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Erster Aufzug.

Vorhof eines Landhauses. Früher Morgen.

Erster Auftritt.

Said sitzt auf einem Stein und schlummert. Der Castellan tritt auf.

Castellan.

Ja, fürwahr! noch Alles leer
Hier im Vorhof! Niemand wach!
Träg ist dieses Volk der Knechte;
Nur im Schlafe ist ihm wohl. –
Wie? – Und auch der Wächter schläft? –
Wächter!

Said.

Wie – wer ruft? – Ja so!

Castellan.

Ja, wer ruft? Elender Sklave!
Statt, daß du zu ihrer Pflicht
Solltest andre Diener wecken,
Muß empor dich meine Stimme
Selbst erst aus der Trägheit schrecken.

(Geht ab.)

Zweiter Auftritt.

Said (allein).

Ruhig, Herz! Geduld, Geduld!
Murre nicht, wenn das Geschick,
Das in frühen Jugendtagen
Freude dir gezeigt und Glück,
Dich nun solches Joch läßt tragen,
Dir mit dieser groben Hülle
Kaum die nackte Blöße deckt,
Einem rauhen, strengen Mann
Eigen gab und unterthan,
Ja, von dem, der selbst ein Knecht,
Läss'st mißhandeln wider Recht! –
Senkt, von diesem Kleid gewendet,
Sich der Blick in meine Brust,
Darf ich muthig zu mir sagen:
Herz, mein Herz! du darfst nicht zagen;
Trag' ich Unglück doch, nicht Schuld!
Und ein frei Gewissen schafft
Auch dem Tiefgedrückten Kraft,
Und ein Tag, des Lebens letzter,
Kommt, der alle Leiden endet.

Dritter Auftritt.

Said. Der Castellan mit mehreren Dienern, jagdmäßig gekleidet.

Castellan.

Seht, wie hoch die Sonne steht!
Fängt bei euch der Tag jetzt an?

Ein Diener.

Nun, laßt's gut seyn, Castellan;
Noch ist nichts versäumt.

Castellan.

Befahl
Nicht der Herr, daß zu der Jagd
Mit dem ersten Morgenstrahl
Alles sollt' bereitet seyn? –
Und du, dank' es deinem Glücke,
Daß auf andre Weis' ich nicht
Dich emporgerüttelt! Seht! –
Heißt das auch bei dir gewacht?

Said.

Ich war wach die ganze Nacht,
Und nur, als es schon getagt,
Fielen mir die Augen zu.

Castellan.

Zu der Arbeit, nicht zur Ruh'
Hält man dich!

Said.

Ach! schwächer ist,
Ihr habt Recht, der Körper, leider,
Als die Seele! –
Hat ihn Tags der Arbeit Mühe,
Kalt' und Wind in langer Nacht,
Endlich matt und starr gemacht,
Willenlos, auf harten Stein
Sinkt er hin und schlummert ein;
Doch die stärkre Seele wacht,
Und im Traume noch zumal
Fühlt sie des durchfrohnten Tages,
Der durchwachten Nächte Qual.

Castellan.

Wie die Reden vornehm klingen!
Seele – Qual! – Was soll das heißen?
Du hast mehr als du verdienst. –
Wirst du nicht genährt, gekleidet?
Was braucht so ein Schurke mehr?
Ei, wer bist du denn? laß hören!
Warst vielleicht ein großer Herr
Dort bei deinem Heidenvolke;
Bist zur Arbeit viel zu zart;
Viel zu vornehm?

Said.

O, verspart
Dem, der durch das Schicksal leidet,
Euern Spott! – Wer weiß, ob nicht,
Um gedoppelt mich zu höhnen,
Euer Mund die Wahrheit spricht.

Castellan.

Richtig. So wie ich gesagt!
Wenn man sich nur recht versteht.
Jetzt begreif' ich! – Warst ein Prinz!
Hu! ein Herr von Land und Leuten!

Said.

