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Die Männer der Rebekka Meinert

Von Ernst Schnackenberg.

 

I

Klaus Lüders schritt mit ruhigen, langausholenden Schritten über die Kirchenkoppel dem Deiche zu. Beim Fährhaus machte er einen Augenblick Halt, klinkte die Blang'tür auf und rief einen Gruß ins Zimmer. Als er keine Antwort erhielt, ging er die Stiege zum Deich hinauf und sah, oben angelangt, den alten Fährmann ein Boot voller Sonntagsgäste vom Niendorfer Ufer überholen. In Audorf war Tanzmusik heute, darum kamen viele Leute vom andern Ufer herüber. Klaus sah aufmerksam hin. Seine Lippen bewegten sich stumm, wie wenn er zählte. Er kannte sie alle, die da kamen; bei den meisten von ihnen hatte er als Maurer gearbeitet.

»Na, Klaus, dat is recht, kummst uns all'n bitten inne Möt?«

Es war nicht herauszuhören, ob der Gruß echt oder spöttisch klang. Klaus grüßte wieder, aber er ging nicht mit den Bekannten ins Dorf zurück, sondern schlenderte gemächlich ein Stücklein Weges am Flusse entlang und lagerte dann so, daß er das Fährboot sehen konnte, unter einer Weide. Von Zeit zu Zeit tönte die Glocke am Niendorfer Ufer. Dann kam der Fährmann über den Deich und holte über, wer herüber wollte. Klaus Lüders zählte die Fahrgäste. Sein Auge leuchtete hell und heller, je öfter er die Glocke hörte. Nach einigen Stunden, als keine Leute weiter nach hüben oder drüben sich meldeten, ging Klaus zu dem Fährmann ins Haus. Der Fährmann war ein alter Mann und wollte seinen Posten aufgeben. Aber es wollte kein Käufer für sein Boot und seine Kate kommen. Darum mußte er bleiben. Den ganzen Sommer über war Klaus Lüders Sonntag für Sonntag, bei gutem und schlechtem Wetter, an den Deich gegangen und hatte die Fahrgäste gezählt, ohne mit dem Alten ein Wort über irgendwelche Kaufabsicht zu äußern. Er war ein junger, kräftiger Mensch, unverheiratet und unbeweibt. Dem Alten war kein Gedanke daran gekommen, daß Klaus Lüders seine Kate und sein Boot kaufen wollte. Und doch kam es so. Heute wurden sie nach kurzen Worten einig: Klaus Lüders kaufte und war Besitzer des Hauses, eines Bootes und eines sauberen Blumen- und Gemüsegartens geworden. Die Kaufsumme hatte er in wenigen Jahren erspart. Denn er war ein solider Mensch, tanzte nicht und trank nicht.

Er ging über die Kirchenkoppel ins Dorf zurück. Aus den offenen Fenstern des Tanzbodens klang Lachen und Juchhei. Klaus kehrte nicht ein. Er ging weiter über den Schulsteig, der jenseits des Dorfes nach Moorhusen an die Chaussee führte. In Moorhusen wohnten die Großbauern des Kirchspiels. Dort wohnte der Bauer Michel Früchtenicht. Bei Michel Früchtenicht diente die Großdeern Rebekka Meinert.

Zu Rebekka Meinert wollte Klaus Lüders gehen, um sie wollte er heute werben. Michel Früchtenicht stand vor dem Hoftor.

»'n Dag, Bur!«

»Dag ok, Klaus! Wullt to mi?«

»Ick wull Em fragen, wat ick Becka wull spreken kunn?«

»Wat hest't mit dee? Sett de Deern keen Grappen in'n Kopp. Dat segg ick Di in'n Good'n! So'n Deern heft'k lang ni mehr hat. Na, du büst ja keen Driewer, denn gah man inne Deernskammer, se wart woll noch ni to Danz wesen.«

Klaus kannte den Weg. Aber er hatte Herzklopfen, als er an die Tür pochte und fragte: »Büst du in, Becka?«

Eine helle Mädchenstimme rief von drinnen: »'keen is dar?«

Klaus Lüders trat in die Kammer. Rebecka erschrak, als sie ihn sah. Was wollte der Mensch bei ihr? Nie hatte sie zusammen getanzt, nie zusammen getrunken, waren niemals allein gewesen in der Nacht, nie hatte sie einen Mann in ihre Kammer gelassen. Einmal war einer gekommen, hatte des Nachts an ihr Fenster geklopft und um Einlaß gebeten und gebettelt. Aber sie hatte ihm heimgeleuchtet, dem Markus Sachau von Butendiek. Eigentlich hatte er ihr leid getan. Sie wußte, daß er sie liebte, aber nicht den Mut hatte, um ihretwillen auf Haus und Hof zu verzichten. Er hatte seinem Vater, dem reichen Markus Sachau gesagt, daß er die Rebekka vom Audeich, das Dienstmädchen des Michel Früchtenicht, heiraten wolle. Da hatte der Vater ihm geantwortet, dagegen könne er nichts einwenden, denn er, sein Sohn, sei mündig. Aber der Hof ginge eher an die Verwandtschaft, als an seinen einzigen Sohn, der eine »nackte Deern« ihm ins Haus führen wolle. Das sollte er sich bis morgen überlegen. Auch solle er ihm zugleich darauf Antwort geben, ob er die Tochter des Johannes Sachau, seines Bruders, heiraten wolle oder nicht. Wenn ihm darum zu tun wäre, Bauer auf dem Butendiekhof zu werden, dann …

Da war Markus, der Sohn, seinem Vater gefolgt und hatte alsbald seine Base geheiratet.

Rebekka hatte ihn erst kürzlich gesehen. Seit der Stunde tat es ihr leid, daß sie ihn damals so kurz abgefertigt hatte. Er war ein guter Mensch. Aber er war der Sohn seines Vaters. Er war ein Sohn der Marsch. Er war also ohne Schuld …

Und nun stand wieder ein Mann vor ihr: »Wat wullt du, Klaus Lüders?«

»Becka, Du weetst, wat ick'n anstännigen Minschen bün. Un du weetst, wat ick di geern heff. Ick heff hüt Hus un Garn köfft för di un mi; un wenn du wullt, könt wi tokum Harfst friegen.«

Er hielt inne. Sie aber stand und wußte nicht, ob sie lachen sollte, oder ob sie ihm die Türe weisen wollte.

»Süh mal, Becka. Ick stah alleen, un din Oellern sünd dot. Ick heff dat Hut anne Fähr köfft, wi treckt dar rin un but uns dar uns Nest. Wi sünd jung un sünd stark, un ick kann wedder wieder muern un du kannst dat Boot good besorgen, un wenn ick nix to dohn heff, denn mak ick dat mit de Fähr. Un den Garn will ick di planten. Ick heff di so leef. Segg Ja, Becka!«

Wieder hielt er inne und streckte ihr seine Rechte entgegen. Dann wischte er sich den Schweiß von der Stirn, denn das Reden war nie seine Sache gewesen.

Noch immer gab Rebekka ihm nicht Antwort. Er hatte ihr gesagt, er liebe sie? Und hatte während seines Lebens kaum ein Dutzend Worte mit ihr gesprochen! Woher sollte sie denn wissen, daß er sie liebe? Daß es nicht ein roher Scherz war, den er mit ihr treiben wollte? Woher? O Rebekka, wer war es, der dich eines Abends auf dem einsamen Steig der Schulkoppel, als dich der Rohling, der Großknecht des Michel Früchtenicht, am Wetterngraben vergewaltigen wollte, schützte und dem Knecht alle Knochen im Leibe entzwei geschlagen und dann weitergegangen war, als ob das, was er getan, nicht der Rede wert gewesen wäre? Wer war es, der des Sonntags vom Jungmannchor in der Kirche zu ihr und nur immer zu ihr herüberschaute, daß sie rot wurde, wenn die Freundinnen sie neckten? Und an wen hatte sie denken müssen, als der Feigling, der vor seinem Vater zu Kreuze kroch, sie hatte sitzen lassen, um seinen Hof zu retten? Wer anders als Klaus Lüders! Von dem wußte sie, daß der sie nie verlassen würde, daß er treu sein würde, wenn er einmal Treue geschworen habe. Und nun sollte sie auf der Stelle sich entscheiden?

Da hörte sie wieder seine Stimme: »Becka, ick weet, dat Markus Sachau achter di an wär, awer ick wüß ja, du harrst din'n Stolt un wörst em den Looppaß gewen, as sick dat hört för en arme Deern. Un ick heff mi freut, as he de Sachaudeern friegen däd. Dunn dacht ick, nu wär de Weg frie för mi; denn ick wull din Glück nich in'n Weg stahn. Kannst du em ni verget'n, denn swieg still, Becka. Ick kam wedder. Oder hest du all'n anndern? Denn segg mi't reinweg. Du büst smuck, Becka, un dat mag woll Burnsöhns gewen, de mehr Mood hefft as de Slöks vun Sachau …«

Da schlug sie die Hände vors Gesicht und weinte. Und dann: »Lat mi, Klaus. Ick weet, dat du en guden Kerl büst. Lat mi Tied, Klaus. Kam wedder, Klaus …«

»Nee, Becka, nee!«

Und der schüchterne Klaus Lüders nahm ihre Hände und zog sie sanft und fest von ihrem Antlitz. Dann faßte er ihren Kopf und zog sie an sich und küßte sie. Und sie sagte nichts weiter.

*

Mit Klaus Lüders und seiner jungen Frau war das Glück in die Fährkate gezogen. Michel Früchtenicht hatte zwar auf Klaus Lüders gescholten, weil er ihm seine beste Deern entführt hatte. Als aber Klaus bald nach der Hochzeit dem Michel Früchtenicht sagte, er wolle die Bootfähre zu einer Wagenfähre ausbauen, wenn er nur dazu das nötige Geld erhalten könnte, da lieh er ihm einige hundert Taler zu billigem Zinsfuß. Jetzt konnten die Bauern von Audorf und Moorhusen in einer guten halben Stunde mit Pferd und Wagen nach Niendorf fahren und umgekehrt. Früher hatten sie flußaufwärts eine volle Stunde fahren müssen, um zur nächsten Stadt zu gelangen und dort über die Brücke zu fahren, um eine weitere Stunde bis Niendorf zu gebrauchen. In wenigen Jahren konnte Klaus die Summe an Früchtenicht abtragen. Der aber wollte von dem Gelde nichts wissen, sondern ließ es ihm, damit er bei der Verpachtung des Kirchenlandes Land für eine Kuh pachten könne. Da kam der Krieg. Am dritten Mobilmachungstage mußte Klaus Lüders sich in Altona stellen. Still packte Rebekka ihrem Manne ein paar Sachen, knotete sie in ein buntes Taschentuch, legte ein kleines Testament dabei und reichte ihm das Bündel. Klaus nahm die Kinder der Reihe nach auf den Arm, herzte sie und setzte sie stumm zur Erde nieder. Dann zog er sein Weib zum letzten Male an die Brust: »Un nu Adjüs, Becka, Gott gew, dat ick sund wedder kam!«

»Gah mit Gott, Klaus! Ick will jümmer an di denken!«

Sie lächelte unter Tränen. Kräftigen Schrittes ging er über die Kirchenkoppel und sah sich nicht um. Sie sah ihm nach, bis er die Kirchhofshecke erreicht hatte. Sie wollte stark sein, sie mußte stark sein. Sie mußte die Fähre nun allein lenken, Haus und Vieh und Garten allein in Ordnung halten. Klaus sollte bei seiner Rückkehr alles so finden, wie er es verlassen hatte.

Die Tage flossen trotz der Arbeit träge dahin. In der ersten Zeit fragte der älteste Knabe oft nach seinem Vater.

»'nem is Vader?«

»Vader is in'n Krieg!«

»Krieg, is dat?«

Das konnte sie ihm nicht verständlich machen. Aber er wußte, daß der Krieg ihm seinen Vater genommen: »Eische Krieg!«

Zuweilen leuchtete ein Sonnenstrahl in die Kate am Audeich. Ein Bote Gottes war es, der ihn schickte, nein, der ihn brachte. Dieser Gottesbote war der Postbote aus der Stadt, der täglich die Post nach Moorhusen und Audorf brachte. Seit Klaus Lüders fort war, mußte Hinnerk, der alte Briefträger, zuweilen nun auch noch den weiten Weg über die Kirchenkoppel machen zu dem einzigen Haus am Deich, zur Fährkate. Schon von weitem sprang ihm dann der kleine Klaus, das älteste der drei Lüderschen Kinder, entgegen und brachte seiner Mutter den Brief von Vater aus Frankreich. Wenn Rebekka den Brief gelesen hatte, ging sie in den Garten und pflückte einen Strauß Rosen und später Georginen und stellte sie in ein Glas auf den Eckschrank hinter das Bild ihres Mannes. Danach setzte sie sich zum Schreiben nieder. Das wurde ihr schwer; aber ihr Mann sollte wissen, wie alles wohl stand zu Hause. Er sollte sich nicht um sie sorgen.

Eines Tages, es war Ende September, stand Rebekka vor dem Bilde ihres Mannes, als sie plötzlich mit beiden Händen nach ihrem Herzen faßte und, vom Herzkrampf befallen, zu Boden fiel. So fanden sie einige Fuhrleute, die über die Au wollten. Rebekka kam bald wieder zur Besinnung, konnte von dieser Stunde an aber nicht mehr mit ihren Kindern lachen und scherzen, wie sie sonst getan.

Wochen schlichen dahin, ohne daß ein Brief von Klaus kam.

Da sah Rebekka eines Tages den Postboten über den Kirchensteig kommen. Wieder war der Herzstich da. Aber nun mußte sie aushalten, nun war die Not ja zu Ende, nun schrieb ihr Mann ihr, daß er gesund und wohl sei! Sie wollte dem Boten entgegeneilen. Aber was würden die Leute sagen, wenn Hinnerk ihnen erzählte, sie wäre ja wohl reinweg mannstoll geworden. Nein, sie mußte bleiben. Als der Bote dann aber kam, und als er keine Anstalten machte, die Brieftasche zu öffnen, als er sich räusperte und sich schwer auf einen Stuhl niedersetzte, da hielt sie nicht länger an sich: »Hest'n Breef vör mi, Hinnerk? Do mi den Breef un schenk di'n lütten in. Du weest, wo de Buddel steit.«

»Becka, de Krieg is'n Döwel, dat heff ick all jümmer seggt!«

»Geew mi den Breef, Hinnerk! Min Gott, wat hest du? Wat is dit?«

»Becka, ick heff hüt keen Breef vun Klaus. Ick weet ni …«

»Hinnerk! Do her, wat du hest, segg mi de Wahrheit, wat is mit di?«

Sie entriß ihm die Brieftasche und zog die letzten Briefe heraus. Zwei Briefe an sie, von fremder Hand geschrieben! Da war der Herzkrampf wieder da. Wieder lag sie am Boden und wand sich in Schmerzen. Da merkte der Alte, daß seine Weisheit und Kunst zu trösten, die er in den letzten Monaten gelernt hatte, diesesmal nicht verschlage. Er lief, so rasch seine stümprigen Beine ihn tragen wollten, ins Dorf und ins Pastorat. Nach einer halben Stunde erschien Pastor Burmeister in der Aukate. Rebekka Lüders lag mit dem Kopfe auf dem Tisch. Vor ihr lagen die beiden Briefe, ungeöffnet. Da wußte der Pastor, daß sie eine Witwe war, die da vor ihm saß.

»Fru Lüders!«

Rebekka gab nicht Antwort. Der Pastor legte ihr stumm seine Hand aufs Haupt. Lange, lange … und sprach kein Wort. Nur strich er ihr immer wieder über ihren Scheitel, sanft und tröstend; aber er sprach keinen Ton. Endlich nahm er die Briefe und öffnete sie. Der erste war von Jürgen Steen aus Beidenfleth, der früher als Kleinknecht bei Michel Früchtenicht gedient hatte und mit Klaus zusammen in einer Kompagnie ins Feld gezogen war. Er schrieb:

 

Frankreich, den 26. September 1870.

Liebe Rebekka!

Ich will Dir auch mal einen Brief schreiben. Weil Klaus keinen schreiben kann. Kriege keinen Schreck, Rebekka, weil Klaus keinen Brief schreiben kann. Sieh mal, das kam so: Gestern hatten wir den Franzosen aus dem Dorfe gejagt bis an den Wald fast. Aber da wurde es dunkel und wir mußten liegen bleiben. Schade. Denn wenn wir bloß den Wald man gehabt hätten, denn wäre es nicht so schlimm gewesen. Aber heute morgen sollten wir gegen den Wald. Als es man eben so weit war, daß wir was sehen konnten, ging es los. Aber der Franzose hatte ja woll Verstärkung gekriegt und wir waren ja von gestern her man bloß noch die halbe Kompagnie. Und der Franzose lag uns mit wenigstens ein ganzes Batalljon gegenüber. »Sprung auf, Marsch, Marsch!« Jawoll, der Franzose war nicht so dumm. Darauf hatte er bloß gewartet. Wir springen auf. Da geht das Geknatter da drüben los. Ich und Klaus liefen nebeneinander. Da fiel Klaus hin. Ich mußte weiter. Aber wir konnten nicht weiter. Wir mußten zurück. Ich wollte Klaus mitnehmen. Aber es ging nicht. Er war zu schwer. Da wollte ich seinen Ring mitnehmen. Aber es ging nicht. Er war noch warm, als ich ihn fand. Kopfschuß. Er hat garnicht gemerkt, daß er fiel. Darum sei man nicht traurig. Fahr man mal nach meine Eltern und grüßt Dich Dein Freund

Jürgen Steen.

 

Der zweite Brief war von dem Kompagniefeldwebel. Klaus Lüders gefallen … bis zum letzten Augenblick treu für König und Vaterland gekämpft … herzliches Beileid … Eisernes Kreuz – – –

*

Leise ging der Pastor hinaus. In der Küche hockten die Kinder und weinten leise für sich hin. Als Rebekka erwacht war, hatte sie die schreienden Kinder aus der Stube getrieben und sich dann verzweifelnd über die Briefe geworfen. Sie brauchte sie nicht zu lesen, sie wußte, was darin stand. Pastor Burmeister nahm die beiden Knaben auf den Schoß:

»Weet ji, wat wi wüllt? Wi wüllt mal Biller malen!«

Er zeichnete ihnen einen Soldaten. »Wat is dat?«

Klaus, der Aelteste, jubelte: »Suldat, Suldat, Vader Suldat, Vader is dat!«

O weh, das war nicht wohlgetan! Pastor Burmeister zeichnete mit wenigen Strichen einen Tisch, davor einen Stuhl, auf dem Tische standen bald Brot und Kannen und Tassen. Ein Mäuslein knabberte am Brote. Die Tränen der Kinder waren versiegt.

