Christoph Martin Wieland
Die Prüfung Abrahams
Christoph Martin Wieland

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Die Prüfung Abrahams.

Erster Gesang.

              Tochter des Himmels, die einst, auf Edens Hügeln erzogen,
In der Jugend der Welt, in mehr als goldenen Zeiten,
Ihren Elihu geliebt, und die im Garten der Unschuld
Unter lieblichen Schatten mit Siphas Töchtern gewohnet,
Himmlische Muse, du Sängerin Gottes, du Mutter der Tugend,Diese ganze Anrufung an die Muse steht in Beziehung auf die kleinen epischen Gedichte, welche Bodmer in jener Zeit aus dem Stoffe der Patriarchen-Geschichte in der Genesis verfertigte, und nachmals in der Kalliope (Zürich 1767, 3 Bände) zusammendrucken ließ. Gegen einen Antheil, den man Wielanden, selbst in neuerer Zeit noch, auch an jenen Gedichten zuschrieb, hat er sich wiederholt erklärt, und wohl mit Recht sagte er: »Ich sehe nicht, daß die Aehnlichkeit zwischen der Manier dieses Dichters und der meinigen groß genug seyn sollte, um einen solchen Irrthum sogar bei Kunstrichtern emunctae naris verzeihlich zu machen.« – Sipha ist hier nicht Bodmer selbst, sondern eine seiner Personen.
Lehre mich Abrahams Prüfung, den Sieg des frommen Gehorsams,
Lehre mich singen den Helden, der, als der Herr es befohlen,
Vater zu seyn vergaß, und auf Moria den Liebling
Seines Herzens, den einzigen Sohn, zum Opfer ihm brachte.
Lehre mich göttliche Tugend mit würdigen Tönen besingen!

Schon entsprang auf den östlichen Bergen der fröhliche Morgen,
Welcher den Abrahamiden, den Sohn der Verheißung, aus Haran,
Wo dem Jüngling ein Jahr bei seinen Verwandten entflohn war,
Bringen sollte; er schwang sich mit ausgebreiteten Flügeln
Heller über die Ebnen, auf denen ihm Isaak folgte.
Schon war Abraham wach, und hing mit spähenden Blicken 136
An den östlichen Bergen, und glaubt' in dem purpurnen Schimmer
Oefters die hochgehals'te Gestalt des Kameles zu sehen,
Oder wandernde Füße; sein Vaterherz liebte den Irrthum,
Der die Augen betrog. Jetzt eilt' er, vom Morgen gerufen
Und von heiligem Trieb, hinauf zu dem Hügel der Cedern,
Wo ein Opferaltar, von Gott begnadigt, emporstieg.
Myrrhen und Cassia ward von seinen geweiheten Händen
Hier dem Herren verbrannt; mit des Opfers süßen Gerüchen
Stieg sein reines Gebet durch alle Himmel zum Thron auf.
Ewige Güte (so sprach sein Herz und sein himmlisches Auge,
Ob die Lippe gleich schwieg), o! die du Abraham wähltest,
Deine unendliche Macht an seinem Geschlecht zu erweisen,
Vater des Segens, der jetzt auf deinem besten Geschenke,
Der auf Isaak ruht, dem Erben deiner Verheißung,
Sey mit Demuth im Staube von deinem Knechte gepriesen!
Laß uns, die du auf Erden dein Antlitz zu sehen begnadigst,
Deinen Willen vollbringen, wie ihn die Himmel vollbringen,
Wo dein göttliches Wort die reinern Geister beherrschet.
Laß vor dir Isaak leben! Gewähr' es dem Vaterherzen,
Daß ich den Knaben, gekrönt mit himmlischer Tugend und würdig,
Daß der Segen der Welt aus seinem Samen entsprosse,
Wieder erblicke! So bring' ihn der frohe Tag mir entgegen,
Der jetzt, von deinem Anblick gesegnet, vom Himmel herabsinkt.
Also bat er, und klebte mit seinem Antlitz am Boden.

