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Italienische Novellen. Zweiter Band
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Giustiniano Nelli

1490–?

Giulio und Aurelios Frau

Es sind erst wenige Monate, daß in unserem Siena ein Jüngling von achtzehn bis neunzehn Jahren, sehr schöner Gestalt, edlem Blut und mit preiswürdigen Sitten geschmückt, namens Giulio, sich in eine sehr schöne, gewandte und über die Maßen reizende, nicht weniger sittsame als liebenswürdige junge Frau heftig zu verlieben anfing. Von dieser Liebe bewogen unterließ er nichts, was er meinte, daß ihr gefalle, oder daß es ihm dienlich sein könne, um ihr Wohlgefallen zu erlangen. Diese Liebschaft war seine einzige Beschäftigung, wie das häufig bei jungen Leuten geht; er widmete sich dem Lautenschlagen, Flötenspielen, Hornblasen, Singen und Tanzen. Es war kein Frühstück, Hochzeit, Mahlzeit oder andere Zusammenkunft, wo Isabella hinkam, daß nicht Giulio alsbald auch hingegangen wäre; ich schweige von der Maskenlust, dem Limonenwerfen und Ausstreuen wohlriechender Sachen, wie es unsere jungen Leute in der Faschingszeit zu üben pflegen; aber es waren wenig Nächte, wo er ihr nicht eine Musik oder sonst eine artige Unterhaltung zu ihrem großen Vergnügen zu hören gab. Durch diese Kundgebungen merkte nicht bloß ihr Gatte Aurelio Giulios Liebe, sondern diese war fast allen jungen Leuten in Siena bekannt, weshalb auch häufig Aurelio mit seiner Isabella darüber scherzte, in vollem Vertrauen auf die Keuschheit und Treue seiner teuren Frau. Isabella andererseits war zwar aufs beste gesinnt, teils wegen ihrer natürlichen guten Gemütsart, teils wegen des liebevollen Betragens, das ihr Gatte ihr angedeihen ließ; aber dennoch mißfiel es ihr nicht, sich von Giulio geliebt zu sehen, und sie betrachtete es gegenüber andern Frauen als einen Vorzug, wiewohl sie sich stellte, als kümmere sie sich gar nicht darum, wie wir das täglich schöne Frauen so machen sehen können; denn so schön, reich, jung und edel auch ihr Gemahl sein mag, so sehr sie von ihm geliebt sein mögen, so versäumen sie doch niemals, alles ins Werk zu setzen, weshalb sie glauben, von andern für schön gehalten zu werden; und so schön sie auch die Natur hervorgebracht haben mag, so bestreben sie sich doch künstlich, noch viel schöner zu erscheinen; ja sie würden sich lieber arm und sittenlos, als häßlich und alt nennen hören. Und fragt man eine solche, welche dergleichen Bestrebungen verfolgen: »Warum tust du das?«, gleich antworten sie: »Um meinem Mann zu gefallen.« Wenn sie ihm aber schon gefallen, so antworten sie: »Um sein Wohlgefallen zu erhalten.« Und sie merken nicht, daß sie vieles tun und treiben, was ihnen weit mehr mißfällt, wie, daß sie sich die Haare aus der Stirne ausreißen, hohe Schuhe tragen und dergleichen Dinge, welche die Schönheit eher beeinträchtigen als erhöhen.