Ich war glücklich – braucht es mehr?
Und wohin mein Auge blickte,
Sah ich Menschen, die mich liebten! –
Ich war arm; doch wenn die Sonne
Rosig sich erhob in Osten,
Ich hinaus ins Freie trat,
In den Hain, von Balsam triefend,
In das duftdurchwürzte Feld;
Wenn der Berge fernste Gipfel,
Und die grünen Palmenwipfel,
Und mein friedlich stilles Zelt
Schwamm im goldnen Glanz der Frühe;
Wenn das gottgeliebte Land
Rings in unbegrenzter Weite
Segen dampfend vor mir lag:
Betend grüßt' ich da den Tag!
Weib und Kind an meiner Seite,
Rief im Uebermaß der Wonne:
»Der du wohnst im Herz der Sonne,
In dem Brand des Lichts, o Herr!
Segen, den du mir gegeben,
Gib ihn Allen, die da leben,
Jeder sey wie ich beglückt!«

Castellan.

Schweig! Du hast hier nichts zu reden!
Nicht, was war, nur das, was ist,
Kümmert mich, und jetzo bist
Du ein Herr, den mit dem Stocke
Ich hier vor mir tanzen lasse,
Wenn's mir so beliebt!

Said

Zu viel!
Gib, o Gott, daß ich mich fasse!
(Will gehen,)

Castellan

Bleib! Du sollst mir Rede stehen.

Said

Nichts verbrach ich; laßt mich gehen!

Castellan

Was von »fassen« sprachst du da?
Schnöder Auswurf, der zum Knecht
Eines Knechtes noch zu schlecht! –

Said

Acht' ich meiner Pflichten nicht,
Klagt es meinem, Eurem Herrn,
Daß er strafe, wenn ich fehle;
Aber wenn ich nichts verbrach,
Castellan, häuft keine Schmach
Dann auf mich! Bei meiner Seele –

Castellan

Drohen willst du? Reden führen? –

(Er hebt den Stock, um den Sklaven zu schlagen. Dieser entreißt ihm einen Dolch, den er im Gürtel trägt)

Said

Wagt es nicht, die Hand zu rühren,
Denn, bei Gott, ich stoß' Euch nieder!

Vierter Auftritt.

Vorige. Don Arias tritt aus dem Hause. Diener, die ihm folgen.

Arias.

Welcher Lärm ist hier im Vorhof?
Was geschieht? – Antwort verlang' ich! –
Wie kommt in des Sklaven Hand
Hier der Dolch?

Castellan.

Zu guter Stunde
Hat dich Gott hierher gesandt,
Mir zur Rettung.

Arias.

Rede deutlich!

Castellan.

Herr, du weißt, daß diesen Sklaven
Du zum Wächter hast bestellt;
Als ich nun vorübergehe,
Find' ich ihn hier achtlos schlafen,
Und weil ich zu seiner Pflicht
Ihn Verhalte und ihn schmäle,
Wie er es verdienet, bricht
Aller Grimm, den seine Seele
Still gekocht, hervor in Wuth.
Schnell, eh' ich es mich versehe,
Hat er mir den Dolch entrissen,
Und hätt' dich zu meinem Glück
Nicht gesendet das Geschick,
Würd' ich hier in meinem Blut
Jetzt für meinen Eifer büßen.

Arias.

Frevel ohne Maß! – Ist so
Aufgelöst in meinem Hause
Jedes Band der alten Zucht,
Daß der Letzte selbst versucht,
Des Gehorsams und der Pflicht
Schranken frevelnd zu durchbrechen?

Said.

Herr, verzeihe mir!

Arias.

Wer spricht?
Hast zu zittern du verlernt,
Wenn ich rede?

Said.