Da er noch lag, verbreitete sich ein plötzlicher Schimmer
Um und über die Hügel, stets ward er heller und zog sich
Wie ein ätherisches Strahlengewölk um den azurnen Himmel.
Abraham hob die Augen empor, und fühlte die Gottheit
Gegenwärtig; ein Engel, vom Winke des Herren befehligt,
Stieg unsichtbar herab, und stärkte das Auge des Alten 137
Und er sahe mit Einem Blicke (die menschliche Seele
War nur Einen zu tragen vermögend) die Herrlichkeit Gottes,
Mitten durch unabsehbare Reihen anbetender Engel
Sah er die Herrlichkeit dessen, der auf den Cherubim thronet.
Unter dem göttlichen Anblick entsank der Körper von Erde,
Und die Seele, ganz voll des gegenwärtigen Gottes,
Fühlte nur Gott, sich selber nicht mehr. So hatte Jehovah
Niemals sich ihr verklärt. Doch hob er, vom göttlichen Lichte
Wieder gestärkt, sich empor; da kam die Stimme Jehovahs
Durch die feiernde Stille des Himmels mächtig hernieder.

Abraham! rief die göttliche Stimme; er sagte, hier bin ich.
Nimm, so sprach Jehovah, den Isaak, deinen geliebten,
Deinen einzigen Sohn, und geh' in die Gegend Moria,
Und auf einem der Berge, den dir ein Zeichen bestimmet,
Opfre den Knaben mir. So sprach die Stimme Jehovahs.

Abraham sank aufs neue dahin. Der göttliche Schimmer
Stärkt' ihn, daß er nicht ganz dem Donner des strengen Befehles
Sterbend erlag; doch bebt' ihm das Mark in den schwanken Gebeinen.
Aber, obgleich der feurige Schmerz das Herz ihm durchwühlte,
Dennoch erhob sich nicht einer der unterworfnen Gedanken
Gegen das göttliche Wort. Er betete thränend im Staub an.
Breitete sich vor Gott, mit den Armen den Boden umfassend,
Und sein ganzer entschlossener Geist war tiefer Gehorsam.
Gottes allsehendes Auge, vor dem die geheimsten Gedanken
Sich umsonst in den innersten Tiefen der Seele verbärgen,
Sah in Abrahams Herz, und sah den tiefen Gehorsam,
Den mit schweigender Stille die reine Seele gelobte;
Sah auch die That, und den Sieg des Gott ergebenen Glaubens,
Segnet' ihn bei sich selbst, und kehrte wieder gen Himmel.

Jetzo raffte der Alte sich auf, von dem heiligen Hügel 138
Niederzusteigen. Im Westen der weit verbreiteten Hütten,
Wo er wohnet, erhebt sich ein Hain mit luftigen Eichen,
Und umgibt, wie ein wachsender Mond, die friedsamen Hütten.
Wenn die glühende Sonne den Himmel beherrschet, so athmet
Hier die Dämmrung erkühlende Lüfte. Kein Ort ist geschickter
Zu geheimen Gesprächen die ernsten Gedanken zu locken.
Abraham kam jetzt hieher, und ging in Empfindung versunken
Unter den Bäumen. So voll von beklemmendem bangem Gefühl war
Kaum der erste der Menschen, als er, mit der trostlosen Gattin,
Hand in Hand, ein armer Verbannter, des Paradieses
Duftende Höhen mit langsamen Schritten herunter wankend,
Hinter sich, mit wehmüthigem Blick sein liebliches Eden,
Ach! zum letztenmal, im Strahle der sinkenden Sonne
Schimmern sah, und dich, der süßen Umarmungen Zeugin,
Heilige Laube, von fern schon halb im Dufte zerflossen,
Immer, so lang' er vermochte, mit stummer Traurigkeit ansah,
Dann den thränenden Blick auf die weiten Gegenden kehrte,
Die vor ihm her, verödet und düster, zur künftigen Wohnung,
Lagen, ein klägliches Bild von seinem verwandelten Leben:
Also ging Abraham einsam, von schweren Gedanken gedrücket,
Unter den hüllenden Schatten daher. Nicht lange, so wand sich
Sein arbeitender Geist aus der Last der dunkeln Gedanken
Mächtig hervor, die Empfindungen flossen, aus ihrer Verwirrung
Nach und nach gesondert, in diese Worte zusammen:

Wenn der Unendliche spricht, gebühret Engeln und Menschen
Nur Verhüllen des schweigenden Mundes, und schneller Gehorsam.
Er nur weiß allein, was seiner Gottheit zu wollen
Und zu befehlen geziemt; kein Cherub weiß es; wer könnte
Mit ihm rechten, dafern er die Himmel und ihre Bewohner 139
Mit dem Hauche, womit er sie schuf, ins Unding verwebte?
Halb vernichtet, mit sterbender, mit der letzten Empfindung
Würden die Engel ihn loben, dafern es dem göttlichen Schöpfer
Sie zu tödten und nimmer ihr Loblied zu hören gefiele.
Sollt' ich, der ich noch mehr als Engel dem Tode verwandt bin,
Seinen Befehl nicht mit schweigender Eil' im Staube vollziehen?
Aber vergib, o Herr, wenn aus der duldenden Stille
Seufzer des Vaters stöhnen! O zürne nicht, Schöpfer und Vater,
Wenn die stärkre Natur sich wider den Willen noch auflehnt.
Laß mich, o laß mich den Tod des liebenswürdigsten Knaben
Nur mit etlichen Thränen beweinen, nicht mit so vielen,
Als womit ich sein neugebornes sanft lächelndes Antlitz
Voller Entzückung benetzte. – Du weißt es! Du, der die Geister
Alle durchschaut, wie innig ich dir dieß beste Geschenke
Deiner Gnade verdankte! Wie wuchs er der hohen Verheißung,
Der du zum Pfand ihn gabst, so schön entgegen! Wie herrlich
War die Hoffnung, die itzt mir wie ein Nachtgesicht schwindet!
Aber ich schweig' und gehorch', und ehre mit williger Demuth
Deinen erhabnen weisen Befehl! O stärke mich, Vater,
Stärke mich, daß mein Herz sich wider dein göttliches Schicksal
Nicht mit Einer Bewegung empöre. Dein Wille geschehe!

Also rief er, und hielt in jedem erhobenen Auge
Eine Thräne zurück. Aus einer silbernen Wolke
Sah ihn Elhanan, Isaaks Engel, ein himmlischer Jüngling,
Sah die fromme Geduld in seinem ruhigen Antlitz,
Und im himmelwärtsschauenden Aug' anbetende Demuth,
Keine Miene verstellt, wiewohl den Augen und Lippen
Tiefer verborgner Schmerz ihr mildes Lächeln genommen;
Und er wandte sich thränend zu seinem Begleiter Elisa.

Hast du, o himmlischer Freund, seitdem du die Menschen besuchest 140
(Und du besuchtest schon Eden), die Tugend so siegend gesehen,
Ein so erhabenes Herz, so unterwürfig der Gottheit,
Solche Geduld? – Wie ehr' ich dich, Vater der gläubigen Menschen,
Held und Zierde des Menschengeschlechts und Liebling der Gottheit! –
Sieh'! Elisa, wie ruhige Tugend sein Antlitz erhöhet!
Wahrlich ich sah nur Einen, der ihm an Hoheit des Geistes
Gleich war; du kanntest ihn, Freund, du mehrtest das Siegesgepränge,
Das ihn mit himmlischem Jauchzen durchs Thor des Lebens empor trug,
Henoch, den Freund der Gottheit. Ihm hatte die fromme Mehala
Einen einzigen Sohn, ihr holdes Nachbild, geboren.
In dem Antlitz des Knaben, in seiner sprossenden Schönheit
Leuchtet' ein himmlischer Geist und verhieß das würdigste Leben.
Henoch sah in dem Knaben die Lust der spätesten Jahre,
Sah sich in ihm erneut. Das liebste Geschäfte des Vaters
War, sein jugendlich Herz zu der großen Hoffnung zu bilden.
Aber ihm nahm ein strenges Verhängniß die schuldlose Freude,
Und die goldenen Träume der Hoffnung. Als einstmals der Knabe
Unter den Rosen des Thals nicht fern von den Hütten umirrte,
Zog sich plötzlich ein nächtlich Gewitter am wartenden Himmel
Rauschend herauf, es glühten auf einmal die Wolken im Feuer.
Da nun die ängstliche Mutter den Knaben zu holen herbei lief,
Siehe, da traf ihn ein Strahl, das heilige Feuer versengte 141
Was an ihm irdisch war; doch schwebt' in den Flammen ein Engel,
Der den schüchternen Geist auf seinen olympischen Flügeln
In die selige Sphäre des reinen Lichtes hinauf trug.
Trostlos stand, wie ein marmornes Bild, die bange Mehala
Bei der Asche des Sohns. Da kam auch Henoch und sahe
»Eine Hand voll Asche für den, in welchem er jüngst sich
»Abgedrückt, in ihm den Erben von seiner Gottseligkeit sahe,
»Sahe die Asche des einzigen Sohns und den Jammer der Mutter,
»Sah sie, und schwankete nicht kleinmüthig; sein göttlicher Muth riß
»Gläubig von Schmerzen sich los; er hob sein heiteres Antlitz
»Gegen den Himmel, und sprach: wahrhaftig, der Herr hat vom Himmel
»Seine Stimme erhoben, und aus dem Wetter geredet;
»Er hat seine Rechte im Feuer herunter gestrecket,
»Und den Knaben dahin in seine Ruhe genommen.
»Sollten wir ihn um unsers Vergnügen willen bedauern?
»Uns nur ward er geraubt, ihm selber ward nichts geraubet,
»Daß er achthundert Jahre vorher in die Ewigkeit eingeht,
»Eh' das gewöhnliche Ziel ihm den Tod zu hoffen vergönnte.
»Laß uns Gott danken, der ihm vor uns die Wohlthat geschenkt hat!«

