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Neuntes Kapitel.
Wir kampieren im Freien.Eine beliebte Art der Sommererholung in den Ver. Staaten. Anm. d. Übers

§§§Wir liebten beide das Landleben und alle ländlichen Beschäftigungen so sehr, daß unser Leben auf dem Gütchen lauter Lust und Freude war.

Die Zeit flog dahin – wie ein Schnellzug – Monat auf Monat verging, und es war September, ehe wir's uns versahen.

Ich hatte den ganzen Sommer über sehr angestrengt im Geschäft gearbeitet, und freute mich daher auf meine zwei Ferienwochen zu Anfang des Monats, die ich daheim in ländlicher Zurückgezogenheit zu verleben dachte. Als ich jedoch meinem Hausarzt in der Stadt den Plan mitteilte, war er nicht damit einverstanden. –

»Sie haben sich überarbeitet,« meinte er, »das sieht man Ihnen an; Sie brauchen Ruhe und Luftwechsel. – Ich kann Ihnen nur raten, die Zeit über im Freien zu kampieren, das bekommt Ihnen sicherlich tausendmal besser, als wenn Sie irgend einen Badeort besuchen. Ihre Frau, die gewiß damit einverstanden ist, nehmen Sie natürlich mit! Auf die Wahl des Platzes kommt es nicht an; nur muß die Gegend gesund sein. Verschaffen Sie sich ein gutes Zelt nebst allem Zubehör, ziehen Sie in den Wald hinaus und schlagen Sie sich ein paar Wochen lang alle geschäftlichen und häuslichen Sorgen aus dem Sinn!«

Das klang ganz herrlich; – und noch am selben Abend setzte ich Euphemia den Plan auseinander. Sie hatte gar nichts dawider und hielt ihn für sehr ausführbar. Pomona, meinte sie, würde gleich bereit sein, unter dem Schutz unseres »Lord« im Hause zu bleiben und die Sorge für die Kuh und den Hühnerhof zu übernehmen. Es sollte auch für sie eine Erholungszeit werden; und was den alten Johann betraf, der gelegentlich im Tagelohn bei uns arbeitete, so konnte er von Zeit zu Zeit kommen und nach dem Rechten sehen. – Also hatte Euphemia mit gewohnter Umsicht bald alle Hindernisse aus dem Wege geräumt, und noch ehe wir zu Bette gingen, war alles ins Reine gebracht.

Wie meine Frau vorhergesehen, erregte der Plan Pomonas großes Wohlgefallen, und sie willigte ohne Umstände ein, die Sorge für das Haus zu übernehmen. So weit war alles gut, und ich ging noch am selben Tage zu einem Freund, von dem ich wußte, daß er Erfahrung in solchem Waldleben besaß, um mit ihm zu beraten, wie ich mir ein Zelt und das erforderliche Gerät verschaffte. Ich war gerade vor die rechte Schmiede gekommen, denn er bot mir sofort seine vollständige Ausrüstung an; ja er wollte mir sogar gern alles leihen, was ich brauche, da er für dieses Jahr seine Erholung bereits genossen habe. – Das war wirklich ein seltener Glücksfall! – Ich erhielt ein Zelt, einen kleinen Ofen, Schüsseln und Töpfe, eine Flinte, Fischhaken und Netze, einen Hut von Segeltuch, einen weiten Rock von gleichem Stoff mit zahllosen Taschen, Angelruten und Leinen nebst Rollen, um sie aufzuwinden und ein Paar Stiefel, die bis zu den Hüften reichten, – kurz, alles in allem eine ganze Wagenladung voll. –

Wir legten uns nun einen Vorrat von kondensierten und eingemachten Eßwaren an, und studierten ein ganzes Buch darüber durch, wie man am besten im Freien kampiert. So hätten wir schon recht gut am Sonnabend vor Anfang meiner ersten Ferienwoche aufbrechen können, wären wir nur über die Wahl des Ortes nicht noch immer zweifelhaft gewesen.

Hierüber zu einem Entschluß zu kommen, wurde uns sehr schwer. Wie viele tausend Plätze es auch gab, an denen die Sommerfrischler ihre Zelte aufschlugen, so schien doch keiner so recht für uns zu passen. – Die meisten waren zu weit entfernt; und wenn wir berechneten, was es schon kostete, bis wir uns mit dem ganzen Zubehör nach dem Adirondackgebirge begeben hätten, nach den Seen, den Forellenbächen von Maine oder wo sonst die beliebtesten Lagerplätze sein mögen, – so kamen wir bald zu der Überzeugung, daß dergleichen Ausflüge unsere Mittel weit überstiegen.