»Nu weest hübsch artig hüt. Moder is krank. Wenn ji nu ganz arig sünd, kam ick morgen mit en Tüt vull Bontjes wedder. Nu gaht rin inne Stuw un gewt ju Moder de Hand.«

Damit ging er still, wie er gekommen, nach Haus.

Am nächsten Vormittag kam er wieder. Die Kinder saßen ungewaschen mit einem Stück trockenen Brots in der Hand auf der Diele. Rebekka saß, ihre Hände in dem Schoß, auf dem Sofa. In der Wiege lag das jüngste Kind, ein Mädchen, und wimmerte.

»Dat Kind hett Döst, Fru Lüders!«

Der Pastor nahm das Kind aus der Wiege und reichte es der Mutter. Die öffnete stumm ihr Kleid und legte das Mädchen an die Brust.

»Wat hett Se güstern to Middag eten, Fru Lüders?«

Sie zeigte, ohne ein Wort zu sprechen, auf das Brot, das auf dem Tische lag.

»Dat geit nich an! De Kinner möt wat Warm's in'n Liew hebb'n. Min Fru kümmt gliks nah. Se mutt man ers noch dat Hohn Plücken. Dat ward hüt Middag eten, hört Se?«

Sie antwortete nicht. Wenn sie bloß sprechen könnte, dachte der Pastor. Was er aber auch anstellte, sie saß wie abwesend und starrte in weite Ferne. Da gab er es auf und ging zu den Knaben auf die Diele.

»Eh, Hannis und Klaus, wat seht ji ut!«

Er ging mit den Kindern in die Küche, zog seinen Rock aus und wusch die Jungen sauber, bürstete ihre Kleider und schickte sie zur Mutter ins Zimmer.

Als er am dritten Tage wiederkam, waren die Kinder sauber gewaschen und das Mittagessen stand auf dem Herd.

»Dat mag ick lieden, Fru Lüders. Nu ward uns Herrgott dat gewen, dat Se Trost find'n ward an Ehr Kinner. Watt schull ok blots Klaus Lüders darto seggen, wenn he sien Fru hier ünnen süht, dat de sin Kinner nich mehr uppwahr'n wull! So is't recht! Nu kann Klaus sick doch freun in'n Himmel bi unsen Herrgott. He süht nu doch, wat he för en düchtige Fru hett.«

Dann fing er leise an, an ihre Herzenstüre zu pochen. Und endlich, endlich sah er eine Träne an ihren Wimpern hangen: Gott sei Lob und Dank! betete der Pastor heimlich, nun ist sie gerettet!

Pastor Burmeister hatte den Kindern die Mutter erhalten. Aber Rebekka Lüders konnte den Schlag, den ihr der Herrgott geschickt, nicht verwinden. Zu plötzlich war das Grauen über ihre Schwelle getreten. Darum wollte sie nicht an den Tod glauben, auch nicht, als eines Tages der Totenschein wie ein grausamer Spötter ihr ins Haus flog. Klaus, ihr Klaus, der frische, kerngesunde Mensch, sollte tot sein? Nein und immer wieder Nein! Und wenn doch, dann gäbe es keinen barmherzigen Vater im Himmel; denn das täte kein irdischer Vater seinen Kindern, daß er sie um fremder Sünden willen mit dem Tode strafen könnte. Und das sollte ein Gott im Himmel, ein heiliger himmlischer Vater, können? Ein Zug herben Trotzes legte sich um den weichen Mund der schönen Frau.

Monate flossen dahin, so träge, wie das Wasser in der Au. Rebekka alterte in diesen Monaten um ebensoviele Jahre. Zu Weihnachten schmückte sie ihren Kindern einen Tannenbaum. Um das Bild des Toten rankten ein paar schlichte Tannenreiser. Als die Kinder schliefen, warf sie sich über ihr Bett und weinte bitterlich. Das Weihnachtsfest hatte die harte Rinde, die sie um ihr Herz gegürtet, verzehrt. Der Mond lugte wieder in ihre Schlafkammer, gerade wie in der letzten, schmerzlichwunderseligen Nacht vor dem Fortgange ihres Mannes. Mit geschlossenen Augen und ausgebreiteten Armen erwartete Rebekka ihren Mann. Träumte sie, war sie wach? Er kam, er schritt schwebenden Schrittes auf sie zu, sie fühlte seine wie Eis brennenden Küsse, bis sie mit lautem Schrei erwachte.

Am andern Tage mußte der Arzt geholt werden. Der nahm den Pastor beiseite und riet zum Verkauf des Hauses und der Fähre. Die Frau habe sich überarbeitet und liefe Gefahr, mit ihren Nerven Schiffbruch zu leiden. Als Rebekka das Bett verlassen konnte, ging sie in den Kuhstall und melkte die Kuh, die der Kirchspielsfrauenverein ihr gestellt hatte, fort und tat ihre Arbeit wie zuvor. Die Leute schüttelten verwundert ihre Köpfe. Rebekka aber sprach zu sich selbst: wat schull Klaus vun mi denken, wenn he süht, dat ick dat Gnadenbrot vun de Gemeind' eten do.

Vorfrühlingsstürme brausten über die – Marsch. Als im Dezember das erste Eis in der Au sich gezeigt hatte, hatte Rebekka Lüders ein paar Knechte gebeten, ihr die Fähre auf den Deich ziehen zu helfen. Mit Bohlen und Pferden war das Werk gelungen. Dann wurde das Boot in den Schuppen hinterm Deich getragen. Nun war der Februar bald vorüber. Das Eis barst. Ein Nordweststurm trieb das Wasser in die Elbe und von dort in die Flüsse und Auen, die ihre kleinen Wässerlein zur Sommerzeit in geruhigem Atmen dem Elbstrom spenden. Rebekka stand sorgenden Sinnes auf dem Deiche und sah, wie das Wasser mit jeder Flut hoch und höher stieg. Sie dachte der seligen Sommerzeit ihrer ersten Ehe. Wie oft hatte sie mit Klaus im Vorland am Wasser gelegen und dem Steigen oder Fallen der Au zugesehen, wenn an heißen Sommersonntagnachmittagen kein Laut über den schlafenden Deich drang, wenn nichts zu hören war als das Summen der Fliegen, die über den Tümpeln in der Au standen, oder als das Brodeln der Blasen, die zur Zeit der tiefsten Ebbe aus dem Schlick des Augrundes aufstiegen und mit leisem Knistern platzten, als ob sie sich scheuten, den Schlaf des sonntäglichen Friedens zu stören; oder als das Flüstern des Schilfs, wenn die Strömung es faßte und seine Spitzen ins Wasser tauchte.

Heute heulte der Sturm ein anderes Lied, ein Lied von Tod und Verderben. Schon war das Vorland überschwemmt. Die rasenden Wasser warfen wutentbrannt ob des menschlichen Widerstandes mächtige Schollen gegen den Deich. Da rannte Rebekka ins Dorf und hin zum Deichgraf Gert Maaßen. Der kam ihr entgegen. Er wollte an den Deich, um zu sehen, ob Gefahr drohe. Fünf Stunden noch sollte das Wasser steigen, und schon schlugen ihnen die ersten Spritzer ins Gesicht, als sie oben auf dem Deiche standen. Gert Maaßen traf seine Anordnungen. Für heute war nichts zu befürchten. Das Vorland war schon oft überschwemmt, fast in jedem Winter, bei jeder hohen Flut.

Wenn der Sturm sich legen wollte!

Rebekka rief die Mannschaften herbei, ihre Fähre zu retten. Schon hatte das Wasser die am Deichrande lagernde Fähre halb flott gemacht. Die Schollen krachten und knirschten, wenn sie sich die Köpfe an dem Ungetüm einrannten. Und siegten. Ehe Pferde zur Stelle waren, fiel die Fähre in Trümmer. Rebekka stand mit grimmigem Lächeln dabei und sprach kein Wort. So ist's recht, dachte sie: nun noch ein Deichbruch, dann geht auch das Boot verloren! Das Boot allein? O nein, auch das Haus und was darinnen lebt. Dann sind wir alle bei dir, mein Mann, bei dir, mein Klaus. Warte noch ein paar Stunden. Ich will die Kinder rüsten, daß du dich ihrer nicht zu schämen hast, wenn wir zu dir kommen.

Stumm schritt sie der Kate zu. Die Männer von Audorf und Moorhusen, als die gesehen, was mit der Fähre geschah, meinten sie, nun würde die Frau dort, die sich den Sturm und Wogengischt um ihr Antlitz schlagen ließ, zu jammern und zu klagen anheben. Wieder schüttelten sie ihre Köpfe: die Frau verstanden sie nicht. In der Schule hatte sie doch immer die Erste gesessen, dumm war sie nicht. Also stolz? Sie war doch nur eine Katenfrau! Was hatte die stolz zu sein? Allerdings hatte ihr vor Jahren der »große« Markus Sachau den Kopf verdreht; aber so etwas wird doch verwunden, wie Markus seine Verirrungen überwunden hatte!

Gegen Abend fiel das Wasser plötzlich um einige Zoll. Der Vordeich von Sünndiekshof war gebrochen. Aber schon nach einer Stunde begann das Wasser wieder zu steigen. Die Ebbe kam. Das Wasser fiel nicht. Stärker stob der Sturm über das niedrige Land. Da wurden die Städter um Hilfe angerufen. Der Deich von Audorf war alt und brüchig. Grasende Kühe hatten die Soden zertreten. Bald bröckelte hier, bald dort ein Stück vom Deich ab. Mit Planken, Brettern, Soden, Erde, Säcken und Leitern suchte man dem Elemente Herr zu werden. Die mächtige Stimme des Deichgrafen schallte schaurig durch den grauenden Morgen: Hierher, Lüd!!

Zu spät: in einem winzigen, unaufhaltsam schwellenden Strom floß das Wasser an der Innenseite des Deiches über den Wetternweg in die Deichwetter. Da gab es kein Halten mehr: rette sich, wer kann! Die Männer stürmten über den Kirchensteig ins Dorf. Noch rief ihnen der Deichgraf nach, sie sollten alles, was los zu machen sei, auf den Kirchwarft treiben.

Er stand allein mit Markus Sachau, dem Bauern vom Butendiekshof. Sie sahen, wie das Wasser in schmutzigschlammiger Breite sich auf das Häuschen am Deich zuwälzte, wie es die Hintertür erreichte und über die Schwelle ins Innere des Hauses kroch. Da stürmten sie den Deich hinab.

In der Kate fanden sie Mutter und Kinder eng umschlungen auf dem Sofa sitzen. Hier wurde der Tod begrüßt, das sahen die Männer. Gert Maaßen und Markus Sachau rissen jeder einen Knaben an sich, zogen die Frau vom Sofa auf und eilten mit ihr und den Kindern aus dem Hause fort. Rebekka hatte das Mädchen auf dem Arm. Willenlos ließ sie sich forttreiben. In den Gräben und Wettern stieg das Wasser. Ueberall quirlte und brodelte es, stieg über die Weidestücke, spülte über den Kirchsteig und den Klinkerweg in seiner Mitte, daß die Fliehenden bis an die Knöchel im Wasser wateten. Und um sie und über ihnen schrie der Sturm sein Lied von Tod und Verderben weiter. Wie wenn Balken barsten, Mauern stürzten. Als Markus sich auf halbem Wege umwandte, konnte er nichts mehr von der Deichkate sehen. Die weite Marsch aber blänkerte wie ein See. Vom Deich über das Kirchenland bis zum Dorf eine einzige Wasserwüste. Nur die Hecktore schauten daraus hervor …

Dann aber fiel das Wasser. Auf der hannoverschen Seite der Elbe war ein Elbdeich gebrochen, und durch den Bruch war die Flut brausend und verheerend ins unglückliche Land gestürzt. Die Audorfer Marsch war gerettet. Der Sturm schien mit einem Opfer zufrieden und schlug nach Osten um. Nach wenigen Tagen war die auch im Winter grüne Marsch von einem grauen Schlickteppich bedeckt. Aber Menschen und Vieh atmeten zu neuem Leben auf, und am kommenden Sonntag hielt Pastor Burmeister einen Dankgottesdienst für die wunderbare Schickung Gottes, die insonderheit die Bewohner der Deichkate zu spüren bekommen hätten. Kein Menschenleben sei der Wut der Flut zum Opfer gefallen. Allein die Deichkate sei dahin. »Mensch«, so schloß er seine Predigt, »wenn du an der Binnenseite eines Deiches dahinwanderst und siehst dort einen Wassertümpel, verwachsen von Schilf und Rohr, so bete ein stilles Vaterunser. Denn dort hat die Flut vorzeiten den Deich durchbrochen und ein Grab gewühlt, wer weiß, für wieviel Menschen vielleicht! Geht hin an die Stelle, wo noch vor einer Woche eine stille Mutter mit ihren Kindern in harter Arbeit ihr Leben der Entsagung fristete. Ihr seht dort ein nasses Grab. Aber es hat dem Herrn gefallen, seine Engel zu senden, die die Mutter und ihre unschuldigen Kindlein retteten, wie dereinst den Lot mit seinen Töchtern. Danket dem Herrn!«

 

II

Frühlingsregen hatte die Marsch sauber gewaschen. Eine reiche Ernte war geborgen. Herbstfäden hingen an Baum und Strauch.

Pastor Burmeister stand auf der Obstleiter und pflückte Aepfel. Der Baum war leer, nur in der Spitze hing noch die köstlichste aller Früchte. Lange mühte sich der Pastor vergeblich, den Apfel mit seinem Apfelpflücker zu fassen. Sobald er ihn in dessen Zacken hatte, schlüpfte er wieder heraus. Bis er schließlich nach einem scharfen Anpacken in den Sack des Pflückers fiel.

Der hat mir Arbeit gemacht, dachte der Pastor; aber er ist die Mühe schon wert. Sorgsam wollte er ihn zu den guten Früchten in den Korb legen, als er an der Apfelkrone ein winziges Loch gewahrte. Der Apfelwickler hatte die Blüte angebohrt. In der herrlichen Frucht lebte der Wurm. Nur ein scharfer Schnitt konnte die Frucht vor vorzeitigem unfruchtbaren Tode retten.

Markus Sachau ging an der Hecke vorbei. Als er den Pastor sah, blieb er stehen und grüßte ihn.

»Will He to mi, Markus?«

»Ja, Herr Pastor. Wenn Se'n Ogenblick Tied hebbt, much ick woll mal mit Se spreken.«

Die Beiden gingen in des Pastoren Arbeitszimmer.

»Na, Markus, wat ist't? Mi dücht, He hett wat Swares op'n Harten?«

Markus Sachau räusperte sich. Er suchte lange nach Worten. Dann sagte er: »Herr Pastor, dat is nu grad een Jahr, dat min Fru in'n Wochenbedd dodblewen is. Ick sitt mit de beiden Lütten swar darvör. Se weet woll, de Hushöllern, dat sünd en düren Notbehelp. Un dat nich alleen. De Kinner hebbt keen Pleg. Ick heff nu all de drütte, un de Grotknech weer hüt nah de Mahltied bi mi inne Döns un säd, wenn ick nich darvör sorgen wull, dat de Deensten en godes Eten kreegen, denn wulln se man to Maidag opseggen. Ick segg, dat geiht so nich wieder …«

Der Pastor lächelte vor sich hin. Dachte er an seine eigenen Erfahrungen mit Haushälterinnen, dieser Plage des Junggesellenstandes? Oder dachte er …? Er hielt den Apfel, den er zuletzt gepflückt, noch in der Hand: »Man rut mit de Sprak, Sachau, wer schallt wesen? Mi dücht, ick heff de Klocken all lüden hört. Will Becka, oder will se nich?«

»Se will nich, Herr Pastor. Se glöwt mi nich, dat ick se leef heff. Ick glöw, dar is nix bi to maken.«

»Un nu schall de Paster Brutwarber speeln. Is't ni so?«

»So is't.«

»Ick will't dohn, Markus. Ick weet lang, dat He Becka Lüders friegen müch, un nich blots wegen de Kinner, sonnern wiel He wat von ehr höllt. Un ick weet, dat Becka en Fru is, de in en Burnhus hört un nich inne Kat. Awer wer eenmal so in Lust un Leew lewt hett, as Becka mit ehrn Klaus, de hett tiedslewens an de Erinnerung to tehren. Becka kann Klaus ni vergeeten. Se slavt un rackt sick so bilütten to Dod för de Görn un glöwt darbi noch jümmers, dat se nich god nog vör de Kinner sorgen deit, dat se för ehren Mann nich bestahn kann, wenn de se nösten fragen deit, wat se dahn hett, üm de Kinner so optobörn, as he, Klaus, dat dan harr, wenn de Dod ein nich en Streek dörch de Reken makt harr.

Dat is'n »fixe Idee«, as de Hochdütschen dat nömt, awer dat fritt in ehr, as de Worm in dissen Appel. Kiek her, wo de Frucht schier un glatt utsüht. Awer de Worm fritt vun binn, dat de Schal bald tosamenschrumpft un dar nicks nablifft as'n fulen Dutt, den wi oppen Missen smiet. Wat hett dat eene Jahr ut Becka makt. Se arbeit vun fröh bit inne Nacht, awer se kümmt mi mitünner vör as'n Adder. Se stickt mit de Tung. Denn se hett den Glowen an unsern Herrgott verlorn. Daran denk, wenn du se in din Hus holen wullt. Becka Lüders is nich mehr die smucke Becka Meinert, de Grotdeern bi Michel Früchtenicht. Du hest jawoll mal as Jungkerl achter ehr anlopen. Un mi is bang, dat dar en tweeten Worm in ehr freten kunn. En Frugensminsch is en eegen Ding, licht to vertörn, wenn eener se mal hett sitten laten, wenn he ehr erst Tru un Leev verspraken harr.«

»Ne, Herr Pastor, dat is dat bi Becka nich! Nadrägsch is se nich. Eenmal, se deen damals noch bi Michel Früchtenicht, dar keem ick mit min Fru ut de Kark, dar begeegen de uns. De Blick verget ick allmintied nich. Se müch mi ansehn hebben, wat ick lieden däd ünner den Strick, den min Vater mi opdwungn harr. Awer dar wär nicks von Schadenfreud, dar wär nicks wieder as en deepes Mitleiden mit mi. Dat heff ick good spört. Und dat heff ick nich vergeten. Mi wär domals tomot, as wenn uns Herrgott mi seggen wull, ick full ni verzagen, he wull mi ok noch mal de Sünn schienen laten …

Dar nehm Becka den Klaus Lüders …

Ick heff mi en Lumpen schimpt, wenn so de Gedanken keemen, as wenn ick un Becka …, dat is hatt, Herr Pastor, wenn eener sin Missen, de im Hart jahrnlang so schön versteken vör de Oogen vun de Minschen lagert hett, nu so bots wiesen mutt. Awer ick mutt min Hart reinmaken, ehr ick Se üm dat würklich beden kann, worüm ick Se beden wull. As ick sehn däd, wa glücklich Becka un ehr Klaus wörn, dar heff ick mi vun ganze Seel freut; denn Becka ehr Glück, dat wull ick ja. Un ick weet, Klaus weer en ganz annern Kerl as ick. Awer denn keemen wedder Tiden, dar kunn ick den Minschen, de mi nicks dahn harr, dod slan, wenn ick daran dacht, dat he dat Glück in'n Hus harr un ick nicks as en hölten Popp, de op nicks as op ehrn Geldsack stolt wär.

