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Erstes Kapitel.

Vor dem Rathaus auf der langen Brücke drängte und wogte es hin und her. Leute allerlei Standes, Männer, Frauen und Kinder standen vor dem hohen Gebäude, und es ward immer lauter drinnen. War es nur eine herkömmliche Sitzung der Ratmannen der vereinigten Städte Berlin und Köln, wie sie alle Montag um acht Uhr in der Frühe, und dann Donnerstags wieder früh gehalten werden; aber so hitzig war es seit Menschengedenken nicht zugegangen. Die Stimmen überschrieen sich, daß man itzo vor dem allgemeinen Lärmen gar nichts hörte, und es war, wie wenn Bienen summen, und die Käfer vorm Stock hören keine raus. Aber dann schrie einer so, daß alles schwieg, aber nun schrie ein anderer noch lauter, und der vorige mußte wieder schweigen, und nun hörte man sie auf Tisch und Bänke springen, und hochrote Gesichter zeigten sich an den Fenstern, wie man deutlich durch die kleinen Scheiben sehen konnte.

Es war aber das Rathaus der vereinigten Städte Berlin und Köln, ein hohes und stattliches Gebäude, als man gleich hören wird, in all dem bunten Schmuck der Zeit, wo es entstanden. Wie man weiß, führte die kurze Brücke, welche »die lange« heißt, ihren Namen damals mit mehr Recht. Sie verband Köln und Berlin; aber da, wo sie heut an der Burgstraße endet, berührte sie vorerst eine morastige Insel, über die sie hinweg nach einem nun verschwundenen Spreearm führte, welcher durch die jetzige Heiligegeiststraße floß. Über diesen hinweg berührte ihr anderes Ende erst das eigentliche Berlin, das hinausging bis ans Oberberger Thor, da wo die steinerne Brücke ist; und dahinter ist der Ochsenkopf. Also war es gewiß eine lange Brücke. Mitten auf der langen Brücke nun, wo die Sümpfe waren und Weideplätze fürs Vieh, und unten trieben die Färber ihr Wesen, da stand das gemeinschaftliche Rathaus. In der Hast ausgeführt, weil man's bedurfte, als die Städte sich zusammenthaten zu einer, war es nicht so fest und von dicken Steinen, als die großen Rathäuser in andern reichen Städten. Darum dauerte es auch nicht über das Mittelalter hinaus, und ist keine Spur davon übergeblieben. Waren kaum die Untermauern und ein Teil des Erdgeschosses von Stein, und wo's war, waren's nur Backsteine. Das andere ruhte auf Pfahlwerk, und waren die Obergeschosse alle Fachwerk. Aber zur Zeit, wo beide Städte dieses Rathaus zu gemeinsamer Ehr und Nutzen aufführten, was um ein hundert und einige Jahre früher geschah, als diese Geschichte spielt, baute man in Fachwerk nicht minder kühn und lustig, als in Stein und Mörtel. Da fand man dieselben Formen in den himmelhohen hölzernen Häusern wieder, über die wir in den gotischen Baudenkmälern der Vorzeit aus Sandstein und Marmor staunen. Ja die Laune erging sich noch wunderlicher und bunter in dem gefügigeren Holze, da der Stein strengere Gesetze und Regeln vorschreibt. Die überragenden, oberen Geschosse, mit wunderbar geschnitzten Balkenköpfen, die ausgebauten Ecktürmchen und Söller, wodurch die engen Straßen oft ganz überdacht wurden, davon war nicht der Mangel an Raum allein der Grund; es war ebenso oft die Laune des Baumeisters, der im Himmel an Spielraum gewinnen wollte, was ihm auf Erden zu schmal zugemessen war. Waren diese Bauten auch gar nicht so gefährlich, als man meint. Wenn einer so bauen wollte heut, ach was würden sie schreien, und die Nachbarn dächten, es müßte übermorgen ihnen auf die Köpfe fallen. Aber schaut Euch doch um in den vielen hölzernen Städten unseres lieben Deutschlands. Drei, vier, fünfhundert Jahre hat ein solches Holzhaus aus dem Rücken: freilich ist der Nerv kernige Eiche. Es krümmt sich auch wohl vorm Alter und liegt über, aber es fällt nicht. Noch stehen diese übergekragten, kunstvoll geschnitzten Häuser in Halberstadt, Hildesheim, Nürnberg, wie umgekehrte Pyramiden; sie verloren in keinem Jahrhundert ihr Gleichgewicht. Erst in dem unsern trägt man diese Schmuckkästlein bürgerlicher Baukunst allmählich ab, nicht aus Not und Fürsorge; aber der Sinn änderte sich. Er will itzo leere Räume um sich haben, um behaglich zu sein, wo die Väter sich einschachtelten, um warm zu sitzen.

