wäre besser. Denn wenn schon die Bauern, die Wirte, die Knechte und die Frauen so voll Gelehrsamkeit wären, was würde da erst in der Stadt sein, wo hocherfahrne Männer sind, die sich mit nichts als ihrem ununterbrochnem Studium beschäftigen? Nach der Beratung stiegen sie ohne jeden Verzug und ohne auch nur die Mauern der Stadt Bergamo gesehen zu haben zu Pferd und nahmen den Weg nach Florenz. Und auf diese Weise waren die Bergamasken mit ihrer Verschlagenheit siegreich gegen die Florentiner. Und von dieser Stunde an bekamen die Bergamasken ein kaiserliches Privileg, daß sie ohne irgendwelche Behinderung sicher in alle Teile der Welt gehen konnten.


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