Christoph Martin Wieland
Die Prüfung Abrahams
Christoph Martin Wieland

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Dritter Gesang.

                        Isaaks himmlischer Freund und Sarahs, der Engel Elhanan,
Hatt' aus den Schatten des nächtlichen Lagers die Reden gehöret,
Welche Sarah mit Abram gepflogen. Jetzt sah er sie schlummern,
Und er sprach bei sich selbst: wie ruhst du, zärtliche Mutter,
Noch in deinen Träumen so lieblich! In welcher Hoffnung
Schliefest du ein! Noch lächelt von ihr dein freundliches Antlitz.
Aber dieß Lächeln, wie bald wird sich's in Jammer verwandeln,
Und dieß ruhig wandelnde Herz in Schauern erstarren!
Ach, dann wirst du, verlassen und ausgezogen und bebend,
Wie vom Himmel gestürzt, in einer Einöd' an Freude
Da stehn und jammern! Dann siehst du am Morgen, ach käme der Abend:
Fürchtest den Tag und das Licht, das sonst Vergnügen gestrahlet,
Und verlangest die Nacht; noch sucht der unsterbliche Kummer
In den Schatten der Nacht die fliehende Ruhe vergebens.
Wahrlich deine Gedanken sind nicht die Gedanken der Gottheit,
Nicht der Engel! Die beten mit Demuth der Gottheit Gedanken
Und mit Entzückungen an. Wehklagende Geister zu hören,
Tönet in unserm Ohr, als wenn der Sphären Gesänge
Plötzlich die Himmel umher mit wildem Mißlaut erschreckten. 172
Dennoch fühlet mein Herz dein Leiden, o liebende Mutter,
Denn du bist fühlend erschaffen, dir schlägt im zärtlichen Busen
Eine empfindliche Seele, zwar edel und rein wie die Unschuld,
Aber doch schwach, die Leiden zu tragen, die über dich kommen.
Seh' ich dich an, so bebt mir mein Herz, so thränet mein Auge;
Aber mitten im Mitleid umgibt mich die frömmere Freude.
Neue Scenen umglänzen mich sanft! Sie ehren das Schicksal!
Isaak, eh' ich es hoffte, umarmt dich dein zärtlicher Engel,
Du bist früh dem Himmel gereift! – Eröffnet euch, Himmel!
Schimmert heller, ihr Lauben, worin er mit englischer Stimme
Bald den Unendlichen lobt! Aetherische Wolke, bethaue
Diese Blumengefilde mit einem schöneren Frühling,
Wo ich zur ersten Umarmung ihn unter die Seraphim führe!
Durft' ich es hoffen, mein Freund, so bald dich Bruder zu nennen,
Da du, den Leib von Staub zu bewohnen, mir unbewußt folgtest?
Zwar auch damals, da Sarah zuerst mit Entzückung dich küßte,
Schaut' ich in schöne Gesichte hinaus; dein irdisches Leben,
Dessen Zeug' und Beschützer ich war, versprach mir Vergnügen,
Die der Himmel nicht hat. Der Anblick der menschlichen Tugend
Ist für Olympier reizend, auch hat sie oft Engeln zu Zeugen.
Ja, es ist süß, auf Wangen voll Unschuld, in Augen voll Liebe
Thränen blinken zu sehn, die Thränen der ersten Entzückung,
Wenn die ganze Gewalt der innern Zärtlichkeit ausbricht.
Lieblich ist es, das Stammeln des zarten Knaben zu hören,
Der auf dem Schooß der Mutter die süßesten Namen zu reden 173
Lächelnd sich übt, die sein Herz, lang' eh' er sie nennen kann, fühlte.
Lieblich ist es zu sehn, wie sich das dämmernde Auge
Eines Vaters erhellt, der über Reihen von Enkeln,
Welche ein Beispiel zur Tugend erhitzt, den Segen verbreitet.
Diese Freuden erblickt' ich vor mir, die fröhlichen Scenen
Sollte mir Isaak schenken; jetzt sind sie in bess're verschwunden,
Wie vor dem Tag die Dämmrung entflieht. Viel hellere Scenen,
Reinere Freuden eröffnen sich uns! – Dem Anschau'n der Gottheit
Stirbst du entgegen, o Jüngling, den Liedern Eloa's, dem Umgang
Himmlischer Freunde, dem ewigen Leben, der frühern Vollendung!
Komm, ich weine nicht, Freund, wenn bald dein Leben verblutet,
Wenn du, der sterbenden Lilie gleich, dein lächelndes Haupt neigst.
Nein! ich weine dann nicht! Mit heller entfalteten Flügeln
Nehm' ich dich, Seele, dann auf, und strahl' in die Chöre der Engel.

Also sagt' er, und kam zu Isaaks Lager zurücke,
Holde Träum' um das Haupt des heiligen Knaben zu gießen.