Bei alledem aber, um auf Giulio zurückzukehren, hatte er nie mehr als einige seltene Liebesblicke von ihr erhalten können. Er verfiel auf verschiedene Wege, um seine Liebe einem Ziel entgegenzuführen, wiewohl er wenig Hoffnung dabeihatte; aber ein Verfahren gefiel ihm vorzugsweise, und daran hielt er auch fest, nämlich ein gefälliges Weibchen zu ihr zu schicken, um ihr auseinanderzusetzen, wie er in Liebe für sie glühe. Er nahm sich vor, hierbei keine Ausgabe zu scheuen. Da hörte er denn von einer gewissen Bonda, die in Camollia wohnte, einer zu ähnlichen Leistungen sehr geeigneten Person, denn sie hatte ihre Jugend im Dienste der Liebe hingebracht und war nun aus Menschenliebe gern andern behilflich, die sie ebenso hinbringen wollten; und sie hätte lieber die Messe nicht gehört, den Rosenkranz nicht gebetet oder die Predigt versäumt, als eine ihr aufgetragene Botschaft eines Verliebten nicht besorgt, wiewohl sie auch kein Mönchskloster einen ganzen Tag unbesucht läßt und wenig Vespern gehalten werden, die sie nicht gerne anhörte, wo sie denn immer die letzte ist, die die Kirche verläßt, um besser zuhören und zusehen, was dieser und jener junge Mann spricht, und wen er ins Auge faßt, und was Base soundso mit ihrer Nachbarin plaudert; mit allen hat sie zu tun, nie gehen ihr die Worte aus, immer weiß sie, was in der ganzen Stadt und in der Umgegend geschieht. Diese also suchte Giulio auf und sagte zu ihr: »Mona Bonda, Euer guter Ruf hat mich gelockt, gerne herzukommen und mich unter Euren Schutz zu stellen. Wie Ihr wißt, ist es nun so die Art der jungen Leute, daß sie verliebt sind, und mein Unstern will, daß ich meine ganze Liebe auf ein Weib gerichtet habe, von der ich ohne Eure Vermittlung nie ein gutes Wort zu bekommen hoffen kann. Ihr allein also könnt mir helfen: in Eure Hände lege ich mein Heil. Helft mir, ich bitte Euch darum, und verfügt über mich, soweit ich vermag, über meine Habe und Person, denn ich bin nie undankbar gewesen gegen solche, die mir Wohltaten erwiesen haben. Und weil ich Eure Klugheit kenne, vertraue ich Euch meine Liebe an, damit Ihr so gut seid und hingeht, mit Isabella, Aurelios Frau, zu sprechen, wenn Ihr sie kennt, und ihr, so gut Ihr immer könnt, mich empfehlt.«

Bonda setzte sich darauf nieder und antwortete bedächtig: »Giulio, allerdings war es immer mein Bestreben, rechtschaffenen Männern Vergnügen zu verschaffen, sowohl wie ich jung war, als auch jetzt, immer so weit als die Sittsamkeit zuließ. Aber so wahr der liebe Gott mir meine zwei Töchter erhalten möge, die der Stab meines Alters sind, ich habe solche Dinge nie gern getan. Und jetzund will ich die wenige Zeit, die mir noch zu leben übrig bleibt, dazu anwenden, nach Ablaß zu gehen, Kirchen zu besuchen und Gott zu dienen. Gott weiß, daß ich vielmals um dergleichen angegangen worden bin, und um meine eigenen Töchter, denen ich aber niemals ein Wörtchen davon sagen mochte. Allerdings, wenn sie von selber sich einmal einen Freund erbeutet haben, bald um einen langen Schlafrock, bald um ein Paar Ärmel zu erhalten, da habe ich sie machen lassen, denn ich meinesteils will nicht in der andern Welt darüber Rechenschaft zu geben auf mich nehmen. Und ich sage dir, ich glaube, ich habe einen so guten Willen als nur irgendeine meinesgleichen. Du sagst mir, ob ich Aurelio und seine Frau kenne. Ei, welche Frau oder Mädchen von zehn Jahren und drüber gibt es in dieser Stadt, verheiratete oder unverheiratete, die ich nicht kenne? Es gibt wenige Häuser von Bürgern, wo ich nicht bekannt wäre und aus- und einginge wegen der Spinnerei, die ich treibe; denn ich mag nicht, daß mir irgend sonst eine die Spindel aus der Hand nehme. Ich flicke Hemden für Studenten, Kapuzen für Mönche, warte Nonnen auf; in der Universität und in der Stadt ist kein Student, der mich nicht kennt, bei Sankt Franz, Sankt Dominikus und Sankt Augustin kein Mönch, in dessen Zelle ich nicht tausendmal gewesen bin; von den Nonnen sage ich nichts: denn ohne Dispens habe ich Einlaß in alle Klöster, mit Gottes Hilfe bin ich nunmehr überall bekannt. Wisse überdies, daß deine Mutter mich so lieb gehabt hat, daß ich's gar nicht sagen kann; und alle Geschenke, die sie deiner Schwester Ginevra gegeben, habe ich mit diesen Händen gesponnen. O wieviel Gutes habe ich von jener Frau genossen, Gott habe sie selig! Aber seit sie tot ist, da ihr keine Frauen mehr im Hause habt, mochte ich nicht mehr hinkommen, und es wundert mich nicht, daß du dich daran nicht erinnerst oder darauf besinnst, denn vor drei Jahren warst du noch ein Knabe, – jetzt bist du ein schöner Jüngling geworden. Ei wie groß bist du! Du gleichst deinem Großvater: der war der schönste junge Mann in Siena. Gott segne dich, mein Sohn! Ja, ich wäre sehr ungerecht und müßte die empfangenen Wohltaten vergessen haben, wenn ich dir nicht dienen möchte, soweit ich kann. Wiewohl es nicht mein Gewerbe ist, – dir zuliebe will ich mein Leben daransetzen, und ich sage dir sogar, daß, wenn du mich selbst um meine eigenen Töchter angegangen wärest, hätte ich kaum nein sagen können, so groß ist die Neigung und Liebe, die ich für dein Haus gehegt habe und noch hege.«

