Jules Verne
Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts. Zweiter Band
Jules Verne

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Zweites Capitel. Die Afrika-Forscher

Shaw in Algier und Tunis. – Hornemann in Fezzan. – Adanson am Senegal. – Houghton in Senegambien. – Mungo Park und seine beiden Reisen nach dem Djoliba oder Niger. – Sego. – Tombuktu. – Sparrman und Lebaillant am Cap, in Natal und im Innern. – Lacerde in Mozambique und bei Cazembe. – Bruce in Abyssinien. – Die Quellen des Blauen Nils. – Der Tzana-See. – Browne's Reise in Darfur.

Ein englischer Kaplan in Algier, Thomas Shaw mit Namen, hatte seinen zwölfjährigen Aufenthalt in den Barbareskenstaaten dazu benützt, eine reichhaltige Sammlung von naturhistorischen Seltenheiten, Münzen, Inschriften und Kunstgegenständen zu erwerben. Besuchte er die südlichen Theile Algiers auch nicht persönlich, so wußte er doch verläßliche, wohlunterrichtete Männer zu gewinnen, die ihm über viele, nur wenig bekannte Oertlichkeiten genaue und werthvolle Mittheilungen machten. Seine in zwei starken Quartbänden mit illustrirtem Text veröffentlichte Arbeit verbreitet sich über das ganze alte Numidien.

Freilich verräth sich dieselbe leicht als die eines Gelehrten, nicht eines Reisenden, dessen Gelehrtheit man noch nicht einmal richtig verdaut nennen kann. Immerhin entbehrte aber dieses Erzeugniß der historischen Geographie seiner Zeit keineswegs allen Werthes, und Niemand würde besser als Shaw im Stande gewesen sein, die außerordentliche Fülle eigenartigen Materials, welche jenes enthält, zu sichten und der Allgemeinheit zugänglich zu machen.

Der folgende Auszug wird eine Vorstellung von der Art und Weise geben, in der jenes Werk verfaßt ist.

»Die gewerbliche Hauptbeschäftigung der Kabylen und Araber besteht in der Herstellung von ›Hykes‹ (so nennen sie ihre Wollendecken) und von Geweben aus Ziegenhaar, womit sie ihre Zeltgerüste überspannen. Dieser Arbeit widmen sich indeß nur die Weiber, wie ehedem Andromache und Penelope; sie bedienen sich dabei keines Weberschiffchens, sondern führen die Schußfäden mit den Händen durch die der Kette. Eine solche Hyke ist gewöhnlich sechs englische Ellen lang, fünf bis sechs Fuß breit und dient den Kabylen und Arabern während des Tages als alleinige Bekleidung und in der Nacht als Bett und Decke zugleich. Sie bildet ein zwar leichtes, aber ziemlich unbequemes Kleidungsstück, da sie immer außer Ordnung kommt und leicht herunterrutscht, so daß Die, welche sie tragen, unaufhörlich mit dem Emporziehen und Ordnen derselben zu thun haben. Man begreift hiernach leicht die Nützlichkeit eines Gürtels, wenn eine Arbeit verrichtet werden sollte, und folglich auch die Bedeutung des in der Heiligen Schrift so oft wiederkehrenden Ausdrucks ›um die Lenden gegürtet sein‹.

»Die Art und Weise, wie dieses Kleidungsstück getragen und der Gebrauch als Decke, der beim Schlafen davon gemacht wurde, erweckt den Glauben, daß wenigstens die feineren Hykes, welche die Frauen und bei den Kabylen die Männer der höheren Gesellschaftsklassen benützen, etwa dem ›Peplus‹ der Alten entsprechen könnten. Ebenso hat es viel Wahrscheinlichkeit für sich, daß die sogenannte ›Toga‹ der Römer, welche sie auch nur um die Schultern warfen und als einzige Umhüllung trugen, derselben Art angehört, denn nach der Draperie ihrer Bildsäulen zu urtheilen, wurde diese Toga oder dieser Mantel von ihnen fast genau ebenso um den Körper gelegt wie die Hyke der Araber.«

Es erscheint zwecklos, noch länger bei diesem Werke zu verweilen, das nach der Seite, die uns am meisten angeht, so gut wie gar kein Interesse bietet. Wir verbreiten uns lieber ausführlicher über die Reise Friedrich Konrad Hornemann's nach Fezzan.