So ragte auch das Rathaus zwischen Berlin und Köln mit seinem bunt verzierten Oberbau und den vielen zierlichen Türmchen über die anderen Häuser hinaus. Die Türmchen, nicht zur Verteidigung, es war nur Spielwerk, schauten nach allen Stadtteilen; der mächtige, vielfach ausgezackte Giebel aber war dem Spreeflusse zugewandt. Er durfte nach keiner der beiden Städte blicken. Wäre es doch zu Ungunsten der einen oder der andern gewesen. Das litt keine. Darauf gab man viel im Mittelalter, und fürchtete und scheute das Spiel des Zufalls. Das Holzwerk war nicht überputzt, aber künstlich ausgeschnitzt und rötlich gefärbt, glänzte es schon von fern Dir entgegen, und das Auge sah die ganze Gliedrung des wunderlichen Baues. Wie schöne Mohren und Türken und allerhand Ungeheuer zeigten die kunstvoll geschnitzten Balkenköpfe, und wie grimmig gähnten die Drachenköpfe von den Wettertraufen! Und wie waren die Stiele zierlich überkreuz gefugt, daß es wie ein queres Schachbrett aussah oder das Wappen der Bayernfürsten, so über das Land einmal geherrscht. Und überall, wo eine Mauerwand sich bloß gab, war sie mit bunten Malereien überdeckt. Die Helden und Weisen aller Zeiten, auch die Königinnen und Schönen der ritterlichen Höfe waren hier zu sehen; alle, Griechen, Römer und Hebräer als die der Fabel in der buntesten, scheckigsten Modetracht des abgelaufenen Jahrhunderts. Da ritt der heilige Georg und tötete den Lindwurm, der heilige Florian goß Wasser über die Feuersbrunst, und der heilige Martin teilte mit dem Schwert seinen Mantel mit dem Armen, der ihn anbettelte. Aber unter den Thüren und an den Ecken noch einmal, stand, in Holz gehauen, der große Christophel; denn der das Jesuskindlein trug, das ist die Welt, des Schultern sind wohl stark genug, um ein Haus zu tragen. Aber an allen Ecken hingen die Wappen von Berlin und Köln, ihrer Geschlechter und der verbündeten Städte. Der kaiserliche Doppeladler breitete seine Flügel über dem Hauptthor aus, der Hohenzollernsche hatte nur ein bescheidenes Plätzchen daneben. Am lustigsten sahen die bunten Fahnen aus, so von den Giebeln und Türmchen herab im Spiel der Winde flatterten. Die Würde der Obrigkeit verschmähte es nicht, auch durch ein heiteres Zeichen ihre Gegenwart den Bürgern darzuthun. Da wehten die Fähnlein der Städte von Alt- und Neu-Brandenburg und Frankfurt, von Prenzlow, Bernow, von Rathenow und Mittenwalde, und noch viele andere, und auch die Fahne des Hansebundes flaggte hoch auf der Firste; aber das kurfürstliche Banner hing sehr klein neben einem Schornstein.

