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Wirtemberg.

Quo me, Bache, rapis tui plenum!

Horat.

Physik. Sitten. Statistik.

Hier geh'ts wunderlich zu.

Man behauptet, daß der Herzog Ulrich, einer der berühmtesten Regenten Wirtembergs, einst diese Worte über der Thüre seines Kabinets gefunden hätte. Der Herzog hätte den Urheber vermuthet, und auf der Stelle den Vers vollendet:

Kanzler Hans hilft auch dazu.

Durch dieses Impromtu hat der Herzog das Schicksal aller folgenden Regierungen seiner Nachkommen bestimmt.

Wenn der Zustand Wirtembergs, von welchem man in unsern Zeiten so viel gedacht, so viel vernünftelt und so viel gedruckt hat, bedaurenswürdig ist, so hat man es nicht seinem Clima zuzuschreiben. Es ist ein Charakter der Staatsform.

Niemals ist ein Land von der Natur günstiger behandelt worden, als dieses. Es hat reiche Fluren, Gebürge und Flüsse, welche von dem Einflusse einer gemäßigten und gütigen Sonne gepflegt werden. Das Temperament der Einwohner ist ein fleißiger Geist, frugale Sitten, und eine bescheidene Lebensart. Aber der Charakter der Regierung ist – verwirrte Gesetze; Selbstmacht; ein beschwehrliches und unruhiges Parlament; Pachter; Soldaten; Steuren, und Rescripte.

Der Hof zu Stuttgart war einst einer der schimmerndsten in Europa. Jetzt ist er ganz philosophisch. Dieser Umschwung ist merkwürdig: aber er verdient Ehrfurcht, weil er ganz allein aus dem Umfange des Genie des regierenden Herzogs gefolgt ist.

Die Regierung des Herzogs Karl, eines der liebenswürdigsten Prinzen von Europa, macht in der Geschichte seiner Staaten eine sehr interessante Epoche.

Vor dem Regierungsantritte dieses Herren lag Alles in Barbarey. Die Gesetze waren dunkel und unvollkommen, die Regierung schwach, der Hof ohne Bildung und ohne Sitten, die schönen Künste abwesend: das Land wurde von einer Anzahl anarchischer Tirannen gepreßt, die Schulen schmachteten unter dem Zepter grammatischer Pedanten, in der verzweiflungsvollesten Unwissenheit. Wirtemberg war lange Zeit der Erdstrich, auf den die allgemeine Gährung des Verstandes und der Sitten, welche sich Europens bemeisterte, keinen Eindruck machte, der beym Glanze der Sonne blind blieb.

Mit der Regierung des Herzog Karls, steigt der Tag auf. Die Gesetze werden verbessert und in Zusammenhang gebracht. Die Regierung wird durch Anwendung geschickter Ausländer, durch die Einrichtung der Finanzen und durch Herstellung eines Corps der Armee, befestigt. Der Hof wird zu einem der prächtigsten in Europa gemacht. Die untergeordneten Tirannen des Volks werden vertrieben: man läßt das Land die Wohlthat der Selbstherrschaft schmecken. Die Künste werden herbeygerufen, beschäftigt, belohnt und ermuntert. Es wird ihnen eine Akademie eröfnet. Aus dem Schooße derselben sind die berühmtesten Künstler entsprungen, welche itzt zu Paris, zu Petersburg, zu Wien, zu Neapel, zu Mailand glänzen. Der Wirtembergische Hof versahe die stolzesten Höfe in Europa mit Virtuosen. Er war die Schule der le Jeune, der Noverre, der Jomelli, der Bayer.

Diß war das System des regierenden Hofs, als der Dämon der Länderzwietracht erwachte, und in die Wirtembergische Landschaft fuhr. Dieses Parlament, welches seit 84 Jahren eines von den unglückseeligsten Schicksalen Wirtembergs ausmacht, bestehet in einem Ausschusse der trotzigsten Köpfe der Nation. Sein System ist, die Unternehmungen und Absichten des Hofs in allen Stücken zu scheniren, und sich so viel möglich der Novität zu widersetzen.

Zum Unglück für die Nation ist das Daseyn dieser verhaßten Stelle nur allzufest gegründet. Tausend feyerliche Verträge, die von den Wirtembergischen Regenten beschworen, und von noch mächtigeren Regenten garantirt worden, versichern es. Man sagt genug, wenn man anführt, daß die Theologie an der Spitze derselben stehet, um den Hochmuth, die Unwissenheit, den Partheigeist und alle Fehler auszudrücken, welche eine parlamentarische Versammlung bilden. Ohne den großen Geist des regierenden Herzogs, und den Heldenmuth seiner Vorfahrere würde die Landschaft das aus dem Hofe gemacht haben, was der schwedische vor der ruhmvollen Thronbesteigung Gustav II, war.

Stuttgart. Die Militairakademie.

Stuttgart und Ludwigsburg sind die zwo merkwürdigsten Städte in Wirtemberg. Die erstere ist, wie man weiß, die Hauptstadt des Landes und der Regierung: die zwote ist ein Garten, der mit einigen Wohnungen besetzt ist. Sie war die Residenz des Hofs während den landschaftlichen Unruhen.