Dieser Schluß Bondas hatte Giulio ganz erheitert, während er bisher sehr zweifelhaft gewesen war, bei seiner Unkenntnis solcher Leute, welche Keuschheit predigen und denen doch kein Verbrechen zu groß scheint, wenn es überhaupt ein Verbrechen heißen kann, verliebte junge Leute zu unterstützen. Ihre Reden gaben ihm also Mut, und er eröffnete ihr ausführlicher seine Gesinnung; nachdem sie hiernach verabredet hatte, daß sie am folgenden Tage sie aufsuchen solle, nahm er von ihr Abschied.

Am andern Tage, kurz nach der Vesper, als Aurelio nicht zu Hause war, verfügte sich Bonda zu Isabella, trat ins Haus, erkundigte sich nach der Hausfrau und ging weiter in den Saal, wo bei ihrer Ankunft Isabella, die sie nicht kannte, nicht wenig verwundert war, daß sie so ohne Umstände ihr ins Haus komme. Daher fragte sie, was sie suche. Bonda hatte feinen Faden zu Handtüchern zu verkaufen bei sich und antwortete, man habe ihr gesagt, sie bedürfe welchen. Damit zog sie aus dem Ärmel eine kleine Schachtel mit etwa vier Lot Faden zu einem Gulden das Lot hervor, zeigte es ihr, fing ein langes Gespräch darüber an, setzte ihr auseinander, wie nützlich es sei, solche Handtücher zu machen, erzählte ihr, wie viele sie solche verkauft habe, flocht dann ein, wie sie mit ihrer Mutter befreundet gewesen sei, welche Gefälligkeiten sie von ihr empfangen habe, und viel dergleichen Zeug. Darauf fügte sie hinzu: »O welch ein trauriges Leben ist das doch heutzutage! Wie keck sind die jungen Leute jetziger Zeit! Während ich da in Euer Haus ging, kam mir ein junger Mensch entgegen, den ich nur dem Namen nach kenne, er heißt Giulio; der war so frech, mir zu sagen, ob ich ihn mit ins Haus nehmen wolle, er wolle unter meinen Rock schlüpfen. Gott verdamm' ihn! Seht, was das für artige Streiche sind!«

Isabella antwortete nichts hierauf, lächelte nur etwas, ließ sich aber nicht einfallen, worauf das alles abziele. Bonda faßte dadurch neuen Mut und fuhr fort: »Gott erhalte Euch! Ihr kommt mir schöner vor als je und seid frisch und voll wie eine Rose und doch noch so jung! Ich erinnere mich wie von gestern her, daß Euch Eure Mutter in die Messe mitnahm und überall, wohin sie ging. Und was sagt Ihr dazu, daß er auch noch so keck war, mir zusagen: ›Empfehlt mich der Frau vom Hause!‹ Und noch viel anderes, was ich Euch nicht sagen mag.«

Isabella war ganz verwirrt; es machte ihr wohl Freude, von Giulio sprechen zu hören, da sie wußte, wie sehr er sie liebe; doch fürchtete sie mit dieser Frau davon zu reden, um keine Irrungen zu veranlassen; sie traute ihr nicht und schmälte am Ende Bonda mit spröden Worten mit dem Beifügen, nie mehr in ihr Haus zu kommen. Bonda erwiderte, entschuldigte sich und ließ nicht nach, bis sie sie begütigt hatte, worauf sie wegging mit dem Versprechen, wiederzukommen und andern, schönern Faden mitzubringen.