Also sah das Rathaus auf der langen Brücke dazumal aus, davon jetzt keine Spur mehr ist; man weiß nicht einmal den Fleck genau, wo es gestanden. Drinnen zankten sie sich und man sah es an den Fenstern; und alle, die davor standen, sahen es; und war vorhin Ruhe, denn die Neugier machte sie ruhig, so wurden sie jetzt unruhig, und die Parteien, die oben im Saal aneinander lagen, die waren nun auch auf der Gasse, und sie steckten die Köpfe zusammen, und einer schrie laut, und ein zweiter antwortete: und blickte der eine höhnisch, so antwortete der andere grimmig, und verzog der eine den Mund, so wies ihm der andere die Zähne und streckte die Faust aus. Aber es waren diesmal nicht Geschlechter und Stände; nicht Innungen und Gewerke schieden sich, sondern Genossen derselben Zunft, auch Freunde und Blutsverwandte traten auseinander und zueinander. Denn hier war es Berlin und dort Köln; hier die um Sankt Marien und Nikolas und in der Klostergasse wohnen, dort die um Sankt Petrus und in der breiten und Brüderstraße. Und was die Herren oben ausmachten von dem Streit zwischen den beiden Städten, die eins waren und doch nicht eins bleiben wollten, warum sollten das die Kleinen nicht auch ausmachen! Wenn ein Schauspiel viel Wesens macht unter den Erwachsenen, so machen es die Kinder auf den Höfen und in den Gassen nach.

Wer die frischen Gesichter, die trotzigen Augen, die markigen Leiber, die kernige Gliederfülle der Handwerksburschen und Gesellen, der wohlbeleibten Meister, wer die Ausdrucksfülle und Frischheit aller beobachtete, mußte wissen, daß es da nur eines Funkens bedurfte, um zu zünden. Es lebte in unseren Städten vor vierhundert Jahren ein anderes Geschlecht. Jeder, der gesunde Beine und einen gesunden Arm hatte, war ein Mann der That. Und die That wartete kaum ab, bis der Rat erschöpft war. –

Wenn's die Meister wußten und die Gesellen, was wußten's die andern, weshalb die Ratmannen von Köln mit den Ratmannen von Berlin sich in den Haaren lagen, und was ging sie's an? Die am meisten schrieen, hatten ja keine Rechte. Denn was kümmerte es den Hausierer vom Lande oder den wendischen Bauer, der sein Holz zu Markte brachte, oder den Fischer draußen vom Kiez, was Männer und Weiber, die in den engen Gassen nur geduldet wurden, von jedem strengen Blicke eines zünftigen Mannes zurückgeschreckt, was kümmerte sie's, ob der Stadt-Wundarzt von den Kölnern oder den Berlinern bezahlt, und ob die Stadtuhr von diesen oder von jenen aufgezogen wurde; was kümmerte sie das Niederlagrecht, wer mehr davon zöge, und wer mehr zahlte und mehr Recht hätte bei Gericht?

Aber das ist vor Alters gewesen, daß, was die Köpfe der Großen erhitzt, in den Köpfen der Kleinen wiederbrennt, und was dort eine Flamme war, wird hier ein Brand. Manche sagen auch, daß die Großen davon leben, daß die Kleinen sich zanken um ihrer Zwiste willen; und wäre es ihnen ganz recht und lieb. Sie sprechen überhaupt, die Klugen nämlich, gar Absonderliches in Berlin; doch davon nachher.

Da flog es hin und her von anzüglichen Reden und Spitzworten, und wußte jede Stadt etwas Besonderes von der andern. Die Berlinischen schimpften die von Köln durch die Bank Fischweiber, und auch wohl wendische Bankerte, und einer rief: »Ihr seid nur die Theerbutte; die hängt unterm Karren, und der Wagen schleppt sie mit.« – »Ja,« antwortete ein kölnischer Meister, »wenn wir Euren Wagen nicht schmierten, so ginge er nicht von der Stelle.« Überhaupt waren die Kölnischen nicht auf den Kopf gefallen, und gaben's den Berlinern tüchtig wieder. Wenn diese von stinkenden Fischen sprachen, so erzählten die Kölnischen die alte Geschichte von der großen Blutwurst, so die Berliner Anno 1 gesotten zum Fasching, und hätte es den Berlinern herrlich geschmeckt, aber es wäre kein Schwein gewesen, das sie geschlachtet, sondern ein Jude. Darüber gerieten dann jedesmal die Berliner außer sich und schimpften und spuckten, zumal die Knochenhauer, und es ging selten ohne blutige Köpfe ab. Was schrieen nun die Weiber und Kinder, daß die vernünftigen Leute sich gar nicht mehr ausschimpfen konnten, es verstand's keiner! Da hob man die Stöcke, und dort griffen sie schon nach Kot und Steinen. Die da vermitteln wollten und Ruhe und Frieden herstellen, machten's nur toller, ob es wohl gut von ihnen war. Denn wo der Bürger nicht selbst in dem geschlossenen Gemeinsinn, welcher die Städte im Mittelalter stark machte, mitwirkte, war es um die Ordnung schlecht bestellt. Die wenigen, die dazu bestellt waren und eingeschworen, reichten nicht aus, so nicht jeder Bürger sich auch als ein geschworener Helfer ansah, der mit zugriff, wo der Büttel die Hand ausstreckte.