In Stuttgart ists, wo man den Zustand des Landes überblicken kan. Der allgemeine Geldmangel, welcher eine Folge der unglücklichen Irrungen ist, die zwischen dem Hofe und dem Land entstanden; die Niedergeschlagenheit des Publici, und die Philosophie des Hofs sind auffallende Gesichtspunkte.

Die Stadt Stuttgart hat keinen Antheil an den Wohlthaten der Künste genommen, während sie sich im Lande aufhielten. Sie bestehet aus einer Masse häßlicher Gebäude. Die Manieren und die Lebensart der Inwohner sind ungebildet. Die Stuttgarter verstehen die Regeln der Verbeugung, aber in den Regeln der Höflichkeit sind sie unwissend. Das Publikum ist ohne Polizey, und es hat niemals Nationalschauspiele hier gegeben.

Das Temperament der Inwohner ist zum Prachte und, wenn man will, selbst zur Schwelgerey geneigt. Aber da ihnen Jenes fehlt, was diese Neigungen beseelt, so begünstigen sie sich mit einer Sorte spießbürgerischer Galanterie.

Eine der interessantesten Katastrophen in der Regierungsgeschichte des Herzogs Karl ist das Erziehungsinstitut der Militairakademie. Diejenigen, welche es gesehen haben, behaupten, daß es eines der ergänztesten und merkwürdigsten Systeme dieser Art in Europa sey. Ihrem Berichte nach ist es aus dem Modell der Realschule in Berlin, und den adelichen Erziehungsstiftern zu Wien, Neapel, Braunschweig und anderer Staaten zusammengesetzt. Das Institut theilt sich in zwo Akademien, die Militairschule, und ein Notredam, welches ein Conservatorium fürs schöne Geschlecht ist.

Praxis und Wissenschaften.

Wirtemberg ist das Reich der Magister und der Schreiber. Die letztern sind eine Gattung Kunstverwandten, welche in Schreibstuben in den Städten und auf dem Lande tagwerken. Diese Schreibstuben sind der Lymbus der Wirtembergischen Beamten. Aus ihnen entstehen die Räthe beym Finanzwesen, die Oberamtleute, die Unteramtleute, die Steuereinnehmer, die Städtesyndiker und die Landverwalter. Zuweilen fourniren sie auch Furirs, Dragoner, und Wilddiebe.

Die Kunst dieser Leute bestehet in einer Praxis. Es ist nicht jene verehrenswürdige Erfahrenheit, welche ihre Handlungen durch besondere Grundsätze zu beweisen weiß. Die Wirtembergischen Schreibere sinds nicht, die den speciellen Zustand des Landes und der Städte kennen; auf die Folgen der Vorfälle und der Gesetze Acht geben, und die Vorurtheile der Gewohnheit einsehen; ob sie schon hierinn arbeiten. Sie sind politische Quacksalber, welche ihre Recepte so hingeben, wie sie solche gefunden. Sie reisen niemals ausser dem Bezirke ihrer Schreibstube, noch ihres Landes. Sie verbinden nicht die mindeste fremde Kenntniß mit ihrem Berufe. Sie lesen, noch bekümmern sich, was Andere gedacht und gethan haben. Für sie hat sich Aristoteles umsonst in Brunnen gestürzt.

Die Litteratur des Landes hat sich vor kurzem noch blos auf die wissenschaftliche Seite bezogen. Auf der Seite der schönen Gelehrsamkeit war nichts gethan. Volz und Le Bret wurden die Prometheus der Nation. Sie beriefen das Genie vom Himmel herab.

Nichts ist trauriger als der Zustand, worinn sich die Litteratur vor dieser Epoche befand. Ausser der Universität Tübingen besaß das Land kein Lyceum für die Musen. Es waren noch gewisse Kerker zu Maulbronn, Deckendorf etc. vorhanden, worinn man sie aufhielt. Aber diese sogenannten Klöster sind nicht die Tempel des Orpheus, des Apolls, der Pindars und der Horaze: sie sind einem Bilde gleich, worinn einige Druiden mitten im Winkel ihrer Höle, jungen Leuten die schöne Welt erklären.

Die Universität selbst war kaum mehr als eine Klopffechterschule der Theologie, der Rechtsgelehrsamkeit, der Pedanterey, des Schulgezänks und der Unwissenheit. Sie war noch bis aufs Jahr 1774 die Satire der Sachsen und der übrigen deutschen Nationen. Wirtemberg hat noch keinen einigen Geometer gebohren; dann Bilfinger war mehr Schuldiener in der Geometrie, als Genie. In der Physik und der natürlichen Geschichte – diesen unserm Jahrhunderte schäzbaren Wissenschaften – hat es niemand. Vergebens haben sich im Staatsrechte die Hofmänner, und Moser der Polygraph, herfürgethan: die Praxis der Staatsverwaltung, die Polizey- Finanz- und Handlungswissenschaften, haben dagegen niemand gehabt. Die römischen Rechte, ohne welche die Welt füglich bestehen könnte, genossen einen Lauterbach und Schweder. Die Arzneyschule schüttelte den Staub der Agrippa und der Galene. Die vaterländische Geschichte war glücklich genug, einen Sattler zu finden. Die schönen Sprachen, die Poesie, die Alterthümer, die Tonkunst und das ganze Gefolge der Grazien waren ausser der Gränze verwiesen. Eine gewisse Frau Weisensee, welche Reime im Styl der Gryphius und der Köhler schmiedete, vergleichet man Schwäbisch Magazin, 1777. ohne Beding den Corillen und der Laura Bassi.