't mag woll wesen, dat ick nu, wa de Weg frie is, vör min Schändlichkeiten straft warrn schall.«

»Snack! Ick will vondag noch mal en Woord mit Becka snacken. Ick kam denn je bi Em vörbi. Wenn't glückt, snied wi den Worm ut, un dat Hart ward doch noch ens wedder frie.« – – – –

Eine Stunde später klopfte Pastor Burmeister an die Türe der winzigen Kate, die der Vater vom Bäcker Martens in Audorf vor langen Jahren für einen Gesellen erbaut hatte, als der heiraten wollte. Als die Deichkate von der Sturmflut fortgespült war, war Rebekka in die leerstehende Bäckerkate gezogen. Zwei Betten, Tisch und Stühle und das notwendigste Hausgerät hatte die Gemeinde gesteuert. Rebekka aber war schon am zweiten Tag zum Waschen und Reinmachen ausgegangen, hatte Michel Früchtenicht gebeten, ihr Pachtland zu übernehmen und sich erboten, die schuldiges Summe abarbeiten zu wollen. Schenken ließ sie sich nichts. Kaum, daß sie abgetragene Kleider für ihre Kinder annahm, wenn die Bauerfrauen, bei denen sie arbeitete, ihr solche mitgaben.

Rebekka war nicht zu Hause. In der Stube spielten die Kinder auf dem Fußboden, als der Pastor eintrat.

»Is ju Moder nich in?«

»Moder is bi'n Burvagt.«

»Hier sünd en paar Appeln. De deelt ju, un denn spelt man wieder.«

Rebekka kniete an der Wetter hinterm Apfelgarten des Gemeindevorstehers, als Pastor Burmeister sie aufsuchte.

»'n Dag, Fru Lüders. En hel schönen Dag hüt.«

»Is de Herr Pastor eegens deswegen herkamen, üm mi dat to seggen?«

»Bi son Weder is dat Water ok noch nich to kolt vör de Hann, ni wahr?«

»Ick spöl Sommers un Winter; de Kinner er Winterdags mehr as werm't warm is.«

»Dat is woll so. Un be Kinner waßt ran. Op be Duer kann Se dat nich mehr good maken. Se rackt sick ja dod bi de Arbeit.«

»Vör't Armenhus warr ick de Kinner woll bewahrn. Solang holl ick't ut. Un nahsten is't ja doch all eenerlei.«

»De Minsch schall ok an sick sülm denken. Wat blifft öwer von be smucke Becka Meinert, wenn Becka Lübers sick vör be Tieb old un stief arbeid?«

»Dat's 'n Snack, Herr Pastor, den Se jung Deerns seggen könt, awer keen anstännige Wetfru. Wenn Herr Pastor meent, mit mi sienen Spaß drieben to kön'n, denn hett He sick inne Finger sneden.«

»Ick driew mit keenen Minschen Spijök, Fru Lüders; awer wat to dull is, is to dull. En junge Fru, sund un smuck, is vun den leewen Gott nich blot för ehr Kinner op de Welt; se schall ok ens in'n Speegel kieken. Kunn wesen, dat ok enes goden Dags en Minsch mit true Oogen bi ehr ankloppen däd. Den schall se ok ruhig mal wedder inne Oogen sehn. Warüm schull be Sünn nich wedder schienen, wenn be Storm sick verkrapen hett?«

Um die Mundwinkel der Frau zuckte ein spöttisches Lachen, bereit zu bitterer Antwort. Aber der Mund schwieg und ward ernst, und sinnig sagte er: »Sünnschien? Och, Herr Pastor, wat de Minschen doch jümmer glöwt, dat de Sünn nicht mehr schient, wenn se sick achter Wulken verkrapen hett! Mi hett de Sünn mal schient, dat de Strahlen mi meist sengt hefft. Un keen Dag güng hen ahn' Sang und stilles Lachen. Den Sünn meen dat to good mit uns, dat heff ick mit de Tied lehrt. Un darum müß Klaus starben, un ick mutt mit den Sünnschien achter de Wolken tofreden wesen. Un bün tofreden, wenn blot de Minschen mi tofreden laten wüllt. Awer mi dücht, dat is nicht be Fall …

Weer Markus Sachau wull bi den Herrn Pastorn?«

»Becka, hett de Speegel oder de Kopp oder dat Hart Ehr dat vertellt?«

»Ick schall min Daglohn hier nich mit Snacken, sunnern mit Waschen und Spölen verdeen. Burvagt sin Fru warrt Herrn Pastor seker ni bös wän, wenn Herr Pastor mi nich länger vun de Arbeid affhollen wull.«

Sie wandte sich ihrer Arbeit wieder zu, ohne den Pastor länger zu beachten.

»So kamt wi nich wieder, Becka! Jawoll, Markus Sachau weer hüt Nahmiddag bi mi un hett mi sien Not klagt. Dar mutt en Fru in't Hus, Becka. Un he wull Se friegen, wenn Se man wüllt. Un Ehr Kinner möt en Vader wedder hebben, as Markus sin en Moder. Jüm beiden paßt tohop, Fru Lüders. Un wenn Klaus dit Spillwark beleben künn, wat sin Fru ut Trotz un Eegensinn sin Kinner alleen inne Kat lett, wo se ehr en gode Tokunft schaffen kunn, denn würd he anner Musik mit sin Fru maken as to de Tid, wa he leben däd. Markus hett Se leev, dat weet ick un dat weet Se noch veel beter as ick dat weet. Un wenn he as jung Kerl en Jammerlappen weer, so is he hart nog darvör straft worrn. Dat weet wi beiden ok. Un wenn de Mann nu kümmt un seggt: Becka, mak mi glücklich un geew uns' Kinner en Moder un lat mi din Kinner en Vader warrn, un wenn't wahr is, dat Se em froher nich gramm wesen sünd, dat Se ein fründlich an sehn hebbt, denn is't 'n Sünn un Schann, enn jümm beiden noch ut schiere Dickköppigkeit nich an eenen Strang trecken wüllt! …

Dat hett allens siene Tid: Freuden und Truer. De Truer üm den Doden will Ehr keen Minsch nehmen. Awer de Plicht vör de, de lewt, dörf dardörch nich ute Spor bröcht warrn. Ick segg Ehr noch eenmal: wenn Klaus hier bi uns stünn, he wörd seggen: nehm em, Becka, du büst dat de Kinner schüllig un di un mi; denn wa kann ick in'n Himmel glücklich wesen, wenn ick op de Erd dalseh, un seh dar nicks as Sweet un Armot un Sorg un Not in min Hus?!

Dat Jahr is üm, dar steiht juch nicks in Weg, wenn ji friegen wüllt, as de Afgunst un de Snack vun de Lüd. Den günn jüm, Becka, vun Harten. De Minschen wüllt doch ok en Freud hebben, wi ji juch freut! Un denk an de Kinner!«

Da weinte sie: »Ick kann Klaus ni vergeeten, Herr Pastor, ick kannt ni!«

»Schast du ja ok nich, min Deern! Sieh, nu geiht mi't mit di, as mi't hüt all mit Markus güng. Jümmer, wenn ick en goden Minschen vör mi heff, de bi mi ut de School kamen is, denn segg ick wedder »du« to em, wenn't mi warm umt Hart ward. Lat dat man so, Becka, wi verstahn uns denn beter.

Ick heff Markus all seggt, du weerst as'n anfreten Appel. Wenn de Worm nich ili rutsneden wörd, denn kunn ut de hartensweeke Becka Lüders mit de Tid en ol wrantig Wiew warrn, wat an'n leewsten de ganze Welt dodbeet. Di hefft de Tranen to fast seten, min Deern!

So is't recht, ween di örnli ut. Hest recht, kannst woll weenen, he weer en gar to goden Kerl, din Klaus. Wat de sick woll freun ward, wenn he süht, wat sin Kinner wedder en Vader hefft, de se leef hett, un de ehr en Kinnjes' int Hus bringt to Wiehnachten …«

Wieder, wie vor einem Jahr, strich er ihr leise über den Scheitel. Dann ging er stracks zu Markus Sachau und sagte ihm, er solle nur zu ihr gehen; sie würde sich schon bedenken.

Als Markus sie am Abend aufsuchte, hatte sie sich besonnen. Ruhig hörte sie ihn an. Darauf sagte sie: »Wenn He so will, denn will ik't don. Ick will as en Mudder vör de Kinner sorgen; awer sien Fru sien, nümmer kann ick dat. Will He mi nich as Deensten int Hus nehmen, denn mut He weten, wat He deit. Ick segg Em to'n letztenmal, dat ick dat üm de Kinner do, dat de Hoff ni verkümmt. Un dat He min Kinner god opnehmen ward, dat glöw ick ok …«

»Becka, wat schall dat »He« un »Se«! Wullt du mi jümmer fremd bliewen?«

Da sagte sie mit weicherer Stimme: »Lat mi Tied, Markus, ick heff di ja geern; awer ick kann nich din Fru warrn, ok wenn du mi din Namen gewen deist. Dar is ja keen Stunn, wa ick un Klaus nich tohopen sünd. Kunnst du dat wülln, dat ick in din Oogen, wil ick doch blots an em denk, en schlechtes Frunsminsch würd? Wullt du min Friheit laten, denn segg ick Ja. Besinn di god!«

Er aber besann sich nicht lange, sondern versprach ihr alles, was sie von ihm verlangte. Er dachte: sie ist krank, wenn sie erst mein Weib geworden, wird sie den Kindern eine Mutter und mir mein ehelich Weib sein; dann werde ich leben, dann wird sie mich zu neuem Leben erwecken, und ich werde ihr's danken in alle Ewigkeit!

 

III.

Der Butendiekshof des Marschbauern Markus Sachau lag hart am Schulsteig auf halbem Wege zwischen Audorf und Moorhusen. Kirche und Schule lagen in Ludorf, die Bauern aber wohnten in Moorhusen an der Chaussee, die in einem weiten Bogen durch die Marsch führend, zwei Städte der Geest zu Ausgangs- und Endpunkten hat. Oder sie wohnten in Einzelgehöften, die als Vorposten sich in früherer Zeit mutig vorgewagt hatten. Bis die Marsch weiter gewachsen war und ein neuer Deich den alten überflüssig machte. So war aus dem ehemaligen Außendeichshof längst ein mitten zwischen zwei Ortschaften liegendes Gehöft geworden. Nur eine schwache Landwelle verriet den alten Deich. Der neue lag eine Seemeile weiter nach Norden, über Audorf hinaus.

Der Schulsteig war ein Klinkersteig für Fußgänger. Wollte Markus Sachau mit Fuhrwerk nach Audorf oder über Moorhusen zur Stadt, dann mußte er erst einige hundert Meter auf einem eigenen über sein Land führenden Wege fahren, der in einen schmalen, tief gefurchten Lehmweg mündete, in dem im Winter oft der Wagen stecken blieb, nachdem er mit den Rädern bis an die Achsen eingesunken war.

In dieser Einsamkeit lebte Rebekka Lüders fortan mit ihren Kindern und ihrem Manne und dessen Kindern, mit Knechten und Mägden und Tagelöhnern, die zur Erntezeit von der Geest herunterkamen, um sich den Marschbauern als Arbeiter anzubieten. Besser wäre es für sie und ihren Mann gewesen, der Hof hätte noch einsamer gelegen. Vielleicht wäre nicht das Gerücht entstanden, die Butendieksleute lebten in Feindschaft miteinander. Schulkinder hatten es erzählt, daß die Bäuerin viel und laut schelte. Und liebe Nächste hatten gern davon Notiz genommen.

Die Hochzeit war Anfang Dezember ohne Feierlichkeit vollzogen worden. Der Zeitpunkt war nicht gut gewählt: täglich fanden große Gelage statt. Die einsame Marsch aber ist arm an Gesprächstoff. Der arme Markus, der sich nun doch noch von dem Katenmensch hatte fangen lassen, wurde einerseits bedauert, andererseits aber gönnte fehlgeschlagene Hoffnung dem Witwer alles Ueble, ohne aber mit der Schadenfreude zu Raum zu kommen.

Markus und sein Weib wußten von allem Gerede nichts. Sie verkehrten mit niemandem. Rebekka kam nicht von der Hofstelle. Und mit dem Bauern wagte niemand anzubinden. Er war ein starker Mann. Nur Gesine Mewes, die Frau des Gastwirts und Hökers Karsten Mewes in Audorf, fragte ihn, ob er krank wäre, weil er seit kurzem so sehr gebeugt gehe.

»'n jungen Ehgemahl un so wittsnutig inne Welt kieken, is dat ok'n Sak? Un nich to Ball un nich to Kaff visiten! Man müch jawoll reinweg denken, du stünnst ünnern Pantüffel! 'n Kerl as'n Eekboom! Mein Gott noch'nmal, wenn ick an din Städ weer, ick wull mi dat Lewen woll gemütlich maken. Schust man abends mal'n bitten lang kamen, Markus, wi wüllt di dat Leben wull gemütlich maken! Unse Gardinen könt das Smoken verdrägen, de sünd gar nich so nobel as Becka ehr, awer darför dörf min Kassen Mewes den Brösel ok den ganzen Dag inne Mund hebben.«

Markus hatte einen Peitschenstiel bei Mewes' kaufen wollen und war, wie es üblich war, in die Gaststube gegangen. Als er merkte, worauf Gesine hinzielte, zahlte er und ging seit der Zeit nicht wieder in den Krug.

Hatten die Kinder recht gehört? O ja, leider, leider …

Als Markus Sachau am Hochzeitsabend mit seiner jungen Frau das Schlafgemach betreten und dort um sein Mannesrecht gebeten hatte, wär eine flammende Röte in ihr Antlitz gestiegen. Dann hatte sie ihn von sich fortgestoßen und war aus dem Zimmer gegangen. Erst als sie ihn schlafen wähnte, hatte sie das Schlafzimmer wieder aufgesucht, sich im Finstern entkleidet und die ganze Nacht wach gelegen und sich stumm angeklagt, sie sei ein verworfenes Geschöpf, Ehebrecherin; Klaus und Markus würden sie nun beide verachten müssen.

Markus hatte sich schlafend gestellt; sie aber hatte gar wohl gemerkt, daß er wache. Am andern Morgen waren beide bei Tagesgrauen aufgestanden und an die Arbeit gegangen.

Auf der großen Diele wurde gedroschen.

»Do mi den Flögel, Hannis, un striegel de Peer hüt god«, sagte der Bauer, und, als er bemerkte, daß die Knechte ihn verwundert anschauten, weil er dreschen wollte und den Knecht unnötige Arbeit tun ließ, fügte er hinzu: »'t kunn wesen, dat wi vundag oder morgen anspannen lat.«

Tag für Tag drosch der Bauer mit seinen Knechten. Und wenn sie Feierabend machten, trug er selbst noch die Säcke voll Korn zu Boden, ganz allein, ohne daß ihm jemand die Säcke auf die Schulter warf. Kam er endlich zu Tisch, dann waren die Kinder bereits zu Bett geschickt worden. Rebekka hatte ihm stets, wenn er von Gängen übers Feld oder aus der Stadt zurückkam, seine warmen Hausschuhe vor den Ofen gestellt. Auch hatte sie sich einmal am ersten Abend vor ihm aufs Knie niedergelassen, um ihm die schweren Stiefel von den Beinen zu ziehen.

»Dank di, Becka,« hatte er nur gesagt, und hatte sich der Stiefel ohne ihre Hilfe entledigt. Er wollte keine Magd zur Frau, sondern eine liebende Gattin. Er aber sah nur die treue Mutter. Sie kleidete seine Kinder sauber, war fest, doch nicht hart in der Kindererziehung. Als im Frühjahr, einige Monate nach ihrer Hochzeit, sein ältester Junge, ein fünfjähriger frischer Knabe, beim Spielen an der Wetter ausgeglitten und in die Wetter gestürzt war, war Rebekka, die vom Hühnerhof aus den Unfall bemerkt hatte, ihm nachgesprungen. Sie hatte ihn aufs Land gebracht, ehe Hilfe kam und konnte sich an der steilen Böschung kaum so lange halten, bis der Knabe den Vater herbeigerufen hatte.

Das hatte die andere, die Verstorbene, nicht getan für ihr leibliches Kind. Er wußte das, und dachte das ganz klar, ohne sich vor der Toten zu schämen, deren Gedächtnis er dadurch entweihte. Aber seine Liebe zu Rebekka zog neue Kraft aus ihrer Tat. Sie aber hatte sich vor seinen werbenden, stummen Blicken abgewandt. Sie wußte wohl, daß er sie liebte; aber sie wollte nicht sehen.

Es verging kein Tag, an welchem er ihr nicht Liebes erwies. Die ersten Weidenkätzchen, die ersten Veilchen pflückte er ihr. Sie dachte: ist es schon je erhört gewesen, daß ein reifer Mann seinem Weibe Veilchen sucht. Wie muß er mich lieben, wenn er den Spott seiner Freunde nicht scheut, die doch wissen, von den Dienstleuten her es wissen, wie er es treibt!

Wenn dann aber ihr Gewissen ihr zuredete, doch von ihrer trotzigen Verstocktheit abzulassen, dann trat sie vor das Bild ihres ersten Mannes, das zuoberst in ihrer Lade lag. Und ihre Lippen kräuselten sich in alter Verbissenheit.

Sie konnte alle geschäftlichen Sachen ruhig mit Markus besprechen. Bei den Mahlzeiten, soweit die Kinder daran teilnahmen, sprach sie auch mit ihm. Auch vor den Dienstboten vergaß sie sich anfangs nicht leicht. Aber vor seiner Liebe mußte sie sich retten. Und das einzige Mittel war das Wort, das harte Scheltwort, der stichelnde Trotz, herausfordernde Undankbarkeit.