Dieser junge Deutsche sollte unter der in London gegründeten Afrika-forschenden Gesellschaft seine Fahrt antreten. Nach Erlernung der arabischen Sprache und der Erwerbung einiger Kenntnisse in der Heilkunde wurde er endgiltig von der Afrikanischen Gesellschaft dazu auserwählt, die ihm Empfehlungsschreiben und Geleitbriefe mitgab und einen unbeschränkten Credit eröffnete.

Er verließ London im Juli 1797 und kam zunächst nach Paris. Lalande stellte ihn dem Institute vor, händigte ihm seine »Denkschrift über Afrika« ein, und Broussonet vermittelte sein Bekanntwerden mit einem Türken, der ihm an einige mit Inner-Afrika in Geschäftsverbindung stehende Kaufleute Kairos die wärmsten Empfehlungsbriefe ausstellte.

Hornemann benützte seinen Aufenthalt in Kairo, um sich in der arabischen Sprache zu vervollkommnen und Sitten und Gebräuche der Landesbewohner kennen zu lernen. Durch Monge und Berthollet wurde der Reisende auch dem Oberbefehlshaber den Armee von Aegypten vorgestellt. Bonaparte empfing denselben mit Auszeichnung und stellte ihm alle Hilfsmittel des Landes zur Verfügung.

Um unbehelligt zu reisen, erschien es Hornemann am sichersten, in der Verkleidung als mohammedanischer Kaufmann aufzutreten. Er bemühte sich also, gewisse Gebete zu erlernen und einige landesübliche Gewohnheiten anzunehmen, die er hinreichend glaubte, arglose Leute zu täuschen. Er reiste übrigens mit einem Landsmanne, Josef Freudenburg, der seit zwölf Jahren zum Scheine die mohammedanische Religion angenommen, drei Reisen nach Mekka gemacht hatte und die gewöhnlichen türkischen und arabischen Dialecte ganz geläufig sprach. Dieser Mann sollte Hornemann als Dolmetscher dienen.

Am 5. September 1798 verließ der Reisende Kairo mit einer Karawane von Kaufleuten und begann mit der Untersuchung der in der Wüste östlich von Aegypten gelegenen berühmten Oase des Jupiter Ammon oder Siouah. Diese bildet ein kleines, unabhängiges Staatswesen, das den Sultan als Oberherrn anerkennt, ohne ihm Tribut zu zahlen. Rings um die Stadt Siouah liegen einige Dörfer in der Entfernung von ein bis zwei Meilen. Die Stadt selbst ist auf einem Felsen erbaut, in dem sich viele Einwohner ihre Häuser einfach ausgehöhlt haben. Die Straßen derselben sind so eng und laufen so verwirrt, daß sich ein Fremder darin nicht zurechtfinden kann.

Diese Oase ist von ziemlich beträchtlicher Ausdehnung. Ihren fruchtbarsten District bildet ein reichlich bewässertes Thal, das Getreide und andere Nahrungspflanzen erzeugt. Das Hauptproduct derselben besteht in höchst wohlschmeckenden Datteln, deren Güte bei den Arabern der Sahara sprichwörtlich geworden ist.

Gleich anfangs hatte Hornemann einige Ruinen bemerkt, die er eingehend besichtigen wollte, da er von den Bewohnern nur unzulängliche Auskunft darüber erhalten konnte. Wenn er sich aber nach diesen Bauwerken begab, folgte ihm stets eine Menge Eingeborner, die jede gründliche Untersuchung derselben zu hindern wußten. Ein Araber sagte sogar zu ihm: »Ihr müßt im Herzen noch Christ sein, da Ihr die Werke der Ungläubigen so häufig betrachtet.«

Selbstverständlich mußte Hornemann auf jede weitere Untersuchung verzichten. Nach seiner nur oberflächlichen Kenntnißnahme glaubt er jedoch behaupten zu dürfen, daß die Ruinen der Oase Ammon ägyptischen Ursprunges sind.

