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Elftes Kapitel.
Der Besuch des Kostgängers

Den Rest des Tages und noch bis spät in die Nacht hinein, drehte sich unser Gespräch fast ausschließlich darum, was währenddem in unserm Hause vor sich gehen möge. Nach unserer Meinung hatten wir ganz recht gethan, allein gastfreundlich war es nicht; und so konnten wir ein gewisses ungemütliches Gefühl nicht los werden. – Andrerseits kam aber mein Urlaub nur einmal im Jahre, während unsere Freunde uns besuchen konnten, wann sie wollten!

Am nächsten Morgen brachte der alte Johann einen Zettel von Pomona. Sie hatte ein Stück vom Zeitungsrand abgerissen, und mit Bleistift die Worte darauf geschrieben: »Noch da!« –

»Bei Ihnen sind ja Gäste im Haus,« sagte Johann schmunzelnd. »Ihr Mädchen ist komisch, sie will, ich soll ihnen nicht sagen, wo Sie sind! Als ob ich so etwas thun würde!« –

Es war auch im höchsten Grade unwahrscheinlich, daß er sich freiwillig des hübschen kleinen Einkommens berauben würde, das ihm unser Lager einbrachte, daher waren wir nach dieser Seite hin unbesorgt. Da uns aber sehr nach weiteren Nachrichten verlangte, beauftragten wir den alten Johann, sich gegen 10 Uhr noch einen Zettel von Pomona geben zu lassen. Wir warteten in großer Ungeduld, bis unser Bote endlich erschien und uns eine mündliche Bestellung von Pomona ausrichtete:

»Sie sagt, sie kommt selbst her, sobald sie sich fortschleichen kann.«

Wie unangenehm! – mir war dabei ganz jämmerlich zu Mute. Es kam mir so verächtlich vor, mich an solcher Heimlichkeit zu beteiligen, und mit einer Dienstmagd, die sich »fortschleichen« will, gemeinsame Sache zu machen!

Bald kam denn auch Pomona atemlos herbeigelaufen.

»Jemand wie die Beiden ist mir noch nicht vorgekommen,« sagte sie, »ich dachte, ich käme niemals fort.«

»Sind sie noch da!« rief Euphemia, »wie lange wollen sie denn noch bleiben?«

»Das weiß der liebe Himmel,« versetzte Pomona, »gestern ist ihr Gepäck mit Eilfracht gekommen.«

»Oh, dann müssen wir nach Hause zurück,« meinte Euphemia, »wir können wirklich nicht länger fortbleiben.«

»Nun,« sagte Pomona, die ganz erhitzt ihre Schürze als Fächer benutzte, »wenn Sie wüßten, was ich weiß, dächten Sie vielleicht, was ich denke.«

»Wie so denn?« fragte Euphemia.

»Sie haben sich ganz häuslich bei uns niedergelassen, und die Wohnung von oben bis unten in Besitz genommen. Sie wollen thun, als ob sie zu Hause wären und Ihnen die Wirtschaft führen, bis Sie wieder kommen. Er meinte, das gäbe einen Hauptspaß und sei gewiß auch Ihnen am liebsten. Sie hat gleich überall nachgesehen, und was im Hause fehlt, will er im Laden bestellen und einkaufen; er ist jetzt eben hingegangen. Weil es nun Sonnabend ist, sagte sie, müsse im Hause alles in Ordnung gebracht werden und gleich nach dem Frühstück hat sie mir gezeigt, was ich putzen soll. Wenn sie nicht jetzt im Wohnzimmer Staub wischte und mich mit der Kleinen an die Luft geschickt hätte, wäre ich noch nicht hier.«

»Was hast du denn aber mit dem Kind gemacht,« rief Euphemia.