Einstmals brachte er ihr aus der Stadt Stoff mit für ein vornehmes Seidenkleid, wie es die Gräfin auf Heistergut nicht feiner haben konnte. Da warf sie ihm das Zeug vor die Füße: »Harrst di früher bedenken schullt, dar heff ick di dat seggt, dat dat nich dögen däd, wenn de Bur en armes Frugensminsch friegen däd, wil he sick doch davor schämen müßt. Dat kunn di grad so passen, mit di siden Fru to Ball to gahn un all de Lüd to wiesen: kiek, wat bün ick vör en hartensgooden Kerl! Kiek, wat ick de Plünndeern rutstaffeer! Schamen schußt du di, mi dat andohn to mögen. Jawoll, schamen schußt du di!«

»Becka! Ick kann nich davor, dat ick di leef heff; un dat günn mi doch, dat ick di en Freud maken dörf. Wenn du mi keen Freud maken kannst, denn hest du dat mit di sülben uttomaken. Awer min Freud an di will ick mi nich rowen laten. Wullt du vun mi gahn, denn segg dat fri herut, ick holl di nich. To'n Spitakel wüllt wi uns nich maken vor de Minschen un vör unse Kinner. Wullt du gahn, denn reis' in Godds Namen. Ick heff mit den Dokter spraken, he will kamen un di ünnersöken. Denn kunnst du malins en paar Monat oppe Geest reisen oder wohin du wullt. Villicht, dat di Seel dar sund wedder ward. De Kinner blift hier, vör de sorg ick …«

»Uennerstah di un bring den Dokter int Hus!«

So ging es schließlich tagaus, tagein. Er mußte seinem Weibe, der Hoffnung seiner Kinder und der Hoffnung seiner Seele Gutes tun. Und sie mußte ihr Herz und Gewissen, die beide mit ihr ins Gericht gingen, betäuben.

Einst kam er aus der Stadt, froher gestimmt als sonst. Bei Tisch nahm er Klaus, den ältesten Sohn des Klaus Lüders, auf seine Knie und sagte ihm, daß er zu Ostern in die Hohe Schule in die Stadt gehen solle, wie des Lehrers Fritz. Da jubelte der Knabe hell auf und fiel seinem Vater um den Hals und dann seiner Mutter. Die stand vom Tische auf und verließ wortlos das Zimmer. Markus hatte in ihr Gesicht geschaut. Da war es mit seiner Freude wieder vorbei. Traurig streichelte er dem verstört dreinschauenden Kinde die Backen: »Büst'n gooden Jung, min Klaus! Wi beiden wüllt uns jümmer good verdrägen, ni wahr, Klaus?«

Da weinten sie alle beide; der Knabe laut und heftig. In ihm aber weinte die Seele, die Ruhe suchte und sie nicht fand. Wieder hatte sein Weib eine Kränkung herausgefunden, gesucht. Wie nur sollte er ihr beweisen, wie ernst und heilig seine Liebe zu ihr sei? Drei Jahre fast waren sie verheiratet; aber noch hatte er in ihr kein Weib.

Sollte Markus der inneren Stimme folgen, die ihm zuweilen riet, mit den Fäusten dareinzuschlagen und sein störrisches Weib durch eine Tracht Prügel zahm zu machen?! Er wußte nur zu gut, daß dann alles vorbei wäre, vorbei die Hoffnung, ausgelöscht die Zukunftshoffnung auf endlichen Sonnenschein.

Erzwungene Liebe? Wäre die anders als erkaufte Liebe? Nein! Darum gab es nur das eine: in Geduld tragen, und hoffen, daß das Gemüt seines Weibes doch noch gesunden möge. Und war es denn nicht auch schwer, unendlich schwer für sein Weib, sich hineinzuleben aus der Enge heraus in den Wohlstand und Reichtum hinein, gemieden von den Bäuerinnen der Nachbarschaft, weil sie sie nicht anerkannten als gleichstehend, weil sie nichts in die Ehe gebracht als ihre Kinder und sich selbst?! Das mußte auf einer Seele, die feiner empfand als die protzigen Puppen oder starkknochigen Arbeitstiere der Marschenhöfe, die nur durch ihre Kleidung und einer dem Geldsack entsprossenen Haltung sich von den Dienstmädchen unterschieden, demütigend wirken, weil doch der Mann auch ein reicher Marschbauer ist. Und war sie überhaupt den andern Bäuerinnen gleichberechtigt, rechtlich gleichstehend? Waren ihre Kinder also den seinigen gleich auch von Rechts wegen?

Rebekka aber war hinausgegangen. Draußen im Garten pfiff ein feuchter Westwind über die Rosenbeete. Wie lange noch, dann würde der Herbst kommen und die Rosenbeete in alle Winde verstreuen! Wie lange noch, dann würde auch ihr Herbst erscheinen, ihr Herbst und sein Herbst. Dann könnte sie zehren von der Erinnerung an die seligen Jahre ihrer Ehe mit Klaus; aber Markus müßte in ihre stille Freude den Fluch schleudern, weil sie ihn um sein Glück betrogen hatte. O, was für ein schlechtes Weib, was für eine ungetreue Gattin war sie ihrem Manne bisher gewesen! Alles, was er ihr Gutes getan, zählte sie auf. Da hämmerte ihr Herz: kannst du denn den Mann, der das für dich und deine Kinder tat, nicht lieben, kannst du dem Manne nicht Sonne ins Haus schaffen? Kannst du ihm nicht ein liebes Wort sagen, ihm seine Liebe wenigstens durch gute Worte erwidern? Nein, nein! schrie es wieder in ihr, wenn ich das tue, dann ist's mit meinem Widerstand vorbei, dann werde ich zum Verräter an Klaus!

Das war die Hölle.

Markus aber ließ am andern Tage noch einmal anspannen. Einmal noch wollte er seinem Weibe beweisen, daß er sie liebe, wie er seine, ach nein, die Erste hatte er nicht geliebt, daß er sein Weib liebe, wie nur ein Mann sein Weib lieben kann.

Ach, Markus Sachau, du bist ein Marschbauer und meinst es gut. Aber du kennst doch nicht die Seele eines Weibes.

Als die Kinder schliefen und Markus aus der Stadt zurück war, legte er vor Rebekka ein Siegelschreiben auf den Tisch.

»Becka, hör mi to. Ick bün hüt bi'n Affkaten wesen un heff uns' Testament oppsett. Wi möt morgen fröh to Stadt; du müßt mit un din Namen vör den Affkaten ünnerschrieben. Denn ist't sowiet allns in Orrnung. Ick heff dat so dacht: Din Kinner neom ick vör eegen an. Wenn du vör mi mit den Dod afgahn schußt, denn arft de Kinner na minen Dod all to glieke Deeln. Wenn ick awer vör di starwen schull, denn behöllst du den Hoff un dat Vermögen. Wullt du bi Lewstiden affdeeln, denn heff ick dat ganz in din Belieben stellt, heff awer vör den Fall vör di en Olndeel fastsett, wat di en friees Lewen sekert …«

Einen Augenblick schien es ihm, als wollte der Alp, der auf dem Gemüte seines Weibes lastete, weichen. Aber sie schrie ihn an: »Swieg mi doch still von den Slavenhannel! Köpen wullt du mi, verköpen schall ick mi un mi wegsmieten an en Minschen, damit ick in't Oeller nich in't Armenhus bruk. Un damit min Kinner ehrn Vater vergeeten könt, de vör ehr slavt un sick affmaracht hett! Dat se nösten janich to weeten kriegt, dat ehr Moder en eenfache Katenfru weer! Dat hest di mal fein utdacht! …«

Un dann: »Ick schullt't maken, as Wine von Leevern dat makt hett!«

Da sah er sie entsetzt an und wankte ins Schlafzimmer und legte sich still ins Bett. Nun war ja alles aus. Sein Weib war krank, krank! Oder schlecht? »Se stickt mit de Tung as'n Adder«, hatte der Pastor gesagt. Nein, schlecht ist sie nie und nie! dachte Markus, sie ist unheilbar krank. Herr Gott, du strafst mich hart!

Rebekka ging mit großen Schritten im Zimmer auf und nieder.

Was hatte sie da gesagt? Sie sollte es machen, wie Alwine von Leevern es getan?!

Aus der Schlafstube hörte sie einen tiefen Seufzer ihres Mannes. Sollte sie ihn zum Witwer machen, sich zur Mörderin?

Sie erschauerte, als sie an Alwine von Leevern dachte.

Vor zehn Jahren mochte es gewesen sein. Sie hatte damals schon bei Michel Früchtenicht gedient. Da war bei dessen Schwager in Niendorf Silberhochzeit gefeiert worden. Rebecka war zum Gläserspülen mitgenommen worden. Die ganze Verwandtschaft der Früchtenichts und Hells war dort zusammengekommen. Auf der großen Diele waren Bohlen gelegt gewesen, zum Tanzen nach dem Festessen. Auch Alwine von Leevern, das schönste Mädchen in der Elbmarsch und damals die schönste unter den Marschenfrauen, war geladen worden. Ihre Eltern, die drei Höfe besaßen, hatten sie in der Stadt erziehen lassen. Mit kaum achtzehn Jahren war sie aber ganz unverhofft zu Hause angekommen. Schon nach sechs Wochen war sie die Frau des Hufners Franz von Leevern geworden. Als nach einem halben Jahr das erste Kind geboren ward, konnte es nicht leben. Die Eltern sagten, es sei ein Sechsmonatskind gewesen, darum sei es alsbald nach der Geburt gestorben. Auf dem Grab aber hat alljährlich ein Kranz gelegen aus Blumen, die in der Marsch nicht gedeihen. Wie der Marschennebel, so langsam und trübe, war damals ein Gerücht aufgetaucht, wonach ein junger Lehrer und Alwine von Leevern einander Treue gelobt hätten. Aber der Pastor, in dessen Hause das Mädchen lernte, sei dahinter gekommen, als es bereits zu spät gewesen war. Der Lehrer soll geschworen haben, daß er die Treue halten würde. Sie aber hatte sich den Drohungen ihres Vaters gefügt.

An dem Tage, an dem das Fest stattfand, hat Rebekka einen jungen Mann im Festsaal, auf der großen Diele, gesehen. Und ganz deutlich sah sie, wie Alwine von Leevern bleich ward wie der Kalk an der Wand, als sie diesen Mann gewahr ward. Als dann der Tanz anging, war der Fremde auf Alwine zugegangen und hatte sie zum Tanze aufgefordert. Willenlos hatte sie ihm folgen müssen. Drei Tänze hintereinander hatten sie getanzt, dann war der fremde Mann verschwunden. Als der Graf von Heistergut, der auch zu Gaste geladen gewesen, Wine von Leevern zum Tanze aufgefordert hatte, hat sie ihm einen Korb erteilt. Das hat an dem Abend großes Aufsehen erregt. Von Leevern, der erregt mit seiner Frau gesprochen, hat sie darauf stehen lassen und sich im Verlaufe des Abends stark betrunken. Kurz nach dem Fortgang des Fremden war Alwine aus dem Saal gegangen und nicht wieder zurückgekehrt. Als sie nach einigen Stunden immer noch nicht wiederkam, hat ihr Mann sie suchen sollen. Der aber hat einen bösen Fluch getan und weitergetrunken.

Am andern Tage, es war der vierte Advent, als die Gemeinde in der Kirche war und der Pastor gerade mit der Predigt angefangen hatte, ist der Gemeindediener zum Gemeindevorsteher an dessen Kirchenstuhl getreten und hat einige Worte mit ihm gesprochen. Der Gemeindevorsteher hat eine hastige Kopfbewegung gemacht und seinem Nachbarn etwas zugeflüstert. Darauf sind beide und mit ihnen noch einige Männer, denen sie zugewinkt, eilig aus der Kirche gegangen. Unter großer Unruhe hat der Pastor seine Predigt zu Ende gebracht.

Als dann die Kirche beendigt, ging es wie ein furchtbarer Schlag von Mund zu Mund: Alwine von Leevern is mit ehr dree Kinner verswunnen!

Am Nachmittag wurden alle Gräben und Wettern abgesucht. Man fand aber weder Mutter noch Kinder. Der Abend senkte sich früh aufs Land. An der Au rieben sich die Eisschollen klingend und klagend. Wie Leuchtkäfer krochen Lichter durch die Nacht. Männer mit Haken und Totenangeln suchten die Au ab. Vom Kirchhof herüber knisterten die rauhreifbehangenen Trauerweiden im Nachtwind. Die Lebenden, die Toten fand man nicht. Am folgenden Tage spürte von Leeverns Jagdhund, den ein Hofbesitzer am Sonntage mit zur Jagd genommen hatte, die Toten auf. Kurz hinter dem Gehöft des Hufners von Leesen war eine tiefe Tränke, an die niemand gedacht hatte, weil das Eis darauf seit langem hielt.

Hier hatte die Mutter im Ballkleid ein Loch ins Eis gehauen, dann die Kinder aus dem Schlafe geweckt, ihnen ihre Sonntagskleider angezogen und sie ins Wasser geworfen. Dann war sie selbst nachgesprungen. War es Verzweiflung gewesen oder Rache an denen, die sie zu einer verhaßten Ehe gezwungen?

Rebekka Sachau schauderte, als sie an den Jammer dachte: das jüngste Kindlein, ein Knabe von vier Jahren, war aus dem Eise heraus ans Land gekrochen und dort erstarrt in der Winternacht.

Sie horchte in die Nacht hinaus. Im Ofen säuselte der Nachtwind, gerade wie damals wohl, als der Knabe sein »Moder, Moder, ach help mi doch!« durch die Nacht gewimmert …

Im Stalle brüllte die Kuh, der man heute das Kalb genommen.

Rebekka sprang von ihrem Stuhle auf. In ihrem Kopfe hämmerten hundert Pulse. Hinaus in die Nacht, hinaus in die Sommernacht, daß ich nicht ersticke im Sumpf meiner Sünde, dachte sie und eilte hastig ins Freie.

Im Garten dufteten die Rosen. Da zog eine weiche Demut ihr ins Herz, und alles, was gewesen, lag in wärmerem Lichte vor ihrer Seele. Traumbefangen schritt sie um das rote Rosenbeet, als die Haustür aufgerissen ward und Markus Sachau durch die Nacht zur Wetter hinstürmte.

»Rebekka! Bekka!«

Da sah er sie.

»Wees doch still, Markus!« sagte sie.

Da kam er auf sie zu und umschlang sie fest und wild: »Segg, Becka, kunnst du dat don?!«

Er klammerte sich an sie, als ob er sie nicht wieder lassen wollte.

»Segg mi dat Eene, Becka: kunnst du dat don? …

Ick will di ja nich mehr quälen, segg mi, wat ick don schall. Allens, allens, wat du wullt; awer dütt nich, Becka, düt nich!«

Da schob sie ihn sachte von sich: »Gah to Bedd, Markus, du verkölst di.«

Da erst sah er, daß er ohne Nachtgewand ihr nachgeeilt war.

»Ick kam nah, Markus, lat mi noch en Stünn alleen!«

Da ging er ins Haus zurück.

Rebekka aber wandelte zwischen Rosen. Und der Duft der Blüten, warm und mild, schmolz das Eisen, das sie um ihr Herz geschmiedet, daß ein Ring nach dem andern abfiel und nur das edle Gold klar und rein leuchtete. Und in ihrer Seele sprach eine Gottesstimme: Du hast viel geliebt, Rebekka; darum wird dir viel vergeben werden. Dir ist viel zu vergeben, Rebekka, denn du hast das Pfündlein, das dir der Herr zugemessen, vergraben gehabt. Nun aber hat Gott dir Gnade erwiesen, danke ihm und freue dich deines Mannes. Geh hin und bitte ab, was du gefehlt! Sinnig ging sie ins Haus zurück. Im Scheine der Lampe entkleidete sie sich. Als ihr Blick in den Spiegel fiel, lächelte sie, lächelte die alte, die junge Rebekka Meinert ihr aus dem Glas entgegen: Grüß dich Gott, jung Weib!

Da blies sie rasch die Lampe aus, ging in die Schlafstube und zu ihrem Manne.

»Kannst du mi vergeben, Markus, wat ick di andahn heff?«

Sie suchte seine Hand. Und wieder: »Kannst du mi vergeben, min Mann?« Da richtete er sich auf und sah sein Weib, wie der Mondschein ihm auf den Scheitel fiel, und sah in ihr Angesicht, und fühlte, wie es ihm warm auf die Wangen tropfte. Da riß er sie an sich und küßte sie heiß auf Augen und Mund.

In dieser Nacht ward Rebekka das Weib des Markus Sachau.

 

IV.

Wenn einem Mitgliede der Kirchengemeinde Audorf eine große Freude oder ein tiefer Schmerz widerfahren war, wenn es nicht wußte, wohin mit der Freud', wohin mit dem Leid, dann klopfte gar bald der Pastor an seine Fensterruten: o, Michel Babenut, lat mi doch mal en Oogenblick in!

Und Trost im Leid, doppelte Freude ließ er zurück, wenn er wieder gegangen war. Da wußten die Audorfer bald, an wen sie sich zu wenden hatten, wenn ihnen die Freude oder das Leid über den Kopf wachsen wollten.

Heute abend war Markus Sachau bei Pastor Burmeister gewesen und hatte den Kirchgang seiner Frau angemeldet. Also sollte der Pastor am Sonntag von der Kanzel verkünden: wir danken dir, o Herr, für die Ehefrau Rebekka Sachau, daß du ihr in der Stunde der Gefahr beigestanden hast, und die heute ihren Kirchgang gehalten, um dir zu danken für das Kindlein, das du den glücklichen Eltern bescheret! Laß es aufwachsen zu deiner Ehre!

Ganz enttäuscht war Markus gewesen, als er die Pastorin nicht zu Hause angetroffen. Er hätte am liebsten der ganzen Welt von seinem Glück und seiner Liebe erzählt.

Pastor Burmeister war seit einigen Tagen alleiniger Bewohner des Pastorates. Das Dienstmädchen war zu ihren Eltern auf die Geest gereist, und die Pastorin mit ihren erwachsenen Töchtern zu Bekannten nach Hamburg gefahren. Dort sollte sie Pastor Burmeister in der nächsten Woche wieder abholen.

Der Pastor führte ein inniges Familienleben, liebte aber, von Zeit zu Zeit einige Tage völlig allein zu sein. Dann kam der Geist über ihn, und er saß an den stillen Abenden bis in die Nacht an seinem Studiertische und schrieb an der Chronik seiner Gemeinde oder über Obstbau oder, so sagte Nachtwächter Fürböter, er schrieb Geschichten. Und der Nachtwächter Fürböter mußte es wissen. Der wußte alles, was zwischen zehn Uhr abends und vier Uhr morgens in der Gemeinde geschah.