Unter der herfürstralenden Regierung des erlauchten Karls hat sich die Universität Tübingen, und mit ihr die Litteratur in Wirtemberg, glücklich geändert. In der That, die Unruhen der Kriege unter den Regierungen der Prinzen, seiner Vorfahren, scheinen ihnen nicht erlaubt zu haben, ihren Blick auf die wohlthätigen Künste des Friedens zu werfen. Es war dem fruchtbaren Zeitpunkte Karls vorbehalten, den Genie der Nation zu erwecken, ohne ihre Tapferkeit zu entkräften.

Den Einfluß der Militairakademie abgezogen, tragen die Wissenschaften in Würtemberg schöne Blüte. Man hat an dem Lichte Theil genommen, welches sich am deutschen Horizont aus dem Mittelpunkte Frankreichs und Englands verbreitete; und das Genie ist nur noch um wenige Grade von der Mittagslinie des Landes entfernt.

Vornehmlich wird die Haushaltungswissenschaft, und das Finanzwesen in den Dikasterien des Landes und der Regierung kultivirt.

Unter den unglücklichen Folgen, welche die Reformation eingeführt, und die man der Verfolgung der Hugenotten, den Massacren in Irrland, und einem dreyssigjährigen Blutvergiessen an die Seite setzen muß, ist der Religionszwang keiner der geringsten. Er schadet beyden Partheyen in gleichem Grad. Vernünftige Staatskenner haben bewiesen, daß Italien, Frankreich, Oesterreich eben so viel Nachtheil von der Ausschliessung der Protestanten genießen, als Schweden, Dänemark und England in der Alleinherrschaft der protestantischen Religion empfinden. Das was bey grossen Staaten ein Unglück ist, ist in kleinen gewiß ein Laster.

Die Intoleranz, die soweit getrieben wird, daß man nach der Beobachtung eines weisen Schriftstellers Leben und Meynungen Sebaldus Nothankers., aus einem unorthodoxen Zuckerbecker ein Landesgravamen macht, und die in Wirtemberg durch das System der Landschaft geschützt wird, hat vor manchem geschickten Künstler die Brücke aufgezogen, oder sie hat vielmehr dem Lande selbst vor dem Eingange der Künste die Thore geschlossen.

Diese unpolitische Maxime hat in allen Gegenden, die sie beherrscht, der Aufnahme der Handlung, der Künste und der Wissenschaften geschadet. Man hat in Wirtemberg sehr rührende Beyspiele davon. Und die Aufnahme beyderley Religionen in die Militairakademie ist einer der größten und weisesten Gesichtspunkte des Stifters.

Unterdessen muß man mit Bedauren bemerken, daß sich viele nützliche Genies, welche unter dem Wirtembergischen Himmel gebohren sind, sobald sie ihre Bestimmung fühlten, expatriirt haben. Locke sagt, daß das Genie der Salniter der Seele sey, welcher, wenn er entzündet werde, mit Gewalt ausbreche und sich die Sphäre erweitere. Aber es giebt leider Sphären, welche an und für sich so viel niederschlagende Dünste enthalten, die den Flug eines einheimischen Genie lähmen; und in solchem Falle verläßt man sein Vaterland mit kaltem Blut.

Patriotische Phantasie.

Ich sann dem Schicksale Wirtembergs nach, als mich der Schlaf überfiel. Es schien mir, daß ich mich an dem Eintritte in ein Land befand, welches von einer schönen Sonne beleuchtet ward. Ein lüftiges Wesen voll Freundlichkeit näherte sich mir. Ich bin der Genius dieses Landes sprach er, ich werde dir die Merkwürdigkeiten desselben weisen: folge mir. Er faßte mich bey der Hand. Wir kamen durch eine schöne und wohlgebaute Landstraße, die zu beyden Seiten mit Bäumen besetzt war, welche Früchte trugen, auf einer großen Ebene an. Alle öffentliche Strassen dieses Lands, sagte er, sind so beschaffen, wie die gegenwärtige. Der Regent hat die Anlegung wohlbeschaffener Strassen für einen Vorzug des Landes angesehen. Man hat nicht geruhet, bis man die zu dieser Unternehmung benöthigte Kosten auftrieb. Da die Anschläge hierzu mit Weisheit entworfen waren, und eine genaue Ausführung versprachen, so hielt es nicht schwer, vermögliche Leute zu finden, welche dem Staate Geld vorschossen. Man bezahlte sie wieder von den Einkünften der Strasse. Dann der Vortheil, den man dadurch gewann, ist sichtbar. Unsere Strassen werden von den Reisenden gesucht, welche zuweilen andere Länder umfahren, um sich der unserigen zu bedienen. Diß erwirbt einen beträchtlichen Wegzoll, und zieht die Handlung in unsere Gegenden.

Voll Bewunderung über die Weisheit einer so guten Anstalt gelangte ich auf die Ebene. Blühende Fluren, deren Früchte viel vollkommener und schöner zu seyn schienen, als gewöhnlich, bedeckten die Erde. Zwischen denselben wandten sich Kanäle, woran man die Hand des menschlichen Fleisses erkannte, nach schiffbaren Flüssen. Eine unzählbare Menge Menschen wimmelte auf diesen Fluren, und auf diesen Kanälen.

