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Die Freundschaft.

Ich beabsichtige nicht, von der idealen Freundschaft zu sprechen, sondern von jener armen, alltäglichen Freundschaft, unsicher, wie das Wetter, beweglich, wie die Luft, fortwährend von tausend kleinen, elenden Leidenschaften gequält, heute wohlwollend und freundlich, morgen gereizt und rachsüchtig, bisweilen großmüthig, oft klatschsüchtig, fast immer leichtsinnig, nicht selten lügnerisch, die wir selbst auf hundert verschiedene Weisen beurtheilen und zu hundert Zwecken benutzen, in die Ecke werfen oder mit Liebe aufsuchen, abwechselnd zugestehen, wiedernehmen, verweigern, verschwenden, je nach unsrer Laune, unserm Bedürfniß oder unsrer Stimmung, und die so unbestimmt wechselnd ist, wie die Liebe, so mannigfaltig, unergründlich und wunderbar, wie das Menschenherz selbst. So verstehe ich also unter Freunden nicht nur diejenigen, welche diesen Namen verdienen, sondern Alle, denen wir ihn zu geben pflegen, mit denen wir den Anschein der Freundschaft unterhalten, die ganze Schaar von Leuten, die wir genau oder oberflächlich kennen, die wir lieben oder beneiden, denen wir wohl- oder übelwollen, gleichgültige, umschmeichelte oder gemiedene, nahe oder ferne, die wir seit unsrer Kindheit, oder seit gestern kennen, die mit uns durch hundert verschiedene Bande vereinigt sind, von deren jedem wir in gleichgültigem Ton und ohne das Wort auf die Wagschale zu legen, sagen: »Er ist einer meiner Freunde«.


Dies sind die Freunde, welche ich zu analysiren und zu zeichnen versuchen will. Sie sind nicht alle poetisch, und vielleicht kein einziger davon ist heroisch, es ist aber nicht weniger nützlich, sie zu studiren, als die Pylades und Orestes, denn welches auch die Meinung sein möge, die wir von ihrer Freundschaft haben, sie machen die Welt aus, in der wir leben, deren Stimmen

wir hören und die wir von allen Seiten sehen, die wenigen Leute, durch welche die ganze Menschheit vor uns repräsentirt wird: die ersten und einzigen Gesichter, die wir in der unendlichen Menge kennen, jenseits deren wir nur noch ein graues, trauriges Meer von Gestalten ohne Blut und Namen wahrnehmen. Jeder von ihnen ist für uns der Typus einer unzählbaren Menge von Menschen, aus ihnen schöpfen wir unsre Kenntniß vom menschlichen Herzen; mit ihnen sammeln wir die Erfahrungen des Lebens; nach ihnen beurtheilen wir unsre Spezies; gegen sie äußern wir einen großen Theil unsrer Gedanken, ein großer Theil unsrer Ideen keimt aus dem Samen ihrer Reden, und viele unsrer intellektuellen und moralischen Eigenschaften äußern wir und können wir nur in ihrer Gesellschaft äußern; unwillkürlich suchen wir ihr Lächeln, wenn uns das Glück begünstigt und ihre Hand, wenn uns ein Unglück trifft; und mögen wir nun in der Welt berühmt oder unbekannnt sein, so sind sie unsre befugtesten Richter, die treuesten Maler unsres Bildes, unsre kundigsten Biographen. Auf sie bezieht sich ein Drittheil unsrer Handlungen und Gedanken. Indem wir sie studiren, studiren wir die Gesellschaft, unsre Zeit, unser Land, alle Leidenschaften und uns selbst.