Endlich erwachte der Tag. Von den ersten Strahlen gewecket,
Machte sich Abraham auf. Da fand er Isaak im Saale
Schon zur Reise gegürtet. Aus einem heiligen Traume
War der Jüngling erwacht. Noch sah er der Seraphim Schaaren,
Die am eröffneten Himmel herab um die Wolke der Gottheit
Schwebten; noch umfloß ihn von ihren azurnen Flügeln
Süßer ambrosischer Duft. Vom Traum zur Entzückung erwecket, 174
Sprang er vom Lager und eilte, sich zu der Reise zu rüsten,
Die ihm die himmlische Scene versprach, das Urbild des Traumes.
Jetzt trat Ismael auch, sein Bruder, mit Elieser
Traurig herzu; sie fühlten, doch ungleich, die Schmerzen der Trennung.
Ismael wollte noch diesen Tag die müden Kamele
Rasten lassen, dann ruften ihm Gilhads umduftete Berge,
Ladan und Nardus von da, und Thränen der lieblichen Myrrhe
Nach Mizraim zu führen;Ladan (Ladanum, Ledum), wohlriechendes Schleimharz auf den Blättern der Cistenrose. – – Thränen der Myrrhe (die bittern aus ihr fließenden Tropfen) sollen gegen Fäulniß schützen. – Mizraim, Aegypten. Dort bedurfte man deren zu Bereitung der Mumien. er wollte nach ihrer Zurückkunft,
Etliche festliche Tag' in ihren Umarmungen leben,
Und dann wieder nach Paran zu Basmaths Zärtlichkeit eilen.
Unterdeß hatte Sarah mit Lilith und ihrer Ketura
Etliche Säcke mit Vorrath für sieben Tage gefüllet.
Alles erwartet den Aufbruch; zwei Knechte stehen am Wege
Bei dem Lastthier. Nun malte der Morgen die Stirne der Berge.
Abraham schied mit zärtlichen Wünschen aus Sarahs Umarmung,
Dann umfing er den Sohn der Hagar, und küßt' ihn voll Liebe.

Isaak hatt' in Eliesers umschlingenden Armen
Lange verweilt, kaum konnt' ihn der fromme Alte verlassen.
Endlich bezwang ihn die Wehmuth. Ein Strom von gesammelten Thränen
Schoß ihm ins Aug', er wandte sich schnell vom Antlitz des Jünglings.
Dieser warf sich in Ismaels Arm, und sah ihn nicht weinen.

Aber nun fordert dich, Jüngling, und deine zärtlichsten Küsse
Eine geliebtere Stirn; nun eilet die göttliche Sarah,
Dich noch eine Minute in ihrer Umarmung zu halten. 175
Segnend küsset sie ihn, und weint nicht; ruhiges Lächeln
Wallet um ihr zufriednes Gesicht; sie glaubet, er eile
Zu den Segnungen Gottes; hier wär' es Sünde zu weinen.
Thränenfrei lag auch der Jüngling auf ihren sanft glühenden Wangen.
Also schieden sie sich. Nach langer zarten Umarmung
Läßt ihn Sarah zuletzt. Dann spricht sie die segnenden Worte:
Gehe, mein Sohn, wohin dich der Gott Schaddai beschieden!
O wie entzückt mich dieß Feuer in deinen blühenden Augen!
Diese heilige Sehnsucht, die Stimme des Gottes zu hören!
Der dich erschuf, den Segen, den Trost der Kinder von Adam,
Selbst aus seinem allmächtigen Mund erschallen zu hören!
Gehe denn hin, und komm von Gott begnadigt zurücke!

Also sprach sie. Nun flog er von ihr. So eilet die Hindin
Oder ein jugendlich Reh von Myrrhenbergen herunter.
Schon entfloh das schattichte Mamre vor ihrem Gesichte,
Und der begierigste Blick der Hinterbliebenen suchte
Sie vergeblich im fernesten Blau der steigenden Hügel.
Neben den Reisenden schwebt Elhanan, der himmlische Zeuge
Dieser Geschicht'. Jetzt lieset sein Tiefsinn in Abrahams Auge.

Du, von der ich den frommen Gesang zu singen entflammt bin,
Heilige Muse, vor der die Gedanken der Menschen und Engel
Sich entblößten, die du die leisesten Regungen hörest,
Welche der Busen verbirgt, jetzt neige dein Ohr zu mir nieder!
Sage, was hat Elhanan in Abrahams Augen gelesen,
Was für Empfindungen fühlt' er, mit was für Gedanken besprach sich
Seine Seele, da er, voll Ernst und in sich gekehret,
Nicht die Schönheit des Tages in seiner sanften Entfaltung,
Noch die wechselnde Scene der Aussicht, noch Isaak wahrnahm,
Der in lauter Entzückung den Schöpfer der Dinge verehrte? 176