Am Ende der Ebene lag ein marmorner Pallast. Mein Führer ließ mich denselben betreten. Diß ist der Pallast der Landwirtschaftaufsicht, sagte er. Hier in diesem Saale, wo das Bildniß des Landesvaters, als allgemeinen Haushälters der Nation, aufgestellt ist, halten die zur Aufsicht über die Aufnahme des Ackerbaues und der Feldwirthschaft bestellten Weltweisen ihre Versammlung und Berathschlagungen. In jenem Saale, dessen Decke mit der Geschichte des Saturns und der Ceres ausgemahlt ist, werden die Kunstwerkzeuge und Erfindungen aufbehalten, welche der menschliche Wiz bey allen Nationen zur Beförderung des Ackerbaues und der Oekonomie einführt. Dort auf der Gegenseite ist ein Saal mit chinesischen Gebräuchen ausgemalt, worinn man die öffentlichen Belohnungen der ökonomischen Tugend, und die Preise für den Feldbau und die Erzeugung austheilt. Im Pavillon des Pallasts wohnt die vom Regenten gestiftete Akademie des Ackerbaues und der Hauswirthschaft.

Meine Aufmerksamkeit war ausserordentlich, einen so vollkommenen Zusammenfluß nützlicher Gegenstände zu sehen. Der Schutzgeist des Landes führte mich in ein Kabinet. Hier wies er mir ein Buch, welches eben nicht von großem Umfange war. Diß ist, sagte er, die Sammlung der Gesetze für den Ackerbau. Sie sind nicht weitläufig. Dann, um die Natur zu verstehen, braucht man nur einfache Begriffe: und um der Menschlichkeit wohl zu wollen, sind nicht viel Worte nöthig. Lies. Ich fand folgende Betrachtungen, die in meinem Gedächtnisse unvergeßlich sind.

Der Ackerbau ist die Grundstütze und das Leben des Staats.

An dem Zustande der Felder kann man die Kräfte eines Staats erkennen.

Das wesentlichste Mittel zur Aufnahme des Ackerbaues ist die Bevölkerung.

Das Klostersystem und der Militairetat widersprechen der Aufnahme des Ackerbaues gänzlich.

Es ist kein ehrwürdigerer Stand als der eines Bauren.

Erziehet eure Kinder lieber zu fleissigen Feldmännern, als zu Schreibern, Rechtsgelehrten, Geistlichen und Künstlern.

Man schaffe die Frohndienste ab, weil sie den Fleis hindern und die Menschen erniedrigen.

Alle Feyrtäge, die den Genuß der Arbeit stöhren und den Müssiggang einführen, sind Gott nicht gefällig.

Der Nahrungsmangel ist das vornehmste Hinderniß der Bevölkerung.

Die Steur muß im genaumöglichsten Verhältnisse mit dem Ertrage stehen.

Ich erstaunte über eine Menge ähnlicher Begriffe, welche an Deutlichkeit und Kürze einander übertrafen. – Es ist genug, sprach mein Führer. Laß uns weiter gehen.

Er führte mich auf einen Hügel, welcher sich hinter dem Pallaste der Landwirthschaftsaufsicht erhob. Sobald ich den Gipfel erreicht hatte, so eröfnete sich mir eine neue Aussicht in ein unübersehbares Thal. Dieses Thal war von einer Menge angenehmer Dörfer und vielen einzelnen Häusern bevölkert. Auf den zwischenliegenden Flächen waidete unzähliges Vieh, welches viel grösser und stärker war, als anderer Orten.

Die Menge dieses Viehes, sprach der Schutzgeist, welche du bewunderst, entstehet von der Vorsicht der Landwirthschaftspolicey, die die Raubthiere gänzlich ausgerottet hat, und von der Einrichtung einer Vieharzneyschule, so sich in einem jener einzelnen Häuser aufhält, welche du dort siehest.

Indem wir auf das nächstgelegene Dorf gehen, so muß ich dir sagen, daß die einzelnen Häuser, die hin und wieder, größtentheils an Flüssen, zerstreuet liegen, Fabriken sind, welche der Regent zum Vortheile der armen Landleute angelegt hat. Diese Fabriken beschäftigen den Ueberfluß der Bevölkerung, und verarbeiten die rohen Erzeugnisse des Feldbaues. Du siehest, daß sie, zufolge ihres Stofs, mit Vorsicht situirt sind, um entweder bey der Quelle des Produkts nahe zu seyn, oder sich im Mittelpunkte verschiedener Ortschaften zu befinden, denen sie Nahrung und Leben geben. Alle diese Werker stehen unter der Aufsicht der Handlungs- und Manufaktur-Akademie, die sich in der Hauptstadt aufhält.

Ich konnte die Klugheit solcher Einrichtungen nicht genugsam bewundern. Ich bemerkte, daß die Lage der Fabriken so weißlich ausgedacht war, daß jede nicht nur für sich selbst ihre Subsistenz hatte, sondern, daß sie auch vermittelst der Kanäle, welche das Thal durchkreuzen, eine immerwährende Correspondenz miteinander unterhielten. Z. B. in der Nähe einer Tongrube fand sich eine Ziegelhütte, oder eine Porzellanfabrik. Unweit einer Erzgrube war ein Eisenhammer: er schickte seinen Stof einer benachbarten Gewehrfabrik, und diese lies einen Theil desselben einer entlegeneren Nadelfabrik zukommen. Auf diese Art hiengen alle Fabriken zusammen. Sie schienen eine Maschine auszumachen, wovon jede Fabrik eine von den Springfedern war.