»Oh, das ist bei dem alten Johann seiner Frau.«

»Du glaubst also, daß es ihnen in unserem Häuschen gefällt?« –

»Das will ich meinen, sie sind ja ganz närrisch vor Vergnügen.«

»Hast du es denn aber selbst gern, dir von Fremden befehlen zu lassen?« fragte Euphemia.

» Ihn kenne ich ja gut,« meinte Pomona, »und sie ist sehr freundlich; – wenn Sie nur ruhig hier weiter kampieren können, so mache ich mir nichts daraus.«

Euphemia und ich sahen einander an:

Diesen Beweis von wahrer Anhänglichkeit wollten wir nicht vergessen!

Pomona eilte davon; wir aber zogen die Sache sehr ernstlich in Betracht, und kamen zu dem Schluß, daß es zwar die höchste Gastfreundschaft wäre, unsere Gäste sich ein bis zwei Tage ruhig ihres Lebens freuen zu lassen, – wir aber auch die Rücksicht hierauf nicht zu weit treiben dürften! – Wir wollten daher nach Hause gehen, und unsere Pflichten als Wirt und Wirtin erfüllen.

Die Frau des alten Johann hantierte schon seit dem Frühstück im Zelt herum, und hielt große Reinmacherei. – Was sie so lange zu thun fand, weiß ich nicht, – in dem Streben einen halben Tagelohn zu verdienen, wird sie wohl ein paar Bäume mitgescheuert haben! – Wir waren so mit unsern eigenen Angelegenheiten beschäftigt, daß wir wenig acht auf sie gaben, und so hatte sie wahrscheinlich fast alles gehört, was gesprochen wurde. Als wir sie bezahlten, verlangte sie eine Extravergütung für die Mittagsmahlzeit, um die sie gekommen sei; sodann trugen wir ihr auf, so schnell wie möglich ihren Mann mit dem Wagen herzuschicken, um das Zelt abzubrechen. Unsere Absicht war, die Sachen bis Montag bei Johann im Wagen stehen zu lassen und sie dann mit Eilfracht ihrem Eigentümer wieder zuzusenden. Wir selbst wollten nach Hause gehen, und unsere Freunde begrüßen, – wo wir gewesen waren, brauchten wir ihnen ja nicht ausdrücklich mitzuteilen.

Es war eigentlich recht schade, unser Lagerleben gerade jetzt aufzugeben, da wir in der nächsten Woche die gesammelten Erfahrungen hätten ausnützen und alle Irrtümer und Versäumnisse wieder gut machen können; unsere Arbeit nebst allen Ausgaben schien fast so gut wie verloren, – es ließ sich jedoch nicht ändern, – nur zu Hause waren wir jetzt am rechten Platz.

Warum luden wir aber unsere Freunde nicht zu uns in das Zelt ein? – sie wären doch gewiß gekommen! Erstens konnten wir sie nicht unterbringen, – selbst ein vorübergehender Besuch wäre unbequem gewesen – und dann war es uns auch lieber, wenn der Ex-Kostgänger und seine Frau gar nicht erfuhren, daß wir auf der kleinen Halbinsel kampiert hatten.

Wir packten ein und machten alles zum Auszug bereit, allein der Nachmittag verging, und der alte Johann kam nicht. Zwischen fünf und sechs erschien endlich sein ältester Junge mit einem Eimer voll Wasser.

»Ich gehe gleich wieder und hole die Milch,« sagte er.

»Warte 'mal,« rief ich, – »wo bleibt denn dein Vater mit dem Wagen? – wir passen schon stundenlang auf ihn!«

»Das Pferd ist krank und Vater ist nach Ballville, um Hafer zu holen.«

»Und warum hat er mir das nicht sagen lassen,« fragte ich.

»Wir hatten niemand zum schicken,« versetzte der Junge.

»Du sprichst die Unwahrheit,« sagte Euphemia, »von euch ist immer jemand daheim.«

Statt aller Erwiderung erklärte der Junge, er wolle die Milch holen.