Sie suchte Giulio auf, erzählte ihm den ganzen Hergang und sprach ihm zu, gutes Mutes zu sein; denn es sei die Art aller Frauen, in solchen Fällen immer abzuschlagen, so gern sie auch wollten. Er solle nur sie machen lassen: in wenigen Tagen werde sie ihn zufriedenstellen. Weil aber im ganzen Lande Soldaten seien, habe sie das Korn, das sie von einem Landmann im Arbiatale gekauft habe, nicht kommen lassen können, und er würde sie sehr verbinden, wenn er ihr etwas Korn oder Mehl leihen wollte. Giulio, der schon so weit zu lesen verstand, sagte, hieran wie auch an Wein und sonstigem werde er es ihr nie fehlen lassen; sie solle nur allen ihren Fleiß anwenden, er werde sie gewiß zufriedenstellen. Sie versprach ihm von neuem und nur noch eindringlicher das Beste und nahm Abschied voll Freude im Gedanken an das Mehl, das sie gewonnen hatte.

Giulio sandte ihr an demselben Abend einen Sack Mehl und ein Fäßchen Wein und erinnerte sie an ihre Arbeit. Mona Bonda ging am folgenden Tag um dieselbe Stunde zu Isabella und brachte ihr gebleichten Zwirn und Borten zum Geschenk und eine Flasche sehr wohlriechendes Gesichtswasser mit etwas Zwirn, ähnlich wie der frühere. Als sie kam, machte ihr Isabella nicht eben das beste Gesicht; sie aber sagte ganz heiter und lächelnd: »Madonna, ich habe seit gestern mich vielfach betrübt, wenn ich daran dachte, wie Ihr, um nichts, kann man fast sagen, Euch erzürnt habt. Es ist so meine Art, mit so schönen Frauen, wie Ihr, immer zu plaudern, und ich würde mit Euch um nichts zürnen, was Ihr auch sagen wolltet. Ich bitte Euch daher, macht es mit mir ebenso, und seid versichert, sobald Ihr mich kennt, so wird es Euch nicht unangenehm sein, wenn ich Euch manchmal besuche, denn ich kann Euch in manchem helfen. Ich habe Geheimmittel, um Haare zu vertilgen, wo man will, so daß sie nie wiederkommen. Ich kann Gesichtswasser machen von verschiedener Art, hell wie Kristall, und ich mache solches, das das Gesicht schön und frisch erhält, wie Ihr seid, anderes, das glänzen macht wie Elfenbein, wieder anderes, das die Hautrunzeln zusammenzieht, was Ihr freilich nicht nötig habt. Ich kann sublimiertes Quecksilber bereiten, ich brauche keinen Gratino oder sonst einen Apotheker dazu, was freilich nicht viel heißen will, denn das sind nur Schminken für die Unverständigen. Und damit Ihr mir glaubt, will ich's Euch mit der Tat beweisen, nicht allein mit Worten.«

Damit zog sie ein Fläschchen hervor und gab es ihr in die Hand.

»Nehmt das«, sprach sie, »als Andenken von mir! Es ist das, von dem ich zuerst gesprochen habe.«

Darauf gab sie ihr den Zwirn und die Borten und sagte: »Und das gehört auch Euch; dieser Tage hat mir's eine Nonne von Santo Prospero gewiesen, mit der ich gut bekannt bin; aber ich brauche es nicht und wüßte es nicht besser anzubringen als bei Euch.«

Isabella betrachtete die Sachen, die ihr ausnehmend wohlgefielen, und die Alte hatte sie so mit Worten umstrickt, daß sie ihr nichts anderes zu erwidern wußte, als daß sie nicht zornig sei und diese Sachen gern annehme. Sie dankte ihr und versicherte sie, sie dürfe sich auf sie verlassen. Sie rief die Magd, ließ ihr zwei Käselaibe geben und sagte: »Ihr müßt in diesem Fasching mir zuliebe die Pfannkuchen machen.« Sie dachte nicht daran, wohin diese Freundlichkeit führen werde.