Der Gegenstand ist unerschöpflich und zeigt unzählige Gesichtspunkte. Werfen wir nun zuerst einen Blick auf denjenigen, welcher sich zuerst darbietet: die Zusammensetzung und Bewegung der Gruppe von Freunden, worin wir leben. Es ist wunderbar. Die Gruppe besteht aus Personen jeden Charakters, jeden Alters, jeder Profession, jeden Standes, welche zum Theil unter einander befreundet sind, zum Theil sich kaum kennen, und durch die Leichtigkeit, zusammenzutreffen, oder durch die Anziehung, welche Einzelne um sich her ausüben, verschieden wechselnde kleine Gruppen bilden, welche, wie die durch Regentropfen auf der Oberfläche eines Teichs erzeugten Kreise, fortwährend in einander übergehen. Diese große Familie von Freunden ist in fortwährender Umbildung begriffen. Alte scheiden aus, neue treten hinzu, entfernte kehren zurück; Glückswechsel, Heirathen uud Mißgeschick bringen jedes Jahr leere Stellen hervor; paarweise oder in größerer Zahl treten andre ein, die sich von andern Kreisen losgelöst haben und rufen neue Kombinationen zwischen den alten Freunden hervor, die Orte und Arten der Zusammenkünfte wechseln, wodurch die Gesellschaften verlegt, Nachbaren getrennt, Entfernte einander genähert, Bekanntschaften in Freundschaften verwandelt, innige Bande gelockert werden. Angesehene oder beliebte Personen treten aus und ziehen ein kleines Gefolge von Getreuen nach sich; andre kommen hinzu, bilden sich nach und nach eine Klientel und verdünnen die ihrer Nebenbuhler; einige erheben sich nach und nach zu den höchsten Posten, andre steigen herab, einige werden ausgetrieben. Ströme von Haß und Neid ziehen vorüber, durchkreuzen und verlieren sich; Zuneigungen entstehen und schwinden; Freundschaften voll Begeisterung werden geschlossen, dauern jahrelang und lösen sich dann wieder; Herrschaften erheben sich und werden gestürzt, Ruhmeskränze werden geflochten und verwelken, ohne über den Freundschaftskreis hinaus geglänzt zu haben. Jeder solcher Kreis hat seine Übermächtigen, seine Parias, seine Spaßmacher, seine Intriganten, seine Versöhner, seine Abenteurer, seine »Ehrwürdigen«, seine Paare von fortwährenden Nebenbuhlern und unversöhnlichen Feinden; eine Zahl von Leuten, die eine Art unbeweglichen Kerns darstellen, und viele, welche zwischen verschiedenen Kreisen hin und her schwanken; einige, welche hier ihre festen und sichern Freunde haben und anderwärts nur Zeitvertreib suchen, und andre, wo das Umgekehrte stattfindet; entfernt lebende, welche mit dem Hauptquartier ihrer alten Freundschaft einen regelmäßigen Briefwechsel unterhalten. Es giebt Freundschaftsbande, die sich nach verschiedenen Richtungen erstrecken, einige reichen durch die seltsamsten Verkettungen bis in den Pöbel, andre erreichen berühmte, mächtige Männer, durch welche der ganze Kreis eine gewisse organische Korporationskraft gewinnt, welche bald die Einen, bald die Andern sich zu Nutze machen. In diese einfachen Freundschaftsverhältnisse verflechten sich die Fäden andrer Beziehungen, Interessen, Studien, Professionen, Geschäfte, besonders schließt sich hier das zarte Gewebe der Freundschaften der Familie, der Frauen und Kinder an. Die Grenzen eines solchen kleinen Staates lassen sich nicht genau bezeichnen, sowenig wie die Grenzen eines farbigen Fleckes, der nach allen Seiten gleichmäßig abschattirt ist; aber jeder der dazu Gehörenden weiß ziemlich genau, wo sich sein Mittelpunkt befindet und kann ungefähr wahrnehmen, wie dessen Lebensverrichtungen vor sich gehen. Eine gewisse Zahl gemeinschaftlicher Ideen läuft darin fast regelmäßig um; neue Ideen dringen ein, werden in gewissen Gruppen besprochen, von den wenigen tonangebenden Denkern vertheidigt oder bekämpft und dann von den intellektuellen Parasiten angenommen oder verworfen; da entsteht die kleine Chronik, da wird sie ausgearbeitet und fast immer von denselben Personen und auf dieselbe Weise verbreitet; die Nachrichten nehmen immer denselben Weg. Dann hat der kleine Staat seine Bürgerkriege, seine durch den Willen Aller unterdrückten Skandale, seine Feste, seine Sammlung von Überlieferungen, seine berühmten Todten, seine fliegende Literatur; und fast Alle, welche darin leben, tragen im Grunde ihrer Seele ein bestimmtes Gefühl von Familienstolz, dessen sie sich nicht bewußt werden, solange sie sich unter ihren Freunden befinden, der aber unter fremden Leuten erwacht, wie es bisweilen mit dem »esprit de corps« bei einem schlechten Soldaten geschieht, der sich in Urlaub befindet.