Da du ihn
Angehört, der mich verklagt,
Laß auch den Beklagten sprechen, –
Zwar, Herr, siehst du meine Hand
Stahlbewaffnet – und wohl weiß ich,
Daß nicht Waffen einem Armen
Ziemen, der im harten Bann
Seines bösen Schicksals schmachtet;
Doch ich warb von diesem Manne
Schwer gereizt, mit gift'gem Spotte,
Uebermüthig lang' gehöhnt,
Gegen jegliche Gebühr
Schwer verunglimpft – und ertragen
Hab' ich's mit Geduld, beachtet
Meines Standes traurig Loos,
Das an Unrecht mich gewöhnet.
Doch zuletzt wollt' er mich schlagen!
Da, o Herr, ergriff auch mich
Lang' bekämpften Eifers Glühen:
Ich vergaß, daß ich ein Sklave –
Dieses Eine nur bedenkend,
Daß auch ich, o hoher Herr,
Sey ein Mensch – und abzuweisen
Unverdiente Schmach, ergriff
Ich zur Abwehr dieses Eisen;
Doch zum Angriff wahrlich nicht.

Castellan.

Laß durch glatte Worte nicht
Diesen Heuchler dich betrügen.

Arias.

Braucht es, wo der Frevel spricht,
Noch der Worte?

Said.

Herr, nicht lügen
Lernt' ich.

Arias.

Ha, mich dünkt es Fabel,
Einen Dolch gezückt zu sehen
In des Sklaven Hand! und wagen
Kannst du, aufrecht noch zu stehen,
Deine Augen aufzuschlagen?
Du vermagst aus deiner Brust
Noch ein Wort hervor zu keuchen?
Ha, beim ew'gen Gott! ich mach' es
So – und du hast ausgelebt!

Said.

Du bist Herr, dein Sklave ich!
Wohl lischt deines Mundes Hauch
Meines Lebens Licht und Niemand
Fragt dich, ob du recht gethan.
Wem, um ein so niedrig Leben,
Dürftest Rechenschaft du geben?
Doch, mir keiner Schuld bewußt,
Darf ich nicht vor dir erbeben.

Arias.

Blicke dieses Eisen an!
Diese Waffe spricht dein Urtheil.

Said.

Liege sie denn hier, o Herr,
Dir zu Füßen. Deine Nähe
Ist ein Schild, der schirmend auch
Selbst den armen Sklaven deckt.

Arias.

Deiner Rede Schlingen fangen
Nicht mein Herz. Der Frevel wird
Nicht durch sie getilgt.

Said.

O glaube
Meinem unverfälschten Wort!
Nicht Empörung, Herr, nicht Mord
Sann ich, Aufruhr nicht, vor welchem
Meine Seele Abscheu hegt!
Bei dem Blut, das mich gezeugt:
Was dein Dienst mir auferlegt,
Hab' ich streng erfüllt.

Arias.

Gehorchen
Nicht allein, du sollst auch schweigen!
Und, daß du es lernen mögest,
Will ich sorgen.

Said.

Blick' auf mich!
Eingehüllt in dieses schlechte
Kleid bin ich; der Abfall nährt mich
Von der Diener Kost:, was, hungrig,
Deine Rüden oft verschmähn,
Wird mir vorgesetzt zur Speise
Und es däucht mir gut. – In schwerer
Arbeit bring' ich hin den Tag,
All' die lange Nacht durchwach' ich,
Habe nichts, als was des Daseyns
Elend nackte Nothdurft fristet! –
Nie erscheint für mich ein Festtag,
Und das Jahr ist hingeflossen,
Und die ganze lange Zeit
Bringet keine Stunde jemals,
Wo ich Armer mich gefreut. –
Und doch haben meine Lippen
Nie geklaget; unverdrossen,
Dient' ich, und ob auch mein Herz
Oft in stillem Gram gebrochen,
Innen trug ich meinen Schmerz;
Was ich litt, nie gab ich's kund,
Und kein Wort hab' ich gesprochen.

Arias.

Sieh! – und doch ist jetzt dein Mund
So beredt!

Said.

Von Noth getrieben;
Durch der Menschen hart Bezeigen
Tief im Innersten empört.

Arias.

Ziemt dir solcher Ton?

Castellan.

Hast du selbst es nun! – Den macht
Auch dein eigen Wort nicht schweigen.