Wohl mochten manche sein, die sich recht im Herzen freuten, daß es so war. Denn der Druck bürgerlicher Berechtigung lastete so hart als irgend ein Druck auf denen, welche nicht mit drücken konnten. Wenn diese es im stillen thaten, wozu es Gründe gab, so waren andere am nahen Wirtshausfenster, desto lauter; und sie konnten es sein, denn es waren ritterliche Gäste vom Lande, die dem Treiben zusahen. Mit weit über die Fensterbrüstung gelehntem Leibe lachten sie dem Aufruhr ins Gesicht, und wenn ihre mächtigen Hände nicht klatschten, so schlugen sie dafür vor Lust hinter sich mit den klirrenden Hacken aneinander. Sie nickten den Gassenbuben zu, die schon im Kot der Gasse wühlten; und flog auch ein Scherflein dem und jenem zu, daß er nicht verdrossen bleibe. Die leeren Weinkannen auf dem großen Tische, und die Unordnung in dem niedrigen Zimmer, wo Federhüte, Lederlappen, Handschuh und Mantel durcheinander lagen und die Becher mit den Degen um die Wette auf dem Fußboden rollten, verrieten was vorangegangen, um den Junkern die Lust zu würzen, so das Schauspiel an sich gewährte. Während an dem engen und niedrigen Fenster ein wohlbeleibter Herr dermaßen mit seinen beiden Ellenbogen Platz genommen, daß der Ritter ihm zur Seite kaum genug fand, um seinen gedrungenen Oberleib durchzupressen, steckte ein dritter seinen Kopf über beide, und schrie mit boshaften, freudefunkelnden Augen in den Lärm hinein. Der hagere Ritter mit der Habichtsnase, welcher auf alles acht hatte, mochte ihm vergeblich Ruhe zuwinken; sein dicker Nachbar, das Doppelkinn auf den Armen gestützt, lachte zu aufrichtig und heftig, um die Warnungen durchdringen zu lassen. »Recht so, meine Jungen!« rief der hinten stehende, eine vierschrötige Gestalt, und sein schmutziges Lederwams stimmte zu dem eckigen, mit Narben und andern Malen verunzierten Gesicht. »Nur tiefer in den Kot! zugeschmissen, den Junkern von der Blutwurst ins Gesicht! das ist die Suppe, die man ihnen vorsetzen muß.«

»Köpkin!« wandte sich der mit der gekrümmten Nase zu ihm um, »Ihr verratet Euch. Sie können Euch von da aus sehen.«

»Ach laßt ihn doch,« sagte der wohlbeleibte Ritter. »Müssen sie nicht stören, wenn die lieben Jungen sich untereinander die Hälse brechen wollen.«

»Und wenn sie mich sehen,« schrie Köpkin. »Haben mich schon oft gesehen. Sollen mich noch oft sehen. Platz, Busso, will mich ihnen zeigen.«