Und so geh' ich dir denn, o Land der Erscheinung, entgegen,
Eile, Moria, dir zu, dich mit dem schuldlosen Blute
Meines einzigen Sohnes zu tränken. Von dieser Rechten
Soll es strömen! Du Hügel, und deine umgebenden Cedern
Sollen trauernd es sehn, wenn unter den Händen des Vaters
Ein geliebter, ein einziger Sohn, als Opferlamm hinsinkt.
Also versah es der Gott Schaddai. Er hat ihn zum Opfer
Ausersehen, sein reineres Blut als der weißesten Lämmer
Soll ihm dort angenehm seyn! – O meine verwelkende Krone,
Meine sterbende Hoffnung! Noch singst du sorgenfrei Lieder,
Kennest dein Schicksal nicht; noch lacht dein heiteres Antlitz,
Wie dieß Thal, noch fließen in dir die Quellen des Lebens,
Gleich den Brunnen im Garten des Herrn, gleich blumichten Bächen.
Aber bald ist dieß alles vergangen! bald zittert dein Antlitz
Sterbend, erblaßt, im eigenen Blut! Der Schauplatz des Schreckens
Steht schon vor mir; ich sehe dich schon, o Jüngling, verbluten,
Höre das letzte Pochen der Brust, und sehe die Wangen
Sich entfärben, die brechenden Augen sich mühsam erheben,
Mich noch ansehn, dann im Todesschlummer erlöschen.
Ringsum schweigt die erbleichte Natur; du wankest, Moria,
Unter mir; Sion, du bebst auf diese Scene herunter.
Ach! ihr sahet auch einmal auf Scenen der Freude herunter!
Sion, oft hat dein Cedernschatten den betenden Noah
Eingehüllet, es hat in deinen wolkichten Wipfeln
Oft Deborens Hymne gerauscht, dein blumiges SaronSaron war der Name zweier Ebenen in Palästina, deren eine von dem Karmel bis Joppe an dem Mittelmeer, die zweite in dem schönen Thal von dem Tabor nach dem See Genezareth sich hin erstreckte. Diese letztere, in einer der schönsten Gegenden des Landes gelegen, und auch wegen ihrer vorzüglichen Blumen, besonders Rosen, berühmt, ist hier gemeint.
Oft die erneuerte Jugend in seine Rosen geladen.
Aber jetzt wirst du umher ein banges sterbendes Röcheln
Bebend vernehmen. Bald strömet das Blut des einzigen Sohnes, 177
Den sein Vater geschlachtet. an deinen Hügeln hinunter.
Ach wie starret mein Herz! – Warum erstarrst du? Mein Wille
Hat sich dem Herren verlobt. Ihr Adern, schauert nicht länger,
Gott gebietet; so fließet denn willig zu seinem Befehle!
Zwar ist ein furchtbares Dunkel um mein Verhängniß gezogen,
Eine dickere Nacht, als die mich damals geschrecket,
Da ich in dunkeln Bildern die fernen Wundergeschichten
Meines Geschlechtes sah, da nächtliche Schrecken vom Herren
Ueber mich kamen, und Donner aus seinem Munde mir sprachen.
Herr, du bist dunkel in deinen Gerichten, erhaben und dunkel;
Undurchdringbar dem sterblichen Blick, bedecket dein Schicksal
Eine heilige Nacht. – Doch, welch ein plötzlicher Lichtstrahl
Fällt in mein Herz und erhellet auf einmal das Dunkel der Seele?
Täusch' ich mich, oder kommst du vom Herrn, Gedanke, der jetzo
In mir hervorgeht? Ein Anfang, mein schwarzes Geschick zu enthüllen.
Warum mußte mein erster Sohn, von Hagar geboren,
Eben an diesem Tage, da Gott mir Isaak fordert,
Wiederkommen? Durch was für labyrinthische Wege
Zog ihn die Rechte des Herrn, wie zu verborgener Absicht?
Ist es vielleicht Nebajoth, dem Gott die Verheißung bestimmt hat?
Hat er nur, meinen Glauben zu prüfen, auf wenige Jahre
Isaaks himmlische Unschuld vom Himmel herunter gesenket?
Ist es in Ismaels Samen, in dem die Völker sich segnen?
O so sey mir willkommen, Gebenedeiter des Herren!
Sey willkommen! Ist Isaak nicht mehr, so sey du mir Isaak.
Aber vielleicht betrügt mich mein Herz mit diesem Gedanken? 178
So vergib es, o Herr, vergib es der kühnen Vermuthung,
Die in dein Geheimniß sich wagt. Schon zittert sie wieder
Eilend zurück! Kein Sterblicher soll mit kühnem Erforschen
Deinen Rathschluß entweihn! Hier deckt der Cherub sein Antlitz!
Was er auch sey, der göttliche Schluß, so ist die Verheißung,
Die du mir gabst, ein ewiges Wort. Die Sphäre der Himmel
Steht nicht so fest, als die Worte des Herrn. Eh' müßte die Asche
Meines geopferten Sohnes, von deinem Hauche befruchtet,
Wieder zu einem Jüngling hervorblühn, eh' müßten die Steine
Menschen werden, eh' daß von deiner erhabnen Verheißung
Nur ein Wort die Erfüllung, die ihm bestimmt ist, verfehlte!

Also sprach der Vater. Jetzt wandt' er wieder sein Auge
Auf den Jüngling: der Jüngling lächelt' ihm gleichfalls entgegen:
Sprach dann zu ihm: o Vater, die Gegend, die vor uns hier lieget,
Bringt mir eine vor's Auge, worin mich die himmlische Ribka
Einen Frühlingsgesang mit begleitenden Saiten gelehret:
Wenn dir's gefällt, so sollst du ihn hören. Mein Herz ist vom Anblick
Dieser Gegend so froh und vom Gesange der Vögel
So harmonisch, daß alles, was Ribka mir jemals gesungen,
Oder mein Abiasaph, auf einmal in mir erwachet.

Abraham winkt ihm die Antwort mit Liebe: dann singet der Jüngling,
Und die Zweige umher bewundern den Sänger, und schweigen.

Freude, du Lust der Götter und Menschen, Gespielin der Unschuld,
Komm zu meinem Gesang von jenem Hügel herunter, 179
Oder aus diesem Thal, worin dich der Frühling umarmet,
Komm von der Lilienau, und aus dem duftenden Haine!
Wer ist diese, die dort aus dem duftenden Haine hervorgeht,
Schön wie der sittsame Mond, und wie die Ceder erhaben?
Ist sie ein Engel, ein Jüngling des Himmels, erst neulich geschaffen?
Wahrlich, ihr Blick gießt Lieb' in die Brust; sie ist wohl ein Engel!
Oder nennt man dich Freude? Wie selig preis' ich die Augen,
Die dich allezeit sehn, und deine Blicke genießen!
Ja, sie ist es! Sie ist auf meine Bitte gekommen!
Siehe, da wimmeln aus ihrem Fußtritt ambrosische Blumen
Schimmernd hervor! Da kommt sie daher, die Schwester des Frühlings!
Ueber ihr schweben die rosenbekränzten lächelnden Stunden,
Alle reizend, und alle von Einer Mutter geboren.
Jetzt verbreitet die Freude die sanften Flügel, und trägt mich
Hoch in die Wolken. Ich seh' die Natur hier unter mir grünen.
Auf den Flügeln der Freude zu deinem Throne genähert,
Sing' ich, o Schöpfer, dein Lob; die Natur vermischet den meinen
Ihre Hymnen, dir steigt aus dem Hain ein harmonisch Getöne,
Aus den Thälern ein blumichter Rauch, wie ein Opfer, entgegen.
Singet mit mir, ihr Kinder der Schöpfung, besinget die Liebe,
Die uns gebar! erzähle sein Lob, seraphischer Himmel!
Die du dort über die Blumen hingleitest, krystallene Quelle,
Rausch' es den Blumen zu von einer Welle zur andern:
Alles was lebt, das lobe den Herrn und erfreue sich seiner!

