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Dritter Aufzug.

Estrella's Wohnung.

Erster Auftritt.

Estrella, Theodora am Fenster.

Estrella.

Kommt er noch nicht?

Theodora.

Noch nicht.

Estrella.

Wie kann er säumen?
Ach, aus den fernsten Räumen
Sollt' auf der Liebe Schwingen
Er ja im Fluge eilen! –
Auch kommt Clarindo nicht! Wo mag er weilen?

Theodora.

Ihr seyd zu sehr bewegt, Fräulein!

Estrella.

Es dringen
So wechselnde Gestalten
Vor meinen Blick, daß ich sie fest zu halten
Umsonst versuche. – Schrecken
Umlagerten die Nacht, und Wonnen wecken
Mich auf zum schönsten Tage! –
O Theodora, sage:
Gibt's einen Mann in diesen Königreichen,
Mit Ortiz zu vergleichen?

Theodora.

Mein Fräulein, ihr seyd Beide
Sevilla's Zierden und ein Ziel dem Neide.

Estrella.

Schon hat Clarindo ihm mein Blatt gegeben! –
O, welch ein süßes Beben
Wird seine Brust durchwehen,
Wird Wunsch und Hoffen er befriedigt sehen! –
O, daß, ihn zu entzücken,
Ich mich mit allen Reizen könnte schmücken!
Daß meines Himmels Sonnen
Nur Sterne wären gegen seine Wonnen!
Ach! Alles möcht' ich haben,
Was je ein Glücklicher besaß an Gaben,
Der Welt vereinten Segen,
An des Geliebten Busen ihn zu legen!

Theodora.

Was wird der König sagen?
Wird er es ruhig, ungeahndet tragen,
Daß ihm ein Glück entschwebe,
Den Schatz, den er gesucht, ein Andrer hebe?
Bleibt er nicht der Beraubte?

Estrella.

O, er ist edel! – Weil er frei mich glaubte,
Gab er den Wünschen Raum, die ihn bethöret;
Doch sicher, wenn er höret,
Ich sey vermählt, wird er mich mehr noch ehren,
Er wird der Neigung wehren.
Die schneller sich dann endet,
Als er sie flüchtig mir hat zugewendet.

Theodora.

Clarindo kommt!

Estrella.

Willkommen, wie Aurore,
Wenn sie den Tag bringt durch des Himmels Thore!

Zweiter Auftritt.

Vorige. Clarindo.

Estrella.

Wo ist dein Herr?

Clarindo.

Gerufen
Hat ihn die Pflicht hin zu des Thrones Stufen.
Mich sandt' er, Euch zu grüßen;
Bald seht Ihr selbst ihn hier zu Euren Füßen.

Estrella.

Er hat mein Blatt empfangen?
Was sprach er? – Rede!

Clarindo.

Wollet nicht verlangen,
Daß ich's Euch wieder sag'; Ihr wißt, es klingen
Die Reden anders stets bei uns Geringen.
Doch will ich Euch die Sache wohl erzählen,
Wenn auch die schönen Worte sollten fehlen. –
Der Herr befahl, es soll in seinem Hause
Alles bereitet seyn zu Fest und Schmause,
Von Teppichen und Kränzen
Soll Haus und Pforte und der Vorhof glänzen.

Estrella.

So soll er auch die Braut geschmückt hier finden! –
Laß mich den Hals umwinden
Mit Perlen; festlich prangen
Soll seine Stella gleichfalls. – Gib die Spangen
Mir, Theodora!

Clarindo.

Seht, den Ring verehrte
Er mir zum Botenlohn. Ein Stein von Werthe,
Ein Hyacinth ist's.

Estrella.

Mir den Ring! Ich gebe
Den Demant dir dafür.

Clarindo.

So wahr ich lebe!

Estrella.

Nie war ein Weib beglückt wie ich zu schauen,
Ich bin die seligste von allen Frauen!

Theodora.

Was für ein Lärm? – Ich seh', was es bedeute. –

(Geht an's Fenster.)
Viel unbekannte Leute
Werd' ich im Hof gewahr.

Estrella.

Mein Sancho ist's mit seiner Freunde Schaar

Dritter Auftritt.

Vorige. Don Guzmann, mit Gerichtspersonen und Gefolge. Im Hintergrunde die Leiche des Bustos auf einer Bahre.

Estrella.

Gerichtspersonen kommen in das Haus?
Was ist geschehn? Ein Irrthum muß es seyn!
Ihr seyd, o Herr, hier in Tabera's Wohnung.

Guzmann.

Unglückliche! Der Himmel geb' Euch Kraft,
Den Schmerz zu tragen, den er Euch gesandt;
Dieß Eine denkt: er kommt von seiner Hand!