»Wir brauchen keine Milch!« rief ich ganz ärgerlich, »du gehst jetzt gleich nach dem Bahnhof und bestellst den Frachtfuhrmann sofort hierher! Verstehst du? – auf der Stelle!«

Der Bursche sagte ja und ging bereitwillig fort. – Die Sachen durch den Fuhrmann fortschaffen zu lassen, war uns weniger angenehm, als durch den alten Johann, der genau wußte, wie wir es haben wollten. Wir machten uns aber ganz unnütze Bedenken – der Frachtwagen kam nicht. –

Inzwischen war es dunkel geworden, und wir sahen ein, daß uns der Wagen für heute nichts mehr nützen würde, da wir nicht im Finstern über die Felder fahren konnten. Die Sachen allein lassen durften wir nicht, überdies weigerte sich Euphemia, ohne mich nach dem Hause zu gehen: wir wollten beisammen bleiben, sagte sie, wie's auch komme! – So packten wir denn unser Kochgerät und die Eßwaren wieder aus und bereiteten das Abendbrot, bei dem wir uns ohne Milch behalfen.

Wir waren nicht gerade heiter gestimmt, denn das Benehmen des alten Johann und des Fuhrmanns verdroß uns sehr, und doch war es vielleicht nicht einmal ihre Schuld, da wir sie ja nicht vorher bestellt hatten.

Am unangenehmsten war uns aber die Verzögerung wegen unserer Freunde, vor denen wir, – um sie nicht zu verletzen, – unser Treiben mehr denn je verheimlichen mußten.

Als ich am andern Morgen aufwachte, war mein erster Gedanke, daß es Sonntag sei, und also für diesen Tag wieder ans Aufbrechen nicht zu denken. Euphemia aber wollte vom Dableiben nichts wissen. Nach dem Frühstück (Wasser und Milch waren schon lange gebracht worden, ehe wir aufstanden) erklärte sie, sie werde selbst zu Johann gehen, ein solches Betragen lasse sie sich nicht gefallen; – und fort war sie!

Kaum eine halbe Stunde später kam sie mit dem alten Johann und seiner Frau zurück, die wie begossene Pudel aussahen.

»Diese Leute hier,« sagte sie, »haben sich förmlich gegen uns verschworen; aber ich habe sie ins Verhör genommen und alles entdeckt: Das Pferd war gestern gar nicht fort, und der Junge hat den Fuhrmann nicht bestellt. Sie legten es nur darauf an uns hier zu halten, bis unsere Gäste fort waren, damit wir dann so lange blieben, als wir ursprünglich beabsichtigt hatten, und ihr guter Verdienst nicht aufhörte. – Aber sie haben sich verrechnet, denn wir gehen sofort nach Hause.«

Über diesen Punkt hätte mich Euphemia freilich erst um meine Meinung fragen können; aber sie war so fest entschlossen, daß ich nicht noch darüber hin und her reden mochte, besonders vor den Leuten.

»Nun hört einmal,« wandte sich Euphemia an das trübselig vor ihr stehende Paar, »wir gehen nach Hause, und ihr bleibt den ganzen Tag und die Nacht über hier und gebt acht auf die Sachen. – Arbeiten könnt ihr heute doch nicht, also schließt ihr euer Haus zu, und wenn ihr wollt, könnt ihr eure ganze Familie herbringen. Wir werden euch für den Dienst bezahlen, obgleich ihr eigentlich keinen Heller verdient habt. Genug zu essen ist noch da, – ihr holt euer Bettzeug und geht nicht fort, bis wir Montag früh wieder kommen.«

Der alte Johann und seine Frau gingen bereitwillig auf diesen Plan ein, offenbar waren sie froh, so leichten Kaufs davon zu kommen. Wir verschlossen die meisten kleinen Gegenstände, packten was wir persönlich brauchten, in einen Reisesack und traten unsern Heimweg an.

