Christoph Martin Wieland
Reise des Priesters Abulfauaris ins innere Africa
Christoph Martin Wieland

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

3.

Der König Psammuthis hörte der Erzählung des Priesters lächelnd zu.

247 Aber der Oberaufseher der Finanzen, ein Mann, welcher rechnen konnte, und diese Zeit über in tiefen Gedanken gestanden hatte, strich seinen Knebelbart und sprach: Gott erhalte den König Psammuthis! – Der sehr verehrliche Priester der Isis hat, vielleicht ohne es selbst zu wissen, einen capitalen Einfall gehabt. Wir müssen eilen, eh' uns die Phönicier oder die von Karthago zuvorkommen, eine so schöne Gelegenheit zu benutzen. – Ist diese Nation zahlreich? fragte er den Priester.

»Sehr zahlreich, antwortete dieser: das Land wimmelt von Einwohnern; denn es ist ungemein fruchtbar, und die Leute sind friedsam und durch große Gebirge und Wüsten von andern Völkern abgesondert.«

Desto besser! sagte der Oberaufseher der Finanzen. Es sind gute Leute; sie haben Goldstaub und Elephantenzähne. Seine Ehrwürden hat uns da eine treffliche Gelegenheit gemacht, unsere Leinewand, Mousselinen, Schleier, Gürtel, Bänder und hundert andere Artikel unserer Fabriken mit einem Profit anzubringen, der zu gleicher Zeit die Cassen Ihrer Majestät füllen und Ihre Unterthanen bereichern wird. Die Gelegenheiten sind selten, wo man mit beiden Händen nehmen kann. Beim Anubis! ein göttlicher Einfall!

»Ich gestehe Ihrer Majestät, versetzte Abulfauaris, daß ich keine so ökonomische Absichten dabei hatte. Mein Gedanke war nur, den Willen der großen Göttin, deren Schleier noch kein Sterblicher aufgedeckt hat, zu vollbringen; welche, da sie die Aegypter zuerst lehrte den Flachs zuzubereiten und mit dem Gewebe davon sich zu bekleiden, sich beleidigt findet, Menschen zu sehen, die durch ihre Blöse das edle Geschenk der Göttin zu verachten und unnütz machen zu wollen scheinen. Hat aber, wie ich mit Vergnügen vernehme, diese meine 248 geringe, doch wohlgemeinte That auch noch einen politischen Nutzen: so möge dieses Beispiel Ihrer Majestät zu einem neuen Beweise dienen, daß wir unsern eigenen Vortheil nicht gewisser befördern können, als indem wir dasjenige thun, was den Göttern angenehm ist.«

Wohl gesprochen! – sagte der König Psammuthis.



 << zurück weiter >>