Estrella.

Mein Gott! was ist geschehn? was werd' ich hören?

Guzmann.

Mir bricht das Herz, daß ich Euch's künden soll,
Daß ich der Bote muß des Unglücks seyn!
Seyd stark! Gott halt' Euch aufrecht. Don Tabera –

Estrella.

Heiland der Welt!

Guzmann.

Ihr seyd zur Waise worden –
Er ist nicht mehr, wir bringen seine Leiche.

Estrella (schreit auf).

Guzmann.

Er ist dahin, ist todt! Den blut'gen Eingang
In seinen edlen Busen fand der Mord,
Und hieß das Leben fliehn.

Estrella.

Laßt mich ihn sehn!

Guzmann.

Mein Fräulein –

Estrella.

(sinkt auf die Knie).
Seyd barmherzig!

Theodora.

Welch ein Jammer!

Estrella.

Laßt mich ihn sehn! – Dort ist er! Fort! – Hinweg!

Guzmann.

Unsel'ge! – nicht mehr halt' ich Euch zurück.
(Das Gefolge macht Platz, man sieht die Bahre)

Estrella.

O Bustos! Bustos! Bustos! – Er ist todt! –
Kein Athem! – Kalt und todt! – O, meine Seele!
Mein Bruder! Du mein Schutz! o edler Bustos!
Du milder, liebevoller, treuer Bustos! –
Welch eine frevelhafte Hand hat dich erschlagen?
Wer war der Räuber, der dein Leben stahl?
Ach, diese Brust, sie war ein goldner Schrein,
Der jeden Adel, Ehr' und Tugend barg!
Wer hat ihn ausgesprengt? – O, Theodora!
Sieh, er ist todt! – Mein Leben ist geschwunden!

(Sie wirft sich weinend an Theodoras Brust.)

Guzmann.

Ja, weint! laßt Eure Thränen fließen, Donna Stella!
Nie war ein Mann der Thränen würdiger!
Was Ihr verloren, wird Euch nie ersetzt;
Sevilla weint mit Euch an seiner Bahre!

Estrella.

Wo ist Don Sancho Ortiz? Ruft ihn her!
Wie konnt' ich ihn vergessen? Ruft ihn, eilt!
Er war sein Freund, sein Bruder. – Geht um ihn!
Er wird ihn rächen an dem blut'gen Mörder!
Denn wie ein Bruder hat er ihn geliebt. –
O, armer Ortiz! – In der Freude Wohnung,
In's Haus des Glückes hofftest du zu treten,
Begrüßt von Jubel! – Schreckenvolle Täuschung!
Wie andre Töne klingen dir entgegen! –
O, ruft ihn her! Könnt' so gewiß er Leben
In deine Glieder hauchen, armer Bustos,
Als er den tödtet, der dein Blut vergossen!

Guzmann

Ihn rufet nicht, daß er Euch Beistand leiste!
Er ist der Schuld'ge, der den Mord beging.
Schon handelt das Gericht in Eurer Sache;
Ergriffen ward Don Ortiz auf der That.

Estrella.

Don Sancho Ortiz de Roellas?!

Guzmann.

Ja!

Estrella.

Ihr lügt! Unmöglich ist's!

Guzmann.

Und dennoch wahr!
Kein Zweifel waltet, wer der Thäter sey,
Auch läugnet es Don Sancho Ortiz nicht.

Estrella.

Um Gottes ewige Barmherzigkeit!
Ihr seyd ein alter Mann – sagt keine Lüge!
O, martert nicht ein arm unglücklich Weib!
Gebt mir den Tod, doch sagt, es sey nicht so.

Guzmann.

Umsonst sucht Ihr in Euern Zweifeln Trost;
Sucht ihn bei Gott, bei Menschen sucht ihn nicht,
Fragt mich nichts mehr; nur Eure Qualen mehrt,
Was ich Euch sagen kann.

Estrella.

War's nicht genug,
Ihn zu verlieren, nicht genug des Unglücks,
Wär' er auch sanft auf weichem Pfühl gestorben? –
Hätt' er den Geist an meiner Brust verhaucht,
Wär' er, das Haupt in meinem Schooß, entschlummert,
War es genug Entsetzen nicht und Qual?
Mußt' ihn ein Mörder tödten mit Gewalt?
Und welch ein Mörder!

Guzmann.

Fräulein, laßt Euch rathen!
Entfernet Euch von hier. – Geht, Theodora,
Führt sie hinweg.

Estrella.

Nein, laßt mich! – Nimmermehr!

Guzmann.

Man führt Don Ortiz her. Es ist nicht gut,
Daß Ihr ihn seht.

Estrella.