Mutter Bonda kehrte zu ihrem Zwirn zurück und flocht dann den Giulio ein mit der Frage, ob es ihr Vetter sei, da er so eifrig nach ihr sich erkundige. Isabella antwortete nun allmählich und setzte auseinander, wie sehr sich diejenigen versündigen, die ihren Ehemännern die Treue brechen, und sie würde sich lieber umbringen lassen, als daß sie sich hierzu verstände. Bonda entgegnete darauf: »Ihr sprecht hier fürwahr ganz wie eine rechtschaffene Frau, und ich gehöre auch zu denen, die hiervon nie ein Wort hören wollten. Aber wenn unsere Männer so viel Rücksicht auf uns nähmen, wie sie es von uns gegen sie verlangen, so wäre das noch weit vernünftiger. Dagegen sehe ich, die Frau mag schön oder häßlich sein, wie sie eher mit einer Hand als mit einer Frau sich begnügen würden und sich den ganzen Tag bald mit der Haushälterin, bald mit der Magd, bald mit der Pächterin und tausend andern Sudeldirnen einlassen. Ja, was noch mehr ist, am Abend rühmen sich die Männer dessen voreinander in den Schenken, und das Gesetz erlaubt ihnen, daß sie hierüber nicht zur Rechenschaft gezogen werden können, während die armen unglücklichen Frauen, wenn sie sich nur ein paar Male am Fenster zeigen, gleich in aller Mund sind. So wahr Gott lebt, das ist eine Ungerechtigkeit; und wenn ich wieder jung würde, so weiß ich gewiß, daß mir kein Wunsch unbefriedigt bleiben sollte. Allerdings, da die Frauen so großer Beschämung ausgesetzt sind, tun sie wohl daran, mit Vorsicht zu Werke zu gehen, mit Heimlichkeit und mit Leuten, die der Mühe wert sind, wie eben jener junge Mann, von dem wir soeben sprachen. Ich bin überzeugt, daß eine Frau, die es so macht, wie ich gesagt habe, nur dazu beiträgt, die Sünden ihres Mannes in der andern Welt zu tilgen; denn wenn der Mann einmal seine Pflicht gegen die Frau nicht einhält und die Frau sich ebenfalls versorgt, so ist klar, daß sie quitt sind, und so hat keines von beiden gefehlt.«

Isabella konnte hierbei kaum das Lachen halten, stellte sich jedoch äußerlich verwirrt und sprach: »Ihr redet wie ein Magister der Theologie; aber es ist doch lauter unverständiges Zeug, Bonda! Wer es tun will, mag's tun; ich aber meinesteils bin entschlossen, ich will mit keinem Mann zu schaffen haben als mit meinem Aurelio, und ich will auch nicht wissen, ob er mit andern Weibern zu schaffen hat.«

Bonda antwortete hierauf, und Isabella entgegnete wieder, bis endlich Bonda mit der Erklärung hervortrat, sie gehe nicht hinweg, bis sie ihr eine Antwort an Giulio aufgetragen habe, damit er sie nicht weiter belästige. Darauf versetzte Isabella, als wollte sie sie zurechtweisen, sie solle ihm sagen, sie werde diese Dinge nicht tun ohne Erlaubnis ihres Gatten, und wenn er sie sprechen wolle, solle er zu einer Zeit zu ihr kommen, wenn Aurelio zu Hause sei; dann wolle sie ihn anhören, sonst nicht. Bonda meinte, das sei keine Antwort, die sie gebrauchen könne, und fuhr fort mit Bitten. Isabella entließ sie aber und ging in ihre Kammer.

Bonda kehrte nun zu Giulio zurück und verlangte von ihm vorerst zwei Dukaten, die sie ausgegeben habe für Wasser, Zwirn und Borten, die sie seiner Isabella geschenkt, und sagte ihm sodann, sie werde ihm etwas sagen, was ihn glücklich machen werde. Giulio griff in die Börse und gab ihr zwei Golddukaten mit der Bitte, ihm zu sagen, was sie ausgerichtet habe. Bonda berichtete sofort umständlich alle ihre Gespräche mit Isabella, flocht auch noch manches aus dem Kopfe ein und sagte ihm dann den Schluß ihres Besuches.

»Und inwiefern«, antwortete Giulio, »wird mich das glücklich machen, wenn ich von ihrem Mann dazu Erlaubnis einholen soll?«

»Ich habe mir eine gute Art ausgedacht«, sagte Bonda, »wie du ins Haus kommen sollst, und der Ehemann soll dich selbst zu ihr in die Kammer bringen. Wenn du dir aber dann nicht weiter zu helfen weißt, so ist es deine Schuld.«

»Anderes will ich nicht«, sagte Giulio.