So hübsch war uns Haus und Garten noch nie erschienen, als da wir sie an jenem Morgen wiedersahen. Der Lord bewillkommete uns vom Schuppen aus mit lautem Gebell, und ehe wir die Hausthüre erreichten, kam uns schon Pomona mit strahlendem Gesicht entgegen.

»Wie schrecklich froh bin ich, daß Sie wieder da sind,« rief sie, »wenn ich es auch nicht sagen wollte, so lange Sie draußen kampierten!« –

Ich streichelte den Hund und besah den Garten, wo alles in vollem Wachstum war. Euphemia eilte nach dem Hühnerhof, den sie in schönster Ordnung fand und wo sie obendrein neu ausgebrütete gelbe Küchlein entdeckte. Schnell kniete meine Frau auf den Boden nieder, hob die kleinen flaumichten Dingerchen eins nach dem andern in die Höhe, drückte sie an ihre Wange und nannte sie mit tausend Liebesnamen. Ich ging indessen mit Pomona in die Scheune, wohin uns Euphemia bald folgte. – Die Kuh war wohl und munter.

»Ich habe auch Butter gemacht,« sagte Pomona, »sie schmeckt besser als sie aussieht, und weil ich nicht wußte, was ich mit der abgerahmten Milch machen sollte, habe ich sie dem alten Johann gegeben. Er hat sie jeden Tag geholt, und einmal war er ganz böse, weil der Hund davon bekommen hatte, und nur noch ein Liter voll da war.«

»Er hatte alle Ursache böse zu sein,« sagte ich zu Euphemia, »er hat sich die Milch noch mit 10 Cents von uns bezahlen lassen.«

Wir nahmen diese Entdeckung lachend in den Kauf: waren wir doch zu glücklich, wieder daheim zu sein.

»Wo sind denn aber unsere Gäste?« – fragte ich Pomona – »wir hätten sie fast vergessen.«

»Sie machen einen Spaziergang; – gleich nach dem Frühstück sind sie fortgegangen.«

Dies war uns sehr recht: wir konnten nun unser liebes Haus erst ganz allein wiedersehen und eilten hinein. – Wie nach einem Regen im Garten sah alles frischer und glänzender aus, und während wir durch alle Zimmer gingen, fühlten wir deutlicher denn je, wie reizend unser Heimwesen war.

In unserm Entzücken bei der Rückkehr hatten wir ganz das Mittagessen vergessen, zu dem wir doch Gäste hatten; aber Pomona, die sich unter der Leitung meiner Frau zu einer trefflichen Köchin ausbildete, hatte daran gedacht und bat Euphemia jetzt zu einer Beratung in die Küche.

Das Mittagessen verspätete sich etwas, aber unsere Gäste noch mehr. Wir warteten so lange als es unser Appetit und die Speisen zuließen, dann aber setzten wir uns zu Tische und begannen langsam unsere Mahlzeit zu verzehren.

Sie kamen jedoch nicht, und als wir fertig waren und vom Tische aufstanden, waren sie immer noch nicht da! – Zuletzt fingen wir an unruhig zu werden, und ich schlug Euphemia vor, auszugehen, um nach ihnen zu suchen. Unwillkürlich lenkten wir unsere Schritte dem Flusse zu. Ein recht fataler Gedanke lag mir im Sinn, und vielleicht ging es Euphemia ebenso, denn ohne ein Wort zu sagen, bogen wir beide in den Fußpfad ein, der nach der Halbinsel führt. Wir gingen quer durch die Wiese, kletterten über den Zaun, und siehe, da vor dem Eingang des Zeltes saß der Ex-Kostgänger und spaltete Holz mit unserm kleinen Beil.

»Hurrah!« rief er als er uns sah und sprang auf, – »wie schön, daß Sie wieder da sind! Wann sind Sie denn zurückgekommen? Ist dies nicht prächtig?!« –

»Was denn?« fragte ich und schüttelte ihm die Hand.