Gestehen sie mir, redete ich den Schutzgeist an, daß diese bewundernswürdige Situationen nicht natürlich sind. Die Dinge in einen solchen Zusammenhang zu bringen, muß sich die Natur ein Land besonders ausersehen haben, um Wunder zu thun.

Nichtsweniger erwiederte mir der Geist. Die Natur ist sich überall gleich. Vor zwanzig Jahren war all dieses noch nicht. Es ist ein Werk des menschlichen Fleißes, von dem Einflusse einer erleuchteten Regierung unterstützt. Der gesunde Willen des Landsherrn macht Alles möglich. Indem wir der Natur auf der Spuhre waren, und ihr die Wege bahnten, so eröfnete sie ihre Schätze von selbst. Eine Anstalt erleichterte die andere. So entstund der Zusammenhang eines Ganzen ohne Mühe.

Während dieser Unterredung erreichten wir das Dorf. Eine neue Scene meiner Aufmerksamkeit. An dem Gasthofe, wobey ich vorübergieng, sah ich eine Tafel angeschlagen, auf welcher mit großen Kennzügen die Taxe der Gastherberge von Obrigkeitswegen verzeichnet war. Diß geschiehet, belehrte mich der Schutzgeist, um der Fuhrleute und Reisenden willen, welche die Handlungsstrasse, so durch dieses Ort gehet, beziehen.

Ich weilte zuerst nach der Schule. Hier sah ich die Kinder währendem Unterrichte, den ihnen der Lehrmeister in den Lehren der Religion, der Wohlanständigkeit, der Sitten, der bürgerlichen Erkenntnisse, und der vaterländischen Gesetze gab, Händearbeit verrichten, stricken, nähen, klöpplen. Der Schutzgeist machte mich bemerken, daß nur ein kleiner Ausschuß Knaben zum Schreiben angeführt wurde. Diese Kunst, fügte er hinzu, ist nur wenigen auf dem Lande nöthig: ihr Unterricht aber macht viel an der, bey der Erziehung der Jugend so edlen, Zeit verlieren.

Von der Schule führte mich mein Begleiter in das öffentliche Versorgungshaus. Jedes Dorf, sprach er, hat ein dergleichen Haus. Dieses Haus dient dazu, dem unglücklichen Menschengeschlechte, welches Alters, oder Leibesgebrechen, oder zufälliger Krankheit halber zur Feldarbeit untüchtig ist, Zuflucht und Nahrung zu verschaffen. Die Gemeinde versiehet das Haus, auf ihre Speculation, mit Arbeit aus den Fabriken. Hiebey gewinnt dieselbe einen kleinen Beytrag zu Tragung der öffentlichen Lasten, und versorgt ihre Armen.

Ich konnte mich nicht enthalten, zu bemerken, daß ich seit meiner Umwanderung im Lande noch keinen Bettler gesehen hatte.

Dieses Ungeziefer, sagte der Schutzgeist, wächßt in der Pflanzschule des Müssiggangs und des Lasters auf, und ist der gewisseste Verräther eines übelbeschaffenen Staats.

Ich war in bewundernden Betrachtungen über die Reinigkeit der Gassen und die Bequemlichkeit der Häuser vertieft, als mich ein Haufe Reuter unterbrach, welche im Dorfe ankamen. Man sagte uns, daß es die Landpolizeykommission wäre, die auf ihrer gewöhnlichen Ronde begriffen sey. Diese Kommission, die sich in einem ewigen Kreislaufe drehet, bestund aus einem Gesetzverwalter, einem Arzte, einem Sittenaufseher, einem Schreiber und einem Gerichtsdiener.

Auf die Vorbitte des Schutzgeists gestattete man mir, dem Amte beyzuwohnen, welches die Landpolizeykommission hielt. Eine Obrigkeitsperson wurde ihres Dienstes entsetzt, weil sie einem Bürger hart begegnet war. Der Steuereinnehmer wurde gestraft, weil er die Beytreibung der Steuer bey einem Bürger ein Jahr lang hatte anstehen lassen, welches veranlaßte, daß die Schuldigkeit im zweyten Jahre so groß war, daß sie der Schuldner nicht, ohne sich wehe zu thun, abführen konnte. Eine Handlung der Unmenschlichkeit bey einem reichen Manne, gegen einer seinen Dienstbothen, wurde mit vierzehntägiger Arbeit im öffentlichen Versorgungshause belegt. Wegen dem Ungehorsam eines Kindes gegen seine Eltern empfieng der Schulmeister einen scharfen Verweis. Ein Trunkenbold wurde zum 24stündigen Kerker verdammt.

Während der Arzt von Haus zu Haus gieng, sich nach den herrschenden Krankheiten zu erkundigen, und den Leuten entweder Verordnungen aufzuschreiben, oder sie von dem Gebrauche der einfachen Arzneymittel zu unterrichten, visitirte der Gerichtsdiener die Gasthöfe, die Kramläden und den Kerker; der Schreiber aber den Zustand der öffentlichen Gebäude, Brunnen, Brücken, u. s. w.