Heute abend arbeitete der Pastor mit besonderer Freude. So war es doch zum Guten ausgeschlagen, daß Rebecka Lüders den Markus Sachau genommen. War der harte Apfelschnitt nötig geworden bei ihr, oder war die Liebe allmählich gereift in ihr, wie die Frucht in der Sonne? Sonnenschein lag jetzt über dem Butendiekshof, er hatte sich kristallisiert in dem Kindlein, über dessen Wiege die glücklichen Eltern segnend ihre Hände breiteten und ineinander schlangen.

»Es hat lange gedauert, drei Jahre fast, ehe sie sich fanden; nun laß ihnen das Glück, mein Gott, noch viele, viele Jahre!« betete der fromme Seelenhirte der Audorfer Gemeinde.

Da klopfte auf der Diele, da, wo die alte Truhe stand der Totenwurm. Pastor Burmeister lächelte für sich hin, denn er dachte, es sei nur gut, daß seine Frau nicht dieses Klopfen hörte, und daß sie nicht während der Bohrarbeit der Totenuhr in der Eichentruhe gerade von dem seligen Frieden der Sachauschen Eheleute gesprochen; denn dann hätte seine Frau hinter dem Wunsche, daß dieses Glück lange währen möge, sicher sofort das Wort »unberufen« angebracht und dreimal mit dem Fingerknöchel unter den Tisch gepocht. Und wenn trotz dieser Zauberformel der Unglückswurm fleißig geblieben wäre, dann hätte sie möglicherweise die halbe Nacht nicht schlafen können.

Ein heftiger Windstoß schüttelte die Früchte von den Bäumen. Ganz deutlich hörte der Pastor die Aepfel fallen.

»Das ist doch sonderbar«, sagte er; »es war doch heute abend sternklar und windstill.«

Er öffnete das Fenster. Da wehte ein Küselwind die ersten trockenen Blätter in die Stube. Vorboten des Herbstes. Und gestern erst hatte der September angefangen.

Ein schärferer Wind begann mit den Fensterladen zu spielen.

Der Pastor ging hinaus und hakte sie fest. Da hörte er, wie ein Mensch mit eiligen Schritten über den Kirchensteig zum Deiche schritt.

Wer mochte so spät nachts noch über die Fähre wollen?

Wenn spät am Abend, wenn das ganze Dorf schlief, ein Mensch so eilig in umgekehrter Richtung gegangen wäre, dann hätte sich der Pastor gesagt: in der Au ist das Fährboot bei nächtlicher Ueberfahrt gekentert und der Schrecken eines dem Tode Entronnenen treibt den Dahineilenden, Hilfe für die zu holen, für die die Hilfe doch zu spät kommen würde. Wer aber mochte es sein, der jetzt noch zum Fährhaus wollte?

Dem Städter mögen solche Gedanken kleinlich vorkommen. Wenn er aber daran denkt, daß der Marschbewohner oft wochenlang keinen fremden Menschen sieht, daß er jeden, den er sieht, kennt und an jedermanns Ergehen Anteil nimmt, dann sind die Gedanken des Pastoren nicht gar so kleinlich. Denn er wußte ja, daß nur große Not, oder ganz übergroße Freude jemand um diese Zeit über die Au treiben konnten.

Als er wieder ins Zimmer trat, hatte die Lampe geschwält. Auf Decken und Büchern lagen schwarze Rußfäden und Flocken.

Und auf der Diele hämmerte der Totenwurm.

Und stärker fauchte der Wind.

»De schönen Aeppeln!« seufzte der Pastor.

Seine heitere Stimmung war verflogen, mit der Arbeit wollte es nichts mehr werden. Da stopfte er noch einmal seine lange Pfeife, seine Trösterin aus der Zeit, in der er noch unbeweibt gewesen. Wenn die ihm seine Gemütsruhe nicht wieder herbeizaubern könnte, dann wollte er seine Arbeit für heute aufgeben.

Vom Turm der Kirche schlug es Mitternacht.

Vom Schulsteig her, dort, wo Markus Sachau wohnte, klang Nachtwächter Fürböters Horn. Bis dahin reichte sein Reich. In Moorhusen hatten sie einen eigenen Wächter.

Ein jämmerliches Wehklagen hub an, durch die Nacht zu wimmern. Das war der Wetterhahn auf dem Turm. Wenn der Wind lange aus Osten geweht hatte und dann plötzlich nach Westen umsprang, ertönte dieses Klagen. Die Leute im Dorf waren abergläubisch. Sie trauten dem unschuldigen Wetterhahne die böse Eigenschaft des Schlechtwettermachens zu. Erst kürzlich hatte der Pastor dem Kirchendiener wieder gesagt: »De Windfahn mutt mal smert warrn«.

Iiiib, – – – iiüb, machte die Wetterfahne. Wie wenn Nachtgespenster umgingen.

Plötzlich wieder eilige Schritte. Wie ein von allen bösen Geistern gehetzter Mensch, so stürmte jemand über die harten Klinker des Kirchensteiges. Sollte die Au ein Opfer gefordert haben?

Erschrocken horchte der Pastor in die Nacht hinaus.

Da klappte die Gartenpforte. Dann wurde hastig an der Klingel gerissen.

Einen Augenblick wollte Furcht den Pastor befallen. Aber Einbrecher gab es in seinem Kirchspiel nicht. Und schlechte Menschen würden nicht so auffällig lärmend Einlaß begehren.

Festen Schrittes ging er und öffnete.

Draußen stand ein Mensch, wirren Antlitzes, bleich und mit keuchender Brust.

Da sah der Pastor, daß ein Unglücklicher vor ihm stand.

»Wüllt Se to mi?«, fragte er. Er ließ ihn ein und trat mit dem Manne in seine stille Stube.

»Herr Pastor, wo is Becka?«

»Sett Se sick dal. Sooo. Wo kamt Se …«

Der Mensch aber sprang wieder auf: »Wo is Becka?! Herr Pastor, wo is Becka? Becka Lüders von Audiek?!«

Wie dumpfe Drohung klang diese Frage.

Pastor Burmeister verstand den Mann nicht. Erst glaubte er, einen Irrsinnigen vor sich zu haben. Aber es mußte der Mann sein, der vor einer halben Stunde festen, wenn auch eiligen Schrittes über den Steig zum Deich gegangen war. Und der Mensch war ein anderer gewesen als der, der nun wie irr vor ihm stand.

Ehe der Pastor eine Antwort fand, packte der Rasende den Pastoren an der Brust und, seine Augen in die des Pastoren bohrend, schrie er in höchster Not: »Wo is Becka, segg ick! Wo is min Fru?«

Da wankten dem Pastoren die Knie.

»Mann, wer sünd Se?«

»Ick bün Klaus Lüders. Wo is min Fru?

Ick weer an Diek. Min Hus is weg. En niees Hus steiht dar. De Fährmann seggt, een Becka Lüders kenn he nich. Becka Lüders harr den Markus Sachau friegt. Ick heff den Aas inne Snut slagen … Wo is Becka Lüders?«

»De Mann hett de Wahrheit seggt.«

Da wankte der Mensch langsam zurück. Dann stand er, mit halb erhobenen Armen, gespreizten Fingern, weiten Augen wie eine Säule. Unbeweglich. Nur die Brust arbeitete wild, und keuchend hoben sich die Lungen.

Der Sekundenpendel der Standuhr schlug lauter Stunden.

Kalter Schweiß trat Klaus Lüders auf die Stirn. Er sank in sich zusammen. Stumm zog Pastor Burmeister ihn auf seinen Stuhl nieder.

Kein Wort des Trostes wollte ihm einfallen. Es hätte ja einer kommen müssen vorher, ihn selbst zu trösten.

War es überhaupt Wirklichkeit, die er lebte, war es nicht ein böser Alp, der ihn im Schlafe quälte? War der, der da auf dem Stuhle kauerte, überhaupt ein Mensch mit Fleisch und Blut, Klaus Lüders, der vor langen Jahren im Kriege gefallen war? Konnten denn die Toten auferstehen?

Er strich dem Manne über das Haupt, wie er getan, als Rebekka Lüders Witwe geworden war. Heute aber ging keine Kraft von ihm aus. Hier hatte der Herrgott ein Pfuschwerk geschaffen …

Oder der Satan sein Meisterstück …

Minuten schlichen wie Stunden. Aus den dunkeln Winkeln des Zimmers kroch das Grauen. Totenstill ward es im Zimmer. Nur die Uhr ging ihren Gang und der Herzschlag des Mannes, der da irr und wirr zusammengebrochen auf dem Stuhle kauerte, zeugte von Leben und Kampf. Auf seine Stirn gruben sich finstere Falten, und kaum merkliche Bewegungen des Kopfes zeugten davon, das alles in ihm brandete und lohte und kochte, daß er nur noch nicht Herr war seiner Glieder, daß er aber nach einem Entschlusse rang. Als der Pastor ihn so beobachtete, graute ihm vor dem Manne, wie es ihm einstmals gegraut hatte. Damals hatte er auch allein in der Nacht gearbeitet. Das Dorf schlief, und die Nacht war still. Die Fensterluken waren zu schließen vergessen worden. Als der Pastor von seiner Arbeit einmal aufgeschaut und sein Blick zum Fenster gewandert war, hatte er in ein scheußliches Antlitz geschaut. Draußen lugte jemand mit großen Glotzaugen und schrecklichem Antlitz ins Zimmer, stumm, ohne die Augen zu bewegen, ohne den Kopf zu drehen. Da war dem Pastor gewesen, als ob ihm die Haare einzeln zu Berge gestiegen wären. Er hatte sich nicht zu rühren gewagt. Wie gebannt hatte er dem Gespenst unter seinem Fenster in die Glutaugen schauen müssen. Erst nach Sekunden war ihm bewußt geworden, daß die Schleiereule, die auf dem Kirchenboden hauste, vom Scheine der Lampe angelockt, sich auf das Fenstersims gesetzt hatte. Da hatte er die Hand erhoben und den bösen Geist verbannt.

Der Blick der Eule! Daran mußte der Pastor denken, als er die starren Augen des Klaus Lüders sah. Nun schienen sie zu sehen, dann wieder blickten sie wie in weite Fernen. Jetzt schauerte eine harte Kälte aus ihnen, jetzt flackerte ein tückisches Feuer unter den Lidern. Die Zähne fest zusammengebissen, zuckte manchmal ein Nerv in seinem Gesicht, daß der Mann wie unter einem Hieb zusammenschreckte. Wie Erlösung aus schwerem Bann, so begann auf der Diele der Totenwurm wieder zu pochen. Hörte Klaus Lüders? Er hörte nicht.

Er wußte nur eines, daß er in einem Augenblicke aus einem hoffnungsreichen Manne ein armer Pracher, ein Ausgestoßener, ein Betrogener geworden war. Daß Rebekka das Weib eines andern geworden …

Da atmete er heftiger und hob wie suchend den Blick. Ein paarmal ließ er die Luft durch die Nase und schüttelte mit dem Kopfe dazu. Ganz deutlich hörte der Pastor ein »Ja« aus seinem Munde.

»Klaus Lüders, ja, Se sünd dat, ick glöw, dat Se dat sünd, wenn ick Se ok nich wedderkenn'n do, schall ick Se vertellen, woans dat allens kamen is?« Klaus aber war mit seinen Gedanken schon wieder weit weg und hörte nicht, was der Pastor sprach. Er ging mit hastigen Schritten im Zimmer auf und nieder, stand plötzlich still und legte die Hand an die Stirn. Er war aus der ersten Betäubung erwacht. Was er sann, war nichts Gutes. Der Pastor sah es deutlich an den Lippen des Mannes. Die Zähne leuchteten weiß, die Hände ballten sich zu Fäusten, und wieder rang sich das »Ja« aus seinem Mund. Es war wie ein langer Hauch. Wenn jetzt der Pastor nicht helfen konnte mußte ein Unglück geschehen, das die andern, die ebenso unschuldig an diesem Jammer waren, treffen sollte. Da legte er dem Klaus die Hand auf die Schulter und sagte:

»Uns' Herrgott hett Se drapen, Klaus …«

Die Kirchenuhr schlug zwei Schläge. Zwei Stunden hatte der Pastor bei dem Manne ausgehalten, wortlos, nur immer bereit, ein Unheil, das aus allen Ecken herausschleichen wollte, zu verhindern. Er würde den Mann nicht allein gehen lassen und sollte er mit ihm auf Leben und Tod ringen müssen. Er wollte ihn erst zur Besinnung kommen lassen, er mußte ihm Zeit lassen, eine Stunde und noch eine. Aber es waren fürchterliche Stunden. Kein Laut als das herzlose Tacken der Uhr, als der schnaubende Atem des Verzweifelten, als das Klagen der Wetterfahne, das nun aber wie ein Höhnen klang, wie ein Satanslachen. Und als der Satan die Oberhand gewinnen wollte, da mußte der Pastor das Schweigen brechen. Da sagte er, daß der Herrgott den Klaus hart geschlagen habe. Er wußte keinen andern Trost als diese Worte. Klaus Lüders aber hatte das Wort Gott verstanden. Er ballte die Fäuste und schlug mit ihnen auf den Tisch, daß die Tinte aus dem Fasse sprang und über die weiße Decke lief: »Herrgott?! Ick fleit op jugen Herrgott!«

Und jedes Wort besonders betonend, rief er: »Ick heff nich unsern Herrgott friegt, ick heff Becka Meinert friegt. Un Becka schall her, un wenn ick ehr ok blot dalslagen schull as'n Hund!!«

»Lüders, Se wüllt von unsen Herrgott nicks hörn. God, denn wüllt wi em ers mal ut't Spill laten. Awer Se sünd to mi kamen, wenn ok blots, wil ick noch Licht anharr. Villicht awer is dat en Teeken von Gott wesen, dat he mi hüt abend noch so lat hett opsitten laten. Awer lat uns ersmal von em swiegen. Ick segg, Se sünd to mi kamen. Nu möt Se mi anhörn. Un wenn Se denn ok noch von Dotmaken un son dumm Tüg snackt, denn könt Se don, wat Se nich laten könt. Sett Se sick dal, sünft snack ick keenen Ton wieder.«

Willenlos ließ es Klaus Lüders geschehen, daß der Pastor ihn zu sich auf das Sofa zog. Die Mütze drehte er in den Händen.

»Ick heff vör lange Jahrn mal en Jung kunfirmeert, dat weer en heel goden Minschen. Wenn ick jichtens en Minschen alles Goode günnen däd, denn weer dat disse Jung. Un he harr Glück. He kreeg de beste Deern in't ganze Kaspill. Un de beiden weern en Paar, as't man in Book steit. Dar keem de Krieg, un de Mann müßt mit. Un keem nich wedder. He weer fulln, so schreew de Hauptmann. Dar ween sick de Fru de Oogen meist uten Kopp. Dat se vör ehr dree Kinner nu alleen sorgen müßt, datt dat Unglück ehr Hus un allens nöhm, dat weert nich. Awer Se kunn dat nich verstan, datt ehr Mann, de so jung un stark ut'n Hus gahn weer, nümmer wedder kamen schull. Wat hett se tokehr gahn! Vun de leewen Gott wull ok se nicks mehr weten. Se arbeid un slav vun fröh bit inne Nacht. Se günn sick keen Freud. Se fung an, vör de Tied old un stief to warden. Un jümmer dacht se blots an ehrn Klaus. En Jammer weer dat, dit Spillwark mit antosehn. De Kinner wulln wat to eten hebben. Un schenken wull se sick nicks laten. Wat schull min Klaus wull darto seggen, wenn min Kinner Armlüdbrot eten müssen, säd se. Do keem Markus Sachau un wull se to sien Fru hebben. Awer se wull nich. Bit ick sülben ehr dat schließlich seggen däd, dat Klaus Lüders, wenn he vun Himmel to ehr snaken künn, wull sülben seggen wörd: nimm em, denn hebbt de Kinner doch wedder en goden Vader, un du hest dat nich mehr so swar. Nimm em, denn hebbt sien beiden lütten moderlosen Kinner doch wedder een goode Moder, de vör ehr sorgen un barmen kann!« Dar hett se dat dahn. Se sünd dree Jahr Mann und Fru west, awer se hett nich bi em slapen. Dat kann ick di vertellen. To Water gahn hett se wullt, awer nich bi em liggen. Un Markus hett se nich dwungen, he hett se tofreden laten. Bitt dat endlich vör een Jahr sowat dat Is smölt. Dar sünd se Mann un Fru worrn. Awer se hett di nich vergeten. In de Stuw hangt din Bild, Klaus, dat Bild, wat de Jahrmarktskerl mal makt hett. Dat hett se vergröttern laten. Un de Jung, de vör en Wäkener veer boren is, de schall din annern Namen hebben. Friedrich schall he heeten, wie du, Klaus Friedrich, un dat is'n gooden Nam. Denn de Freden, de so lange Jahrn den Butendiekshoff verlaten harr, de is dar nu inkehrt. Un so schallt ok bliewen. Is't ni so? …«

»Ne! …

Becka hört mi, un de Kinner sünd min!«

»Wat wullt du don?«

Da schrie er wild: »Dod slag ick den Kerl! Un wenn ick se nich hebben schall, denn schall se keener hebben!«

»Sooo! Un ick heff jümmer glöft, Klaus Lüders harr sin Fru leew! Nu seh ick, dat he een Swinegel is!«

»Herr Pastor!«

Drohend sprang er auf; doch der Pastor zog ihn wieder neben sich.

»Hör to, Klaus!

Weetst du noch, wosük du vör söben, acht Jahr hier inne Stuw tokehr güngst, as du dinen ersten Söhn to Kinddöp anmelden dädst? Herr Paster, sädst du, ick bün doch de glücklichste Minsch op de Welt! Ick künn vör min Fru to Water gahn!

Un weetst du noch, wat ick di darmals wedder seggen däd?

Klaus, säd ick, vör dat, wat man leef hett, in den Dod to gahn, dat is keen grootes Wark, darto hört nich veel Moot. Awer vör dat, wat man leef hett, to leewen, ok wenn't eenen mit dusend Arms int Water trecken deiht, dat is een Kunst, dat is de wahre Leef!

Darmals hest du nich verstahn, wat ick meenen däd. Un ick heff nich glöft, un erst recht nich höpt, dat du jemals in disse forchtbare Lag rinkamen künst. Nu awer büst du so wiet. Datt du den Markus ümbringen wullst, is je man'n Snack vun di. So'n Hallunk büst du nich. Awer datt du nu mit dusend Freuden to Water gahn kunnst, dat künn woll angahn. So mit den Düwelsgedanken: wenn ick nu hier, wo min Hus un min Glück stahn hett, un wo nu een deepe Waterkuhl op mi lurt, oder wenn ick in de Börnkuhl oder de Wetter achter Markus Sachau sien Hoff to Water angah, denn is se mi dar!!

Un wenn du dad dädst, wat denn?!