Also sang er; das Lied begleiteten ernste Gespräche.
So verschwand vor ihnen der Weg. Schon waren zwei Tage 180
Und zwei Nächte vorüber gegangen. Der dritte Morgen
Trat jetzt am Himmel herauf; da hob der göttliche Abram
Seine Augen empor, und sah in der grauen Entfernung
Ein Gebirge verbreitet. Dieß war MoriaMoria hing mit dem Berge Zion zusammen. Hier erbaute Salomo nachmals den Tempel.. Der Alte
Kannte die Gegend. Nun gingen sie durch das thauichte Saron,
Abraham ernst mit heiligem Tiefsinn, sein Geist war der Gottheit
Näher, als seinem eigenen Leib; sein Gefährte ging fröhlich.
In der entwichenen Nacht war ein Traum zum Alten gekommen;
Einer vom Empyreum erschien ihm und sagte: zum Zeichen,
Welches der Hügel sey, wo Gott dein Opfer begehret,
Ist dir eine Taube von schimmernden Federn gegeben,
Die dir aus Saron entgegen wird kommen. Der Führenden folge,
Bis sie auf einem der Hügel sich setzt; dort opfre Gott Isaak!

Jetzo sah er die schimmernde Taube, der Jüngling noch früher,
Und, wie entzückt, vermuthet er gleich, sie sey vom Geschlechte
Jener seraphischen, welche dem Sem auf Sion begegnet,
Wie ihn die alten Gesänge gelehrt. Sie folgten der Taube
Bis an den Fuß des Moria. Hier ließ der Vater die Sklaven,
Ihn zu erwarten, zurück. Dann legt' er das Holz zum Opfer
Auf die Schultern des Knaben, und nahm das Messer und Feuer.
Also ging er mit Isaak allein, die führende Taube
Immer voran. Des Jünglings Herz erhob sich von Andacht,
Und von stillen Schauern, als fühlt' er die Gottheit schon nahe,
Und ein heiliges Roth umschimmert' sein betendes Antlitz.

Jetzo sprach er zu Abraham: Vater, siehe, wir nahen
Uns dem Berge, wo Gott sich unser Opfer ersehn hat. 181
Schon erblick' ich die Taube auf jenem Hügel sich setzen.
Aber wo ist das Lamm, das ihm zu Ehren dort blute?

Also sagt' er in Unschuld. Mit bangen zärtlichen Augen
Sah sein Vater ihn an, und sagte: der Gott Schaddai
Hat sich selbst, o mein Sohn, ein Lamm zum Opfer ersehen;
Sah dann thränend gen Himmel, und schwieg. Auch schwieg jetzt der Jüngling.

Bald erstiegen sie auch den heiligen Hügel; man nannt' ihn
Golgatha in den spätern Zeiten; hier hast du, Messias,
Von der Höhe des Kreuzes dein göttliches Leben geblutet!
Ehrfurchtsvoll fielen sie hin und küßten die Erde. Dann thürmte
Abraham einen Altar aus frischem Rasen, und deckt' ihn
Mit dem gespalteten Holz; dann sprach er zum staunenden Sohne:

Jetzo vernimm, mein Sohn, was Gott für ein Lamm sich erwählt hat!
Zittre nicht, Kind! – Jehovah befiehlt, vernimm ihn mit Ehrfurcht.
Dich, befahl er mir, soll ich ihm opfern, dich, meinen Geliebten,
Sarahs einzigen Sohn. – Ich folge dem hohen Befehle.
Zwar es bricht mir mein Herz! – Doch Gott ist's, der dich mir schenkte,
Ihm gehörst du, er fordert dich wieder! – Erfreue dich, Jüngling,
(Aber du weinst!) o weine nicht mehr! du solltest dich freuen,
Daß der Richter dein Blut, vor dem Blute der Lämmer im Thale,
Sich zum Zeichen erwählt, das ihn des Mittlers erinnre.
Siehe, mein Kind, dort oben, wo schon sich die Pforten dir öffnen, 182
Winden dir Seraphim Kränze; dort wirst du leben und Gott sehn,
Was du so zärtlich gewünscht; viel herrlicher wirst du ihn sehen,
Als ein sterbliches Auge vermag, von Antlitz zu Antlitz!
Laß vor der himmlischen Hoffnung, die alle irdische tilget,
Diese Thränen versiegen, und gib dein blühendes Leben
Willig dem Schöpfer zurück, der dir ewiges zuführt.