Jedem von uns bietet die Gruppe unsrer Freunde eine fortwährende Beschäftigung. Bald ist ein neuer Freund unter unserm Schutz in die Familie eingetreten, den wir vorwärts zu bringen oder zu vertheidigen haben; bald müssen wir bei günstiger Gelegenheit einen andern, noch nicht hinreichend bekannten, auf die Probe stellen, mit dem einen eine Versöhnung anbahnen, mit dem andern eine neue Behandlungsart versuchen, weil die erste uns nicht geglückt ist. Unter unsern Gedanken müssen wir diejenigen auswählen, welche wir gewissen Freunden mittheilen können, und die, welche wir andern zu verschweigen baben, die klügste und wirksamste Art ausdenken, um diesem und jenem gewisse Dinge zu verstehen zu geben, Mittel und Wege finden, um im Herzen Anderer Dinge zu lesen, die wir wissen möchten. Auch ohne es zu wollen und ohne uns dessen bewußt zu werden, studiren wir unsre Freunde fortwährend: wir studiren ihre verschiedene Art zu denken, zu reden, zu lachen, zu gehen, zu grüßen, die Hand zu drücken, bis zu dem Grade, daß wir sie alle in unserm Innern mit wunderbarer Treue nachahmen können. Und das ist ein sehr nützliches und unterhaltendes Studium. Man betrachte nur die Verschiedenartigkeit der Hände. Im Verlauf von vierundzwanzig Stunden gehen uns durch die Finger große, fette Hände von guten alten Freunden, zwischen denen und uns, wie wir wohl wissen, im ganzen Leben nie der geringste Streit stattfinden wird; lange und feine Aristokratenhände, gebrechlich, wie ihre Freundschaft, welche einen zarten und achtungsvollen Druck geben und verlangen; unruhige Künstlerhände, welche durch ihren wiederholten nervösen Druck eine Freundschaft voll Sprünge und Launen ausdrücken; kurze und dicke Hände von untersetzten und eigensinnigen Freunden, welche eine nicht allzu zierliche, aber freimüthige und zähe Zuneigung versprechen; knochenlose, leicht entschlüpfende Hände von lauen Freunden, über die wir immer in Zweifel sind; Hände, welche den unsrigen an Größe, Gestalt und Hautbeschaffenheit so ähnlich sind, daß wir, wenn wir sie ergreifen, unsre linke Hand zu drücken glauben und in dieser Ähnlichkeit irgend einen Grund unsrer Freundschaft suchen. Dabei verfließt auch keine Minute, ohne daß jeder von ihnen uns nicht Gelegenheit zu einer neuen Beobachtung gäbe, der Ausdruck eines Lächelns, das wir noch nicht kannten, ein Ton der Stimme, der uns eine noch nicht berührte Saite in der Seele des Andern enthüllt, ein Wort, das uns ein Urtheil ändern läßt, eine auffallende Redensart, die wir uns aneignen, eine Nachricht, eine Seltsamkeit, ein Bild, ein Gedanke, ein Bruchtheil eines Gedankens. Alle sind unsre Lehrer in irgend einer Beziehung. Sie sind ebensoviele lebendige Bücher, die wir fortwährend durchsehen, abändern und verbessern, durchblättern und nachschlagen können. Die große Kette der Freundschaft zieht sich durch die Schule, die Armee, den Handel, die Wissenschaften, die Verwaltung, die elegante Gesellschaft, die Politik, und jeder ihrer Ringe enthüllt uns eine kleine unbekannte oder wenig gekannte Welt. Wir befragen sie und lernen Sitten, Persönlichkeiten, Begebenheiten, allgemeine Ideen und allerlei Begriffe über Kunst und Wissenschaft kennen, die unsern Gedankenkreis erweitern. Ebenso geht es auf dem Gebiete der Moral: jeder unsrer Freunde wird uns unwillkürlich zum Lehrer, scharfsinnig oder schwerfällig, höflich oder grob, der allmählich einen unsrer Fehler verbessert, uns von einer Eitelkeit heilt, von einer lächerlichen Gewohnheit befreit oder wenigstens irgend eine Ecke unsres Charakters abschleift. Als Geschäftsmänner finden wir in ihrer Gesellschaft unsre Rathgeber, als Schriftsteller entnehmen wir ihnen die ausdruckvollsten Züge, die lebendigsten Farben unsrer Persönlichkeiten, als Denker machen wir an ihnen die ersten Versuche mit unsern Ideen, als Politiker sammeln wir in ihren Reihen die erste Schaar unsrer Getreuen, als Familienväter suchen wir unter unsern Freunden die ersten Beschützer unserer Kinder. Kurz, sie sind der kleine, lebendige, redende Theil unsres Vaterlandes, der uns nahe tritt, und wenn uns eine Laune des Schicksals tausend Meilen weit von dem Orte verschlüge, wo wir uns befinden, und uns zwänge, in der Verbannung unter einem unbekannten Volke zu leben, so würde fast unsre ganze Traurigkeit von ihrer Abwesenheit herrühren, und bei der großen Freude der Rückkehr würde uns vorzüglich der Gedanke zulächeln, sie wiederzusehen.

