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Goldfische. Seidenwürmer und Bienen.

Viele, viele Jahre habe ich Goldfische gehalten, aber ich konnte von ihrem »Seelenleben« beim besten Willen kaum etwas ermitteln. Sie erfreuen unser Auge und sind sehr ausdauernd. Vergeblich suchte ich festzustellen, wann die Fische eigentlich schlafen. Alle meine Beobachtungen zur Nachtzeit blieben ohne Ergebnis. Auch fällt es auf, daß Fische keine Augenwimpern haben. Das ist wohl ganz natürlich. Denn im Wasser kann ihnen kein Staub in die Augen fliegen. Ähnlich verhält es sich mit den Vögeln, im Gegensatz zu den Säugetieren, die auf den Erdboden angewiesen sind und durch ihre Bewegungen Staub aufwirbeln. Die Vögel dagegen leben fast ausnahmslos in staubfreier Luft. Deshalb also haben Vögel und Fische keine Augenwimpern. Unter den Vögeln kommt nur der Strauß als Ausnahme in Betracht; denn er fliegt nicht, sondern läuft in der staubreichen Wüste.

Bei den Seidenraupen ist ebenfalls wenig von einem »Seelenleben« zu merken. Sie fressen eigentlich ununterbrochen. Den Wahlspruch: ›Edo, ut vivam‹ – ich esse, um zu leben, haben sie umgekehrt in: ›Vivo, ut edam‹ – ich lebe, um zu essen.

Die Seidenraupen sind sehr nützliche Insekten. Es wäre zu wünschen, daß sich die Seidenraupenzucht und damit die Anpflanzung von Maulbeerbäumen, die ihr Lieblingsfutter liefern, bei uns immer mehr ausbreitete.

Bei den Bienen habe ich mich überzeugt, daß sie zur Nachtzeit ständig wach sind, also einen Schlaf in unserm Sinne nicht kennen. Naturgemäß muß das die herrschende Ansicht unterstützen, daß sie wie die Ameisen den Menschen ein »Vorbild des Fleißes« sind. Das ist auch bereits im Altertum erkannt und hervorgehoben worden.

Maulbeerspinner.

So hat also die Redensart vom »Bienenfleiß« ganz sicher ihre innere Berechtigung. Die Bienen sind ununterbrochen regsam und im Interesse ihres Stockes tätig.

Etwas anders sieht die Sache aber aus, wenn die Auffassung zutrifft, daß der ganze Bienenstock nur ein einziges Geschöpf ist. Sonst pflanzt sich jedes Tier selbständig fort. Bei den Bienen aber geschieht es nur durch die Königin. Sie paart sich bei ihrem Hochzeitsfluge mit den Männchen, die Drohnen genannt werden. Die eigentliche Arbeit besorgen die verkümmerten Weibchen. Man ersieht daraus, daß bei einem Bienenvolk die Sache wesentlich anders liegt als bei Säugetieren, die in Rudeln zu leben pflegen. Der Bienenvater oder Imker nennt häufig den ganzen Stock »der Bien«. Auch er hat also die erwähnte Auffassung von der Einheit des Bienenstockes.

Kokons der Seidenraupe.

Wenn nun die einzelne Biene kein selbständiges Wesen ist, sondern nur eine Zelle eines großen Körpers, so steht sie auf der gleichen Stufe, wie Zellen oder Organe unseres Leibes. Wir sagen nun nicht, daß unser Herz sehr fleißig ist, weil es Tag und Nacht schlägt. Es könnte also immerhin zweifelhaft sein, ob der Fleiß der Biene, von diesem Standpunkte aus betrachtet, gepriesen zu werden verdient.

Umgekehrt darf man die Bienen nicht grausam schelten, weil sie im August die Drohnen töten. Denn der Gesamtkörper scheidet dann ja nur überflüssig gewordene Zellen aus, d. h. die überflüssigen Männchen.

Das Schwärmen, wobei der ganze Stock in Aufruhr gerät, erfolgt bei einer gewissen Stärke des Stockes. Ein Teil der Bienen zieht mit einer neuen Königin fort, und das ist wohl nichts anderes als die Geburt eines neuen »Biens«.

Die Bienen kennen ihren Imker, was sie dadurch bekunden, daß sie ihn im Gegensatz zu fremden Personen gewöhnlich nicht stechen. Tun sie es wirklich, so ist das weiter kein Unglück, da der Bienenvater im Laufe der Zeit gegen Stiche unempfindlich (immun) wird, weil sein Körper an das Gift gewöhnt ist.

Drohne. Königin. Arbeiterin.
Geschlechter der Hausbiene.

Ein befreundeter Bienenvater erzählte mir von seinen Bienen folgendes: Bei Ausflügen setzten sich Bienen seiner Stöcke oft auf seine Kleider und ließen sich von ihm nach Hause tragen. Demnach erkennen die Bienen ihren Meister – wie alle Insekten – wahrscheinlich durch ihren hervorragenden Geruchsinn.

Die Bienen liefern nicht nur den herrlich schmeckenden Honig, sondern sind auch für die Landwirtschaft unentbehrlich. Raps, Rübsen, Klee und andere Nutzpflanzen bedürfen zur Befruchtung der Bienen; sie vermitteln die Übertragung, indem sie von Blüte zu Blüte fliegen. Auch die Obsternte hängt von den Bienen ab. Ohne Bienen gibt es kein Obst.

Wir werden deshalb milder über das Stechen der Bienen denken müssen. Obendrein will die Biene ja nur ihren Stock verteidigen.

Ausgewanderter Bienenschwarm, an einem Baume hängend.

Sie muß diese Abwehr mit dem Leben bezahlen; denn der Stachel bleibt mit dem Hinterleib im Körper des Feindes stecken.


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