Albin Zollinger
Der Fröschlacher Kuckuck
Albin Zollinger

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zehntes Abenteuer

oder wie die Fröschlacher flugs ein Stadttor erbauen und auch der Flughunde Meister werden.

In der Fremde hatten sie eine Liebe zur Heimat gefaßt, auch gesehen, was die Schattenseer sich ihre Sicherheit an Türmen und Toren, Pechnasen 68 und Schildwachen kosten ließen. Die Fröschlacher waren fleißig, bebauten ihre Felder im Umkreis und verstanden aus allem Geld zu machen; daneben lebten sie fröhlich, ein jeder mit seinem Sparren und tätig in tausend Vereinen, in denen sie tanzten und sangen, bliesen und turnten, Kaninchen und Bienenvölker und Briefmarken tauschten. Legte Schattensee Schale um Schale seines steinernen Panzers um ein fröstelndes Leben, so sahen die Fröschlacher herzhaft von Not und Gefahren ab. Pflasterte Sparta an seinen Schanzen, dann Athen an der Häuslichkeit seiner Bürger. Rühmte sich die Vorsicht ihrer Zitadellen, so die Schwärmerei der Akropolis eines Domes, der in den Mondnächten hoch wie auf Wolken schimmerte. Fröschlach war gut dabei gefahren, nun zur Kriegszeit freilich im Rückstand mit dringlichen Dingen, welche nicht über Nacht aufzuholen waren; sie entbehrten vor allem ein Stadttor wenigstens nach der Seite des Feindes hin.

Fröschlach hat seinen Namen von urältestem Anfang im Sumpfe, aus dem es den Berg hinanstieg immer stolzer und reicher, mit zierlichen Adelshäusern, deren Geschlechter, wieder langsam verbauernd, auf Zinsen der Altstadt wucherten. Diese obern Zehntausend wohnten in Fröschlach 69 entrückt hinter Butzenscheiben, abseits der Gemeinschaft, an der Fröschlacher Narrheit nicht beteiligt, höchstens mit ihrem Golde oder in Springinsfelden von Söhnen der Art unseres jungen Klaus Hähnchen. Dieser Naseweis war es, der von der Zuschauerbühne rufend das Stadttor gefordert hatte.

Die Fröschlacher machten erschrockene Gesichter. Es drückte sie jetzt im Gewissen, keine Bastionen, nur ihre Kirche, keine Kasernen, nur ein Freilichttheater statt des Exerzierplatzes angelegt zu haben. Es drückte sie auch am Herzen, daß ihre musische Lebenshaltung sich als ein Irrtum erweisen, die schönen Künste sie in der Not verlassen sollten. Der Stadtbaumeister erinnerte sich aber, dem Theater vor Zeiten ein halbes Karthago entworfen zu haben. Sie gruben es aus dem Schutt hervor, trugen, Kinder und Weiber, Stück für Stück der gewaltigsten Ringmauer vor die Stadt hinaus, wo die Zimmerer mit ihren Beilen einen Heidenlärm verführten. Die Aufrichtung des Torturms geschah unter Leitung des Stadtbaumeisters, also wie am Schnürchen, obgleich es die entsetzlichsten Ausmaße hatte und das Fallgitter ordentlich spielen sollte.

Fröschlach hielt sein Bollwerk wie einen Schild 70 vor der Brust und blickte darüber hinweg so trutziglich, daß die Festungsbauer erschraken und anders nicht als auf Umwegen hinterrücks in ihre Stadt einzutreten wagten.

So bewehrt und versehen, rasteten sie aber nicht in der Umsicht, setzten sich vielmehr hin, um die Nücken des Feindes abzudenken und ihnen mit Weisheit zu begegnen. Nun ging ein Gerücht, er hätte die Neuerung eingeführt, auch aus der Luft anzugreifen mit wüsten Schwadronen sogenannter Flughunde, fledermausähnlichen Biestern, deren Biß mit Tollwut vergiftete. Der Furcht von Natur nicht unterworfen und schlimmere Bestien gewohnt, blickten die Männer fast böse auf ihre Weiber in Tränen. Wie nichts vermochte die Vorstellung dieser Vögel die hinfälligen Geschöpfe zu ängstigen. Schon hatten sich ihrer einige verschworen, in Männerhose zu gehen, wenn nichts Wirksames und Ueberzeugendes gegen den Flughund geschähe, den unter ihre Röcke zu bekommen sie nicht die leiseste Lust verspürten. Dergleichen Aengste belächelnd, erbarmten die Fröschlacher sich aus Mitleid des schwachen Geschlechtes, dem sie sein Teil der Mitsprache nicht versagten, und dachten auf tunliche Mittel, zu seiner Beruhigung zu handeln, auch wenn die fliegenden Hunde als 71 Waffengattung undenkbar und Erfindungen der Kindlichkeit waren, die sich in Märchen auslebte. Der eigene kleine Argwohn genügte sich an der Verfügung, die der Stadtausrufer herumtrug, in der Meinung, daß sämtliche Fröschlacher Vogelscheuchen auf das Vorfeld der Festung zu pflanzen wären.

Sie erschreckten sich selbigen Tages abscheulich von einer Röte, die, indem sie beim Abendbrot saßen, mit feurigen Fittichschwärmen in ihre Stuben zündete. Sie schossen ein Gestrüppe von Pfeilen unter den Himmel, die Sonne versank in ihrem Blute. 72

 


 << zurück weiter >>