Sie erzählte ihm, was sie ausgedacht habe, und nun verabredeten sie alles Erforderliche auf morgen. Um die Zeit des Frühmahls ließ sie den Giulio sich als Weib verkleiden nach Art einer Bäuerin, mit einem dicken Tuche auf dem Kopf und darüber ein Knäuel Werg, einen silbernen Ring am Finger, einen Spinnrocken an der Seite, einen Korb am Arm und eine Alte hinter sich; so machte er sich auf den Weg nach der Straße, die vom Tore herkam und auf Aurelios Haus zuführte. Als käme er zum Tore herein, trat er in Isabellas Haus und ging hinauf in einen Saal, ohne zu rufen. Dort angelangt fing Giulio fast weinend also zum Hausherrn zu sprechen an: »Ich flehe Euch an, edler Herr, gewährt mir Sicherheit in Eurem Hause!«

Aurelio, in hohem Grade erstaunt, sprach also: »Madonna, fürchtet Euch nicht! Was habt Ihr?«

Die Alte, die ihn begleitete, übernahm das Wort, damit Giulio nicht erkannt werde:

»Edler Herr«, sagte sie, »wenngleich diese Frau der Tracht nach eine Bäuerin zu sein scheint wie ich, so ist sie dennoch von Adel und die Gemahlin von... (Hier nannte sie einen unserer Mitbürger, der seit ein paar Jahren von hier weggewesen war.) Wie Ihr wißt, ist ihr Gatte auswärts und wünschte, sie solle ebenfalls auf ihre Güter außerhalb der Stadt kommen. Da nun aber auf Befehl der Achte angeordnet worden ist, daß kein Bürger oder Bürgerin die Stadt verlasse ist sie, um ihrem Mann zu gehorchen, auf den Einfall gekommen, diese Kleidung anzulegen, um unerkannt zu bleiben. Sobald wir aber am Tore waren, sei es, daß sie zu verlegen einherging oder was für ein Unstern sonst über uns waltete, die Wachen fingen an, sie so fest ins Auge zu fassen, daß sie gut merkten, daß sie nicht vom Lande sei. Ja, einer von ihnen sagte zu ihr: ›Madonna, kehrt nur um und gebt Euer Werg heim! Heut dürft Ihr es nicht zum Spinnen tragen. Wenn Ihr aber bei mir bleiben wollt, so will ich Euch nicht Werg, sondern Flachs zu spinnen geben. Wenn ich solche Pächterinnen hätte, die behielte ich in Siena und ließe sie nicht auf dem Lande; meiner Treu, Euer Gesicht ist nicht derart, als solltet Ihr bei Bauern schlafen. Darum bleibt Ihr besser in der Stadt.‹

Wir antworteten nichts darauf, damit sie uns nicht besser zu erkennen suchen sollten, kehrten eiligst um und sind nun, ohne umzusehen, ob man uns nacheilt, hier in Euer Haus geflüchtet, damit sie uns nicht erkennen, wenn wir nach Hause gegangen wären und sie uns nachgeschickt und gesehen hätten, wohin wir gehen. Denn sonst hätten sie die arme Frau zu tausend Dukaten verurteilt, wie die Verordnung lautet. Wenn wir nun auch hier hereingekommen sind, könnt Ihr ja sagen, wir seien durch die Hintertür wieder hinaus, und Ihr hättet uns nicht gesehen; und es ist ja klar, daß Ihr keine solche Frauen bei Euch habt, die veranlaßt wären, in dieser Weise Siena zu verlassen.«

Während die Alte dies sprach, stand Giulio immer mit gesenktem Haupte da, tat, als weinte er, und hielt bald diese, bald die andere Hand vors Gesicht, um nicht erkannt zu werden. Aurelio, der ein Ehrenmann war, ließ sich von dieser Erzählung zu großem Mitleid rühren und befahl sogleich dem Burschen, die Haustür zu schließen und niemandem ohne seine Erlaubnis zu öffnen.

»Madonna«, sagte er, »es tut mir sehr leid, daß Ihr auf so unangenehme Weise berührt worden seid; hier aber dürft Ihr ganz ohne Besorgnis sein. Ihr könnt so lange hierbleiben, als wenn Ihr meine eigene Schwester wäret, und ich weiß niemand, der Euch hier aufsuchen würde. Ihr dürft daher nicht mehr weinen; niemand kennt Euch; betrachtet Euch hier ganz als zu Hause! Isabella wird nicht ermangeln, Euch gute Gesellschaft zu leisten.« Er wies hierauf seine Gattin an, in die Kammer zu gehen, ihn mitzunehmen und ihm alle mögliche Bequemlichkeit zu verschaffen, tröstete überdies die vermeintliche Frau, so gut er konnte, und ging sodann hinweg und seinen Geschäften nach.