Am Sonntag Nachmittag machten wir einen kleinen Spaziergang, um in der schönen Natur Beruhigung für unsere schwankenden Gemüter zu suchen, denn der Ort, nach welchem wir Tags darauf abreisen wollten, war noch immer nicht gefunden!

Unser Anwesen lag nach Norden und Westen zu in reizender Gegend: kaum eine halbe Meile vom Hause entfernt floß ein kleiner Fluß vorbei, der auf beiden Ufern von grünen Wiesen und Hügelland umgeben war, auch fehlte es nicht an ziemlich ausgedehnten Waldungen.

»Sieh nur,« rief Euphemia und stand auf dem schmalen Pfade still, der am Flußufer entlang lief, »die schönen Wälder, die Wiesen, der Fluß, – kein lebendes Wesen weit und breit zu sehen, und dort drüben die entzückend blauen Berge!« Dabei deutete sie mit dem Sonnenschirm auf die bezeichnten Naturschönheiten, so daß sie mir nicht entgehen konnten.

»Etwas Besseres könnten wir ja gar nicht finden,« fuhr sie fort, »laß uns hier bleiben, an unserm eigenen Fluß, – da können wir fischen und thun und treiben was wir wollen! Ich führe dich an einen Platz, der wie dazu geschaffen ist, um ein Zelt aufzuschlagen, komm nur!« –

Dabei lief sie ganz aufgeregt vor mir her.

Der Platz, den sie meinte, war mir von unseren ländlichen Wanderungen her wohl bekannt: ein kleiner Bach der weiter unten in den Fluß mündet, bildet dort eine grüne Halbinsel, die ganz verborgen hinter einer Gruppe von Kastanien- und Wallnußbäumen liegt. Wir hatten die Stelle einmal ganz zufällig von der Wiese aus entdeckt, und mußten über einen Zaun steigen, um dahin zu gelangen; an der Inselspitze breitet eine große Eiche ihre schattigen Zweige aus.

»Hier unter dem Eichbaum soll unser Zelt stehen!« rief Euphemia mit erhitztem Gesicht und strahlenden Augen; ihr Kleid war bei dem eiligen Überklettern der Umzäunung etwas zerrissen. »Was sollen wir auf den Höhen der Adirondacks oder in den Niederungen ferner Thäler, – hier ist der Ort, der für uns paßt!« –

»Euphemia,« sagte ich, und zwang mich, äußerlich ruhig zu scheinen, während ich vor innerer Gemütsbewegung zitterte, »wie froh bin ich, daß ich dich zum Weibe genommen habe.«

Wäre es nicht Sonntag gewesen, wir hätten unser Zelt noch am selben Abend aufgeschlagen!

In der Frühe des nächsten Morgens zog der Ackergaul des alten Johann den Wagen mit unserm Lagergerät über die Wiese. Das ging etwas schwer, auch standen uns einige Zäune im Wege, aber wir besiegten alle Hindernisse, und erreichten den Lagerplatz, ohne daß auch nur ein Tassenkopf zerbrochen war. Der alte Johann half mir das Zelt aufschlagen, was nicht sehr schnell von Statten ging, da wir beide wenig davon verstanden. Vielleicht zog er die Sache absichtlich etwas in die Länge, um für sich und seinen Gaul einen halben Tagelohn fordern zu können. Es war beinahe Mittag, als er uns endlich verließ; Euphemia fuhr mit zurück, um Pomona noch zum Abschied einige Ermahnungen zu erteilen.

»Ich werde wohl unterwegs halten müssen, um die Zäune wieder zurecht zu machen,« meinte der alte Johann beim Abfahren, »sonst wird Herr Boll am Ende wild!« –

»Sind wir denn auf Herrn Bolls Eigentum?« fragte ich.

»Ja wohl! das Land gehört ihm.«

»Er wird doch nichts dagegen haben, wenn wir hier draußen kampieren?« meinte ich nachdenklich.

»Ich dächte, darum hätten Sie ihn vorher befragen sollen,« versetzte der alte Johann, dem die Sache mit Herrn Boll etwas zweifelhaft schien.