Also sagt' er, und fiel auf die Knie, und lobte den Herren.
Himmlischer Freund, so hoch kann menschliche Tugend sich schwingen!
Welche Freude für uns, sie an den Menschen zu lieben!
Aber wie wallt mir mein Herz, wenn ich die Leiden erwäge,Diese Verse sind von einem ganz andern Verfasser (von Bodmern) und mögen als ein Denkmal der Freundschaft ihren Platz behalten. – Der oben berührte Unterschied zwischen Bodmer und Wieland geht schon aus diesem Einschiebsel hervor.
Welche die blutende Brust des geprüften Vaters itzt schweigend
In sich verschließt, die nur selten ins bleiche Angesicht dringen! 142
Doch er ist ja ein Held! sein Herz ist mit Stärke umwunden,
Wie ein von Gott bewaffneter Seraph, erwartet er muthig
Jede Schickung; so trägt ein Fels den feurigen Donner.
Aber mein zärtlicher Busen erbebt vor Mitleid, mein Auge
Hält die Thränen nicht auf, wenn ich Sarens jammernde Liebe
Und die Todesangst denke, in der ihr mütterlich Herz bald
Von der Nachricht vergeht. O blieb sie ihr ewig verborgen!
Ach, wie wirst du sie tragen, du zärtlichste unter den Müttern?
Wird dir dein Herz vor Jammer nicht brechen, dein trostloses Auge,
Wird es nicht, himmelan starrend, die Gabe der Thränen erflehen,
Die ihm versagt ist? – Doch schwarze Scenen, entweichet, ich fühle
Eure Schrecken zu stark! – Wie wird die Mutter sie fühlen!
Sie, die mit einer Liebe, womit der zärtlichsten Mütter
Keine geliebt, ihn liebte! die erste der Frauen, o Seraph,
Da sie Mutter nun war, hat selbst den lächelnden Erstling
Ihrer ehlichen Liebe, mit mütterlich süßerer Inbrunst
Nicht ans Herz gedrückt, als Sarah den heiligen Knaben,
Den Verheißenen Gottes, mit süßer Entzückung umfaßte,
Ihren Abdruck, in welchem ihr Auge die reizende Blüthe
Ihrer Jugend, mit Abrahams Ernst geadelt, erblickte.
Jetzo war er ihr einzig's Gebet, die Sorge des Morgens,
Und der letzte Gedank', in welchem der Schlaf sie ereilte.
Selbst in zärtlichen Träumen umfing sie sein lächelndes Bildniß,
Oder sein künftiges Glück. Dann sah sie ihn in dem Besitze
Einer frommen Geliebten, mit ähnlichen Enkeln beseligt.
Ja oft sah sie (und ob sie gleich schlief, so wallte vor Freude
Ihre heilige Brust), oft sah sie den göttlichen Mittler, 143
Isaaks künftigen Enkel, mit seinem Fleische gekleidet,
Sah ihn, und betet' ihn an, und nannt' ihn mit Inbrunst Erlöser,
Nannt' ihn Erlöser und Sohn, und netzt' ihm mit Thränen die Füße. –
Siehe, der Knabe soll sterben, und Sarah den Sterbenden sehen,
Oder den Vater, der roth vom Blute des Sohnes zurückkommt!
Könnt' es dem Schöpfer mißfallen, daß uns die Leiden erweichen,
Die sein weises Verhängniß den edlern Sterblichen auflegt?

