Edgar Wallace
Der Derbysieger
Edgar Wallace

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23

Janet Symonds erwachte aus einem unruhigen Schlaf. Sie hatte das Gefühl, daß ihr irgendeine Gefahr drohte. Obwohl sie unter keinen Umständen hatte einschlafen wollen, hatten sie die aufregenden Ereignisse des Tages und die lange Fahrt doch müde gemacht.

Es fiel ihr auf, daß das Boot sich nach der einen Seite neigte, und als sie durch das kleine Fenster schaute, bemerkte sie, daß es mitten im Strom trieb. Schnell räumte sie die Möbel fort, die sie vor der Tür angehäuft hatte. Sie lief den Gang entlang und erwartete, daß sie die anderen treffen würde, aber sie konnte niemand entdecken. Das Licht im Salon brannte allerdings noch, aber es war niemand dort.

Nun wurde ihr plötzlich die gefährliche Lage klar, in der sie sich befand. Das Boot sank!

Sie lief wieder nach unten und rief nach Sir George. Aber sie bekam keine Antwort.

Die anderen hatten sie im Stich gelassen. Sie erinnerte sich daran, daß sie vorher ein kleines Ruderboot gesehen hatte, das hinten an dem Hausboot befestigt war. Aber auch das war verschwunden.

Langsam, mit leisem Knacken und Ächzen, sank das Boot tiefer und tiefer. In ihrer Verzweiflung suchte sie nach einem Rettungsring, konnte aber keinen finden. Sie war zu schwach, um ein paar Planken loszureißen, die sie hätten über Wasser halten können.

Aber plötzlich tauchten weiter stromaufwärts Lichter auf und näherten sich schnell. Janet hörte das Geräusch eines Motors und rief mit aller Kraft um Hilfe.

Eric Stanton, der vorn im Boot saß, hörte den Schrei und sah in der Fahrtrichtung die dunklen Umrisse des Hausbootes. Er rief etwas zurück, und der Motor stoppte sofort, gerade noch rechtzeitig. Milton, der am Steuer saß, brachte das Boot längsseits des sinkenden Fahrzeugs.

Ohne einen Augenblick zu zögern, sprang er an Bord. Als sein Fuß den Boden des Decks berührte, legte sich das Hausboot auf die Seite und versank in den Fluten. Aber er hatte Janet mit starken Armen gepackt. Beinahe hätte der Strudel des untergehenden Bootes sie in die Tiefe mitgerissen. Milton kämpfte verzweifelt, und endlich, nach einer Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit erschien, kam er wieder an die Oberfläche und atmete die frische Nachtluft.

Das Motorboot nahm beide auf.

»Janet ist ohnmächtig geworden«, sagte Eric. Er zog seinen Mantel aus und deckte damit die Bewußtlose zu. Zärtlich blickte er sie an. Endlich hatte er seine Schwester wiedergefunden.

*

Am nächsten Morgen ging die Sonne strahlend auf, und Janet öffnete schlaftrunken die Augen. Sie schaute sich um und bemerkte, daß Mary President neben ihrem Bett saß und ein Buch auf den Knien hatte. Sie lächelte schwach und schlief wieder ein. Als sie zum zweitenmal erwachte, war Mary President immer noch bei ihr, aber statt des Buches hielt sie eine Zeitung in der Hand, und auch der Boden war mit Zeitungen bedeckt.

»Wie geht es Ihnen jetzt?«

»Viel besser«, sagte Janet und richtete sich auf.

»Fühlen Sie sich wohl genug, all die vielen Bilder von Donavan zu sehen?« fragte Mary vergnügt. »Er hat das Derby gewonnen.«

»Das Derby?« fragte Janet verständnislos.

»Ja. Wir waren doch gestern zusammen beim Rennen in Epsom – haben Sie das denn ganz vergessen?«

Janet schüttelte den Kopf.

»War das erst gestern?« fragte sie verwundert. »Es kommt mir vor, als wären inzwischen viele Jahre vergangen.«

 

Monsieur Soltescu saß in Paris im Hotel und las in einer Zeitung den Bericht über den Tod Sir Georges in der Themse. Er las auch, daß Bud Kitson und seine Frau in den frühen Morgenstunden in der Nähe von Reading von der Polizei aufgegriffen worden waren.

»Ja, so geht's«, sagte er in philosophischer Ruhe und machte auf dem schneeweißen Tischtuch mit seinem Bleistift eine ungefähre Kalkulation, wieviel Geld er bei dieser Geschichte verloren hatte.

 

Ende

 


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