»Mache dir darum keine Sorge,« rief Euphemia, »ich kann bei Herrn Boll vorbeifahren, – es ist ja kein großer Umweg – und seine Erlaubnis einholen.«

»Auf dem Leiterwagen?« sagte ich, »willst du so vor Herrn Bolls Thür anhalten?«

»Warum nicht?« erwiderte sie, und setzte sich auf dem Brett zurecht, das als Sitz diente. »Nun unser Lagerleben wirklich begonnen hat, müssen wir durch dick und dünn und allen falschen Stolz zu Hause lassen! – Fahr nur zu, Johann!« –

Als Euphemia zu Fuß zurückkehrte, stand schon der Kessel auf dem kleinen Ofen, in dem ein Feuer brannte.

»Es ist alles in Ordnung,« sagte sie, »Herr Boll hat nichts dagegen, wenn wir nur den Zaun nicht auflassen, weil sonst seine Kühe in den Bach geraten; für uns wäre es übrigens auch nicht angenehm, wenn sie über uns wegliefen. Der gute Mann begriff gar nicht, wozu wir hier im Freien kampieren wollten, und obgleich ich ihm die Sache weitläufig auseinander setzte, schien sie ihm doch wenig einzuleuchten. Er bildet sich ein, es sei irgend etwas mit Pomona nicht in Ordnung, und wir wollten hier in frischer Luft bleiben, aus Furcht vor Ansteckung.«

»Was für eine dumme Idee von Herrn Boll!« sagte ich.

Das Feuer wollte nicht ordentlich brennen, und während ich noch daran herumarbeitete, deckte Euphemia ein Tischtuch über den Rasen und trug Brot, Butter, Käse, Sardinen, Schinken, Eingemachtes, Zwieback, und wer weiß was noch – auf.

Wir beschlossen, nicht erst zu warten, bis der Kessel ins Sieden käme, sondern die Mahlzeit ohne Thee und Kaffee einzunehmen und uns mit frischem Wasser zu begnügen. Das Bachwasser wollte uns jedoch gar nicht munden, wir wußten nicht warum – es schien keinen ganz reinen Geschmack zu haben.

»Nach dem Essen,« sagte ich, »fangen wir unsere erste Entdeckungsreise an, und ziehen aus, um eine Quelle zu suchen!«

»Wenn wir keine finden«, meinte Euphemia, »müssen wir uns Wasser vom Hause herschaffen, denn diesen Stoff kann ich nicht trinken.«

Wir suchten nach einer Quelle, rechts und links, nah und fern, konnten jedoch keine entdecken. Endlich gerieten wir durch reinen Zufall in die Nähe der Wohnung des alten Johann; und da ich wußte, daß er einen guten Brunnen hat, gingen wir hin, um einmal zu trinken, weil wir von dem Schinken und den Sardinen großen Durst bekommen hatten.

Wir teilten dem alten Johann, der gerade Kartoffeln ausgrub und sehr erstaunt war, uns so bald wiederzusehen, unsere Not wegen des Wassers mit.

»Nun,« sagte er sehr bedächtig, »eine Quelle giebt es hier herum nicht. Wird Ihnen denn ihre Magd kein Wasser bringen?«

»Bewahre,« versetzte ich, »sie darf nicht zu uns ins Zelt kommen, sie soll für das Haus sorgen.«

»Wenn das ist,« meinte Johann, »so will ich Ihnen morgens und abends Wasser bringen, – gutes frisches Wasser aus meinem Brunnen, für – nun, für zehn Cents per Tag.«

»Das ist schön!« sagte Euphemia, »und auch nicht zu teuer. Es wird so wie so gut sein, wenn Johann alle Tage kommt; er kann gleich unsere Briefe besorgen.«

»Ich denke gar nicht daran, Briefe zu schreiben.«

»Ich auch nicht,« versetzte Euphemia, aber eine Verbindung mit der Außenwelt ist doch angenehm.«

So verabredeten wir denn mit Johann, daß er uns täglich zweimal mit Wasser versehen sollte; ich empfand jedoch dabei eine kleine Enttäuschung, denn, wenn man sein Zelt am Flußufer aufschlägt, ist man doch nicht auf Wassermangel gefaßt. Aber man lernt eben alle Tage etwas neues in der Welt.

Später am Nachmittag ging ich aus, um Fische zum Abendessen zu fangen. Wir hatten beschlossen, nicht zu viele Mahlzeiten zu halten: nur erstes und zweites Frühstück und ein gutes solides Abendbrot. Im Bache schienen nur wenig Fische zu sein, oder sie waren nicht sehr hungrig, denn lange wollte keiner anbeißen. Als ich vielleicht eine Stunde gefischt hatte, kam Euphemia herbeigelaufen.

»Was giebt es denn?« fragte ich.