Also sagte der Seraph, ihm gab sein Gefährte die Antwort:
Seraph, auch mir zerflösse das Herz, ist Mutter und Sohn gleich
Fremder mir als dir, der beider Leben voll Unschuld
Mit beschirmenden Flügeln, von Gott befehligt, umschwebet,
Unsichtbar immer sie sieht, und ihrer Tugenden Zeug' ist;
Dennoch zerflösse mein Herz in stillem wehmüthigem Mitleid.
Aber ein goldner Gedank', ein fröhlicher Schimmer von Hoffnung
Zeigt mir, o himmlischer Freund, den Ausgang der traurigen Scene
Sich in Freude verlieren. Zwar sind die Schlüsse Jehovahs
Dunkel vor uns, nur er weiß, was ihm selber geziemet;
Seraphim nicht; kaum daß er seinem vertrautesten Cherub
Einzelne Blick' ins Heiligthum gönnt, der Zukunft Geheimniß
Auf den Tafeln des Schicksals zu lesen. – Doch seh' ich noch Hoffnung
Selbst in der Tiefe der ewigen Schlüsse. O Seraph, die Güte
Unsers Königs ist ohne Gränzen. Die Wonne der Geister 144
War vom Anfang sein liebstes Geschäft. Er nennet sich Liebe;
So verklärt' er sich uns, den Engeln, da wir ihn alle
Neuerschaffen umflossen; so will er dem irdischen Menschen,
So in jeder ätherischen Welt, in jedem Olympus
Sich verklären. Ja, göttlicher Freund, so wird ihn auch Abram
Und die zärtliche Sarah erkennen! Die heimliche Absicht
Seines Befehls wird bald sich enthüllen. Ein Schmerz, den er sendet,
Wird im Ausgang zur Lust! – Doch, Freund, ich seh' in der Sonne
Uriels herrschende Stirne mir winken, ich eile zur Sonne.
Aber du, den der irdische Tag noch länger umschattet,
Sey ein Zeuge der großen Geschichte, damit ich im Himmel
Künftig von dir an einem vertraulichen Abend sie höre.

Also sagt' er, umarmte den Seraph, und strahlte zur Sonne.
Aber Elhanan flog auf einer glänzenden Wolke
Seinem Liebling entgegen, des Kommenden Tritte zu schirmen.

Abraham ging noch im Hain voll tiefer Gedanken und einsam,
Näher im Geiste bei Gott, als bei sich selbst, und dem Besten
Was er auf Erden hatte, mit allen Kräften der Seele
In den Gedanken, »dein Will', o Vater, geschehe!« versenket.
Aber sein Knecht Elieser, ein Sohn der heiligen Tugend,
Welchen der Patriarch vor allen liebt' und zur Aufsicht
Ueber sein Haus bestellt', empfing inzwischen die Nachricht,
Daß den Jüngling nur wenige Stunden von Abra noch trennten.
Elieser sprang freudenvoll auf, und eilte, die Botschaft 145
Seinem Herren zu bringen. Er fand ihn zwischen den Bäumen,
Und er eilt' ihm entgegen, und sprach die geflügelten Worte:

Endlich ist er gekommen, der Tag, o glücklichster Vater,
Dem wir so lang' entgegen gesehnt; er eilet, begierig
Isaak deinem segnenden Kuß und Sarens Umarmung
Wieder zu geben. Ein Bote verhieß ihn in wenigen Stunden.
Schon belebt die Stimme der Lust die wachen Gezelte
Und die Palmen umher; schon krönen Chöre von Knaben,
Seine Gespielen, mit Blumen das Haar; die schönsten der Töchter
Stimmen die goldene Cither, ihn festlich mit jauchzenden Reihen
Einzuholen den heiligen Jüngling, den Sohn der Verheißung.
Aber was seh' ich, o Herr, ein stiller Kummer bedecket
Deiner Stirn' sonst lächelnde Ruh', du hörest mich seufzend!
Freude schimmert auf jeglichem Antlitz in deinen Gezelten,
Auf dem deinigen nicht! O zürne nicht, daß ich dich frage:
Welch ein Schmerz kann stark genug seyn, die Lust zu besiegen,
Die des Jünglings Zurückkunft in deinem Hause verbreitet?

Zitternd empfing Elieser die Antwort von Abrahams Lippen:
Kennst du das menschliche Loos, o Elieser, so wenig,
Daß du dich wunderst, Betrübniß auf meiner Stirne zu lesen,
Da du die fröhliche Botschaft mir bringst? O wisse, die Freude
Wohnet nicht allemal da, wo Tänz' und Harfen sie rufen.
Wüßtest du, was es ist, das wider mein Wollen den Kummer
Mir ins Antlitz herauf treibt, du reiztest mich selber zum Trauern!