»Köpkin!« rief der erste wieder, und griff ihn am Arm. »Seid Ihr toll oder trunken? Wißt Ihr nicht, daß Ihr ihnen abgesagt habt? Wißt Ihr nicht, wofür sie Euch erklärt haben? Nicht, wieviel auf Eurem Kopfe steht? Vergessen, wo der Berliner Galgen seinen Arm ausstreckt, und daß es den Ellenreitern kein größeres Gaudium gäbe, als 'nen Ritter zu sehen an ihrem selbst gesponnenen Hanfe baumeln. Wahrhaftig, der Anblick söhnte im Augenblick Köln und Berlin aus, und Rat und Bürger fielen sich um den Hals.«

Der Junker, der Köpkin genannt wurde, zog seinen breiten Degen zur Hälfte aus der Scheide: »Wo ist der Strick? Ich will alle Stricke, und wären sie dick, daß beide Städte dran zusammenhingen, mit dem Messer durchschneiden.«

»Probiert's nicht,« fiel der Hagere ein. »'S hat zu viel Seiler hier, die wieder neue drehn. Trinkt Wasser, Köpkin. Zurück, zurück! Da in den Lehnstuhl, schlaft aus.«

»Schlafen will ich nicht, ich will schlagen. Einschlagen die Glatzen und die Hirnschädel, dem alten und dem jungen Rate. Und dazu wird Rat. Was stört Ihr mich? Sie sind meine Feinde. Seid Ihr meine Freunde, und wollt mir die Lust nicht gönnen!«

Der dicke Ritter schien jetzt auch die Besorgnis seines Gefährten einigermaßen zu teilen. Er versuchte mit ihm den Erhitzten zu beruhigen und ihn in den Hintergrund der Stube zu drängen.

»Ihr seid hier wie ein bunter Hund bekannt, Köpkin, das ist wahr. Und 's ist schon tolldreist von Euch, daß Ihr zum Markt reingeritten seid. Nun dankt Gott und freut Euch, daß ihre Hunde so schlechte Witterung haben. Denn meint Ihr, daß sie's Euch vergessen können, wie Ihr ihnen das schöne Rindvieh fast aus dem Thor selbst forttriebt, und des Thorwärters Söhne, die Euren Knecht schlugen, in die Panke warft, daß sie versoffen, und dazu die Mühle am Graben anstecktet, ihnen zum puren Hohn; und die Funken flogen über die Mauer, und drei Häuser brannten ab. Nimmermehr vergessen sie Euch das.«

»Und wer ist mit Euch hier!« fiel der Ritter mit der Habichtsnase ein. »Habt Ihr einen in der Stadt, der Euch rauszieht, wenn Ihr im Loch sitzt? Ist der Büttel von Köln oder der von Berlin Euch ein besserer Freund? oder ist's Seine markgräfliche Gnaden, die vielleicht um Euch die Thore sprengen wird, so die Tuchkratzer ihm selbst verschließen? Köpkin, daß Dich, wenn Du ein Narr sein willst, sei's für Dich allein. Wir mögen keine sein, uns mit Dir fangen zu lassen.«

»Fangen!« rief der Junker und stülpte den Federhut verkehrt auf. »Rennt doch zum Haus 'aus, wenn Euch's Herz in die Hosen fuhr. Ist das Kameradschaft, Freundschaft, Rittersitte? Was gilt's, wenn's Euch säße, wo's sitzen soll, wir wollten ihnen auf die feisten Bäuche Trommel schlagen. Nur zwölf von meinen Gesellen hier, und der Fritz Rohr, der Heine Kerkowe und Wedigo Ploten, in dem Getümmel machten wir 'nen Lärm, daß ihren Urgroßkindern die Ohren von gellen sollten.«

»Und was hättet Ihr davon?« fiel der hagere Ritter, den die andern Busso nannten, ein. »Kindergeschrei und Ammenmärchen. Möglich, sie würden nach hundert Jahren den Köpkin-Zornekow als Knecht Ruprecht brauchen, wenn ihre Jören schreien. Und nicht zehn Finkenaugen mehr. Denn was Ihr ihnen im Tumult abnähmt an Plunder, das vergelten sie Euch zehnfach an Beulen, und Ihr könntet dem Herrgott und Euren Heiligen danken, wenn sie Euch die Pferde unterm Leibe nicht totstachen, bis Ihr zum Thore 'naus seid.«