Arias.

Will dein starrer Nacken sich
Ruhig nicht in Demuth bücken,
Will ich ihn danieder drücken.

Said.

Herr, du hörtest nicht, wie hart
Ich gehöhnt, gescholten ward.

Arias.

Ei! thut dir der Spott so weh?

Said.

Weil ein herbes Schicksal mich
Von den Meinen abgeschieden,
Aus der Fülle mich gerissen
Meines Glücks; bis an den Hals
Mich in Elend hat gesenkt,
Bin ich, Herr, nicht noch ein Mensch?
Was dich schmerzt, es schmerzt auch mich;
Was dich freut, mich freut's wie dich. –
Dieser Leib fühlt Hunger, Kälte,
Hitze und Ermattung, Krankheit
So wie du – und meine Seele
Sollte Ehr' und Schmach nicht fühlen?

Arias.

Nun, weil du im Punkt der Ehre
So empfindlich – laßt den Büttel
Ihn, an einen Hund gekettet,
Mit der Pritsche durch das Dorf
Gasse auf und nieder treiben;
Daß du wissest künftighin,
Was die Ehre sey des Sklaven.

Said.

Hoher Herr, Barmherzigkeit!
Zeuge Gott, ich bin nicht schuldig,
Und bin ich's, dennoch verzeih'! –
Herr, die Tage sind nicht gleich
Und das Menschenherz, geduldig
Heut, ist morgen sturmbeweget,
Und die Seele, aufgereget,
Dünkt sich ihrer Bande frei.
Wenn ein Wort, das sich nicht ziemt,
Unbedacht dem Mund entflohen,
Laß die Winde es verwehn.

Arias.

Thut, wie ich befahl!

Said.

Mein Flehn
Wird dich rühren! Mitleid ist
Göttlich! –

Arias.

Fort!

Said

Und Trost entfließt
Ihm, wie Brunnen in der Wüste.

Arias.

Straf' ich, ein gerechter Richter,
Dich nicht, wie du es verdient?
Denn weil eine Ehrensache
Ist zu nennen dein Vergehn,
Mußt du eine Ehrenstrafe
Billig auch dafür bestehn,

Said.

Herr, vergib! – und willst du strafen,
Hab' ich mich so sehr vergangen,
Daß an mir mein hart Vergehen
Milde nicht verdient – so strafe!
Winke deine Henker her,
Hau' die Glieder mir vom Leibe,
Daß, verstümmelt, nur ein Rumpf
Von mir Armen übrig bleibe,
Doch beschimpfen laß mich nicht.

Arias.

So geschieht's!

Said.

Im Staube lieg' ich
Hier vor dir! – auf meinen Nacken
Setz' ich deinen Fuß – die Kniee
Dir umschling' ich – laß mich tödten!
Laß mich tödten, Herr, und siehe,
Dankend küss ich deine Hände,
Und des Herzens letztes Regen,
Und der Stimme letzter Laut
Sey Gebet für dich und Segen
Zu dem Gott, der jetzt uns schaut. –
Doch beschimpfen laß mich nicht!

Arias.

Hör' zu winseln auf! Vergebens
Heulst du hier; ich ändre nichts!

Said.

Denke, daß der Herr des Lebens
Rächet, was am wehrlos Schwachen
Stolzer Uebermuth gethan.

Arias.

Frecher Schwätzer! – Faßt ihn an!

Said.

Nun denn! Fluch dir auf dein Haupt!
Und wie ich um deine Füße
Flehend meine Arme wand
Und du lachtest – also müsse
Zürnend dich der Himmel strafen,
Daß du so vor mir, dem Sklaven,
Du einst selbst, getränkt von Jammer,
Liegen magst zu Hohn und Spott!
Und, wie ich kein Mitleid fand,
Fruchtlos deine Hand erheben!

Arias.

Fort!

Said.

Bei meiner Väter Gott!
Dir zum Unheil bleib' ich leben!

(Der Vorhang fällt.)

Ende des ersten Aufzugs.


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