Herr, ich zittre die Worte von deinem Munde zu schöpfen. 146
Aber was kann es denn seyn? – Wie schreckt mich der traurige Tiefsinn
Deines erhabnen Auges! – Was kann dein Glück so verfinstern?
Steht nicht von Gott gesegnet dein Haus in fröhlicher Blüthe?
Lebet nicht Sarah! auch hat der Bote, den Isaak sandte,
Uns des Jünglings Wohlseyn geschworen. Er blühet, so sprach er,
Wie ein Mandelbaum blüht, den des Himmels Milde bethauet;
Ueberall nimmt er die Herzen der Leute, die ihm begegnen,
Mit sich hinweg, so liebenswerth glänzt die himmlische Unschuld
Aus der Schönheit des Jünglings hervor. – Wie könnt' ich nun rathen,
Was im Busen dich drückt? – Laß deinen Knecht vor dir reden!
Hat dich ein Nachtgesicht etwa mit Schreckgestalten befallen?
Ein prophetischer Blick in die Zukunft? Ein Engel, wie jener,
Der dir das flammende Sodom gezeigt? Der Herrscher des Himmels
Wende das Unglück von dir auf das Haupt der Feinde der Gottheit!

Mit gelassenem Antlitz und sanften vertraulichen Worten
Gab ihm der heilige Alte die Antwort: dein redliches Wesen,
Und die Weisheit von Gott, womit dein Wandel gekrönt ist,
Gaben dir längst mein Herz; es ist gewohnt in dem deinen
Traulich zu ruhen! – – Auch itzt soll ihm mein Inner's sich öffnen.
Ach! wie könnt' ich mir selbst die kleine Lindrung versagen, 147
Deine mitleidenden Thränen zu sehn? Vernimm denn mein Schicksal!
Als ich beim Aufgang der heutigen Sonn' auf dem heiligen Hügel
Gott geopfert, erschien mir der Herr. So göttlich erschien er
Diesen sterblichen Augen noch nie. Ich sah ihn erhaben
Auf dem cherubischen Thron. Er ging durch unendliche Reihen
Sonnengleich glänzender Engel, die mit verdunkelten Flügeln
Ihre Stirne bedeckten. Kein Zweifel, er selbst der Allmächt'ge
Stärkte mein Auge, die Klarheit des göttlichen Anblicks zu tragen.
Und er rief mich beim Namen, er selbst, und befahl mir, ich sollte
Isaak, meinen Geliebten, mit mir in die Gegend Moria
Nehmen, und dort auf einem der Berge zum Opfer ihn schlachten.
Morgen, o Freund, sobald die ersten Strahlen erwachen,
Will ich aufseyn, und Gottes Befehl an dem Knaben vollziehen.

Itzo konnt' Elieser sich länger nicht halten; er hatte
Jegliches Wort mit Angst und ahnendem Schauder vernommen;
Aber, da er den strengen Befehl und des Vaters Gehorsam
Hörete, konnt' er nicht länger dem fühlenden Herzen gebieten,
Daß die Thränen nicht strömend aus seinen Augen sich stürzten.
Isaak war sein Liebling, ihm war er, sobald er entwöhnt ward,
Anvertraut worden. Die holde Unschuld des lieblichen Knaben,
Früh zu Tugend entfaltet, die immer rege Begierde
Von den Lippen des Alten die Sprüche der Weisen zu schöpfen,
Die er in lehrende Fabeln und dichtrische Bilder verhüllte,
Jede lächelnde Anmuth und jede sprossende Tugend
Deren ihm keine entging, gewannen das Herz Eliesers, 148
Daß es zu seinem eigenen Sohn nicht zärtlicher wallte.
Darum zerfloß es ihm itzt im Busen. Sein redlicher Kummer
Sprach mit mächtig bewegender Kraft im offenen Antlitz.
Aber Abraham sah ihn, und blieb in geduldiger Ruhe.