Da er so sprach, umarmt' ihn der Jüngling mit kindlicher Inbrunst,
Netzte mit wenigen Thränen die bleichen Wangen des Vaters,
Der ihn verstummend umhals't. Elhanan sahe den Anblick
Nahe von einer Ceder herab. Da bebte sein Herz ihm
In der himmlischen Brust; er sah mit erblassendem Antlitz
Aengstlich herab, sein Jugendglanz schwand auf der seligen Stirne.
Jetzo hört' er, wie Isaak, aus Abrahams Armen sich windend,
Ruhig zu seinem Vater spricht: mein Vater! die Thränen,
Die du mich weinen sahst, sind nicht unwillige Thränen,
Sind nicht Thränen der Furcht: das Auge, das Herzen durchschauet,
Siehet mich jetzt, und ist von meinem Gehorsam mir Zeuge.
Zwar ich hoffte (wie gern erfind't sich die Hoffnung ihr Schicksal!),
Länger auf Erden zu leben, mit Freuden dein Alter zu krönen,
Und der besten der Mütter einst spät die Augen zu schließen.
Fromme Hoffnungen winkten mir zu, oft weint' ich vor Freude
Ihnen entgegen. – Doch sollt' ich sie nicht mit ruhigem Herzen
Mit den schönern vertauschen, die Gott so früh mir bestimmet?
Nur der Gedank' an die zärtliche Mutter, der zwingt mich zu Thränen, 183
Ach, der schmelzt mir das Herz! Wie wird sie die Nachricht ertragen?
Stärk', Allmächtiger, sie, o stärke sie, daß sie dem Elend
Nicht erliege, das bald ihr mütterlich Herz bestürmet.
Doch ich vertrau', er werde sie trösten! – auch dich, o mein Vater! –
Und nun weiche, Betrübniß, von mir! Verstummet, ihr Thränen,
Und kein Seufzer errege dieß Herz, das dem Herren geweiht ist.
Siehe, hier bin ich, mein Vater! das Opfer ist willig zu bluten!
Thue mir, wie dein Gott dir befahl! – Erhabner Gedanke,
Unaussprechlicher, süßer Gedanke, die Gottheit zu schauen,
Vor den Thron hin gebückt sie anzuschau'n, und zu leben,
Wie beruhigst du mich! Wie sieht mein Geist jetzt so helle!
Keine Hoffnung, kein thränender Freund, nicht Ribka, ja selbst nicht
Deine Thränen, o Mutter, nicht deine ringenden Hände,
Könnten die heilige Ruh' aus meinem Herzen vertreiben.
Weint nicht, Gespielen, um mich, und wenn euch die zärtliche Liebe
Ja zu weinen befiehlt, so lächelt unter die Thränen,
Gegen die Höhen hinauf, wo ewige Freuden mich küssen.

Da ihn sein Engel so hört, da kommt die hellste Entzückung
Wieder in seine Gestalt; er geht mit umschimmernder Klarheit
Vorwärts, und rüstet sich schon den neuen Freund zu empfangen.
Abraham küßte den Knaben noch einmal, nur eine Thräne
Fiel auf die blühenden Wangen des Sohns, der jetzt nicht mehr weinte.
Aber in beiden wallte das Herz von Empfindungen über, 184
Welche nur wenige fühlten, und niemand, der sie gefühlt hat,
Reden kann. Isaak lag jetzt auf dem Holze des Altars
Ruhig; zwar klopft' ihm das Herz mit schnellern Schlägen, doch hüpft' es
Nur den Hoffnungen zu, in die sein Geist sich jetzt ausgoß.
Abraham heftet sein betendes Auge gen Himmel, dann sagt er:

Herr! nun bin ich bereit, mein Herz hat eiserne Stärke
Angezogen, es seufzet nicht mehr, es will nicht mehr brechen!
Siehe, die ganze Seele mit jeder Empfindung ist willig,
Dir zu gehorchen; ich gebe dein bestes Geschenke dir wieder,
Leg' es zu deinen Füßen, und sehe die Wollust, das Labsal
Meines Lebens, die Stärke der grauen Jahre vergehen,
Opfre sie selber dir auf! – Ihr schönen Bilder, o gönnet,
Daß ich noch einmal euch seh', eh' ihr auf ewig entfliehet;
Blicket noch einmal mich an, und dann entflieht mir auf ewig!
Bald wird ein stiller Schmerz, ein Schmachten der einsamen Seele
Statt der Freude mir seyn, die sonst in meinem Gemüthe
Mit dem Morgen erwachte, und Abends in Träume sich end'te.
Bald wird Mamre, wo sonst die Stimme deiner Gesänge
Niemals entschlief, mein Sohn, bald wird die umschattende Eiche,
Wo dich der Ewige selbst mir verhieß, nur ächzende Seufzer,
Nicht mehr das Jauchzen der Hymnen und Timna's Saitenspiel hören.
Dann erst wird mein Verlust ganz ausgebreitet mich drücken.
Ach, mein Ohr war gewohnt, von Isaaks blühenden Lippen
Mit herzrührendem Ton den Vaternamen zu hören.
Süßer Nam', du tönest nicht mehr in der Seele mir wieder! 185
Gott, du gabest mir Isaak; noch siehst du als gegenwärtig,
Wie dein Geschenk mich entzücket! – Du bist dem Menschen vor andern
Gnädig, und hast sein Leben in einer seligen Stunde
Auf die Tafeln des Schicksals geschrieben; ihm haben die Engel
Zugejauchzet, und Sterbliche wünschen den Enkeln sein Schicksal,
Den ein würdiger Sohn mit dem Vaternamen erquicket,
Seiner Tugenden Erb', ein Baum voll blühender Hoffnung.
Aber wie Isaak ist, so hast du selten, o Schöpfer,
Seelen gebildet, so schön, wie du seine Seele gehaucht hast,
So voll zarten Gefühls der frommen Tugend, so himmlisch
Und mit solcher Weisheit gekrönt, sind wenig erschaffen;
Siehe, der ist's, der jetzt von meiner Rechten soll sterben!
Aber, ich klage nicht, Schöpfer! Mit welchem Angesicht könnt' ich
Gegen dich klagen? Nur Dank soll meinen Lippen erschallen!
Ja, mit Thränen der Seel', o Schöpfer, will ich dir danken,
Daß du den Knaben mir gabst, und ihn so lange mir ließest!
Sey gelobet, o gütiger Vater, für jeden der Tage,
Die ich durch ihn lebendiger lebte, für jede Entzückung,
Die er mir gab, wenn ich hoffend in ihm das Heil schon erblickte,
Das von ihm einst entspringen sollte, den Segen der Völker!
Nimm den zärtlichsten Dank für diese Gnaden, o Schöpfer,
Nimm auch gnädig das Opfer von meinen gehorsamen Händen.