Von dem Gefühle der Bewunderung durchdrungen bat ich meinen Begleiter, mich tiefer ins Land zu führen. Jedes Dorf, das ich berührte, enthielt einen eigenen Vorwurf des allgemeinen Besten. Hier traf ich ein Kornmagazin, auf Rechnung des Staats, an. Dort entdeckte ich eine Landhebammenschule. Jezt wies mir der Schutzgeist ein Waisenhaus. Im nächsten Dorfe war der Sitz der Bezirksfeuerversichrungskasse. So viel merkwürdige Marktflecken, so viel Züge der Staatsweisheit.

Wir hatten nur noch ein kleines Gehölze zwischen uns und der Hauptstadt. Vermuthlich, redete ich den Schutzgeist an, wird es in ihrem Lande einen Ueberfluß an Wildbrät, Hirschen von dem edelsten Schlage, und Fasanen geben, die im Geschmacke vortreflich sind? – Es ist Alles niedergeschossen, erwiederte mir der Geist. Die Wildbahn ist bey uns gänzlich abgeschaft, und das Gewild wird wie Raubthiere behandelt, welche dem Unterthanen an seinem Brode schädlich sind. Unser Regent betrachtet die Jagdlust als einen grausamen, und der Gesundheit nachtheiligen Zeitvertreib, der der Beschäftigung eines Prinzen unwürdig ist. Wenn wir Leckerbissen auf unsere Tafeln haben wollen, so bekommen wir dessen von unsern Nachbarn, die damit zum Ueberflusse beschwert sind, gegen unser Mastvieh, unsere Fische und Manufakturen, in Menge.

Nunmehr war ich mit meinem Führer in der Stadt angelangt. Ein unermeßliches Gebäude, woran die Kunst all ihren Geschmack verschwendet zu haben schien, fiel mir sogleich ins Gesicht. Diß sagte der Geist, ist der Pallast des Staats. Ich werde dich von einem zum andern seiner Departements führen. Betrachte, und denke!

Ueber der Thüre des ersten Saales, in welchen wir traten, stunden die Worte: Polizey-kanzley. Eine Menge Beamten waren beschäftigt ihre Pflicht zu üben. Hier arbeitete ein Krais über der neuen Ausgabe des Landrechts. Diese neue Ausgabe sollte zum Vorläufer dienen von einem neuen Gesetzbuch, wordurch der Monarch seine Regierung zu verewigen beschlossen hatte. Das alte Landrecht war in den meisten Theilen unbrauchbar worden. Die Revolution der Einsichten, der Sitten, der Erziehung, des Clima, der benachbarten Regierungsverfassungen foderte eine Abänderung der Gesetze. Dann der Regent hielt dafür, daß kein Gesetz möglichst gut seye, wenn es nicht seinem Jahrhunderte angemessen ist. Allein da die Wahl der Gelehrten, welche zu diesem wichtigen Unternehmen erfodert wurden, nicht leicht war, so verzögerte sich die Ausführung der Sache. Der Regent glaubte, daß, ausser einigen vorzüglichen Rechtskundigen, noch eine Anzahl Philosophen und Naturkenner nöthig wären, weil bey der Gesetzverfassung sehr viel auf den gesunden Verstand ankommt.

An einem andern Tische befand sich eine Gesellschaft, welcher aufgetragen war, die Criminalordnung zu verbessern, und die Folter abzuschaffen.

Am dritten Tische übeten sich geschickte Männer über einem Vorschlag zur Verkürzung der Civilprozesse.

Der vierte war der Mittelpunkt einer Commission zu Verbesserung der Gymnasien und Landschulen, Einrichtung eines neuen Erziehungssystem, nach dem Muster der benachbarten Staaten, Gründung einer Normalschule, oder Modellschule für die Lehrer.

Im übrigen Raume des Saals wurden Ausfertigungen an das Polizeyamt der Hauptstadt, in Betref der öffentlichen Sicherheit, der Verschönerung, der Aufnahme der Stadt, geschrieben.

Aus dem Saale der Polizey führte mich der Schutzgeist in einen andern, welcher, zufolge der Ueberschrift, die Finanzkanzley war.

Zuvörderst fiel mir ein Mann ins Gesicht, welcher ein Pappier vor sich hatte, das sich die Staatskarte des Landes benennte. Diese Karte, welche mit dem genauesten Fleisse von den geschicktesten Gelehrten aufgenommen, und welche ein Kabinetsgeheimniß des Staats ist, enthält ausser den gewöhnlichen geographischen Verhältnissen des Landes eine zuverläßige Nachricht von den natürlichen Vorzügen desselben.

Sie ist der Richtpunkt bey den Entwürfen der Kammer, des Commerzkollegiums und der Kabinetskanzley. Die Beylagen, welche ihr angehören, sind die Populationstabellen, welche aus dem Verzeichnisse der Geburts- und Todtenlisten errichtet werden; die Conscriptionslisten, worinn man die Anzahl der Menschen und des Viehes findet; die Manufakturtabellen; und die Oekonomietabellen.

Und was für eine Karte haben sie hier in Händen? so fragte ich Einen, den ich an einem zweyten Tische in Betrachtungen vertieft sah. – Es ist die Staatsbilanz, versetzte er, oder die jährliche Tabelle der allgemeinen Staatsausgaben und Staatseinnahmen und des Kassarests. Sie ist bey den Operationen des Kabinets und der Kriegskanzley unentbehrlich.