Endlich, als er nach langem Verstummen zu reden vermochte,
Rief er wehmuthsvoll aus: welch eine Rede, o Vater,
Hör' ich von dir? Dein Gott und deiner Väter und deines
Ganzen Geschlechtes Gott, derselbe, der dir verheißen,
Alle Völker der Erde durch deinen Samen zu segnen,
Er gebietet dir – was, nur auszusprechen, die Worte
Mir im Mund erstarren macht – gebietet dem Vater,
Seinen einzigen Sohn ihm auf Moria zu opfern?
Und du willst sie vollziehn, mit eignen Händen vollziehen
Willst du die schreckliche That? – Unglücklicher! Sterben soll – sterben
Durch die Hand des liebenden Vaters der beste der Söhne?
O das wolle Gott nicht! Das kann Jehovah nicht wollen!
Er, der selbst in Engelsgestalt herabstieg, um Sarah
Durch ein Wunder zur Mutter des Sohns der Verheißung zu weihen,
Fordert ihn jetzt zum Opfer von dir? – Vergib mir den Zweifel,
Herr! allein, mir ist's unmöglich, die furchtbare Stimme,
Die du zu hören glaubtest, für Gottes Stimme zu halten.
Nimmermehr kann ich ihn, den ewig Weisen und Guten,
Mit sich selbst im Widerspruch denken! O zürne nicht, Vater!
Aber ich fürchte – was sag' ich? ich hoff', ich wünsch' es, so feurig
Als ich dein Leben wünsch' und Isaaks Leben, dich habe
Irgend ein böser Geist mit falschen Gesichten getäuschet. 149

Tief erseufzend erwiedert' ihm Abraham: hättest du, Theurer,
Was ich sahe, gesehn, und was ich hörte, gehöret,
Nimmermehr wäre dieß Wort aus deinem Munde gekommen,
Ach nur allzu gewiß erschien mir die Herrlichkeit Gottes,
Hört' ich die Stimme des Herrn! – Und hätte nicht seine Rechte
Mich gestärkt, ich wäre vor ihm vergangen; so mächtig
Faßte des Ewigen Gegenwart mich – und ach! Elieser,
Dieser Seufzer sogar, der wider Willen den Kummer
Meines Herzens verräth, daß auch kein Schatten von Zweifel
Uebrig mir bleibt, ist schon geheime Empörung. Jehovah
Hat gesprochen! Mein Loos ist gehorchen, leiden und schweigen.

Schreckliches Loos, versetzt' der immer noch unüberzeugte
Alte; und schrecklicher noch, wofern hier Täuschung zu ahnen
Möglich wäre! Und doch, was ist unmöglicher, was selbst
Minder geziemend dem Sohne des Staubes, als Gottes Verheißung
Nicht zu glauben? Wie könnt' er sich selbst widersprechen? Wie könnt' er
Dir gebieten, den Erben der großen Verheißung zu tödten?
Stehen die Worte des Herrn nicht fester als eherne Berge?
Er, der in Isaak dir die Völker zu segnen versprochen,
Kann er selbst sein Wort zu erfüllen unmöglich sich machen?

Bist du ein Sohn des Staubes, versetzt' mit strafendem Blicke
Abraham ihm, und zitterst du nicht, den Frevelgedanken
Auszudenken? – Doch nein! Dein Herz ist redlich, und fromm war
Immer dein Wandel vor Gott! Du fehlst aus liebendem Eifer.
Aber sey ohne Sorge, wie Gott die Verheißung erfülle. 150
Was unmöglich uns scheint, ist ihm, dem Allmächt'gen, ein Leichtes.
Tausendmal tausend, den Engeln selbst nicht zählbare Wege
Liegen vor ihm, das, was er beschloß, zum Ende zu bringen.
Aber von uns sey fern, mit ihm vermessen zu rechten!
Hat er nicht freie Gewalt, mit seinen Geschöpfen zu handeln
Wie ihm beliebt? Wer kann ihn fragen, was machest du? oder
Wem geziemt es zu klagen, wenn Gott von ihm wieder zurück nimmt,
Was er auf kurze Frist ihm anvertraute? Von allem,
Was ich besitze, ist nichts mein eigen; am wenigsten ist es
Dieser mein Sohn, den mir ein Wunder Gottes gegeben;
Der aus verborgener Absicht mir ihn geliehen hat, fordert
Nun das Seine von mir zurück – Sein Wille geschehe!

Aber, so fiel Elieser ihm ein, wie fordert er wieder
Was er dir schenkte? Du selbst, unglücklicher Vater, du selbst sollst
Deinen geliebten einzigen Sohn zum Opfer ihm schlachten!
Welch ein Befehl! Und gut und gerecht ist der ihn gegeben?