Die frühere Bevölkerungs-Dichtigkeit dieser Oase beweist noch die große Zahl von Grabgewölben, denen man auf jedem Schritte, vorzüglich aber unter dem, die Stadt selbst tragenden Hügel begegnet. Vergeblich suchte sich der Reisende in diesen Nekropolen einen vollständigen Schädel zu verschaffen, an den mitgenommenen Knochentheilen erkannte er jedoch, daß dieselben mit Harz ausgefüllt (einbalsamirt) worden waren. Von Kleidungsstücken fanden sich zwar viele Reste, aber in einem solchen Zustande von Zersetzung, daß eine Bestimmung ihres Ursprungs gänzlich unmöglich war.

Nach achttägigem Aufenthalte an diesem Orte begab sich Hornemann am 29. September nach Schiacha, quer über die Bergkette, welche die Oase Siouah einschließt. Bisher blieb der Reisende noch von jeder Heimsuchung verschont. In Schiacha aber wurde er verdächtigt, das Land als christlicher Spion zu besichtigen. Hier galt es eine kecke Stirn. Hornemann ließ sich auch wirklich nicht einschüchtern. Seine Rettung verdankte er einem Exemplare des Koran, das er in das Gemach, wo man ihn verhörte, mitgenommen hatte, und aus dem er laut für sich las. Der Dolmetscher fürchtete inzwischen eine Durchsuchung des Reisegepäckes und warf deshalb alle Fragmente von Mumien, die botanische Sammlung, das ausführliche Reisebuch und alle Druckwerke in's Feuer. Ein wahrhaft unersetzlicher Verlust.

Weiterhin erreichte die Karawane Augile, eine Herodot sehr wohl bekannte Stadt, der sie zehn Tagreisen von der Oase Ammon verlegt. Es stimmt das überein mit den Angaben Hornemann's, welcher neun Tage angestrengten Marsches brauchte, um die Strecke zwischen jenen beiden Oertlichkeiten zu durchmessen. In Augila hatte sich die Karawane durch den Anschluß verschiedener Kaufleute aus Bengasi, Merote und Mojabra vermehrt, so daß sie nun mindestens hundertzwanzig Köpfe zählte. Nach langem Marsche durch eine sandige Einöde gelangte dieselbe in eine Hügel- und schluchtenreiche Gegend, wo sich da und dort etwas Baum- und Graswuchs fand. Es war das die Wüste von Harutsch. Durch diese mußte man ziehen, um nach Temmissa, einer nicht unbedeutenden, wiederum auf einem Hügel erbauten und mit Mauern umschlossenen Stadt zu gelangen. In Zuila betrat man dann das Gebiet von Fezzan. Bei jedem Einzug in eine Stadt wiederholten sich die gewöhnlichen Förmlichkeiten, die endlosen Begrüßungen und Glückwünsche für dauernde Gesundheit. Diese so trügerischen Höflichkeits-Bezeugungen scheinen im Leben der Araber eine sehr hervorragende Rolle zu spielen, so daß der Reisende nicht selten über die Häufigkeit derselben erstaunte.

Am 17. November erreichte die Karawane Murzuk, die Hauptstadt von Fezzan, und damit das Ziel der Reise. Die größte Länge des cultivirteren Theiles von Fezzan beträgt nach Hornemann's Angaben gegen 300 französische Meilen, in der Richtung von Norden nach Süden, und 200 Meilen, von Westen nach Osten: dazu tritt dann noch das Gebirgsland von Harutsch im Osten und die übrigen Wüstenstriche im Süden und Westen. Das Klima ist niemals angenehm; im Sommer herrscht eine furchtbare Hitze, die sich bei Südwind selbst für die Eingebornen fast zur Unerträglichkeit steigert; im Winter bringt der Nordwind dagegen eine so empfindliche Kälte, daß die Bewohner Feuer anzünden müssen.

Datteln und andere Nährpflanzen bilden so ziemlich die einzigen Naturschätze des Gebietes und Murzuk den Haupthandelsplatz des Landes. Hier sieht man die Erzeugnisse von Kairo, Bengasi, Tripolis, Rhadames, Toat und Sudan vereinigt. Handelsartikel sind Sklaven beiderlei Geschlechtes, Straußfedern, Raubthierfelle, Gold in Pulver- oder Körnerform. Bornu sendet hierher Kupfer, Kairo Seide, Calicot, wollene Kleidungsstücke, künstliche Korallen, Armbänder und indische Waaren. Die Händler aus Tripolis und Rhadames führen Feuerwaffen, Säbel, Messer u. dgl. dem Markte zu.