Indem erblickte ich einen Zirkel von mehr als sechs Männern. Ihr Fleiß zog meine Aufmerksamkeit an sich. Wir arbeiten, sagten sie, an dem Entwurfe zu einem neuen Rechnungsfuße: ein Gegenstand, der dem Lande höchstsnothwendig ist. Die bisherige Rechnungsmethode ist so verwirrt, so dunkel und so abgeschmackt, daß man eine eigene Vernunft braucht, sie einzusehen, um die seinige nicht zu verwirren. Das Leben eines Mannes ist kaum hinreichend, sie zu erlernen, um alle Probleme zu entwickeln, welche die Zunftmeister in dieser Kunst aufzugeben wissen. Wir sind der Meynung, daß eine Anwendung der gedoppelten Buchhaltung auf die Oekonomie das beste Muster sey, welches wir zu einem neuen Rechnungsfuße erwählen können; und wir haben gehört, daß diese Art Rechenfuß in andern erleuchteten Staaten mit glücklichem Erfolge eingeführt ist.

Ich verlies diese Männer, deren Beschäftigung mir sehr nützlich zu seyn schien, blos, um mich zu einem Kraise von anderen zu wenden, die nicht minder Emsigkeit verriethen. Sie beschäftigten sich mit der Verbesserung der Zünfte und der Handwerker. Wir trachten, sprachen sie, den Unsinn abzuschaffen, welcher sich in der Einrichtung der Zünfte befindet, und welcher dem Fortkommen der Handlung widerspricht. Indem wir ihre Zunftartikel umgiessen, die Lehrjahre abkürzen, die Meisterstücke aufheben, die Gesellenjahre einschränken, und tausend andere Mißbräuche abändern, welche dem Kunstfleisse und der Beförderung der Nahrungswege entgegen sind, so gedenken wir die gesunde Vernunft in ihren Verfassungen wieder herzustellen, und sie dem Staate nützlich zu machen.

Der dritte Saal war die Kriegskanzley. Hier wies mir Jemand den Etat der Armee, woraus ich genau sah, daß er mit den Kräften des Landes im Verhältnisse stund. Die Truppen schienen nicht vorhanden zu seyn, um auf Befehl zu warten, bis sie zum Dienste eines fremden Herren, dessen Interesse das Vaterland lediglich nichts angehet, zum Morden oder zur Schlachtbank angeführt werden, weil sie dieser Ausländer bezahlt hat, inmittelst aber ihr Leben im Müssiggange zuzubringen.

Es waren ihrer nicht mehr, als man zu Bewahrung der öffentlichen Sicherheit des Staats, zu Beschützung der Gesetze und der landesherrlichen Obermacht, und, auf den Nothfall zur Vertheidigung der Gränzen, zu bedürfen schien. Und da sie von dem allgemeinen Schaz bezalt wurden, so gehörten sie dem Vaterlande.

Sie waren immer so verlegt, das durch ihre Position zu gleicher Zeit das Land beschüzt, und überall die Consumption der Lebensmittel und der Umlauf des Geldes ausgebreitet wurde. Die eine Hälfte der Armee war beständig in Urlaub, wo sie das Land bauen half, sich in der Liebe zur Arbeit und in der Bewegung und Ausbildung des Körpers erhielt. Die andere Hälfte war beständig in Waffen.

Unter den Verordnungen, welche der Kriegsrath heute ausfertigen lies, waren folgende merkwürdig.

Der Staat wird führohinmehr keine andere als seine eigene Unterthanen zum Kriegsdienste zulassen. Die Ehre das Vaterland zu vertheidigen, ist zu wichtig, um sie Miethlingen zu überlassen.

Die Leibwache des Regenten wird fürohin blos aus Landeskindern bestehen. Es ist beleidigend, daß der Regent seine Person jemand Anders, als seinen Unterthanen anvertraue.

Die Aushebung der Rekruten zum Dienste des Vaterlandes wird künftig nach Anleitung der jährlichen Conscription, und nicht anders als mit Beyziehung der Civilvorstehere, geschehen.

Die Werbungen sowol für den Dienst des Hauses, als fremder Potentaten, sind ein für allemal gänzlich abgeschaft.

Zum Besten des Ackerbaues, worauf das wichtigste Wohl des Staats beruhet, sollen die Kapitulationen bey der Armee auf sechs Jahre eingeschränkt, und genau erfüllt werden.

Das Geld, welches der gemeine Mann währendem Urlaub für sich verdient, bleibt seiner Disposition nicht überlassen. Die Gemeinde, welche es für ihn eincassirt, wird der Compagnie davon Rechenschaft geben. Er ist gehalten, währendem Urlaub auf den Fus der Caserne zu leben. Der Ueberschuß, den die Compagnie in Verwahrung nimmt, wird ihm zu einem Sparhafen dienen, sich entweder loszukaufen, im Falle er die Kapitulationszeit nicht abwarten will, oder ein Kapital beyzulegen, womit er sich bey seiner Austretung ein Etablissement verschaffen kan.

Die Chefs und Officiers der Regimenter werden erinnert, den Soldaten weniger zu einer unnöthigen Uebung in Handgriffen und im Puze anzuhalten, als zum Gehorsam, zur Sparsamkeit und zum Fleisse im bürgerlichen Leben, welches seine künftige Bestimmung ist.