Also sagt' er, dann wandt' er sein Aug' auf Isaak zurücke,
Und ergriff mit der nervigen Hand das blinkende Messer.

Damals sahe der ewige Vater zur Erde herunter;
Und da er Abraham sah, der jetzt zum Opfer bereit stand,
Sprach er zu den Engeln, die um das Heiligthum wachten: 186
Abraham hat die Probe gehalten! Er hat, mir zu dienen,
Seines einzigen Sohns nicht verschont. Dort steht er, und strecket
Schon die Hand nach dem Stahl. – Wen soll ich unter euch senden,
Daß er die Hand ihm zurück halt' und meinen Segen ihm bringe?

Seraph Eloa trat eilend hervor, und warf sich am Thron hin:
Sende mich, o Jehovah, mein Herz zerfließt mir in Freude,
Daß du den Sohn dem Vater noch schenkst und den frommen Gehorsam
Und die Ergebung so gnädig belohnst! Mit welcher Entzückung
Wird er mich hören, wenn ich die süße Botschaft ihm bringe!

Also sprach er; ihm winkt der Gott der Götter die Antwort.
Alsobald schimmert der Seraph mit tausendmal schnellerem Flügel,
Als um den Himmel der Himmel die obersten Sphären sich schwingen,
Schnell wie Gedanken der Cherubim gehn, zur Erden herunter.
Schon war er da, als Abraham eben das Messer gezückt hielt,
Seinen Sohn zu erwürgen, der über den Altar sich bückte.
Denn der Seraphim Zeit ist nicht wie der Menschen; sie können
Jene unmerkliche Zeit, die den Menschen zwischen Empfindung
Und Empfindung verfließt, mit großen Thaten erfüllen.
Also war die Reise des Seraphs. Nun schwebst du, Eloa,
Majestätisch, in ewigem Glanz, ein Gesandter der Gottheit,
Ueber Abraham hin; weit um dich schimmern die Wolken
Gleich der himmlischen Abendröthe. Und hoch aus den Wolken
Ruft der Bote des Herrn mit mächtiger Stimme herunter: 187

Abraham, Abraham! – Plötzlich erhebt der Vater sein Antlitz,
Sieht Eloa, und schauert zurück, das Opfermesser
Zittert ihm aus der Hand. Der empyreische Schimmer
Und die Gestalt Eloa's, der wie ein Gott, wie der erste
Aller Erschaffnen, stand, und mit gütigem Aug' auf ihn hinsah,
Ueberschwemmte sein Herz mit unaussprechlicher Freude.
Abraham fiel auf sein Angesicht hin, und lag vor Eloa.

Hebe dich auf, Gesegneter Gottes, so rief jetzt Eloa,
Nie ist dir eine willkommnere Botschaft vom Himmel gekommen.
Gott hat deinen Gehorsam geprüft und lauter befunden;
Ihm zu gehorchen, verschontest du nicht des geliebtesten Sohnes.
Jetzt sey Isaak der Lohn des gottgelassenen Glaubens.