Dies Alles ist freilich keine Freundschaft, es sind nur Sympathien, vorübergehende, wohlwollende Gefühle, Austausch von freundlichen Diensten; und doch quält uns dieses Gespenst der Freundschaft fortwährend. Alle ironischen Stichelreden, zu deren Zielscheibe wir sie machen, drücken weiter nichts aus, als unsern Verdruß und unsre Scham, sie nicht zu fühlen, wie wir sollten. Jenes Ideal von zwei Männern, welche sich mitten in der haßerfüllten Welt die Hände reichen, welche schwören und den Schwur halten, einander zu lieben und zu vertheidigen, ist etwas so Edles und Schönes, daß wir uns seinem Zauber nicht entziehen können. Es ist vergeblich: wir fühlen, daß in unserm Herzen außer dem Gefühle für die Familie und der Liebe noch für eine andre Art Zuneigung eine leere Stelle vorhanden ist, daß die Familie ohne die Freundschaft nur eine Oase in einer großen Wüste darstellt, daß selbst die Liebe zum Vaterlande nur ein leerer Begriff bleibt, wenn wir außerhalb unsres Hauses in diesem geliebten Vaterlande Niemand sonst wirklich lieben. Mögen wir immerhin behaupten, wir glaubten nicht an Freundschaft: in der Wirklichkeit betragen wir uns Alle, als glaubten wir eifrig daran; denn wir bemühen uns täglich, sie einzuflößen, wundern uns, daß man uns nicht entgegenkommt, geben uns der Täuschung hin, sie gefunden zu haben, versprechen sie aufrichtig, rechnen auf sie und beklagen uns jeden Tag über Enttäuschungen. Ihr gesegneter Name findet sich fortwährend in unserm Ohr, auf den Lippen, in der Feder, vermischt sich mit den schönsten Bildern unsrer Jugendzeit, mit der Erinnerung an die erste Liebe, mit den ersten Leistungen unsres Geistes, den ersten Proben unsres männlichen Sinnes. Und seien wir gerecht: auch diese unsre arme, schwindsüchtige Freundschaft hat ihre guten Augenblicke. Wir würden unserm Leben den größten Theil seiner schönsten Gefühle nehmen, wenn wir es aller der Stunden beraubten, wo wir geglaubt haben, wahre Freunde zu sein und deren zu besitzen. Mögen wir immerhin auch von unsern nächsten Freunden denken, daß sie uns im Unglück verlassen würden – und wir denken es fast immer, wenn sie abwesend sind – aber wenn wir ihre Hand in der unsrigen fühlen, ihre heitern, freundlichen Reden hören, dann ruft uns eine Stimme aus dem Herzen zu, es sei unmöglich, wir müßten uns schämen, Übles von ihnen zu denken. Nein, wenn wir auch zehnmal sagen, es gebe keine Freundschaft auf der Welt, können wir uns doch die Welt nicht ohne sie denken. Auf dem Grunde jedes Traumes von einem glücklichen Leben, wenn wir aus Ermüdung oder Menschenverachtung in die Einsamkeit flüchten möchten, wünschen wir uns für unser Alter, an unser Todtenbette die Gestalt eines Freundes, wir wissen nicht recht, welches von ihnen, eines der jetzigen, welcher ein andrer Mensch geworden sein wird, eines, den wir erst noch kennen lernen sollen, sei er eine Ausnahme, ein Wunder, aber ein wahrer Freund, an Gesicht und Herz ein Bruder, ein Beispiel jener heiligen Freundschaft, an die wir nicht glauben.