»Dies alles hier,« erwiderte er, nach dem Zelt zeigend. »Sehen Sie denn nicht, daß wir hier im Freien kampieren?« –

»Wirklich!« rief ich, und sah mich nach seiner Frau um, während Euphemia vor Staunen regungslos dastand und keinen Laut von sich geben konnte.

»Ja, es ist ganz merkwürdig, was wir für Glück haben! – Meine Frau und Adele kommen gleich wieder, sie wollen nur Brunnenkresse suchen, – aber ich muß Ihnen doch sagen, wie ich den wundervollen Fund gethan habe. Als wir heute spazieren gingen, kamen wir zufällig an diesen Platz hier und sahen das prachtvolle Zelt und niemand darin als einen flachshaarigen Jungen.«

»Nur ein Junge war da?« rief Euphemia.

»Ja, ein kleiner Bube von neun oder zehn Jahren. Ich fragte ihn, was er hier zu thun habe, und er sagte, das Zelt gehöre einem Herrn, der fortgegangen sei, und er solle acht darauf geben, bis er wieder käme. Als ich nun fragte, wie lange wohl der Eigentümer fortbleiben würde, meinte er: ein oder zwei Tage. – Da kam mir ein herrlicher Gedanke: ich bot dem Jungen einen Dollar, wenn er mir dafür seinen Platz abtreten wollte. – Jeder vernünftige Mensch würde doch sein Zelt lieber in meiner Obhut lassen, als es einem solchen Springinsfeld anzuvertrauen. Der Junge war auch gleich bereit auf den Handel einzugehen, ich bezahlte ihn, und er verschwand wie der Blitz! – Offenbar war kein Verlaß auf ihn, und der Eigentümer des Zeltes ist mir noch den größten Dank schuldig. – Aber sehen Sie sich nur um: Betten, Tisch, Ofen, – was das Herz begehrt, – alles ist da! Ich habe schon oft im Freien kampiert, aber nie in solch' einem Zelt. Heute Nachmittag wollte ich mein Gepäck bei Ihnen abholen, und ihrem Mädchen sagen, wo wir sind! – Da kommt ja auch meine Frau mit der kleinen Adele!« –

Mitten in der allgemeinen Begrüßung und Überraschung rief Euphemia:

»Jetzt werden Sie doch aber nicht hier draußen kampieren wollen, sondern mit uns ins Haus zurückkommen!« –

Der Ex-Kostgänger aber erwiderte: »Es ist zwar gar nicht höflich von uns, und wir müssen sehr um Entschuldigung bitten, aber das Mädchen meinte, Sie kämen vielleicht erst in einigen Tagen zurück, und darauf hätten wir doch nicht warten können! – Nun ich aber einmal die Verantwortung für das Zelt und alles Gerät übernommen habe, wäre es unrecht, wenn ich meinen Posten verließe, zumal ich den Jungen nicht aufzufinden weiß. Wenn der Eigentümer zurückkommt, möchte ich ihm auch Aufschluß über die Sache geben und ihm alles in gutem Zustand abliefern. Zudem schwärmen wir alle beide sehr dafür, im Freien zu kampieren, und eine solche Gelegenheit wird sich schwerlich wieder bieten. – Wir können hier ein herrliches Leben führen: ich bin schon auf Entdeckungen ausgezogen und habe einen alten Mann gefunden, der ganz in der Nähe wohnt und mir eine Menge Lebensmittel verkauft hat – sogar Kaffee und Zucker. – Er wird uns auch Milch bringen, und dann fehlt nichts zu unserm Abendbrot; – wollen Sie nicht dableiben und mit uns fürlieb nehmen hier im Zelt, – es wäre doch etwas ganz neues für Sie!« –

Wir lehnten die Einladung ab, da wir eben erst gespeist hatten und ich sah Euphemia fragend an, welche mich sogleich verstand und leise den Kopf schüttelte. Es wäre auch eine wahre Sünde gewesen, wenn wir unsern alten Freund über seinen Irrtum aufgeklärt und ihn in dem Vergnügen gestört hätten, welches das Stückchen Lagerleben ihm bereitete. Wir bestanden nur darauf, daß sie noch einen Besuch bei uns machen sollten. Sie versprachen auch, den nächsten Tag zu Mittag zu kommen, – am Dienstag müßten sie zur Stadt zurück.