Fezzan regiert ein Sultan aus dem Stande der Sherifs mit unbeschränkter Machtvollkommenheit, doch zahlt er dem Bei von Tripolis einen Tribut von 4000 Dollars. Die Bevölkerung des Landes mochte (Hornemann nennt freilich keine Quellen für seine Schätzung) 60.000 Seelen betragen und bekennt sich ausnahmslos zum Islam.

Man begegnet in Hornemann's Berichte noch einigen Bemerkungen über Sitten und Gewohnheiten dieser Völker. Der Reisende beschließt denselben mit der an die Afrikanische Gesellschaft gerichteten Mittheilung, daß er nach Fezzan zurückzukehren und weitere Aufschlüsse über dieses Land zu gewinnen hoffe.

Ferner weiß man, daß Hornemann's treuer Begleiter, der Renegat Freudenburg, in Murzuk mit Tod abging. Selbst von einem heftigen Fieber heimgesucht, mußte Hornemann in jener Stadt länger, als beabsichtigt, verweilen. Nach seiner Wiedergenesung ging er nach Tripolis, um auszuruhen und sich durch den Umgang mit einigen Europäern wieder zu erfrischen. Am 1. December 1799 schlug er wieder den Weg nach Murzuk ein, von wo er am 7. April 1800 mit einer Karawane abreiste. Seine Wißbegierde reizte Bornu, der Abgrund, der so viele Opfer fordern sollte und auch ihn nicht wieder herausgab.

Im Verlaufe des 18. Jahrhunderts wird Afrika überhaupt gleich einem befestigten Platze bestürmt. Von allen Seiten dringen kühne Forschungsreisende auf denselben ein. Einigen gelingt es, wenige Schritte in das Innere zu thun, doch sofort werden sie dann zurückgetrieben oder finden daselbst ihren Tod. Erst in unseren Tagen begann der geheimnißvolle Continent sich zu offenbaren und zeigte zur allgemeinen Verwunderung ganz ungeahnte Schätze an fruchtbarem Boden.

Die durch Brue am Senegal gewonnene Kenntniß des Landes bedurfte noch sehr der Vervollständigung. Das in jenen Gegenden früher unbestrittene Uebergewicht Frankreichs erlitt inzwischen einen harten Stoß durch sehr beachtenswerthe Rivalen, die unternehmungslustigen Engländer. Diese begriffen sehr bald die Wichtigkeit, welche die fortschreitende Kenntniß dieser Gebiete für die Weiterentwickelung ihres Handels haben müsse. Bevor wir jedoch an die Schilderung der Reise des Major Houghton und Mungo Park's gehen, wollen wir mit wenigen Worten der Aufgabe erwähnen, deren Lösung sich der französische Naturforscher Michel Adanson vorgenommen hatte.

Von Kindheit auf dem Studium der Natur ergeben, strebte Adanson darnach, seinen Namen durch neue Entdeckungen in diesen Zweigen der Wissenschaft zu verewigen. Europa bot ihm hierzu keine günstigen Aussichten. Wider alle Erwartungen erwählte Andanson den Senegal als Feld seiner Thätigkeit.

»Es war das«, sagt er in einer handschriftlichen Anmerkung, »von allen europäischen Ansiedelungen die unzugänglichste, heißeste, ungesundeste und nach allen Seiten gefährlichste, dafür aber auch die den Naturforschern noch am wenigsten bekannte Gegend.«

Gewiß gehört ein kühner Muth und brennender Ehrgeiz dazu, sich aus letzterem Grunde allein für eine solche Wahl zu entscheiden.

Adanson war zwar nicht der erste Naturforscher, der solchen Gefahren trotzte, doch hatte man bis jetzt noch Keinen gesehen, der das mit solchem Feuereifer, auf eigene Kosten und ohne jede Aussicht auf Belohnung und Wiedervergeltung unternahm, denn unserem Forscher fehlte es bei der Rückkehr sogar an Mitteln, seine Entdeckungen durch den Druck zu veröffentlichen.