Sprechen wir also von der Freundschaft, da sie einen so großen Theil unsres Lebens einnimmt. Sprechen wir so, wie wir es bisweilen unter vertrauten Freunden thun, unbefangen, frei aus dem Herzen, mit einer Mischung von Ironie und Wohlwollen. Wir werden sicherlich keine unnütze Arbeit verrichten. Indem wir alle Winkel unsres Herzens durchsuchen, werden wir Erscheinungen ferner Freunde wiedererwecken, Gefühle aus der Kindheit, vergessene Geschichten aus unsrer ersten Jugend, Erinnerungen an Schwächen und begangenes Unrecht, die seit lange vergessen waren und unsre Selbsterkenntniß fördern werden. Wenn wir unsern Verdruß und Ärger wieder aufrühren, unsre kleinen täglichen Leiden genauer untersuchen, wird uns die Kleinlichkeit und Thorheit mancher davon sogleich sichtbar werden, und wir werden uns bemühen, uns davon zu befreien; andere werden wir in demselben Augenblicke los, wo wir ihre Lächerlichkeit aufdecken. Auf tausend Wegen werden wir dahin geführt, den Wechselfällen unsres täglichen Lebens größere Aufmerksamkeit zuzuwenden, diejenigen von unsern Fehlern, welche uns die Freundschaft erschweren, genauer kennen zu lernen, unsre Freunde genauer zu studiren, sorgfältiger nach den Mitteln zu suchen, um mit jedem gut auszukommen, uns Schmerzen und Gewissensbisse zu ersparen, uns manches Vergnügen und manches angenehme Gefühl zu verschaffen. Vielleicht finden wir auch auf unserm Wege manche unerwarteten Blüthen der Poesie, die uns um so schöner erscheinen, weil sie mitten im Staube emporgewachsen sind. Wenn wir die ideale Freundschaft den Dichtern überlassen und uns mit der thatsächlichen, kümmerlichen Freundschaft begnügen, welche wir im Leben vorfinden, so wird es uns vielleicht ergehen wie dem Physiologen, welcher in seinem allmählichen Vorschreiten von Analyse zu Analyse, von Geheimniß zu Geheimniß bei dem unendlichen Studium

der Natur die Begeisterung seines alten religiösen Glaubens eingebüßt, in der Wissenschaft selbst aber eine neue Begeisterung findet, welche ihn nicht weniger hoch, als die erstere, über die Gemeinheiten des Lebens emporhebt.


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