Isabella trat mit der neugebackenen Frau und mit der Alten in die Kammer und bat sie, so gut sie konnte, sich es nicht mehr leid sein zu lassen; sie sei jetzt an einem Orte, wo sie sich sicher nennen könne. Die gute Alte wandte sich, als es ihr Zeit schien, zu Isabella und zu ihrer Herrin und sagte: »Madonna, es ist vielleicht besser, wenn ich an das Kloster der heiligen Maria Magdalena gehe, um Eurer Schwester mitzuteilen, wie die Sache ausgegangen ist, und ihr zu sagen, daß Ihr heut abend spät oder morgen in aller Frühe zu ihr kommt, da Ihr nicht mehr heimkehren wollt. Ich bringe Euch dann Eure Kleider her, damit die andern Nonnen Euch nicht in dieser Tracht sehen. Euch, Madonna Isabella, empfehle ich, so sehr ich kann, meine Gebieterin.«

Damit nahm sie Abschied und verließ das Haus. Isabella war nun mit der angeblichen Frau allein und fing an, mit ihr in aller Einfalt zu plaudern. Giulio antwortete nichts, stand auf und ging an die Tür, um sie zu schließen. Er nahm Isabella bei der Hand, riß sich das Tuch vom Kopfe, stand nun in einer seidenen Mütze da und gab sich zu erkennen. Sobald sie dies sah, war sie wie tot vor starrem Erstaunen und wollte anfangen zu schreien. Giulio aber sagte zu ihr: »Madonna, schreit nicht! Ich bin nicht hier, um Euch irgend etwas Unangenehmes zuzufügen. Setzt nicht mit einem Male mein Leben und Eure Ehre in Gefahr, wiewohl ich mir's zum Ruhm anrechnete, um Eure Liebe zu sterben. Aber nur um Euch täte es mir leid; denn wenn ich hier gefunden werde, wer wird annehmen, daß ich ohne Anordnung von Euch hierhergekommen sei? Und je mehr Ihr Euch hierüber entschuldigen würdet, um so mehr würdet Ihr Euch anklagen. Da es nun so ist, so laßt es Euch gefallen, freundlich mit mir zu reden!«

Isabella suchte ihm fortwährend aus den Händen zu kommen und ihm zu entfliehen; aber sie konnte nicht, denn er hielt sie fest. Da sagte sie weinend: »Ha, treuloser Verräter, wie hast du jemals die Keckheit gehabt, mich auf diese Art zu täuschen, wenn du mich so sehr liebst, wie du sagst? Jetzt weiß ich gewiß, daß du mich niemals geliebt hast, da du dich dazu hergibst, mir so beschwerlich zu fallen. Sobald ich von dir wegkomme, werde ich mit dem Messer oder mit Gift mein Leben enden, damit du mich nicht andern mit dem Finger zeigst und dich rühmst, du habest mich hintergangen.«

Darauf sprach Giulio, fast mit Tränen in den Augen: »Meine Gebieterin, hätte die Natur mir so viel Verstand gegeben, um Euch meine Gründe auseinanderzusetzen, wie sie mir gerechten Anlaß gegeben hat, Euch zu lieben, so zweifle ich nicht, daß ich mit einem Schlage Euch von solcher Hartnäckigkeit und mich von solcher Pein befreien könnte: denn Ihr habt vollkommen unrecht, Euch über mich zu beklagen; denn wenn ich Euch über alles hebe, so ist es Eure Schuld, wenn es Euch mißfällt: denn Ihr seid über alles schön. Wenn Ihr meint, ich sei betrügerischerweise Euch ins Haus gekommen, so erinnert Euch, daß Ihr selbst es geraten und befohlen habt, daß ich kommen solle, solange Euer Mann zu Hause sei, da Euer Ruf gefährdet worden wäre, wenn ich auf andere Weise hätte kommen wollen. Mögt Ihr nicht den Befehlen Eures Mannes gehorchen, der Euch sagte, Ihr sollt mir in allem, soweit Ihr könnt, gefällig sein? Ich bitte Euch, mein allerliebstes Herz, nehmt mich zu Eurem Diener an und schenkt mir Eure Liebe: denn es ist mir viel angenehmer, zu wissen, daß Ihr mich hebt, oder wenigstens, daß es Euch gefällt, wenn ich Euch hebe, als wenn mir die ganze Welt gehorchte. Und wenn Ihr auch für gut finden solltet, mir den Tod zu geben, – seht, ich bin bereit, Euch zu gehorchen in allem, was Euch recht ist.«