Am 3. März 1749 schiffte sich Adanson auf der von d'Après de Mannevillette befehligten »Chevalier-Marin« ein, lief Sainte-Croix auf Teneriffa an und landete bei der Mündung des Senegal, den er für den Niger der alten Geographen hielt. Nahezu fünf Jahre lang durchstreifte er die französische Kolonie nach allen Richtungen, richtete seine Schritte nach Podor, Portudal, Albreda, nach der Mündung des Gambia und sammelte mit Eifer und unglaublicher Ausdauer aus allen drei Reichen der Natur ganz ungeheuere Schätze an.

Ihm verdankt man z. B. die erste verläßliche Kenntniß über einen Riesenbaum, den Baobab, der ja auch häufig als Adansonia bezeichnet wird; über das Leben der Heuschrecken, der Hauptnahrung gewisser wilder Volksstämme; über die weißen Ameisen, welche wirkliche Häuser erbauen, und über Muschelarten an der Gambia-Mündung, die »auf Bäume klettern«.

»Den Negern«, sagt er, »macht es keine besondere Mühe, sich jene zu verschaffen, denn sie schneiden einfach die von ihnen besetzten Baumäste ab. Ein einziger trägt nicht selten deren über zweihundert, und wenn er mehrere Zweige hat, so giebt das eine Muschelernte, welche ein Mann allein kaum fortzuschaffen vermag.«

So interessant diese Beobachtungen an und für sich auch sind, so gewähren sie dem Geographen doch herzlich wenig Ausbeute und beschränken sich auf einige neue oder vervollständigte Nachrichten über die Yolofs und die Mandingos. Wenn wir Adanson bei allen seinen Besuchen schon bekannter Länder begleiteten, würden wir sonst kaum etwas Neues erfahren.

Anders liegt das bezüglich der Expedition, die wir im Nachstehenden schildern wollen.

Der Major Houghton, Kapitän im 69. Regiment und englischer Gouverneur des Forts von Gorée, hatte von frühester Jugend an, während er eine englische Gesandtschaft nach Marokko begleitete, Gelegenheit gefunden, Sitten und Gebräuche der Mauren und der Neger Senegambiens kennen zu lernen. Er erbot sich 1790 der Afrikanischen Gesellschaft gegenüber, nach dem Niger zu gehen, dessen Lauf zu erforschen, die Städte Tombuktus und Haussas zu besuchen und quer durch die Sahara zurückzukehren. Dieser vielversprechende Plan sollte leider eine Störung erfahren, hinreichend, ihn gänzlich scheitern zu machen.

Houghton verließ England am 16. Oktober 1790 und landete am 10. November in Gillifrie, an der Mündung der Gambia. Nach feierlichem Empfange seitens des Königs von Barra fuhr er eine Strecke von dreihundert Meilen auf der Gambia hinauf, durchmaß dann zu Fuß den Rest von Senegambien und gelangte so bis Gonka-Konda in Yani.

»Hier kaufte er von einem Neger«, sagt Walkenaer in seiner ›Geschichte der Reisen‹, »ein Pferd und fünf Esel und traf die nöthigen Vorbereitungen, um mit den Handelswaaren, deren Erlös die Unkosten der Reise decken sollten, nach Medina, der Hauptstadt des kleinen Königreiches Woolli, aufzubrechen. Glücklicher Weise verriethen ihm einige, einer Negerin in der ihm nothdürftig bekannten Mandingo-Sprache entschlüpfte Worte, daß ein Anschlag auf sein Leben geschmiedet werde. Die Kaufleute, welche auf dem Strome Handel trieben, glaubten nämlich, der Major sei auch nur einzig zu diesem Zwecke erschienen, und hatten in ihrer Befürchtung, durch seine Concurrenz bei ihren Geschäften beeinträchtigt zu werden, beschlossen, ihn meuchlings beiseite zu schaffen.

»Um sich der drohenden Gefahr zu entziehen, hielt er es für gerathen, die gewöhnliche Straße zu verlassen. Schwimmend überschritt er mit seinen Thieren den Strom und befand sich nun, an dessen südlichem Ufer, im Königreiche Cantor.«

Später setzte er noch einmal über das Wasser und drang in das Königreich Woolli ein.

Hier beeilte er sich, an den König einen Boten mit Geschenken zu schicken und jenen um seinen Schutz anzurufen. Der König empfing ihn darauf mit wohlwollender Gastfreundschaft in seiner Hauptstadt. Medina ist nach Aussage des Reisenden eine bedeutende Stadt und umgeben von fruchtbaren Feldern, auf denen zahlreiche Heerden weiden.

