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So lag Hunold in der Herberg Singend, trinkend, musizirend, Um den Vollmond abzuwarten. Tages hielt ihn nichts im Hause, Einsam strich er dann im Freien, Hatte immer ein Gewerbe Und ging jedem aus dem Wege. In den Wald schlug er sich meistens, Stand da horchend unter Bäumen, Denn der Vogelsprache kundig War der vielerfahr'ne Sänger. Auf des Basbergs laub'gem Gipfel Hatt' er sich mit Raths Verwill'gung Einen Vogelherd errichtet, Dahin stieg er jeden Morgen Schon hinan bei Sonnenaufgang, Saß und lauerte und lockte. Waren doch die muntren Vöglein Seine Freunde und Genossen In der Zunft der Sangesbrüder, Und des Waldes lust'ge Spielleut In dem bunten Federhemde Waren Fahrende, die sorglos Wie er selbst, der Vogelfreie, Überall ihr Nestlein bauten, Wo vor Stürmen, Schnee und Regen Sie ein schirmend Obdach fanden. Alle kannt' er sie mit Namen, Ihren Flug und ihre Stimme, Und wo sie am liebsten hausten. Fand er eine Feder liegen, Bückt' er sich und steckt' sie sorgsam An die hohe, spitze Kappe, Wußte gleich, aus wessen Flügel Oder Schwanze sie gefallen. »Dompfaff,« sprach er, »ausgeschlafen? Also pflog er Unterhaltung |
»Ich kenne ein Mädchen, das schaute tief In's Aug' einem lockigen Knaben, Und ob sie wachte, und ob sie schlief, Sie mochte in Armen ihn haben. Sie sprach. ›Du nahmst mir dahin die Ruh, Mein Haupt muß in Sorgen ich lehnen, Denn alle mein Sinnen und Denken bist du Und alle mein Träumen und Sehnen.‹ Ich kenn' auch den Knaben, er wuchs zum Mann, Wo über dem Bache die Weide hing, Verrathen die Liebe, gebrochen die Treu, – |
Schweigsam zog der Spielmann weiter, Bückte sich und pflückt' am Boden Sich ein rothes Heideblümchen, Das er lange sinnend ansah, In den Fingern gar zerdrückte Und dann achtlos wieder wegwarf »Ja so war's; ich seh' wie heute Sie am Bach noch vor mir stehen An dem stürmisch rauhen Abend, Der in jenem Thal mein letzter. Ihre schönen, braunen Haare Wehten ihr um Schläf und Nacken, Und sie wußte, daß es aus war, Frug mich nicht, doch ihre Augen Brannten mir bis in die Seele, Und zum ersten Mal im Leben Wollte mir das Wort versagen. – Was kann ich dafür, wenn einmal Schlechten Ankergrund im Herzen Die Natur mir eingerichtet? Oben fährt es sich ganz lustig, Und manch schmuckes Schifflein tanzte Schon auf meiner Liebe Wellen, Das die stolze Flagge einzog, Wenn es meinen Kurs erst kreuzte; Seht euch vor, ich bin ein Spielmann!« Durch die Bäume fuhr ein Windhauch, Schüttelte vom Morgenthaue Ihm ein kühles Tropfenschauer Auf das Wamms, »Na, was denn?« rief er, »Ist's etwa nicht wahr, ihr Hölzern, Daß ihr darum so verwundert Eure krausen Häupter schüttelt?« Unten aus dem Schlehbusch zirpte Ihm ein Zaunkönig entgegen: »Mausefänger! Herzensdieb! Wenn du pfeifst, so tanzen Alle, Tanzen Mäuse, tanzen Mädchen, Doch es kommt einmal der Tag, da Mädchen singen, Mäuse pfeifen Und du in der Luft mußt tanzen Ohne Boden untern Füßen.« »Daß dich Ratte doch und Wiesel Gleich beim Kragen hätten, Däumling! Müssen doch die kleinsten Wichte Stets die größten Mäuler haben.