Wat wörd denn ut Becka un de Kinner? Wo bleef denn dat Glück?«

Da lachte er höhnisch: »Och sooo! Nu verstah ick! Wo blifft denn dat Glück?! De Kinner dörft ja nich weten, dat se en Vader hebbt, de nicks hett asn Hart vull Leef vör ehr! Un Becka mutt nu ja in Samft un Sied gahn! Ja, dat ick daran ok nich denken däd!«

»Scham di, Klaus! Ick heff jümmer dacht, du harrst Becka würklich leef!«

»Dat heff ick, weet de Düwel, dat ick se leef heff! Dag un Nacht bün ick fahrt, heff mi keen Ruh un Rast günnt, … un nu!«

Er sprang auf und ging mit hastigen Schritten im Zimmer auf und nieder. Dann lachte er kurz auf, dann ballte er die Fäuste, blieb stehen und streckte den Kopf vor, als ob er auf Stimmen in der Ferne lausche. »Jawoll, Lumpenkram is allens inne Welt! Ick stah hier un snack klok, as wenn ick üm en Perd schacher, stats hentolop un em dat Hus öwern Kopp antosteken …

Un ick do't! …

Adjüs, Herr Pastor!«

»Hollt! Noch eenen Oogenblick!

Kiek hier. Kiek hier dat Krüz int Karkenbook. Dat büst du!

Nu gah hen un bring din Fru un de Kinner um! Denn staht hier in Körten veer Krüzen mehr! …

Gah doch! Ick holl di nich!

Awer ick segg di, du büst nich wert, dat du Becka Meinert mal to Fru hatt hest! Pfui Deubel! Jawoll, kiek mi man grot an! Nu kann ick ok fluchen. Du wullt Klaus Lüders wesen, de Klaus Lüders, de sin Fru öwer alle Maaten leew hatt hett?! Gah doch, segg ick, un doh, wat di de Düwel int Hart stickt, gah hen un wies de Welt, dat du nich Klaus Lüders hetst, sünnern Timm Tode. Kennst em noch, den Satan in Itzhoe, hest em mal sehn in en Jahrmarktsbood, den Deubel mit de glurigen Oogen, un mit de blödigen Hann?! Rut ut min Hus, segg ick. Hier nehm ick en Klaus Lüders op, awer keenen Timm Tode!

Min arme Bengel, wat du mi duerst!«

Da warf Klaus Lüders sich mit dem Kopf über den Tisch und lag wie tot. Wenn er nur erst weinen könnte, dachte der Pastor. Gerade wie damals, als er zu Rebekka an den Deich gekommen war. Er setzte sich wieder und wartete. Und wartete wohl eine Stunde auf die Erlösung. Und hielt eine weitere Stunde aus. Klaus Lüders rührte, sich nicht. Nur zuweilen, dann zitterte der schwere Eichentisch unter seinem krampfhaften Schüttern.

Der Wind war draußen eingeschlafen, aber in dem Herzen des Mannes tobte der Sturm. Es war nicht ratsam, Oel auf die vom Sturme gepeitschten Wogen zu gießen, ehe das Brausen selbst aufgehört. Wie auch sollte der Pfarrer trösten, wo es keinen Trost gab. Pastor Burmeister selbst war ja ein vom Sturme des Zweifels gepeitschter Mensch. Herrgott, betete er, unerforschlich sind deine Wege! Du selbst hast den Mann und das Weib zusammengeführt. Vor dem Altare haben sie dir die Treue und einander die Treue geschworen. Nur der Tod soll sie scheiden. Nun leben beide. Also sind sie nicht geschieden. Aber die Lebenden auf Butendiekshof sind auch vor deinem Altare getraut, und nur der Tod soll sie scheiden. Zwei Männer, und jedem gehört das Weib; denn ich, dein Stellvertreter auf Erden, habe sie zusammengeschmiedet. Wenn sie aber dem Klaus gehört und auch dem Markus gehört, dann gäbe es nach Menschengedanken nur eine Möglichkeit der Lösung …

Pastor Burmeister, Pastor Burmeister, was für Gedanken kommen dir denn da?

Er blätterte im Neuen Testament, fand aber keinen Trost. Weder für sich, noch für den Unglücklichen.

Endlich sah Klaus Lüders den Pastor an: »Wat schall ick dohn, Herr Pastor?«

»Ick weet nich, Klaus! Lat uns nahdenken. Kumm her, min Jung, sett di an min Siet …«

Der Pastor hat sich später seiner Tränen nicht geschämt.

»Du mußt inne Welt, Klaus! Du hest din Becka leef, ick weet dat ja. Wenn ick vörhin anners snackt heff, denn weer dat blot, üm di von de slechten Gedanken, de di de Vertwiflung ingeew, afftobringen. Du hest din Fru leef. Un Becka is un blifft din Fru!«

»Is dat wahr, Herr Pastor? O Gott, denn will ick di affbeden, wat ick vörhin an di sünnigt heff!«

Seine Augen leuchteten auf in froher Hoffnung. Seine Sehnen strafften sich, und ein erstes Erinnern an den Mann, wie er vor fünf oder sechs Jahren ins Feld gezogen, leuchtete aus seinem Wesen heraus.

Der Pastor freute sich dessen und erschrak zugleich.

»Klaus, lat uns nu mal sinnig snacken. Ick säd di all mal, dat dat keen grotes Stück is, vör sien Fru, de man öwer allens leew hett, starben to wüllen. Awer lewen, un wennt noch so swar fallt, dat is de wahre Leew. Un ick frag di: Hest du, as du üm Becka anholln hest, un as ji tosamen weern, nich jümmer blots an ehr Glück dacht? Wullst du nich slaven un darben, blots üm ehr un din Kinner glückli to sehn? Un wullst du nich allens ut'n Weg rümen, wat ehr Glück möten künn? Segg sülben, is dat nich de wahre Leew, un hest du de?«

Klaus sah ihn ängstlich an und schwieg.

»Dat helpt nich, Klaus. Wi dörft hier garnich na di fragen un darna, wat ut Becka un ehr, ut din Kinner warrt, wenn du morrn na ehr hengeist un seggst: hier bün ick un hier bliew ick! Wullt du nich mal'n beten daröwer nadenken? Kann dat en Glück warrn, wenn Becka den Mann, den se leew hett, laten schall, üm mit di wedder tohop to trecken? Wees ganz still, Klaus, ick bün noch ni ant Enn! Ick segg di, din Fru hett di leew, so leew, as ehrn Markus; wees ruhig, Klaus, se hett di ebenso leew, so leew, villicht noch leewer. Ehr Leew to den tweten Mann is en annere as de erste Leew, de se to di hatt hett un noch in ehr Hart plegen und wahren deit. Awer se is echt, disse annere Leew, so echt as de erste. Nu hegt und plegt se beide un is still in ehr'n Harten. Di glöwt se bi unsen Herrgott un lewt so, datt se vör di eenstmal bestahn kann, wenn se mit din Kinner an de Hand vör di hintreden deit. Wullt du, blots üm dinetwegen dat all in Schörren slan? Darto büst du veel to good, min Jung.

Ick segg di noch eenmal: hest du de wahre Leew, dann kann ick di helpen. Wenn du di helpen laten wullt.«

Da sah Klaus Lüders den Pastoren mit einem Blicke an, der ihm in die Seele schnitt. Aber der ihn in seiner innersten Seele froh machte.

»Wat schall ick dohn, Herr Pastor?«

»Dank di, Klaus, üm Becka wegen dank ick di. Nu weet ick, dat du stark büst.

Du müßt inne Welt, so still, as du hüt Nacht kamen büst. Hest du Becka so leew, dat du dat vör ehr don kannst?«

Wieder ging Klaus Lüders auf und nieder. Er kämpfte den schwersten Kampf seines Lebens. Dann blieb er mitten im Zimmer stehen. Langsam hoben sich seine gekrampften Hände. Er atmete tief ein. Dann stieß er die Luft mit hörbarem Stoß aus, die Fäuste schnellten nieder … Klaus Lüders hatte den Schlußstrich unter sein Leben gezogen. Seine Augen leuchteten.

»Ja, Herr Pastor, ick willt versöken. Ne, ick will't don. Min Kinner schüllt vun ehren Vader nich seggen, dat he de Moder int Graww bröcht hett!«

»Süh, Klaus, nu büst du de ole, gude Klaus Lüders wedder. Recht, min Jung, ween di noch mal ördentlich ut.«

Und im Herzen dankte er seinem Gott für die Tränen, die er dem Manne schenkte.

Klaus Lüders nahm seine Mütze.

»Ick dank dem Herrn Pastoren veelmal!«

»Holt, Klaus, nich so ilig. Wat wullt du wull anfangen? Wi möt de Sak erst besnacken! Hier inne Gegend kannst du nich bliewen. Denn wenn de Sak rutkümmt, denn is dat mit Becka un ehr Glück ut, dat segg ick di. Ick heff in Amerika en gooden Fründ. Dar mußt du hen. Op den sien Farm kannst du ankamen, wenn ick di en Breef an em mit oppen Weg geew. Töw noch'n Oogenblick.«

Der Pastor setzte sich zum Schreiben nieder. »So, min Jung, darmit reis' denn in Gott's Namen. Un hier is dat Geld. Wenn du nun geihst, büst du mit dagwarden all in de Stadt. Kannst dar ruhig dörchgahn na'n Bahnhoff, in de Stadt kennt di keen Minsch mehr, du hest di'n beten verännert. Keen Wedderred, Klaus, dat Geld is di nich schenkt. Kunn wesen, dat du di dar en eegen Hus bun wullst. Un ick schriew di ok mal, oder ick schriew an minen Fründ. Dat fallt nich op. Ne, en Quittung kunn uns verraden. Du weetst nich, wa niegierig min Fru mitünner is. De kunn den Zettel find'n. Un denn weert Unglück grot.

Sett di noch'n Oogenblick dal. Ick will mal eben sehn, wat dar noch'n beten inne Kök to finden is för den Weg.«

Als der Pastor in der Küche das Brot schnitt, tropften ihm die Tränen darauf. Er nahm ein halbes Brot, Mettwurst und Schinken, knotete alles in ein Tuch und legte eine Neues Testament dazu, gerade wie Rebekka es einstmals getan.

»So, Klaus, nu gah mit Gott. Hier bliewen kannst du nich. Ick harr di anns geern de Nacht hier beholn. Awer morrn is Sünnabend, un dar kümmt Beecken Mudder to'n Reinmaken.«

»Herr Pastors?«

»Wat denn, Klaus?«

»Geit Bekka Sünndag to Kark?«

»Ja, Klaus, se will Sünndag ehrn Kirchgang holn.«

»Künn ick Bekka nich noch eenmal sehn, ick meen, so ut dit Finster rut, ehr ick in de Welt gah?«

Wenn der Pastor diese Frage nicht gefürchtet hätte! Nein, und tausendmal nein, er durfte sie nicht sehen. Könnte ein Mann, und wenn er sein Weib bis in den Tod liebte, sein einziges Glück sehen, greifbar nahe vor Augen sehen und dennoch verzichten?

»Min Klaus, wees en Mann! Ne, min Jung, dat geit nich. Wat du hüt Nacht dan hest an Bekka, dat harr di ünner dusend woll nich een Kerl namakt. Awer du büst ok man en Minsch mit Fleesch un Bloot. Wenn du Bekka sühst, denn is mi bang, wat all din Leew vor ehr di nich holn kann, hentoloopen un ehr totoroopen: Bekka, hier is din Klaus! …

O Gott! wat büst du een harten Vader, wat geist du mit din besten Kinner so hart in't Gericht! Nimm hier min Hand, Klaus! Ick heff so'n Hand, so leew un tru as din Hand is, noch nich drückt bet herto.«

Klaus schluckte und würgte den Schmerz, der in ihm auflodern wollte, mannhaft hinunter. Dann sah er den Pastor noch einmal an. Da wandte sich der Pastor ab, er konnte den Jammer nicht länger ertragen. »Gah, Klaus, gah, min Jung, un blief, as du büst. Du warrst din Bekka wedder sehn in een beter Lewen.«

Da ging Klaus, ging hinaus in die Nacht. Sein Haar war grau geworden in dieser Nacht. Der Himmel hatte sich bedeckt. Kein Stern leuchtete durch die Nacht. Pastor Burmeister stand vor der Tür und lauschte den auf den Klinkern verhallenden Tritten. Da blies der Nachtwächter auf dem Schulsteig. Vom Turme schlug es vier.

In dieser Nacht blieb das Bett des Pastoren unberührt. Und also betete er zum ersten Male seit vielen, vielen Jahren kein Nachtgebet. Zwischen ihm und seinem Herrgott stand eine Nebelwand; kein Stern leuchtete hindurch …

 

V.

Karsten Mewes, der Wirt von Audorf, hatte eine gute und tüchtige Frau von der Geest geholt. Aber Gesine Mewes ließ ihr Mundwerk sprudeln wie eine Quelle. Das Wasser des Quells ist klar; was aber der Wirtin von Audorf zum Munde ausging, war oft eitel Schlacke, wenn es auch noch so sehr nach Gold aussah. Die Bauern hatten ihre Freude an der maulfertigen und hübschen Frau. Sie kannte alle Geheimnisse des Kirchspiels und darüber hinaus. Sie war die große Zentrale für alle Neuigkeiten, Gerüchte und Geschichten, die in der Marsch umgingen. Sie war wie ein Krug, in welchen das Wasser fließt. Er kann viel in sich aufnehmen. Wenn aber das Wasser bis an seinen Rand gestiegen ist, dann läuft es nach allen Seiten über und fragt nicht lange erst, ob es auch Schaden anrichtet, und ob auch wohl die Blumen, die zu seinen Füßen blühen, ertrinken. Gesine war anders als die schwermütigen Frauen der Marsch. Ihr quickes Wesen, ihr Silberlachen, ihr »Heft all hört?« und ihre schwarzen Augen waren den Männern etwas angenehm Fremdes. Im Grunde ihres Herzens achteten sie »de Geestdeern« gering; aber wenn in der Stadt Jahrmarkt war, gingen sie doch auch zum Tingeltangel, wenn im Holsteinischen Hof die Wiesesche Truppe mit den schwarzhaarigen Mädchen, die noch Zigeunerblut in ihren Adern hatten, auftrat. Ganz so gering wie diese »Taters« achteten sie die Wirtin nicht; denn sie war die Tochter eines wohlhabenden Geestbauern. Aber Geestbauer blieb doch Geestbauer. Und es gab immer nur eine Marsch!

Gesine fegte das Laub vor ihrer Tür zusammen, als der Fährmann vom Audeich über den Kirchsteig kam. Hinnerk Fährmann war in seinen jungen Jahren als Knecht auf einem Ewer gefahren. Sein Gang war wiegend und bedächtig. Heute trug er den Hut schief in die Stirn gedrückt.

»Mein Gott, Hinnerk, was sühst du ut!« sagte Gesine, als Hinnerk mit einem scheuen Gruß an ihr vorüber wollte.

»Hest di doch nich mit Engel vertörnt hat hüt nacht?«

Sie lachte hell auf, als sie in das verdutzte Gesicht des Fährmanns blickte. Hinnerk hatte die Engel Bornholm gefreit, die Schwester der Antje Bornholm, die den Kutscher des Probsten zum Manne hatte. Die Leute neckten den Probsten wegen des Namens seines Kutschers, der hieß nämlich Düvel. Und den Fährmann neckten sie: »Hinnerk, du hest dat doch beter as de Probst. Süh, de mutt jeden Dag mit den Düwel fahren. Du hest blots den Düwel to'n Schwager, awer'n Engel in't Bett!«

Dann lachte Hinnerk geschmeichelt: »Jahaha, dat magst woll seggen!«

Gesine wußte, daß Engel Fährmannsch nicht gar ein wirklicher Engel war.

»Wat, Hinnerk,« sagte sie, »wullt doch nich bi minen Hus vörbigahn, ahn uns'n Groschen tom günn'n? Dat is kollt hüt morrn! Wonem wullt du hento?«

»Ooooh«, knarrte Hinnerk, »ick will to Amt!«

»Wat wullt du? To Amt wullt du? Kam in, Hinnerk, un drink erst'n lütten Grog. Ick spendeer een, dat Water kakt jüst.«

Damit schob sie Hinnerk vor sich her in die Gaststube und stellte ein Glas dampfenden Grogs vor ihn auf den Tisch.

»Nu segg, Hinnerk, wat hest't dar vor en Bul an'n Kopp?«

Hinnerk schlürfte bedächtig an seinem Grog. Dann sagte er, und die Worte klangen, als ob sie in seiner Kehle eingerostet gewesen waren; »Dat will'k di seggen. De Kloch mag sowat negen west sien güstern awend, do segg ick to min'n Engel, »Engel«, segg ick, »de Klock is sowat negen, mi ducht, wi gaht to Bett.« Un dat dädn wi ok. Ick kunn awer nich slapen un leeg so een Stuon nah de anner un dach an nicks …«

»Biwahre ok, Hinnerk, woans schußt du ok denken, wenn du bi din Engel in'n Bett liggst«, lachte Gesine.

»Dat maggst woll seggen, Gesine«, meinte der Fährmann. »Also ick leeg so bi min Fru un dach an nicks Slimms, dar mit'nmal ward de Dör losreten, un dar kümmt'n Kerl rin inne Stuw. Ick dach, dar wull noch een öwer de Fähr un will all ut't Bett, dar seggt de Minsch oppenmal mit en ganz förchterlich deepe Stimm, dat mi örnlich schuddern wart: »Becka, büst du dar?«

»Ne«, segg ick, »hier bün ick un min Engel …«

Dar seggt he noch'nmal: »Becka! Becka! wo büst du?«

»Hier gifft't keen Bekka«, segg ick noch'nmal. »Wo is Bekka Lüders?« seggt de Minsch. »En Bekka Lüders«, segg ick, »gifft nich int Kaspill. Bekka Lüders hett den Markus Sachau friegt!« Un so as ick dat segg, haut de Kerl mi een int Gesich un brüllt as'n Bulln: »Dat lüggst du Aas!!« Un boots, haut he en tweetes Mal to. Na, ick je ut Bett un will ersmal'n Rietsticken anrieten. Awer de Düwel weer weg, un as ick en Rietsticken anreten harr, dar stunk achteran de ganze Stuw na Swewel. Engel, segg ick, dat weer je woll de Düwel. Awer darvon wull se nicks weten. Ick schull maken, dat ick em bi de Bücks kreeg. Awer ehr ick min Bücks anharr, weer he lang weg. Ick heff Engel seggt, he müßt inne Kuhl sprüngn wesen, wo de ole Aukat stahn hett. As ick wedder ant Hus keem, leeg dar blots en rotbunt Snuwdook mit'n beten Poppenwark un sun Art Spelkram inknütt.