»Das nenne ich wahre Gastfreundschaft!« – sagte der Ex-Kostgänger, indem er mir beim Abschied herzlich die Hand schüttelte.

Als ich mich auf dem Heimweg zufällig umblickte, sah ich den alten Johann über die Wiese nach dem Zelt hingehen: er trug einen großen Wassereimer und einen kleinen zinnernen Milcheimer! –

Am nächsten Tage wurde es gegen Mittag sehr stürmisch, und bald fiel der Regen in solchen Strömen, daß unsere Gäste unmöglich kommen konnten. Da sich das Wetter später aufklärte und wir glaubten, sie würden nichts Rechtes zu essen gehabt haben, packte mir Euphemia etwas aus unserer Küche in einen Korb, womit ich mich nach dem Lager begab. Sie freuten sich, daß ich kam, und erzählten mir, wie es ihnen ergangen sei: vor Sonnenaufgang aufgestanden, waren sie nach Herzenslust umhergewandert, gerudert und geklettert und hatten einen herrlichen Tag verlebt! – Der Inhalt meines Korbes war sehr willkommen; wegen der Nässe draußen mußten sie im Zelt essen, und so war für mich kein Sitzplatz da, sonst wäre ich gern noch eine Weile geblieben. –

Wir waren sehr im Zweifel, ob wir unsern Freunden mitteilen sollten, wie die Geschichte mit dem Zelt sich in Wahrheit verhielt. Ich wollte sie nicht gern in der Täuschung lassen, aber Euphemia meinte, sie würden es sich vielleicht zu Herzen nehmen, daß sie mit ihrem Besuch unsere Pläne durchkreuzt und sich obendrein unser Lager zugeeignet hätten. Deshalb hielt sie es für großmütiger, nichts davon zu sagen. Obwohl ihre Auffassung manches für sich hatte, war mir die Heimlichkeit doch zuwider und als wir am nächsten Morgen gleich nach dem Frühstück zum Zelt hinuntergingen, berieten wir die ganze Sache noch einmal.

Im Lager fanden wir den alten Johann auf einem Baumstamm sitzen. Ohne ein Wort zu sagen, reichte er mir eine mit Bleistift beschriebene Karte hin. Sie war von dem Ex-Kostgänger, der mir mitteilte, daß er am frühen Morgen einen Schleppdampfer auf dem Fluß entdeckt habe, der im Begriff war, nach der Stadt abzufahren. Da sich genug Platz an Bord fand, habe er sich mit seiner Familie und allem Gepäck darauf eingeschifft, was weit bequemer gewesen, als erst noch auf den Bahnhof zu gehen; es thue ihm nur leid, sich nicht erst noch von uns verabschiedet zu haben. Das Zelt bleibe in der Obhut des braven Mannes zurück, von dem er seine Lebensmittel bezogen habe.

Noch am selben Morgen wurde das ganze Zeltlager verpackt und an den Eigentümer zurückgeschickt. Wir hatten für jetzt die Lust verloren, länger im Freien zu kampieren, und verbrachten lieber den Rest meines Urlaubs am Seestrande.

Der Ex-Kostgänger schrieb uns zwar, wir möchten ihnen doch die Freude machen und ihren Besuch während meiner Ferien erwidern, aber, da ein Besuch dieser Art überhaupt schwer zu erwidern war, ließen wir uns lieber nicht darauf ein.


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