« In der höchsten Fichte Wipfel Rucksten da zwei wilde Tauben; Hunold lauschte, was der Täubrig Sprach zur Taube seines Herzens: »Täubchen! Schönste doch im Lande Ist des wackern Bürgermeisters Dunkeläugige Regina Mit den langen, schwarzen Zöpfen; Sah sie neulich auf der Linde, Einsam saß sie dort und seufzte, Schaute wohl nach einem Freier; Ist nun aufgeblüht die Rose, Duftend, leuchtend, reif zum Pflücken.« Und die Taube girrte: »Männchen! Freier ist schon angekommen, Schultheiß' Sohn, der Heribertus, Hat beim Alten schon geworben; Als ich gestern flog vorüber, Sah ich Arm in Arm sie stehen. Ja sie blühte wie die Rose, Doch die Rosen haben Dornen, Daran sah ich Thränen blinken, Und schon manchesmal auch hingen Rothe Tröpflein an den Dornen.« Hunold stutzte ob der Märe: »Bürgermeisters schöne Tochter Schaut' ich nimmer; voll in Blüthe, Sprach der Täubrig, steht die Rose? Freilich mit dem Schultheiß hab' ich Niemals gerne was zu schaffen, Hat den Blutbann und die Rüge – Rothe Tröpflein an den Dornen – Ach was! dummer Taubenschnickschnack!« Plötzlich hört' er Flügelrauschen, In der Eichenkrone knackt es, Und ein dürrer Ast fiel nieder Grade hin vor Hunold's Füße, Und ein Rabe krächzte oben: »Stab gebrochen, Meister Hans! Rabenstein und Rad und Galgen Seh' ich deine Wege sperren, Rattenjäger! Hexenmeister! Geh' nicht in den Rath zu Hameln, Fängst dich selbst im kalten Eisen Wie der Fuchs am Dohnenstiege; Rad und Galgen, Rad und Galgen Seh' ich deine Wege sperren, Und wir Raben werden fliegen, Werden dir die Augen hacken, Die Verräther und Verführer, Und die Untreu trifft die Rache.« »Sei verflucht, des Teufels Küster! O die Armbrust an die Wange, Dir des Todes Gruß zu danken! Hat sich Alles denn verschworen, Solch ein Lied mir heut zu singen? Zwitschert doch, ihr Luftgesellen! Schimpft und lügt, geschwätz'ge Zungen! Hab' mich doch aus Noth und Ängsten Immer wieder wett gesungen. Augenzauber, Liedeszauber, Lieb' und Leben darfst du wagen Bis zum letzten Bogenstriche; Komm hervor, mein tröstlich Spielwerk, Mir die Grillen weg zu blasen, Frei und froh mein Herz zu singen. Und ihr flatterhaften Sänger, Stegreifvolk, du federleichtes, Hütet euch! der Merker lauert, Jeder Mißton steht am Kerbholz.« Damit setzt' er die Schalmeie An die Lippen, blies und lockte, Daß es rings im Walde schallte, Und mit rüst'gen Schritten wand er Sich um Stämme und Gesträuche. Als bei seinem Vogelherde Sinnend ruhen Hunold's Blicke Also murmelt er, dann aber Doch es wollt' ihm heut nicht glücken |
»Vom Berg unter Buchen rauschte ein Born, Hochgehalten von Manchem als Heilquell, Wenige wußten des Wassers Kräfte, Träume trug's in die Seele des Trinkers. Zwischen Zweien, die netzten die Zunge, Runen standen am Steine geschrieben, Einmal kam mit adligem Knappen Sie sahen sich an, von Sehnsucht ergriffen, Pfeifend schwirrt ein Pfeil gefiedert, Zitternd in Zorn, des Zaubers kundig, Flehend fällt der Graf ihr zu Füßen, Trauernd trägt man die Todten zu Grabe, |