Julius Wolff
Der Rattenfänger von Hameln
Julius Wolff

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Allen lieben Spielleut


 

            Ihr lieben Spielleut allesammt,
Ob arm, ob Schätze sparend,
Wie Ihr auch heißt, woher Ihr stammt,
Ob seßhaft oder fahrend,
Ihr Sinner und Erzähler all,
Poeten, Troubadoure
Und Musikanten überall,
Nehmt hin die Aventiure.

Die Ihr trompetet und posaunt
Und quinkelirt und zimpert,
Paukt, trommelt, rasselt und rasaunt
Und fingert, knipst und klimpert,
Ob Flöte oder Clarinett,
Ob Brummbaß oder Geigen,
Ob Harfe oder Hackebrett
Ihr klingen laßt zum Reigen,

Und die Ihr singet hochgemuth –
Wie ist doch gottbegnadet,
Wer in der eignen Töne Fluth
Die frohe Seele badet!
Wer von der edlen Zunft ein Glied
Der Spieler und der Sänger –
Euch widme ich getrost mein Lied
Vom Ham'ler Rattenfänger.

Ist eine alte Stadtgeschicht,
Halb spaßhaft und halb schaurig,
Wär' nur das letzte Ende nicht,
Ihr Brüder, gar zu traurig.
Manch seltne Chronik schlug ich auf,
Urkunden, Pergamente,
Daß ich erführ' der Dinge Lauf,
Sie recht bei Namen nennte.

Doch nirgends giebt es im Archiv
Für Forscher was und Finder,
Als daß ein Pfeifer kam und rief
Die Ratten und die Kinder.
Ein Spielmann war er, so wie wir,
Fuhr durch das Reich die Straßen,
Sang, spielte, küßte, so wie wir,
Kühn über alle Maßen.

Und daraus ich dies Lied ersann,
Wie ich mir das so dachte,
Jedweder macht es, wie er kann,
Ein Schelm, wer's besser machte!
Hier sitze ich am Meeresstrand
Und höre Wellenrauschen,
So mögt, Gesellen, Ihr im Land
Nun meiner Märe lauschen.

Mit vollen, weißen Segeln zieht
Ein Schiff am Horizonte,
Daß doch auch so führ' mein Lied,
Daß so das Glück ihm sonnte!
Ich gab ihm lust'ge Zeichen schon,
Die kommen ihm zu Statten,
Es führt die Fiedel am Gallion
Und in der Flagge Ratten. –

Ihr lieben Spielleut, nehmt in Kauf,
Was Euch an ihm verdrossen,
Und schließt ihm Eure Herzen auf,
Dem Hameler Genossen.
Es geht die Sage wie ein Sang
Von ihm durch's alte Sachsen,
Und auf dem Koppelberg ist lang
Darüber Gras gewachsen.

Ostende, Juli 1875.


 


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