Awer slagen lat ick mi nich. Ick gah to Amt un will den Kerl verklagen. Min Engel seggt je, dat is keen Düwel wesen, dat is'n Kerl mit Fleesch un Knaken wesen, sünft harr dat nich so'n grassige Buhl vörn Kopp gewen.«

Gesine Mewes hatte hell aufgehört, als der Fährmann erzählte: ein Mann kommt mitten in der Nacht an den Audeich und fragt nach der Frau des Markus Sachau? Das war doch eine ganz merkwürdige Geschichte, die der trockene Hinnerk dort erzählte. Als Hinnerk gegangen, dachte sie tief darüber nach. Da sah sie Nachtwächter Fürböter kommen. Fürböter war bei Tage Schuster und wollte heute ein paar Schuhe beim Höker abliefern für einen Bauern in Moorhusen. Nach der Schule kamen die Kinder von Moorhusen und holten die Waren, die sie mitbringen sollten, und die auf einem Bestellzettel geschrieben standen, ab. Auch der Schuster lieferte dort oft geflicktes Schuhzeug ab, damit die Kinder nicht erst den langen Weg zu seiner Kate gehen sollten. Böse Zungen wollten wissen, Fürböter liebe den Grog gar sehr. Aber warum sollte er nicht trotzdem ein Kinderfreund sein können?

»Good, dat du kümmst!« sagte Gesine, als er eintrat. »Drink'n lütten Grog, Fürböter, de wärmt good vonmorrn. Dat is woll bannig kolt wesen hüt nacht!«

Der Nachtwächter setzte sich bedächtig und wichtig hinter den Tisch. Er schaute über die Straße hinüber zum Pastorat und schüttelte, als er den Pastoren im Garten sah, mit dem Kopfe.

»Wat kickst, Fürböter?

Segg mal, hest du vonnacht ok den Düwel sehn?«

Der Nachtwächter blies seinen Grog: »Dat Tügs is heet. Man mutt pusten, sünft verbrennt man sick de Tung.«

Da wußte die Wirtin, daß sie etwas Neues erfahren würde. Aber vorher mußte Fürböter einen zweiten Grog haben. Er war ein Philosoph und liebte es, seine Weisheiten in Orakeln zu verzapfen. Dennoch wußte Gesine, als er gegangen war, daß ihm heute nacht so gegen vier Uhr, als er von seinem letzten Gang heimkehren wollte, auf dem Schulsteig ein Mann begegnet war, der seinen Gruß nicht erwidert hatte; daß bis in den Morgen hinein, bis nach vier Uhr jedenfalls, beim Pastoren Licht gebrannt hatte; daß der Pastor wohl Besuch gehabt hätte; denn Fürböter habe deutlich gehört, wie drinnen ganz laut gesprochen worden wäre …

Nun dachte sie tief nach: um Mitternacht erscheint ein Fremder am Deich, die halbe Nacht hindurch hat der Pastor Besuch; um vier Uhr nachts geht ein Fremder über den Schulsteig; eine merkwürdige Nacht. Der Pastor also müßte Bescheid wissen. Und der Pastor müßte heute zu Tisch kommen; denn er aß während der Abwesenheit von Frau und Mädchen beim Gastwirt Mewes zu Mittag und zu Abend. Da beschloß Gesine, ihm ein Essen zu bereiten, das ihn gesprächig machen sollte wie den Esau das Linsengericht …

Als sie gegen Mittag den Tisch deckte, als sie eine Flasche guten Weines darauf stellte, als sie bald hier, bald, dort am Tischtuche zog, das Gedeck abrieb, daß die Teller blitzten, oder wenn sie immer wieder zum Pastorat hinüberschaute, war sie wie eine Kreuzspinne, die von ihrem Neste aus an den Fäden ihres Maschenwerkes zieht, um ihr Opfer zu fangen.

Aber der Pastor kam nicht. Er schickte die Stutenfrau, die ihm Semmel gebracht hatte, zum Wirte Mewes und ließ sich entschuldigen: er könne heute nicht kommen, da ihm nicht recht wohl wäre und er keinen Appetit habe. Gesines Augen leuchteten böse, und sie drohte mit der Faust zum Pastoren hinüber. Sie wußte, daß der Pastor sie längst durchschaut habe.

Da klingelte die Ladentür, und Lise Husmann, die Großdeern von Markus Sachau, kam mit einem Henkelkorb, um einzukaufen. Karsten Mewes wollte in den Laden gehen; aber Gesine kam ihm zuvor: »Lat mi, Kassen!« – –

»'n Dag, Lise! Na, wullt inköpen vör jugen Besök?«

»Wi hebbt keen Visiten vondag«, sagte das Mädchen, »ick schull tein Pund loosen Sucker holen. Un denn schull ick fragen, wat Se all …«

Aber Gesine ließ sie nicht weiterreden: »Wat, ji hebbt keen Besök kreegen? Ih, dat is denn doch snaksch. Kummt hüt nacht en Fründschopp von Bekka un will se an'n Diek besöken! Un de schull wedder weggahn sien ahn erstmal goden Dag to seggen? Schull de Bur dat woll nich weten dörfen? Awer ne, wat snack ick denn dar! So'n Fru, as ji hebbt! Wat schull de ok woll en Fründschopp hebben, ih ne, wat segg ick dar? Awer snaksch is't denn doch. Kummt merrn inne Nacht, bringt de Kinner allerhand Poppenkram mit un löppt so wedder weg, ahn sien Fründschopp goden Dag to seggen. Re ok doch, wat is't 'n Welt todag!«

Die Sonne wollte heute nicht wärmen. Ein feiner Schleier lag vor ihrem Antlitz und legte die weite Marsch in ein milchigdunstiges Licht. Kein Blatt rührte sich an den Bäumen. Friedliche Lämmerwolken schliefen am Himmel. Wer aber scharf zum Himmel hinaufschaute, wer die Spitze der hohen Tanne im Pastorengarten als ruhenden Punkt ins Auge faßte, der sah, daß die Schäfchen waren wie Wölfe in Schafskleidern. Wer an der Spitze der Tanne vorbei gen Himmel lugte, dem erschienen die lieblichen Lämmer alsbald als ein Heer reisiger Reiter, die Zug hinter Zug zum Angriff sprengten. Vorboten des Sturmes!

Pastor Burmeister stand in seinem Garten und sah die Wolken und seufzte. Weit vorn auf dem Schulsteige sah er ein schlankes Mädchen eiligen Schrittes auf das Gehöft des Markus Sachau biegen. Es war Lise, die Magd. Der Pastor hatte gesehen, wie die Wirtsfrau mit dem Fährmann und mit dem Nachtwächter gesprochen hatte, wie sie dann oft zu ihm hinübergesehen, vor die Tür getreten war, als ob sie zu ihm herüberkommen wollte. Und wie sie mit dem Mädchen des Markus Sachau lange Zeit im Laden geblieben war. Nun sah er das Mädchen, wie es unter den Pappeln verschwand. Er seufzte wieder und sprach vor sich hin: »Kummt de Storm? Och, denn brickt he de Ecken. Ji künnt juch nich bögen.«

Lise Hausmann stand sinnend am Feuerherd. Aus der Wohnstube schallte frohes Lachen zu ihr herüber. Der Bauer war zur Stadt gewesen und hatte den Kindern allerlei Herrlichkeiten mitgebracht. Nun saßen er und Rebekka auf dem Sofa und schauten glücklich der Freude der Kinder zu. Neben Rebekka stand die Wiege. Darin schlief der Säugling seinen gesunden Schlaf. Als Markus aus der Stadt zurückgekommen war, war sein erster Gang zur Wiege gewesen. Und seine Frau hatte ihm seinen Jüngstgeborenen mit leuchtenden Augen in die Arme gelegt.

Sollte Lise diese Freude dadurch trüben, daß sie der Frau erzählte, was Gesine Mewes wieder einmal zurechtgeklatscht hatte? Die Frau hatte ihr geboten, zu Hause kein Wort von dem zu sagen, was sie in dem Laden des Hökers von Audeich über Freunde und Nachbarn zu hören bekommen hatte. Aber heute war Gesine Mewes wieder einmal über die Frau selbst hergezogen, hatte sie vor ihr, dem Dienstmädchen, schlecht gemacht. Durfte sie da noch schweigen?

Die Bäuerin kam.

»Lise«, sagte sie nach einer Weile, »du singst je nich bi't Kantüffelschellen! – Fehlt di wat?«

Lise entgegnete, ihr fehle nichts. Aber sie seufzte einigemale, daß es Rebekka auffiel und sie sagte: »Deern, wo often heff ick ju seggt, ji schüllt Vertruen hebben to ju Herrschaft! Hest du Malör hatt, denn segg mi't leewer to rechte Tied. Dat is beter as wenn du to lat darmit to Ruum kummst. Un wenn't 'n dägten Kerl is, denn ward de Buer woll Ret weten.«

»Och ne, uns' Fru, dat is dat nich.«

Das starke Mädchen fing zu weinen an.

Und dann erzählte sie, was sie heute gehört hatte. Und stampfte zornig mit dem Fuße auf die Diele: »Un dat is allmindag ni wahr, wat de Fru seggt, wat Gesine man blot en Sludertasch is! Un dat se sünst en ganz gude Fru weer! Se is'n Rand un will nicks wieder as anner Lüd in't Unglück störten. Ick hefft ehr ok good gewen hüt namiddag! Wenn ick de Buer weer, ick slög ehr de Knaken in'n Liew twei!«

In ihrem Eifer hatte sie nicht bemerkt, daß die Frau bei ihrer Erzählung bleich geworden und dann still ins Zimmer zu ihrem Manne gegangen war. Als sie sich wandte und sich allein sah, erschrak sie und dachte: o Lise, da hast du was Böses angerichtet!

Rebekka aber sagte den Kindern, sie sollten weiter spielen und bat Markus, einen Augenblick mit ihr in die Besuchsstube zu kommen. Dann rief sie Lise: »So, Lise, nu vertell den Buern dat noch mal, wat du mi eben seggen dädst!«

Als das Mädchen mit ihrer Erzählung fertig war, konnte sie wieder in die Küche gehen, um den Abendtisch zu bereiten.

»Wat seggst du, Markus?«, sagte Rebekka.

Der Bauer sah verwundert auf seine Frau, weil ihm die tiefe Erregung, mit der sie die Frage aussprach, nicht entgangen war.

»Wat ick darto segg? Ick meen, datt dat wedder mal en Snack von Gesine is, as se all hunnertmal makt het öwer uns un anner Lüt. Ick will di seggen, datt dat wull god weer, wenn wi tokum Winter mal bi Mewes to Ball oder Haseneten gahn dädn. Gesine hett keen'n Gooden op di, wil se gläuft, du weerst hochmödig un höllst di to good vör ehr.«

»Un wieder, meenst du, weer dat nicks? An wenn dar doch wat an de Geschich weer, wasük schall ick vör di un du vör de Welt bestahn? En gooden Nam'n is bald vör de Hunn, wenn en böse Tund em darhenn hebben will. Awer dat is't nich alleen, wat mi so unruhig makt. Lat uns an'n Diek gahn, Markus, un Hinnerk Fährmann sülben fragen, wat dat wahr is, dat dar letzt' Nacht en Minsch nach Bekka Lüders fragt hett.«

»Wat hest du Bekka? Schullst blots mal in'n Speegel kieken, wat du von'n Hitten op de Backen hest! Ne, min Deern, wer en ruhig Geweten hett, de brukt sien'n gooden Namen nich lang natoloopen. De löppt em nich weg! Wi bliwt inne Kat hüt Awend. Hör blot mal, wat de Wind hult!«

»Wenn du mi leew hest, Markus, dann gah mit mi! Ick holl't nich ut, wenn ick nich weet, wat dat för en Minsch wesen is. Villicht, wat he mi Naricht öwer Klaus hett bringen wullt!«

»Dat is utslaten, Bekka. En Frömden sind nachts allmindag nich an'n Diek, un de Bekannten sünd alltohop sit nu bald fief Jahr ut den Krieg torüch. Awer ick will morrn, – Bekka! Deern, wenn du't denn affsluts wullt, ok hüt Awend an'n Diek un fragen, wat dar Wahres an drn dummen Snack vun Gesine is!«

»Ick gah mit!«

Markus mußte sich seiner Frau fügen. Sie brachte die Kinder früher als sonst ins Bett. Bei Tische sprach sie wenig und sprach in Hast. Die älteren Kinder schauten den Vater still fragend an. So kannten sie die Mutter bisher nicht. Die traurigen Jahre waren ihnen unter dem Sonnenschein des letzten Jahres aus der Erinnerung geschwunden. Aber keines fragte. Stumm gingen sie in die Schlafkammer. Die spitze Zunge der Gesine Mewes hatte ihnen den Tag, der kurz vorher noch so froh ausklingen wollte, verdorben.

Aus Nordwesten wehte ein feuchter Wind. Das Vieh auf der Weide brüllte nach dem warmen Stall. Der Herbst meldete sich früh. Markus ging auf dem Klinkersteig vorauf. Aus der Gaststube bei Karsten Mewes fiel ein heller Lichtschein über den Schulsteig, der die Dahinschreitenden blendete, daß sie froh waren, als sie auf dem dunklen Kirchensteig gingen. Die Vorhänge waren nicht herabgelassen worden, und Rebekka hatte deutlich gesehen, wie Gesine, mit dem Rücken gegen den Ofen lehnend, den Bauern lachenden Gesichtes eine Geschichte zum Besten gab. Zum ersten Male fühlte sie, wie ein Gefühl des Hasses in ihr aufwallte gegen die Frau, die ihr sicher nichts Böses gönnte. Aber eine unerklärbare Angst bebte in ihrer Seele, und immer rascher schritt sie durch die Finsternis, daß Markus besorgt den Arm um sie legte. Aber sie duldete es nicht.

»Lat mi, dat wi vorwärts kamt!«

Nun schritten sie über die Wetternbrücke und standen vor dem Tümpel, der Klaus Lüders' Haus verschlungen. Kein Stern schimmerte aus seiner Tiefe. Der Wind fegte stöhnend das Schilf, und kleine Wellen plätscherten unheilraunend ans Ufer. Zum ersten Male seit jenem Unglückstage stand Rebekka wieder an der Stätte ihres einstigen Glückes. Weiter drängte sie zur Kate des Fährmanns …

Nur wenige Minuten waren sie drinnen bei Hinnerk Fährmann gewesen, da wankte Rebekka an der Seite ihres Mannes stumm wieder am Deich entlang. In der Hand trug sie das bunte Taschentuch mit den dareingeknoteten Spielsachen. Als sie an der Wetternbrücke anlangten, dort, wo der Deichbruch die Kate fortgerissen, da versagten Rebekka die Knie den Dienst.

Da schrie sie in höchster Not: »Markus, dat weer sin Dook!«

Darauf verlor sie die Besinnung.

Der Bauer trug sein Weib über den Kirchensteig, durchs Dorf und über den Schulsteig auf seinen Hof. Er konnte sie noch aufs Bett legen und dem Knechte zurufen, sofort anzuspannen und den Doktor zu holen. Dann war es auch mit seiner Kraft vorbei.

Was hatte seine Frau gesagt? »Dat weer sin Dook!« Wessen Tuch meinte sie? Markus klagte sich an, daß er nicht fest bei seiner Weigerung geblieben wäre, seine Frau, die kaum vom Kindbett Genesen, mit an den Deich zu nehmen. Der lange Weg gegen den Wind über das freie Feld, die fiebernde Erregung vom Nachmittage her, das schauerliche Nachtbild des Weihers hinterm Deich und die wirren Reden des Tölpels von Fährmann hatten den Sinn seiner armen Frau verwirrt. Mit übermenschlicher Kraft hatte der starke Mann sein Weib eine halbe Stunde lang auf seinen Armen getragen. Und nun wartete er auf den Arzt und horchte den Phantasien seines fieberkranken Weibes.

Nach Mitternacht endlich kam der Arzt. Er fand Rebekka von einem hitzigen Nervenfieber befallen.

 

VI.

Seit Alwine von Leverns schauerlicher Verzweiflungstat war die Audorfer und Niendorfer Marsch nicht so erregt mehr gewesen wie in diesen Wochen, die dem Gange der Sachauschen Eheleute an den Audorfer Deich folgten. Die Kinder in der Schule, die Frauen auf dem Kirchwege, die Bauern im Kruge, die Knechte beim Pflügen und die Mägde bei der Kartoffelernte, sie alle kannten kein anderes Gespräch als das, daß Klaus Lüders, der in Frankreich gefallen war, in der Marsch umgehen sollte. Dem Nachtwächter und dem Fährmanne war er erschienen und hatte sie mit geisterbleichem Antlitze nach seiner Frau und seinen Kindern befragt. Und als Hinnerk Fährmann ihm die Wahrheit ins Gesicht gesagt, sei er unter schrecklichem Fluchen im Deichtümpel versunken, aus dem er herausgestiegen war. Aber niemand wagte, Markus Sachau davon zu sagen. Eines Tages sei er der Rebekka erschienen, und sie sei darüber vor Schreck zu Tode erkrankt.

Wahrheit und Dichtung formten wunderbare Mären, die immer weitere Kreise zogen, bis schließlich die Obrigkeit sich mit diesen Gerüchten befassen mußte. Nun wurde die Wahrheit auf doppeltem Wege zu ergründen versucht. Der eine führte über das Kriegsministerium in Berlin nach Frankreich, der andere über den Audeich ins Pastorat. Da mußte der arme Pastor bekennen, was er wußte. Er bat, die Herren möchten nicht zu Markus Sachau gehen, denn die Frau sei nicht vernehmungsfähig; Markus Sachau aber wollte er selbst die furchtbare Kunde bringen, weil nun ja doch alles an den Tag komme, und der Bauer nicht von weniger mitfühlender Seite den Schlag erleiden solle. Damit gaben sich die Herren aus der Stadt einstweilen zufrieden.

Gesine Mewes, bei der die Kommission ebenfalls zur Vernehmung gewesen war, lief weinend zum Pastoren und klagte sich mit bitteren Worten an, weil sie allein das Elend verschuldet habe. Pastor Burmeister richtete sie nicht. Aber er redete ihr hart ins Gewissen. Von der Stunde an war die Wirtin von Audorf schweigsam wie das Grab. Sie hat es nie völlig verwunden, daß sie die Schuld trug an dem Tode der Rebekka Sachau …

Wochen schlichen wie die Herbstnebel, trüb und träge dahin. Rebekka lag Tag und Nacht ohne Besinnung in schweren Fieberphantasien. Täglich kam der Arzt. Er sprach sich offen gegen Markus aus, daß es ihm wie ein Wunder erschiene, daß die Frau nicht längst der Krankheit erlegen wäre. Wenn sie noch einige Tage durchhalte, dann könne sie gerettet werden. Aber es wäre damit zu rechnen, daß ihr Geist nicht wieder ganz klar werden würde. Markus und Lise waren die einzigen, die an das Bett der Kranken durften. Der Bauer schlief kaum einige Stunden am Tage. Während der Nacht wachte er allein bei seinem Weibe.