»Oh nichts, ich wollte nur sehen, was du eigentlich machst, weil du so schrecklich lange fortbleibst! Sind denn das alle Fische, die du gefangen hast, – und solche kleine Dingerchen! Ich dachte, Leute, die im Freien kampieren, fingen immer große Fische und obendrein eine Menge!« –

»Das hängt wohl meist davon ab, wohin sie gehen!« sagte ich.

»Ja, das mag sein,« versetzte Euphemia, »nur hätte man denken sollen, daß in einem so großen Fluß kein Mangel an Fischen wäre! – Wenn du aber keine fangen kannst, – so gehe doch nach der Straße hin, Montags kommt ja gewöhnlich Mulligan, der Fischhändler, hier vorbei.« –

»Das sollte mir fehlen,« – erwiderte ich in etwas gereiztem Ton, – wo bliebe da der Sport! – Aber wenn wir plaudern, fange ich gar nichts; – wasche doch die Fische ein wenig hier an der seichten Stelle ab, sie sind so in die Höhe geschnellt und auf dem Boden staubig geworden; – ich will indessen mein Glück etwas weiter unten versuchen.«

Ich ging eine Strecke am Bach entlang, bis zu einem tiefen schattigen Weiher im Erlengebüsch, wo Fische sein mußten. Es dauerte auch nicht lange, so fühlte ich, daß etwas anbiß und an der Leine zog; – es mußte wohl ein sehr großer Fisch sein, denn er zerrte immer gewaltiger, so daß ich fürchtete, die Angelrute möchte brechen. Hätte ich nur recht gewußt, wie man es macht, dem Fisch immer etwas Spielraum zu geben und ihn sich müde zappeln zu lassen, dann wäre er leicht herauszuziehen gewesen! So geriet ich aber in große Aufregung, sprang am Ufer hin und her und zog und zerrte an der Leine – und dann zog und zerrte wieder der Fisch. –

»Nimm die Angelrute,« rief ich Euphemia zu, »die gerade herbeikam, und gehe so weit vom Ufer weg, wie du kannst; und ich will die Leine einziehen.«

Sie that, was ich sagte, und sobald ich die Schnur ergreifen konnte, zog ich aus Leibeskräften und brachte bald einen ungeheuren Katzenfisch catfish auch bull-head oder horned pout, ein nordamerikanischer Flußfisch, der besonders in den Gewässern des Westens eine ansehnliche Größe erreicht. Anm. d. Übers. ans Land.

»Hurrah!« schrie ich, »das nenne ich einen Fang!« –

Euphemia ließ die Angelrute fallen und eilte herzu.

»Was für ein schreckliches Geschöpf!« rief sie aus, »wirf es wieder hinein!« –

»Warum nicht gar,« versetzte ich, »das ist ein prächtiger Fisch, wenn ich ihn nur vom Haken losbekäme! – Komm ihm nicht zu nahe, – man darf seine Flossen nicht anfassen und an dem Horn kann man sich leicht vergiften.«

»Dann darf man ihn doch aber nicht essen!«

»Nur Horn und Flossen sind giftig.« –

»Ich habe schon Katzenfisch gegessen, aber ein Ungetüm wie dieses ist mir noch nicht vorgekommen. Sieh nur das entsetzliche Maul – und es hat einen richtigen Katzenbart!« –

»Du hast wohl den Fisch nur ohne Kopf gesehen? – hätte ich nur erst den Haken heraus!« –

Das war nicht leicht, weil man einen Fisch dieser Gattung nur sehr vorsichtig anfassen darf; ich nahm ihn daher mit ins Zelt, wo ich ihm den Kopf abhauen und dann den Haken bequem entfernen konnte. Euphemia sammelte unterwegs alle kleinen Fische auf, denn sie hielt es für unrecht, sie erst zu fangen und dann nicht zu verzehren; daß ihre Hände etwas danach rochen, machte ihr hier im Lagerleben nichts aus. –

Ich schlachtete den großen Fisch (es war eine verzweifelte Anstrengung, ihm die Haut abzuziehen), während meine Frau, die zierlichste Köchin von der Welt, das übrige Abendbrot bereitete und den Fisch auf der Pfanne briet, denn anders ist der Katzenfisch nicht genießbar.

Der Fisch schmeckte ganz köstlich, schon der bloße Geruch hatte uns Appetit gemacht. Nachdem wir uns mit Wohlgefallen gesättigt hatten und alles wieder aufgewaschen war, zündete ich mir eine Pfeife an und wir setzten uns unter einen Baum, um den schönen Abend zu genießen.