Es war nur noch ein einziger Saal für meine Betrachtung übrig. Ueber der Thür stund: Kanzley der Gelehrsamkeit. Diese Etiquette befremdete mich anfänglich. Aber ich war schon gewohnt, außerordentliche Dinge in diesem Lande zu sehen.

An den Saal gränzten verschiedene Kabinete, welche soviel Departements der Gelehrtenkanzley ausmachten. Sie folgten einander im Range.

Das erste war

Die praktische Philosophie.

Hierunter gehörte: Der Feldbau und die Oekonomiekunst. Die Handwerkskünste. Die Prachtkünste. Der Handel. Die ausübende Heilungswissenschaft. Die Wundarzneykunst. Die Hebekunst. Die Scheidekunst.

Das zweyte Departement war

Die Moral.

Die ihr untergeordneten Wissenschaften bestunden in der Rechtsgelehrsamkeit. Die Religionslehre. Die bürgerliche Politik.

Im dritten Departement wohnten

Die Staatswissenschaften.

Hiezu gehört: Die Polizey. Die Finanz. Die Handlungswissenschaft. Die Staatsklugheit. Das Staatsrecht. Die Staatsgeschichte. Das Völkerrecht.

Das vierte Departement enthält

Die theoretische Weltweisheit.

Und theilt sich in die Größenlehre. Die Naturlehre. Die Krankheitslehre. Das Natur- und Sittenrecht. Die Kriegswissenschaft. Die Philosophie der Religion.

Das fünfte Departement war

Der Geschichte

gewidmet.

Das sechste Departement gehört den

Schönen Künsten.

Die Tonkunst. Die Mahlerey. Die Bildhauerkunst. Die Alterthümer. Die Dichtkunst. Das Schauspiel.

Im letzten Departement behandelt man

Die Schulkünste.

Die Sprachen. Die Vernunftlehre. Die Schönheitslehre. Die Geschichte der Litteratur. Die Kritik.

Der Endzweck der Beschäftigungen dieser Kanzley war, die Wissenschaften von dem Vorurtheile abzusondern, sie der Regierung nuzbar zu mache, die verschiedenen Kanzleyen der Staatsverwaltung über die Gegenstände ihres Amtes aufzuklären, die Praxin der Wissenschaften zu gründen, und den Verstand und das Herz der Nation zu erleuchten. Bey welchem Volk Wissenschaft herrscht, bey dem ist auch Rath und Muth.

Als wir den Pallast des Staats verliessen, so besahen wir noch viel andere vortrefliche Gebäude, welche Einrichtungen zum öffentlichen Besten des Staats enthielten: die Akademie der Wissenschaften; die Handlungs- und Manufakturakademie; die Realschule, worinn die Muster von allen Erzeugnissen der vier Naturreiche, von allen Produkten der Kunst und der Erfindung gezeigt werden, und welche eine Erziehungsschule für die Handwerkspursche unterhält; die öffentliche Bank; das Pfandhaus zum Behuf der Bedürftigen, und auf Rechnung der Armenkasse gegründet. Das Intelligenzcomptoir; das große Versorgungshaus; das Magazin zum Vortheil arbeitloser Künstler und Handwerker; die Kriegsschule, das allgemeine Hospital, das Nationalschauspielhaus.

Indem mich mein Führer von der Einrichtung und den Gegenständen dieser Anstalten belehrte, so schlug eine große Glocke an, deren Ton sich über die ganze Gegend der Hauptstadt verbreitete, und welche das Herz auf eine besondere Art zu rühren schien. Man läutet, sagte der Schutzgeist, zur Audienz des Regenten. Laßt uns eilen, den Thron zu sehen, und Zeugen von der Austheilung seiner Weisheit und seiner Wohlthaten zu seyn.

Er führte mich in den Mittelpunkt der Hauptstadt, wo ich einen Pallast sah, der aus den Händen der Grazien gekommen zu seyn schien. Der Zufluß des Volks war eben nicht groß. Da der Regent sich mit dem Wohl seiner Unterthanen ununterbrochen beschäftigt, und da er keinen Tag vorbeygehen läßt, ohne einen Glücklichen zu machen: so ist die Anzal der Bittenden sehr gering.

Sobald sich der Fürst gezeigt hatte, so warf sich das Volk in den Staub. In diesem Augenblick verschwand mein Begleiter an meiner Seite. Ich sah seine Gesichtszüge in der Bildung des Regenten. Der Schutzengel des Landes war der Fürst selbst.

Das Schrecken, welches mir diese Verwandlung verursachte, und der Schmerz, den ich über den Verlust meines Gefährten empfand, erweckte mich. – Wo ist die Stadt? wo ist mein gütiger Schutzgeist? wo ist der weise Regent? rief ich voll Betrübniß.

Mein Freund, Herr Freymut ein Eingebohrner Wirtembergs, dessen Bekanntschaft ich zu Lyon stiftete, überraschte mich mit seinem Besuche. Ich erzählte ihm meinen Traum. – Hier, sagte er, sind alle diese Gegenstände, die sie verlohren haben, die wohlgebauten Landstrassen, die Fabriken, das neue Gesezbuch, die Gelehrtenkanzley u. s. w. Er wies mir einen Aufsaz, dessen Ueberschrift enthielt

Verlohrne Projekten

für

mein Vaterland.

 


 


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