Er umarmte und küßte sie und erwartete schweigend die Antwort. Isabella aber erwiderte nichts und blieb mit gesenktem Gesicht immer seufzend stehen. Giulio setzte daher seine Reden fort und sagte, Küsse unter die Worte mischend, also: »Ach, warum, Madonna, bekümmert Ihr Euch so? Ihr seid nicht die erste und werdet auch die letzte nicht sein. Und glaubt Ihr, wenn Euer Aurelio sich so mit einem schönen Mädchen zusammen sähe, würde er sich so viel besinnen, ob er Euch mißfalle? Glaubt Ihr, andere Frauen machen es nicht ebenso? Ganz sicher! Es gibt keinen andern Unterschied zwischen der Keuschheit der Frauen, als daß manche ihre Liebe geheimzuhalten verstehen. Keuschheit bedeutet weiter nichts als vorsichtig sein. Und weil einige so töricht sind, daß sie ihre Liebschaften nicht geheimzuhalten wissen, werden diese nachher von den Männern für sittenlos gehalten. Uns kann dies nie widerfahren; denn wenn man es nicht erfährt, ist das ebensoviel, als wenn nie etwas gewesen wäre. Und wenn es eine Sünde wäre, wie man sagt, so würden die Gesetze diesem, wie anderem, vorbeugen. Habt Ihr aber je Frauen vor Gericht kommen sehen, weil sie mit ihren Liebhabern zusammen waren? Gewiß niemals. Und wenn je jemand erführe, daß wir hier beisammen gewesen sind, was würde er anderes denken, als daß wir einander genossen haben? Wenn aber niemand es erfährt, wie es niemand erfahren wird, wer kann uns je darüber zur Rede stellen, daß wir gut oder übel getan haben? Ebensowenig wünsche ich, da ich Eure Liebe so sehr schätze, daß es zu jemandes Kunde käme, wie lange wir hier beisammen gewesen sind und daß ich unbefriedigt von Euch geschieden bin; denn jeder würde glauben, daß irgendein unschickliches Wesen oder Ungezogenheit von meiner Seite daran schuld war, weshalb ich von Rechts wegen von Euch abgewiesen würde, oder daß Ihr die grausamste und sprödeste Frau wäret, die es auf der Welt gibt. Da nun aber keines von beiden der Fall ist, so laßt Euch lieber von mir als erbarmungsvoll loben, denn als grausam tadeln. Und warum glaubt Ihr, daß die Frauen so manche Widerwärtigkeiten treffen, wie die Entfremdung ihrer Männer ohne Grund, die schlechte Aufführung der Söhne, die Anfeindung in der Nachbarschaft und anderes Unangenehme, als weil sie undankbar sind gegen ihre Liebhaber?« Durch diese Worte ward Isabellas Gemüt etwas besänftigt, und sie leistete nicht mehr so entschiedenen Widerstand wie bisher.

»Bei meinem Mann«, sagte sie, trifft mit Recht das Sprichwort ein, welches besagt: Wer zu schnell glaubt, wird oft betrogen.«

Nächstdem sprachen sie noch vieles andere, was ich, weil sie es gar leise sagten, nicht verstanden habe, wiewohl ich aufmerksam an der Kammertüre lauschte, wie bisher. So viel weiß ich aber, daß Giulio die Kammer und das Haus in derselben Kleidung verließ, in der er gekommen war, aber viel heiterer als beim Eintritt. Auch Isabella schaute von nun an recht keck darein, und sie richteten es so ein, daß sie Bonda nicht mehr nötig hatten. Als Aurelio des Abends zum Essen heimkehrte, fragte er nach der Frau, die er zu Hause zurückgelassen hatte. Isabella antwortete, ihre Magd habe sie in das Kloster geführt, und sie habe sich sehr über ihr Weggehen betrübt; denn sie hätten den ganzen Tag in so lebhaftem und anmutigem Gespräche miteinander zugebracht, daß sie wohl nie in ihrem Leben jemand gefunden habe, der ihr so wohl gefallen hätte; jene sei so klug und rede so verständig, als wäre sie ein Mann; hätte sie nicht gefürchtet, allzu begehrlich zu erscheinen, so hätte sie sie eingeladen, bei ihr zu essen und zu schlafen. Aurelio lobte sehr ihre gegen die junge Frau geübte Höflichkeit und war vergnügt, diesen Abend in die Familie der Hörnerträger einzutreten.

Die Frau hatte den Unterschied zwischen den Umarmungen des Liebhabers und denen des Gatten verschmeckt und lebte lange Zeit mit ihm in Wonne und Freuden, wie sie jedem treuen Liebenden zuteil werden mögen, andern aber nicht, weil diese es nicht verdienen.


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