Die Sonne war schon hinter den fernen Bergen untergegangen, und in der sanften Dämmerung verschwammen allmählich die glänzenden Farben der Abendwolken; die Heimchen zirpten, die Nachtfalter begannen zu schwirren, das Feuer, welches ich in unserer Nähe angezündet hatte, brannte hell und lustig und warf Streiflichter zwischen die Schatten des Gebüsches.

»Ist das nun nicht viel besser, als in einem engen dumpfen Hause eingepfercht zu sein?« rief ich.

»Oh, viel tausendmal,« sagte Euphemia, »hier trennt uns nichts von der Mutter Natur, wir sitzen in ihrem Schoß und ruhen an ihrer Brust, während sie uns streichelt und liebkost! Sieh nur die herrliche Abendbeleuchtung,« fuhr sie fort und schlug sich mit der Hand ins Gesicht, »es ist ganz reizend, – wenn nur die Muskitos nicht wären!« –

»Ja, die sind schlimm,« versetzte ich, »sie lassen sich nicht einmal durch meine Pfeife vertreiben. Wie massenweise müssen sie da unten am Bach sein!«

»Da unten?« rief Euphemia, – »hier oben sind sie ja zu Millionen! So etwas ist mir noch gar nicht vorgekommen; – es wird mit jedem Augenblick ärger!«

»Dann weiß ich, was wir thun müssen,« sagte ich und sprang auf, »komm, laß uns trockene Blätter sammeln und einen großen Qualm machen.«

Bald stieg ein schwarzer Rauch empor, und wir standen unter dem Winde, bis Euphemia zu husten und zu niesen begann, als ob ihr der Kopf zerspringen sollte. Mit von Thränen überströmenden Augen erklärte sie, lieber wolle sie sich bei lebendigem Leibe auffressen lassen, als länger in diesem Qualm bleiben.

»Wir haben vielleicht zu nahe gestanden,« sagte ich.

»Mag sein,« erwiderte sie, »aber ich habe jetzt genug Rauch geschluckt. – Daß mir das jetzt erst einfällt! – ich habe ja zwei Schleier mitgebracht, wir schützen damit das Gesicht und ziehen Handschuhe an!«

Sie wußte doch immer ein Auskunftsmittel! –

Verschleiert und behandschuht boten wir nun den Muskitos Trotz, und saßen noch ein halbes Stündchen plaudernd beisammen; ich hatte ein kleines Loch in meinen Schleier gemacht, um das Mundstück der Pfeife durchzustecken. –

Als es ganz dunkel geworden war, zündete ich die Laterne an, und wir trafen Vorbereitungen zu unserer wohlverdienten Nachtruhe in dem bequemen und geräumigen Zelt, wo für jedes ein nettes kleines Feldbett stand.

»Willst du denn die Thüre die ganze Nacht über offen lassen?« fragte Euphemia, als ich noch einmal alles nachgesehen hatte und von meiner letzten Runde zurückkam.

»Nun, der Leinwandlappen ist gerade keine Thüre; doch meine ich, wir lassen sie offen, – es wird sonst zu schwül. Du brauchst dich nicht zu fürchten, ich behalte die Flinte neben meinem Bett, und wenn jemand bei uns eindringen will, werde ich ihm schnell genug die Wege weisen.«

»Ja, wenn du aufwachst! – aber ich glaube wirklich, wir brauchen uns hier nicht vor Einbrechern zu fürchten, – Leute, die im Freien kampieren, thun das nie.«

Es war doch schrecklich dunkel, still und einsam in unserm Zelt am Bach, als wir uns nun zur Ruhe begeben hatten und das Licht ausgemacht war. – Einschlafen konnte ich nicht, – ich weiß nicht aus welchem Grunde – und ich mochte wohl schon ein bis zwei Stunden wach gelegen haben, als Euphemia zu sprechen begann:

»Schläfst du?« fragte sie mit so leiser Stimme, als fürchte sie die Leute im Nebenzimmer zu stören.

»Nein,« sagte ich, »wie lange bist du denn schon wach?«

»Ich bin gar nicht eingeschlafen.«

»Ich auch nicht!«

»Wollen wir nicht die Laterne anzünden, – ich glaube das wäre gemütlicher!«

»Ja, aber dann kämen ganze Schwärme von Muskitos herein. Hätte ich nur das Muskitonetz mitgebracht und eine Uhr, – wenn wir die ticken hörten, wäre es weniger einsam. Indessen gute Nacht, – wir müssen tüchtig ausschlafen, da wir morgen so viel auf den Füßen sein werden.« –

Etwa eine halbe Stunde später, als ich gerade anfing schläfrig zu werden, sagte sie:

»Wo hast du denn die Flinte?«

»Hier neben mir,« versetzte ich.