Laßt mich! ich will ihn sehn!
Er soll in's Aug' mir schau'n mit seinem Blick,
Mit seinem Tigerblick! – Ich kann's nicht fassen.
So hold und doch so grausam! Blutgierig Thier!
Hast du dich sanft an meine Brust geschmiegt,
Mit Liebeslächeln schmeichelnd mich gekost,
Um meines Herzens Blut mir auszusaugen?
Was hab' ich dir gethan, du falscher Spieler?

Vierter Auftritt

Vorige. Don Ribera. Don Ortiz. Gerichtsdiener, später Don
Perez.

Estrella.

Um Gott! – Er ist's!
(Sie sinkt ohnmächtig in Theodora´s Arme, die sie auf einen Stuhl niederläßt)

Ortiz.

Farfan! – O, das ist bitterer als Tod!
Das ist mein Werk und doch bin ich nicht Schuld.
O, laßt sie schlafen; wecket sie nicht auf.
Sanft ruht, wer todt; beklaget den, der lebt!
Ach, warum habt Ihr mich hierher gebracht!

Ribera.

Es thut mir leid, daß ich so bitt'rer Lage,
Euch nicht entziehen kann. Es will das Recht,
Daß man Euch hier das erstemal verhöre.

Ortiz

War's Eure Pflicht, so habt Ihr recht gethan.

Don Perez (tritt ein)

Was ist geschehn? Sevilla ist in Aufruhr!
Man weist mich her zu Don Tabera's Hause,
Man sagt ihn todt, nennt, Ortiz, Euch den Mörder!

Ortiz.

Da spricht man wahr. Ich bin's. – Das ist mein Schicksal.

Perez.

Sagt, wie's geschah, daß ich dem König Kunde
Von diesem Vorfall bringe.

Ortiz.

Dort blickt hin!
Der, den Ihr blutig hier erschlagen seht:
Mein Bruder war's, mein Freund! so theuer mir,
Wie meine eigne Seele! – Er ist todt,
Der Ehre Rücksicht hat ihn hingestreckt.
Mehr sag' ich nicht. – Dem König aber meldet,
Was Ihr gesehn, und wollt Ihr, sprecht dazu:
Die Sevillianer wissen ihrer Pflicht
Genug zu thun und kennen kein Bedenken;
Denn ihre Sterne treten sie mit Füßen,
Und ihre Brüder achten sie für nichts! –
Nicht Gnade will ich; was ich that, bekenn' ich.
Warum ich's that – kein Mensch soll es erfahren.
Frommt meiner That Geheimniß, nun wohlan,
So bleibe sie geheim – auch wenn ich sterbe.

Ribera.

Doch mildern Gründe oft des Rechtes Ausspruch;
Die That nicht nur allein, den Antrieb auch
Erwägt der Richter. Darum redet, Ortiz!

Ortiz.

Blut fordert Blut, das ist des Mordgesetzes
Uralte Losung; darum laßt es fließen
Und haltet es nicht auf. Ich will nicht leben!
Ihr habt der That Geständniß, führt mich fort.
Doch laßt mich Einmal noch die Leich' umschlingen,
Die kalten Lippen meines Bustos küssen,
Daß meines Athems Gluth den seinen wecke,
Ich meine Seel' in seine Wunde hauche!

Guzmann.

Unsel'ger Wahnsinn des empörten Blutes,
Der schnell zu Frevel und Gewaltthat treibt.

Ortiz.

Nicht Zorn hat mich getrieben, Pedro Guzmann,
O, als ich ihn erschlug, da liebt' ich ihn.
Das wußt' er wohl, darauf ist er gestorben!
Und that ich's dennoch, nun – so mußt' ich's thun,
Und war's noch nicht gethan – so thät' ich's noch!

Guzmann.

Ihr sprecht in Räthseln, Ortiz; löst sie auf!

Ortiz.

Mag sie ein Andrer lösen, wenn er will;
Wo nicht, so ziemt mir, daß ich schweigend dulde.

Guzmann.

Bringt diesen Leichnam weg!
(Bustos Leiche wird weggetragen,)

Theodora.

Sie regt sich wieder!
Sie schlägt die Augen auf.

Ortiz.

O, führt mich fort!
Laßt mich von hier, daß nicht der erste Blick,
Den sie zum neuen Leben hebt, auf mich,
Den blut'gen Räuber ihrer Ruhe falle!
Führt mich von hier! – Ich trag' es länger nicht!

Estrella.

Wo bin ich? – Was geschieht? Was wollt ihr mir? –
Ortiz! – Weh' mir! – Ja, es ist wirklich so!
Bustos ist todt! – O, laßt ihn näher treten!
Laßt ihn zu mir, den Mörder, dessen Auge,
So wie der grimme Blick des Basilisk,
Im Anschau'n tödtet! – Nun, so tödt' auch mich!