Feßle, versetzt der Patriarch, die frevelnde Zunge!
Ist denn etwa die Hand des Vaters ihm weniger eigen,
Als des Fremden! O Elieser, auch bebend, auch starrend,
Soll doch diese Rechte dem, der sie erschaffen, gehorchen!
Siehe, so redet zu mir die Furcht des Herren, des Gottes
Meiner Väter, der mich aus ihrem Lande in dieses
Fremde geführt, mich immer beschützt, mich immer geleitet!
Fasse denn, redlicher Alter, dein Herz! Versenke den Kummer
Deiner Seele in fromme Ergebung und stilles Vertrauen:
Aber bewahr' in der schweigenden Brust, was dir zu verhehlen
Mir mein Herz versagte, und laß es dein Antlitz nicht reden: 151
Hindre die Knaben auch nicht, im Reigen den kommenden Jüngling
Einzuholen, und festlich die Luft mit Gesang zu erfüllen!

Also sprach der erhabene Dulder. Mit schweigender Ehrfurcht
Ging Elieser zurück. Doch nagt' ihm der Kummer die Seele,
Ob er die göttliche Weisheit des Patriarchen gleich fühlte.
Denn wer fühlet dich nicht, von Gott entzündete Tugend,
Funke des heiligen Lichts, von welchem die Seraphim strahlen,
Wenn du in deiner Schönheit erscheinst, wer muß dich nicht lieben?
Auch wenn du züchtigest, lieben wir dich! Die sträfliche Trauer
Und die Klage, die heimliche Feindin der herrschenden Vorsicht,
Schweigen vor dir, und fliehen den Tag, womit du die Seelen
Deiner Geliebten umgibst. Von dir gestärket, trug Abram
Glaubig das größte der Leiden mit unüberwindlicher Großmuth.
So stand Michaels Hoheit, mit göttlicher Stärke gegürtet,
Und mit Blute der Engel bespritzt, auf dem himmlischen Schlachtfeld,
Unter den Gott verläugnenden Schaaren, und trotzte geruhig,
Wie ein marmorner Berg, den donnernden Schlägen der Feinde.

Abraham ging noch allein, in die Schatten des Haines verhüllet.
Tausend Gedanken umgaben sein Herz; doch über sie alle
Herrschte gebietend sie, die höher als alle Vernunft ist,
Sie, die Furcht des Herrn, die Gott vertrauende Weisheit,
Königin über sich selbst und willige Sklavin der Gottheit. 152
Unter den andern Gedanken, die seine Seele bewegten,
Schwebt' auch Sarah vor ihm, die zärtliche Mutter des Knaben.
Soll er ihr Gottes Befehl noch vor der Vollziehung entdecken?
Anfangs däucht' es ihm besser, wiewohl der tödtliche Schmerz ihn
Aengstigte, der, wie ein glühendes Schwert, in die Seele ihr gehen
Würde. Aber (so fragt' er sich selber zweifelnd), wie kann ich
Hoffen, sie würd' ihn nach der Vollziehung nicht schrecklicher fühlen?
Ach! vielleicht ist's lindernder Trost dem Herzen der Mutter,
Trost, wie klein er auch sey, in diesem Abgrund des Jammers
An der Brust des geliebten Jünglings die bängsten der Schmerzen
Auszuweinen! – O Gott! wie irr' ich! Die Zärtliche könnte
Nimmer den Abschied ertragen! Sie stürb' in den Armen des Knaben!
Jeder Blick der liebenden Augen, der lächelnden Unschuld,
Tödtete sie! Wie könnt' ich aus ihrer Umarmung ihn reißen?
Ach! und würde nicht auch der Knabe den Schmerzen erliegen?
Könnt' er den Todeskampf der besten geliebtesten Mutter
Sehen und nicht in Kummer vergehn? Kaum könnt' ich es selber!
Also will ich denn noch allein mein Leiden erdulden,
Und die Entzückung des heutigen Tages, die wenigen Stunden,
Ihr noch unvermischt lassen. Sie fühle die menschliche Freude,
Mutter zu seyn, die wenige Zeit noch im weitesten Umfang!
Aber o stärke sie dann, wenn kein Verbergen mehr statt hat,
Ewiger! – Also dacht' er. In seinen Augen war Ruhe,
Aber in seinem Herzen ertrug er unnennbare Leiden. 153

 


 


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