»Hört mal, Busso,« sagte der Ritter, »das wäre doch auch ein Spaß! So Kind und Kindeskind von sich sprechen zu machen, und die Himmelangst der Tausendschwerenöter, wenn ihnen der Wolf im Schafstall sitzt. Beim heiligen Laurentius, ich gönne niemand Böses, aber den Berlinern gönnt ich's schon. Machte mir aus ein paar Beulen und Rissen nichts.«

»Und wär's damit abgethan!« sprach der Vermittler. »Was meint Ihr, daß Seine kurfürstliche Gnaden dazu sagen würde? Gäbe Euch das Eure Lehen zurück um ein bißchen Gestank und Lärm in seiner allerschönsten Hauptstadt?«

»Alle Wetter noch mal, die Stadtkrebse lassen ihn ja selbst nicht ins Thor rein.«

»Darum wünscht er aber noch nicht, daß Ihr drin sitzt und Euch am Haber vollfreßt, den er für sich aufschütten läßt.«

»Was schiert uns Seine Gnaden!« rief Köpkin auf den Tisch trommelnd. »Wer warm sitzt, der bleibe hocken. Wer friert, der stößt die Bärenhäuter von der Ofenbank. Haben uns schon die Nürnberger was Liebes gethan? Laß ihn mit den Pommern sich die Hälse drehen und uns für uns sorgen. Säßen wir in dem Nest, wir wollten ihm auch die Thore schließen und die Zähne besser weisen als das Schusterpack.«

Busso lächelte: »Und was hülfe Euch das! Gesetzt, eine solche Stadt, mit den verschlungenen Straßen, den Dächern, Türmen, mit steinernen Häusern und den Kellern und tausend Fenstern, ließe sich überrumpeln wie ein Schloß, das man stürmt und man hat es. Sei's, eine Hand voll guter Leute würde Meister und jagte die Tuchkratzer raus, oder wir legten ihnen eine Kette um den Hals, ein zwölf Pfund schwerer als ihre goldenen, und brauchten sie als Hunde; was wolltet Ihr denn dann? Schachern, Märkte halten, Schuh flicken? Die Zeiten sind vorbei, Sie würden uns bald abschneiden, einsperren, aushungern. Es gäbe schöne Gelegenheit, das Land zusammenzutrommeln, die Bauern, Bürger, Hunde auf die Ritterschaft zu hetzen, von neuem Friedensbruch zu schwatzen, zu klagen bei Kaiser und Reich, Achtbriefe zu schreiben, und Gerichte einzusetzen. Verteidigen wollt Ihr Euch? Wenn Plauen nicht hielt mit seinen vierzehn Fuß dicken Mauern, wenn Friesack, Lenzen fielen: meint Ihr, daß diese Wälle stärker sind, oder glaubt Ihr mit Euren Armen die Kugeln der faulen Grete aufzufangen, die seit den Tagen zehnfach gejungt hat?«

»Aber so die Gelegenheit aus der Hand zu lassen!« sprach der dicke Wedigo.

»Was für Gelegenheit?« fuhr Busso fort. »Daß die Bürger sich untereinander die Hälse brechen, daß die angewachsenen Zwillinge, Berlin und Köln, sich mit den Hacken stoßen, daß Rat und Gemeinheit, Junge und Alte, Zünfte und Gilden sich die Haare ausreißen! Das wollt Ihr hindern? Die hochmütigen Krämer, die uns damals die Brühe einrührten, die zwanzig Jahre so stolz und schnöde auf uns sahen, zerfallen; der Kleister hält nicht mehr. Das ist Eure Gelegenheit, wo Ihr wie kalt Wasser rein stürzen wollt, um zu löschen. Ich sage Euch, wenn niemand das Feuer anrührt, das wird einen Brand geben, daran Ihr Eure Augen weiden sollt, und mein Wort drauf, wenn Ihr den Spieß noch zu rechter Zeit hinhaltet, läuft Euch wohl ein Braten drauf, den Eure Zunge lange nicht gekostet hat.«


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