Ortiz.

O, Herz, das ist zu viel!

Estrella.

Arglist'ger Sancho!
Bist du denn grausam stets, barmherzig nie?
Gibst du den Tod nur Glücklichen und weigerst
Ihn der Verzweiflung?

Ortiz.

O, Estrella!

Estrella.

Wie?
Du weißt noch meinen Namen? – Deine Stimme,
Ja, ja, sie ist's – noch tönet sie wie sonst!

Ortiz.

Ich bin ja nur ein Mensch! So laß mich leiden,
Was menschlich ist, o Himmel! – Das ist mehr!

Estrella.

Du, grausamer als das wilde Thier der Wüste,
Gefährlicher als giftgenährte Schlangen! –
Sonst gab Natur ein warnendes Gepräge
Den Wesen blut'ger Art. Es sieht der Wolf
Nicht mit dem Blick des Rehs, der Löwe schmeichelt
Mit sanfter Stimme nicht, wenn er zerreißt;
Nur Du bist falsch, vom Wirbel bis zur Zeh'!
Den Blick voll Lieb', indeß du Tod bereitest!
Wer kann vor dir sich hüten?

Ortiz.

Sey barmherzig!

Estrella.

So sprich! sprich, wenn du kannst, unsel'ger Ortiz!
Quell herber Thränen, herberer, als je
Von eines Weibes Auge sind geflossen!
Was hab' ich dir gethan? – Was that dir Bustos?
Sprich, daß er dich gekränkt mit einem Blicke,
Und ich hör' auf zu weinen.

Ortiz.

Weh'!

Estrella.

Was that er dir,
Der gute, würd'ge, tugendhafte Bustos,
Deß Athem Ehre war, der selbst im Schlaf
Von Pflicht und Treu' und Adel nur geträumt,
Der dich geliebt wie seiner Augen Licht,
Er, der dir Alles gab – was that er dir?

Ortiz.

Fragt mich nicht, Stella! Laßt mich meinem Schicksal!
Verdammt mich, nennt mich grausam, wenn Ihr wollt,
Mein Herz und mein Bewußtseyn spricht mich frei.
Wohl war ich grausam, doch mein Auge floß
In Thränen, als ich's war, und als ich Bustos traf,
Stieß ich in meine Brust, vergoß mein Herzblut.
Ich bin beklagenswürdiger als Ihr! –
Mein Unglück nur allein ist mein Verbrechen;
Ich konnte glücklich sehn und durft' es nicht,
Und sie, die ich geliebt, muß ich verderben!

Estrella.

Wer zwang dich oder was? – So sprich es aus!
Nenn' einen Grund mir, aus Barmherzigkeit!
Wahr oder falsch; nur eine Ursach' sage!

Ortiz.

Mehr sagt' ich schon, als ich gesollt. – Wohl hart,
Doch trostlos nennt' ich dann nicht mein Geschick,
Dürft' ich's Euch klagen. – Nur dieß Eine glaubt:
Ein Mörder bin ich, ein Verbrecher nicht.

Estrella.

O, Theodora, er ist hart wie Stein!
Schlag' an den Felsen, und es fließen Quellen
Aus seiner Brust; doch die bleibt unbewegt.

Ortiz (zu den Alkalden).

O, endet diese Qual, führt mich von hier!

Estrella.

So geh' denn, doppelzüngiger Verräther!
Hüll' in arglistig Schweigen dein Vergehn,
Und auf die Sterne schiebe deine Schuld!
Laß keinen Trost mehr für Estrella übrig,
Wie du begonnen hast, so ende auch!
Was hast du noch zu schonen auf der Welt,
Da selbst das Heiligste du nicht geschont?
Ich aber weiß, was Bustos Schwester ziemt.
Um Rache schreit die Wunde seiner Brust –
Sie soll ihm werden! – Euer Leben such' ich
Und Bustos blut'gen Schatten will ich sühnen!

Ortiz.

O, daß doch glückbekränzt dieß Leben wäre,
So wie es jammervoll, dann wär's ein Opfer! –
Lebt wohl, Estrella, denn, und bleibt mit Gott!
Den Becher hab' ich auf den Grund geleert;
Des Lebens schwerste Stunde ist vorüber,
Was nun noch kommt, ist leicht! – Lebt wohl auf immer!
In Thränen scheid' ich – doch ich scheide gern!

(Er wird abgeführt.)

Estrella.

Hin ist mein Leben! – Nacht um mich! – Kein Schimmer! –
O, Theodora, sieh – das war mein Stern!


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