Abraham hob sich auf, mit ausgebreiteten Armen
Weint' er gen Himmel; noch konnt' er nicht reden, sein väterlich Herz war
Seinen Gefühlen zu eng, er dankte nur schweigend zu Gott auf,
Aber sein Angesicht glänzte von himmelähnlichen Freuden.
Wie ein Zeuge der Wahrheit, der unter grausamen Martern
Langsam sein heiliges Blut, zur Ehre Jesu, vertröpfelt,
Bis sich zuletzt sein entkräftetes Herz und sein thränendes Auge
Mitten unter den Qualen in Todesschlummer verlieret;
Wenn dann die müde still leidende Seele sich plötzlich befreit sieht,
Plötzlich vom Glanz des Himmels umflossen, im Arme der Engel,
Die sie mit Siegesliedern von allen Seiten begrüßen,
Wie sie, vom göttlichen Trost und dem Anfange der Seligkeit trunken,
An den Busen des Engels, der ihr auf Erden gedienet, 188
Sprachlos sinkt, und mehr, als Worte können, verschweiget:
Also fühlt' jetzt der zärtliche Vater, da, gegen sein Hoffen,
Wie aus dem Schatten des Todes, sein Sohn ihm wieder geschenkt ward.
Nun umarmt' er den Knaben. Der sah im Anblick der Engel
Lieblich verloren, den Vater nicht mehr. Ihm waren die Stricke
Schnell, wie versengt, entfallen, sobald Eloa gesprochen.
Jetzo kniet er in neue Entzückung ergossen, und siehet
Unverwandt, mit gestärktem Gesicht, auf den hohen Eloa.
Zitternd von neuen Gedanken, die seinen Busen erhoben,
Sieht er ihn an; Eloa lächelt ihm segnend entgegen.
Neben Eloa erblickt er den schönen Elhanan und kennt ihn,
Da er von hellen Freuden umflossen ihn liebevoll ansah.
Also schwebte die Seele des Jünglings in englischer Wonne,
Hoch entzückt, da ihn der Vater mit stärkerer Inbrunst umarmte,
Als er ihn jemals umarmt. Bald kam am Herzen des Vaters
Seine Seele zurück; er sieht nun Abraham wieder,
Sieht ihn, und küßt von der Wange des Vaters zwei glänzende Thränen,
Und dann sagt er zu ihm: o Vater, aus welcher Entzückung
Bin ich zur Erde gefallen! Wär's nicht in deine Umarmung,
Nicht in den Arm der zärtlichen Sarah, wie könnt' ich den Wechsel
Ohne Thränen ertragen? Schon schwebt' ich auf Flügeln der Hoffnung
In die Auen des ewigen Lebens, ins Anschau'n der Gottheit;
Siehe, der Engel, der uns den Willen des Herrschers gemeldet,
War nur Einer der Myriaden, in deren Gesellschaft
Ewigkeiten aus Ewigkeiten sich vor mir enthüllten. 189
Als ich über den Altar gebückt, die ersten Strahlen,
Welche den kommenden Seraph verkündigten, wundernd erblickte,
Hofft' ich, o Vater, die Himmlischen kämen, mich mit sich zu führen.
Aber mich täuschte mein Herz; Gott hat es anders beschlossen.
Plötzlich seh' ich mich wieder im Fleisch, und in deiner Umarmung.
Noch zum Himmel nicht reif, behält mich dieß sterbliche Leben,
Daß ich mich noch durch übende Tugend des künftigen Lebens
Würdiger mach', und das Alter der besten Eltern erfreue.
Sey denn zärtlich gegrüßt, mein wieder gefundener Vater;
Sey auch, Erde, gegrüßt, ich kehre willig vom Himmel
Wieder zu dir, so befiehlt es der Schluß des göttlichen Schicksals.

Also der Jüngling. Jetzt wandte der Vater die Rede zum Engel:
Göttlicher Bot', erhabenster unter den Dienern Jehovahs!
Süßer kann Sterbenden nicht die Harfe der Engel ertönen,
Als die Botschaft mir ist, womit der Herr dich gesandt hat.
O sie gießt ein erneuertes Leben durch meine Gebeine.
Niemals hab' ich das Leben der Seele so mächtig gefühlet;
Niemals ist mir mein Innerstes in solcher Entzückung zerschmolzen!
Gott Schaddai, wie soll ich für diese Gnade dir danken?
Ach, was kann ich, als unermüdet den Kindern und Fremden
Deine Wunder erzählen? O laß dir die Stimmen gefallen,
Welche, dir besser hörbar, als wenn die Lippen sie sprächen,
Aus den Tiefen des wallenden Herzens dich, Ewiger, loben!
Groß, Jehovah, und gnädig hat dich der Samen von Adam,
Haben dich meine Väter erfahren! Du donnerst die Stolzen 190
In den Staub hin, und krönest die Demuth mit ewigem Preise.
Durch dich jauchzt der Betrübte vor Lust, du machst um die Füße
Des Gebundenen Raum, die Einsame hört noch im Alter
Mutter sich nennen, der Vater umarmt den betrauerten Knaben.
Jetzt, jetzt bin ich zum zweitenmal Vater! jetzt tönt mir der Name
Dreimal süßer als damals, da Isaak mir Vater gestammelt.
Sey gesegnet, o Tag, sey unter den übrigen Tagen
Mir vor andern ein Fest, der erste des seligern Lebens
Und der erneuerten Jugend, die diese Geschichte mir weissagt.
Sey, du goldener Tag, vor deinen Brüdern gesegnet,
Sey, so oft du verjüngt wirst, mit neuen Wundern bezeichnet!
Sey gesegnet, o Tag! Kein Schmerz, kein Seufzer entweihe
Deinen Jubel! An dir gebäre die glücklichste Mutter,
Die jetzt nimmer verschmäht istWas Wieland mit dem Zusatz »die itzt nimmer verschmäht ist« eigentlich hat sagen wollen, kann ich nicht bestimmt erklären. Ich muthmaße nur, daß er an die Aufhebung der Menschen- und besonders der Kinderopfer gedacht haben möge, die sich bei dem Dienste des phönicischen El oder Moloch (Herr, König) fanden. Bei Philo finden wir als mythische Begründung jener Opfer: der Gott selbst opferte einst seinen einzigen Sohn dem Himmel, seinem Vater. Dieß ist, sagt Buttmann (Abh. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1815, S. 181), der uralte Mythos zu jenem furchtbaren Zweck, den schon der hebräische Gesetzgeber vorfand, und ihn in der Person seines Abraham so schön zu adeln und seiner bösen Tendenz so wirksam zu berauben wußte., zwei liebenswürdige Knaben,
Einst zwei Freunde der Menschen! An deinem geheiligten Morgen
Bring' ein göttlicher Held den Raub der Feinde zurücke,
Schenke dem Jüngling die Braut unentweiht, den Vätern die Söhne!
An dir umschall' ein festlicher Friede den blühenden Erdkreis!
Auch du, Moria, wo Gott sich mir als Erbarmer verklärt hat,
Sey gesegnet, steh' ewig ein Zeuge der Güte des Herren,
Von dir thaue die Fruchtbarkeit Gottes auf Saron herunter!
In der fernesten Zukunft soll noch dein cederner Schatten
Seraphim decken, dann soll noch zuweilen die Gegenwart Gottes,
Wie der Geist auf der werdenden Erde, sanft über dir schweben. 191