»Wenn ein Mann hereinkommt, sieh nur zu, daß du erst recht in seiner Nähe bist, bevor du feuerst, sonst fliegt das Schrot im ganzen Zelt umher.«

»Versteht sich! – Gute Nacht!«

»An etwas haben wir noch gar nicht gedacht,« rief sie nach einer Weile.

»An was denn?«

»Ob es nicht Schlangen giebt.«

»Daran wollen wir auch nicht denken, sondern versuchen einzuschlafen!«

»Freilich, – aber ich versuche ja schon die ganze Zeit,« entgegnete sie in kläglichem Ton, und dann war alles wieder still.

Diesmal glückte es uns wirklich mit dem Schlaf, und es war schon heller Tag, als wir erwachten.

Als der alte Johann mit unserm Wasser kam, war das Frühstück noch nicht fertig; er brachte auch Milch mit, was uns ganz recht war und wir trugen ihm auf, uns täglich ein Liter zu bringen.

»Gemüse brauchen Sie wohl nicht?« fragte er, »ich habe sehr schönen süßen Mais und Tomaten, auch könnte ich Ihnen Grünkohl und Erbsen bringen.«

Täglich frisches Gemüse zu essen hatten wir nicht erwartet, aber wenn der alte Johann doch Wasser und Milch brachte, war kein Grund dagegen, und wir trugen ihm auf, uns immer etwas von den Produkten seines Gartens mitzubringen.

»Ich könnte Ihnen auch vom Metzger ein Beefsteak oder Koteletts holen, wenn Sie es morgens bestellen,« sagte er, um sich den Profit weiterer Aufträge nicht entgehen zu lassen.

Aber das war uns doch zu viel; wir erinnerten uns noch zu rechter Zeit, daß wir ja im Freien kampierten, wozu derlei nicht paßte.

Kaum war Johann fort, als wir Herrn Boll herbeikommen sahen.

»Er wird uns doch nicht etwa hier stören wollen!« rief Euphemia.

»Schönen guten Morgen,« sagte Herr Boll, uns die Hand schüttelnd, »haben Sie's denn wirklich die ganze Nacht ausgehalten!«

»Ja wohl,« versetzte ich, »und wenn Sie nichts dagegen haben, daß wir auf ihrem Grund und Boden sind, bleiben wir noch viele Nächte hier.«

»Nicht das geringste, – aber für Leute, die ein gutes Haus haben, ist es doch seltsam, hier im Freien unter einem Zelt zu wohnen, – das muß ich sagen.«

Ich setzte ihm nun die ganze Sache noch einmal auseinander – den Rat des Doktors, unsere Zweifel bei der Wahl des Ortes, und die Gründe, die uns bewogen hatten, uns für diese Stelle zu entscheiden.

»So,« – meinte er, »das ist alles ganz schön; – aber wie geht es denn der Magd?«

»Welcher Magd?« fragte ich.

»Nun, der ihrigen, die Sie im Haus gelassen haben.«

»Der geht es ganz gut, – es fehlt ihr nie etwas.«

»Werden Sie denn heute einmal nach Hause gehen, und sehen, was sie macht?«

»Bewahre,« versetzte Euphemia, »so lange wir im Freien kampieren, kehren wir nicht in unser Haus zurück.«

»So, so, – das habe ich mir gedacht,« meinte Herr Boll, »aber soll ich nicht vielleicht Doktor Ames schicken, daß er einmal nach ihr sieht? – Es ist doch immerhin besser, – selbst wenn sie alles hat, was sie braucht. Der Doktor kommt heute früh, um mein Töchterchen zu impfen, da könnte er auf dem Heimweg leicht einmal vorsprechen.«

Der Besuch des Doktors in Ruderheim schien uns keinen rechten Zweck zu haben, doch war auch nichts dagegen einzuwenden, – und erst als Herr Boll uns verlassen hatte, wurde mir klar, was er eigentlich meinte: Er war der Überzeugung, daß Pomona an einer ansteckenden Krankheit litt, und wir uns fürchteten, im Haus zu bleiben! Euphemia sagte ich hiervon nichts, es hätte sie nur geärgert und wir wollten doch unsere Ferienzeit in Freude und ungetrübtem Glück verleben.


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