Der Pastor kam täglich und fragte nach dem Befinden der Kranken. Er ging an jedem Tage mit dem Entschlusse aus seinem Hause, nun endlich dem Markus zu erklären, wie die Sache stände. Aber er konnte kein Wort über seine Lippen bringen, wenn er den Jammer des Mannes sah. Nun aber hatte er aus der Stadt eine Aufforderung erhalten betreffs der Aussagen der Ehefrau Rebekka Sachau und ihres Mannes Markus Sachau in Sachen des verschollenen, irrtümlich für tot erklärten Klaus Lüders. Es war eine Frist von drei Tagen gestellt worden.

Schweren Herzens ging er über den Schulsteig zum Butendiekshof. Die Kinder des Bauern kamen ihm scheu entgegen. Gerade fuhr der Arzt über die Hofstelle.

»Gute Hoffnung, Herr Pastor! Wenn die Frau die heutige Nacht übersteht, wird sie es durchholen und wahrscheinlich auch geistig gesunden! Wenn ich nicht ein so alter Heide wäre, würde ich Ihrem Gott schon heut ein Loblied singen.«

Der Pastor sagte nichts darauf, sondern ging zu Markus ins Haus. Er traf Lise in der Küche: »Lise, wullt du den Buern nich mal en Oogenblick afflösen? Gah mal rin un segg em, ick harr wat mit em to besnacken.«

Mit dem Mädchen zugleich trat er in die Stube. Der Tür gegenüber führte eine zweite Tür in das Schlafzimmer, in dem die Kranke lag. Als das Mädchen dem Markus den Auftrag ausgerichtet hatte, erschien der Bauer auf der Schwelle. Die Pantoffeln trug er in der Hand. Vorsichtig, lautlos schloß er die Tür. Man sah ihm an, er hatte unendlich gelitten in der letzten Zeit. Sein Gesicht zeigte Spuren eines tiefen Leides, das nicht allein die Folge der durchwachten Nächte sein konnte. Er setzte sich dem Pastoren gegenüber. Sie schwiegen beide.

Schließlich flüsterte Markus: »Wat en Jammer, Herr Pastor, wat'n Jammer! Nu hört Se blot mal! So snackt se jümmer!«

Er stand auf und schlich auf Socken zur Tür und horchte. Wieder legte sich der bittere Zug auf sein Antlitz. Ganz deutlich hörte der Pastor, wie Rebekka sprach: »Min Klaus, ja, nu bün ick ja bi di! Muß nich bös wän, Klaus, ick heff dat je nich wüßt!«

Sie lachte schrill.

Nun Stille. Dann wieder klagte sie: »Büst du dar, Markus? Dat is so düster. Lat mi nich alleen, Markus! Du büst de Beste, min Markus, hörst du? Du büst de Beste! Un Gesine is'n Windbütel, seggt Lise. An Lise is'n goode Deern …

Warüm seggst du nicks to mi, Klaus? Büst du noch jümmer bös, dat Markus min goode Mann is? Muß je nich, töf doch, ick kam je all! …«

Der Bauer hatte seine Hände über die Augen gelegt.

»Is dat nich forchtbar, Herr Pastor? Se glöwt in ehr Fewer, dat Klaus noch jümmer lewt. An wenn ick se denn bi de Hand'n fat, denn lacht se un seggt »Klaus« to mi. Oh, dat is forchtbar! Awer denn wedder makt se de Oogen wit apen un süht mi an. An den ward se ganz ruhig, as wenn ehr Gedanken klar weern un seggt: Du büst doch de Beste, tnin Markus!« Herr Pastor, wenn se mi dodbleew, ick hollt nich ut ahn mi Fru. Ick heff se to leef. Een Jahr erst!«

Die Kranke schwieg. Da sagte der Pastor: »Markus, du sädst, du höllst dat nich ut, wenn Bekka storw? Möt dat nich vele uthollen, de ehr Fru jüst so leew hebbt as du din Fru? Un schult uns' Herrgott nich noch ganz anners sin Minschenkinner drapen könen, as dat he ehr blot den Dod int Hus schickt?! …

Wenn Bekka nu in ehr Fewer de Wahrheit seggen däd, wenn Klaus Lüders nich fullen weer in Frankriek? Wenn he blot verwund wesen un jahrnlang ahn Verstand lewt harr, bet he mal vun en Böhnledder full in de Koppwund' wedder opbräken däd un em miteens fri tomod wörr, un he wedder wüßt, wer he weer? Wenn dat nu keen schwären Drom wer, sünnern de reine Wahrheit?!«

Da sagte Markus: »Herr Pastor! Ick heff Dag un Nacht bi min Fru wakt; mi is nich spaßig tomod. Un ick kann nich glöwen, dat Se ünner diste Umstänn mit mi ehrn Spaaß driewen künnen. Wat schall denn dit?«

Pastor Burmeister stand auf und stellte sich vor Markus hin und sprach: »Markus, dat bedüd, dat de Herrgott di harter drapen will as all sin annern Kinner. Denn Klaus Lüders is nich dod, he leeft un is an'n Audiek wesen, üm Bekka un de Kinner den Mann un Vader wedder to gewen!«

Da sah Markus Sachau in wortlosem Entsetzen auf den Pastoren: er wußte, daß der Mann, der vor ihm stand, die Wahrheit sagte.

Ueber sein Gesicht legte es sich wie ein Schleier. Kein Zug darin, kein Zucken in den Mundwinkeln oder ein Schließen der Augen verriet dem Pastoren, was in der Seele des Mannes vor sich ging. Er starrte nur immer auf einen Fleck, auf das Bild an der Wand, das er erst vor einigen Wochen, nachdem Rebekka sich von ihrer Niederkunft erholt hatte, hatte anfertigen lassen. Es war das Bild der Familie Sachau: Rebekka und Markus und die Kinder. Auch der kleine Friedrich war darauf.

Die Kranke begann von neuem zu reden.

Da nickte Markus mit dem Kopfe. Er nahm eine Tasse, die auf dem Tische stand, und trug sie so vorsichtig, als ob sie bis an den Rand mit köstlichem Wasser gefüllt wäre, zum Eckbord. Leise, leise, denn die Kranke schlief wieder ein, aber bewegen, bewegen mußte er sich, denn sonst wäre er ja nicht mehr auf der Welt. Und er wußte doch der unheimlichen Stille im Zimmer beweisen, daß er noch da sei, heute noch da sei, heute noch. Und er mußte die Finger einmal spreizen und darauf sehen, wie sie sich spreizten. Er wunderte sich; denn ihm war, als ob die Finger in unendliche Weiten sich verloren, als ob seine, Augenlider, wenn er sie aufriß, an den Himmel stoßen müßten. Er drehte wieder seinen Kopf dem Bilde zu und fühlte sich als Mittelpunkt der Welt, um den sich die ganze Welt herumdrehe. Jede Bewegung wuchs bis in die Unendlichkeit. Er selbst ward zum Punkt, zu einem Nichts, zu einem Etwas, das keine Daseinsberechtigung mehr hat, das keinen Schmerz, kein Verwundern mehr kennt, dem man die Seele aus der Brust gerissen. Er hätte wohl lachen können, aber das durfte er nicht, denn die Kranke schlief. Was tat er überhaupt noch in diesem Hause, das dem andern, dem Auferstandenen, gehörte? Er nahm das Bild von der Wand und schaute lange darauf. Dann sagte er: »Dit Bild is min, Herr Pastor. Wi hebbt noch een mehr davon, dat lat ick ehr

Dann schlich er zur Tür und horchte lange auf das Atmen der Kranken. Endlich ging er zur Lade und zog die Schlüssel ab.

»Herr Pastor, wüllt Se de Slötels an sick nehmen. Dat hier is de Slötel to de Lad. Aenner in de Lad is de iserne Kassen mit de Böker von de Bank un mit de Papiern. Mit't Testament blifft't, as't affmakt is.«

Er starrte wieder auf das Bild seiner Frau. Keinen Laut mehr sprach er.

Der Pastor mußte daran denken, wie Klaus Lüders gegen Gott und die Welt gewütet hatte, als den der Schrecken gepackt hatte. Markus Sachau wurde ihm unheimlich in seinem Schweigen. In seinem Gesichte rührte sich nichts. Kaum, daß er sich bewegte. Wenn er aber eine Bewegung machte, wirkte sie, wie die Ausführung eines Willens, eines Entschlusses, den der Mann gefaßt hatte. Die Lippen waren fest aufeinandergepreßt. In den vom langen Wachen geröteten Augen brannte ein unheimliches Feuer.

Der Pastor begann zu sprechen von dem Glück des Mannes und seiner Frau, von den unerforschlichen Wegen Gottes, vom Stillehalten …

Da stand Markus Sachau vom Stuhle auf und sagte: »Se hebbt Recht, Herr Pastor; ick warr woll erst noch stillholln möt'n. De Anner is je noch nich hier, un en Mann mutt op de Hofstädt wesen. Ick dank Se. An nu bitt ick Se, laten S' mi nu alleen. Lat uns nich wieder von Gott snacken. Ick künn mi sünst licht gegen em versünnigen. Adjüs!«

»Wann kann ick mit de Herrn ut de Stadt kamen, Markus?«

»Wenn Se wüllt, mi is't eendoon. Hebben Se keen Angsts Herr Pastor, ophangen do ick mi nich!«

Der Pastor wußte, daß Markus sich kein Leid antun würde, solange wenigstens, als er nicht entbehrt werden konnte. Darum ging er heim und ließ den Mann, an dem jedes weitere Wort verschwendet gewesen wäre, allein mit seiner Liebe und mit seinem toten Glück.

Markus aber ging zu seiner Frau und schickte Lise in die Küche und setzte sich an das Bett der Kranken und schaute still in ihr von Fieberglut entstelltes Antlitz. Alle Schönheit, die das wiedergefundene Glück erst kürzlich mit Rosenfarben auf die Wangen seiner Frau gezaubert hatte, war aufgezehrt von Fieberschauern. Wirren Haares, mit eingefallenen Wangen, auf denen zwei dunkelbraunrote Flecken glühten, mit verbrannten Lippen und geschlossenen Augen lag sie da, zuweilen unheimlich lachend, dann wieder schmerzlich winselnd und mit letzter Kraft an der Bettdecke zerrend, als wollte sie sich aufrichten und forteilen zu ihm, den sie immer und immer wieder mit Zärtlichkeit anflehte, ihr doch nicht mehr zu zürnen. Dann schüttelte Todesangst durch die Glieder der Kranken.

War überhaupt noch ein Rest fraulicher Lieblichkeit in dem vom Tode gefaßten Wesen übrig geblieben? Würde sie, wenn sie genesen sollte, nicht ein häßliches Skelett bleiben?

Ach, er, Markus, würde sie lieben müssen, müßte sie immer lieben, und wenn der schwarze Tod ihre Gestalt zu einem Schrecken für die Menschheit wandeln würde.

Er beugte sich über sein Weib und flüsterte zärtliche Namen in ihr Ohr. Er nahm ihre heißen Hände und legte sie an seine Augen.

Da fing sie von neuem an zu reden: »Denk an de Kinner, Klaus, se sünd so hungrie! Denk an de Kinner! Denn warrst du mi vergewen, wat ick di Böses dan, Markus, ick künn je nich anners. O, wat bün ick glücklich!«

Da faltete er still die Hände und flehte in heißem Ringen: Nimm sie zu Dir, mein Gott! Nimm sie zu Dir, ehe sie erfährt, daß ich sterben muß, wenn sie leben wird! Ich will ja dem andern Platz machen; aber Rebekka wird nicht leben können, wenn sie mich am Leben weiß. And wird nicht glücklich sein mit dem andern, wenn sie mich im Elend weiß.

Er kniete vor ihrem Bett und bedeckte ihre Hände mit Küssen. Da aber erschrak er und ließ ihre Hände und wandte sich ab und weinte bitterlich. Er durfte ja nicht mehr den Mund küssen und die Hände fassen, die noch vor einer Stunde ihm gehörten und die nun einem andern zugesprochen waren. Nun war er ein Ehebrecher geworden, denn er hatte das Weib des Andern geküßt. Waren es Baumschatten, die an der Wand entlang glitten? War es der Wahnsinn, der ihn packte? Er griff mit den Händen an die Stirn und vergrub sein Haupt in die Kissen des Bettes, in dem sein Weib …

Herrgott, laß mich nicht wahnsinnig werden! schrie es in seiner Seele.

Der Abend kam, die Nacht …

Er lag auf den Knien in stummer Betäubung und rührte sich nicht mehr. Da fühlte er eine Hand auf seinem Kopfe, eine kühle Hand.

Sein Weib war aus schwerem Traum erwacht, das Fieber war gewichen. Mit klaren Augen schaute sie ihrem Manne ins Angesicht. Er sah, wie sich ihre Lippen bewegten. Da neigte er sein Ohr zu ihrem Munde. Sie war zu schwach, um laut sprechen zu können.

»Water!« bat sie.

Markus netzte ihre Lippen.

Da nahm sie seine Hand und streichelte sie sanft.

»Min goode Mann!«, sagte sie leise.

Ihn übermannte der Schmerz und, alle Klugheit vergessend, weinte er laut an ihrer Brust. Alle Not der Seele, die in den Wochen der Krankheit gewaltsam eingedämmt worden war, alle Verzweiflung, die ihn heute nachmittag überfallen, und dazu jetzt sein Weib, befreit aus den Krallen des Todes, gerettet …? Und die furchtbare Angst vor der kommenden Stunde, das alles brach in einem leidenschaftlichen Tränenstrom sich Bahn. Und seine weinende Seele duldete die Liebkosungen einer Hand, die einem andern gehörte. Heute noch, nur einmal noch, dann wollte er seine Pflicht der Liebe, der höchsten Liebe, erfüllen.

Wieder hörte er ihre Stimme: »Is Klaus all hier?«

»Bekka!« schrie er.

»Wees ruhig, Markus«, sagte sie, »ick weet, dat Klaus lewt un hier wesen is. Och, Markus, ick gah ja ut de Welt! Awer wat ward ut di un ut Klaus?«

Er faßte ihre Hände, die er bei dem Namen des andern gelassen hatte, und drückte sie fest, daß sie in Schmerzen und dennoch selig lächelnd ihr Antlitz verzog.

»Bekka, Klaus schall ja kamen! und du schast em wedder hebben! Un ji schüllt Hus un Hoff hebben! Un ick will ja allens doon, wat ick kann, dat ji glücklich ward! Awer du schast nich starwen Bekka! Du warst wedder beter! Nu ward ja allens good! Nu is dat Fewer weg, dat böse Fewer! Bekka, wat ward din Klaus sick freuen, wenn he kümmt un sin Fru wedder hett!«

Er redete und redete und sah nicht, wie Träne auf Träne aus ihren Augen rann.

»Markus, wat büst du vor en hartensgooden Minschen!!

Wo sind de Kinner, min Mann? … Künn ick de Kinner noch mal ant Hart brücken, bevor ick to unsen Herrgott gah?«

Da lief er in das Schlafzimmer seiner Kinder und weckte sie.

In ihren weißen Nachtgewändern kamen sie zu der Mutter ins Zimmer. Sie küßte sie der Reihe nach und sagte dann: »West jümmer good to jugen Vader! Nu gaht to Bett, min leewen Kinner!«

Laut weinend gingen sie. Draußen fragte Klaus, der älteste der Knaben: »Mutt Moder starben, Vader?«

»Ick weet nich, Klaus! Bed vor ju Moder, Kinner, dat de leewe Gott ehr bistahn deit in unse Not!«

Als der Vater wieder zur Mutter gegangen war, trat sachte ein milder Tröster an die Betten der weinenden Kinder, daß ihre Tränen versiegten und sie dem milden Fingerdrucke des Gastes folgend die Augen schlossen und mählich einschliefen. Nur mitunter noch hob ein tiefer Seufzer die Brust der Schläfer.

Rebekka fragte ihren Mann nach dem jüngsten Kinde, das zu einer jungen Wöchnerin ausgetan war: »Markus, kunn ick unsen Lütten nich noch mal sehn?«

»Morgen, Bekka! Denn will ick dat Kind sülben halen. Nu slap, min Deern, slap di sund!«

»Ja, min Mann, ick warr bald inslapen un min Ruh find'n …

Markus! Wenn ick nich mehr bün: kannst du Klaus dat vergewen, datt he lewt? Gew em en Heimat wedder, Markus! Och, wenn ji beide Fründ'n warden künn, dat he un du, dat du un he tosam de Kinner …«

Aus ihrem Munde quoll ein Strom dunklen Blutes.

Sie schloß die Augen und lag ganz still …

»Bekka! du schallst nich starwen! Hör mi, Bekka!« rief er in Verzweiflung. Nach einer Weile öffnete sie die Augen. Da wusch er ihr Gesicht und Hände und kniete vor ihr und legte seinen Kopf wieder auf die Decke. Denn sie sagte, er solle den Doktor, den er rufen lassen wollte, nicht bemühen, sie wolle die letzte Stunde allein mit ihrem Manne sein.

Und endlich: »Wullt du mi den Dod licht maken, Markus?«

»Ja, Bekka, ja! Allens, wat du wullt! Klaus schall kamen! He schall …«

»Oh, min Mann, wat ick di leew heff!«

Und sie küßte ihn einmal und sagte, der Kuß gelte ihrem Nestküchlein.

Und küßte ihn wieder und sagte: »De is vor Klaus!«

Und küßte ihn ein drittes Mal, lange und innig. Ihre Stimme erstarb bereits, als sie hauchte: »De weer vor di, min Markus, min Seel, min Glück un min Trost!«

Dann lag sie noch eine Weile mit geschlossenen Augen und atmete regelmäßig und tief; aber der Atem ward schwach und schwächer und der Puls setzte zuweilen aus. Der Tröster aus dem Kinderzimmer rief seinen ernsteren Freund. Auf unhörbaren Sohlen trat er in das Zimmer der Ehegatten.

Rebekkas Ohren aber hörten schon den Boten Gottes. Ein seliges Leuchten flammte in ihren Zügen. In jugendlicher Schöne blühte sie noch einmal auf. Sie öffnete die Augen und lächelte Markus zu. Ihre Lippen bewegten sich, aber sie sprach nicht mehr. Ihre Seele ging ein zur ewigen Ruhe.

An ihrer Hülle aber kniete der Mann bis zum grauenden Morgen und hielt die Totenwacht am Grabe seiner Liebe und seines Glückes.


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