Abraham sprach's! Jetzt wendet er sich, und sieht im Gesträuche
Einen Widder mit sprossenden Hörnern im Busche verwickelt.
Diesen ergreift er, und schlachtet ihn statt des Sohnes Opfer,
Kniet, und betet zu Gott. Da jetzt das Opfer verbrannt war,
Rief Eloa von neuem mit segnender Stimme vom Himmel:

Abraham, höre das Wort des Herrn, so spricht Jehovah,
Der mit der Rechten den Himmel umfaßt, mit der Linken die Welten,
Die sein Athem bewegt: ich schwöre dir bei mir selber;
Weil ich deinen Glauben so stark, und meinem Befehle
Willig gefunden, befahl ich dir gleich dein Liebstes zu tödten,
Siehe, so sey dein Geschlecht vor allen Geschlechtern der Erden
Groß und herrlich vor mir; unzählbar wie Sterne des Himmels,
Und wie der Sand am Meere; dein Same besitze die Thore
Seiner Feinde; man nenn' ihn die Auserwählten des Herren!
Ja, aus deinem Samen soll allen Völkern der Erde
Heil entsprossen, sie sollen mit deinem Segen sich segnen.
Also redet der Gott des Schicksals, der, dessen Verheißung
Fester als Berge Gottes, als seine Seraphim stehet! –
Aber könnt' ich vor Abraham wohl das Gute verbergen,
Das der Herr ihm bestimmt? Ich will ihm, was ich gesehen,
Von der Zukunft enthüllen. – Vernimm! o Freund des Jehovah,
Seine Wunder an dir! – Mir wurden ins Heiligthum Gottes
Sieben Blicke gegönnt. Dort hangen die goldenen Tafeln,
Gottes Schicksal, an diamantnen unsterblichen Pfeilern.
Siehe, dieß las ich daselbst: aus deinem gesegneten Samen
Wird ein König entstehn, dem unter den Morgenländern 192
Keiner an Weisheit und Herrlichkeit gleicht. Der wird dem Jehovah
Einen erhabnen Tempel auf diesem Moria erbauen.
Hier wird die Herrlichkeit Gottes bei Menschen zu wohnen belieben;
Zwischen dem Opfergeruch und den Hymnen der betenden Priester
Wird sie über den Cherubim wohnen, bis daß der Messias,
Der Versöhner, erscheint. Der wird die Bilder hinweg thun.
Hier auf diesem geheiligten Hügel, wo Gott dir befohlen
Isaak zu opfern, hier wird sich der Mittler für Adams Geschlechte
Opfern, hier wird sein göttliches Blut die Erde bedecken.
Alsdann reißet der Vorhang, der Gott von den Menschen geschieden;
Dann ist die ganze Erde so heilig wie dieses Gebirge.
Gott ist allen versöhnt; gleich gegenwärtig bei allen,
Höret er, wer ihn im Geist und in der Wahrheit verehret.
Siehe, dieß ist dein Same, mit dem die Völker sich segnen!
Ja, in ihm werden dereinst die Enden der Erde sich segnen.
Durch ihn, welchen Jehovah zum zweiten Schöpfer der Erde,
Eh' er die Welt gegründet, bestimmte, durch ihn, den Messias,
Wird der Erdkreis dereinst zur ersten Schönheit erneuert.
Dann wird Wahrheit und Fried' ihn wie den Himmel regieren.
Alsdann blühet die Wüste wie Rosen, der sandigen Einöd'
Wird des Libanons Schmuck und die Herrlichkeit Karmels gegeben,
Bäche von Honig entsprudeln den Felsen, die Dürre gibt Quellen.
Gottes Erlösete werden alsdann in jauchzenden Schaaren
Zion besuchen, unsterbliche Freud' und göttliche Wonne 193
Wird um ihr Haupt seyn, und Schmerzen und Seufzer auf ewig entfliehen.
Dann frohlocken die Himmel, dann hüpfet mit ihren Gebirgen
Fröhlich die Erde; dann strahlet sie, herrlich vor andern Gestirnen,
Gegen den Thron; denn Gott Jehovah ist selbst ihr Erbarmer. –
Abraham, siehe, dieß sah ich im Buche der ewigen Zukunft.
Freuet euch, Gottes Geliebte, und lobet mit eurer Entzückung
Den, der euerm Geschlechte die Wunder der Güte bestimmet,
Seyd mir gegrüßt, ihr heiligen Väter des großen Messias!
Ueber euch ruhn die Verheißungen Gottes, euch können die Engel
Nichts mehr wünschen: ihr seyd mit allen Segen gesegnet!

Also erschallte die himmlische Stimme des hohen Eloa.
Abraham lag und betete an, in süßer Entzückung
Lag der Jüngling an ihm. Nunmehr erhob sich Eloa
Wieder gen Himmel. Indem er sein goldnes Gefieder emporschwang,
Floß ein Frühling von süßen Gerüchen zur Erde herunter.

Abraham säumete noch zwei Stunden mit seinem Geliebten
Auf Moria, so lang' ein sanftes ambrosisches Säuseln
Noch von der hohen Erscheinung zurückblieb, und lobte den Herren
Mit erhabnen, vom göttlichen Geist beflügelten Reden.
Alsdann stiegen sie fröhlich herab, und fanden die Sklaven 194
Unten am Berge; der süße Geruch der Erscheinung Eloa's
Hatte auch sie mit Freude begeistert. Sie zogen nach Mamre
Wieder zurück, und der Weg schwand unter der Glücklichen Füßen.

 


 


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