Major Houghton rechnete auf einen glücklichen Ausgang seines Unternehmens; mindestens deutete der bisherige Verlauf darauf hin, als ein Zwischenfall seine frohen Hoffnungen zum ersten Male erschütterte. Eine der seinigen benachbarte Hütte ging nämlich in Flammen auf, welche sich bald über die ganze Stadt verbreiteten. Sein Dolmetscher, der schon wiederholte Versuche gemacht hatte, ihn zu bestehlen, nahm diese Gelegenheit wahr und entwich mit dem Pferde und drei Eseln.

Der König von Woolli ließ ihm dagegen auch ferner seinen Schutz angedeihen und überhäufte ihn mit Geschenken, welche ihm weniger durch ihren Werth als durch die Gesinnung des Gebers, die sie verriethen, schätzbar erschienen. Dieser Europäer-freundliche König hieß Djata; gut, menschlich und aufgeklärt, wünschte er sogar, die Engländer möchten in seinem Lande eine Factorei anlegen.

»Kapitän Littleton«, schrieb Houghton an seine Gattin, »hat unter vierjährigem Aufenthalt hierselbst ein beträchtliches Vermögen erworben; er besitzt jetzt mehrere Schiffe, welche den Strom befahren. Man erhält hier jederzeit und im Austausch gegen fast werthlose Kleinigkeiten Gold, Elfenbein, Wachs, Sklaven u. s. w., und es ist leicht, ein angelegtes Kapital zu verachtfachen. Geflügel, Schafe, Eier, Butter, Milch, Honig und Fische giebt es in Ueberfluß, so daß man mit zehn Pfund Sterling eine zahlreiche Familie sehr gut unterhalten kann. Der Erdboden ist trocken, die Luft gesund, und der König von Woolli hat mir versichert, daß in Fatatenda noch kein einziger Weißer gestorben sei.«

Houghton gelangte von hier aus auf der Falémé bis Cacullo, dem Cacoulou der Anville'schen Karte, und verschaffte sich in Bambuk einige Nachrichten über den Djoliba, einen Strom in Innern von Sudan. Dessen Richtung ist zuerst eine süd-nördliche bis Djenne, dann eine west-östliche bis Tombuktu – Angaben, welche durch Mungo Park später ihre Bestätigung fanden. Der König in Bambuk empfing den Reisenden mit großer Herzlichkeit, gab ihm einen Führer auf den Weg nach Tombuktu mit und versorgte ihn zur Deckung der entstehenden Reisekosten reichlich mit den landesüblichen Kauris.

Während man alle Ursache hatte zu hoffen, daß der Major bis zum Niger glücklich vordringen werde, erhielt Doctor Ladley ganz unerwartet eine halb verwischte Bleistiftnotiz aus Simbing, mit der Meldung, daß der Reisende aller seiner Habseligkeiten beraubt worden sei, nichtsdestoweniger aber seinen Zug auf Tombuktu fortsetze. Einige andere, von verschiedenen Seiten darauf eingehende Nachrichten ließen sogar vermuthen, daß Houghton in Bambara ermordet worden sei. Vollständige Aufklärung über das Schicksal des Majors erhielt man übrigens erst durch Mungo Park.

»Simbing,« sagt Walckenaer, »wo Major Houghton die letzten an ihre Adresse gelangten Worte niederschrieb, ist eine kleine, mauerumgebene Grenzstadt des Königreiches Ludamar. Hier verließen den Reisenden seine schwarzen Diener, die ihm in das Land der Mauren nicht folgen wollten. Er zog dessenungeachtet weiter, wendete sich nach Ueberwindung der mannigfachsten Hindernisse nach Norden und wollte nun quer durch das Königreich Ludamar reisen. Nach vielen Mühen erreichte er Jarra und machte daselbst Bekanntschaft mit einigen maurischen Kaufleuten, welche Salz aus Tischet holen wollten, einer nahe den Salzsümpfen der großen Wüste und etwa zehn Tagemärsche im Norden von hier gelegenen Stadt. Durch das Geschenk eines Gewehres und einer geringen Menge Tabak erkaufte er sich die Zustimmung dieser Kaufleute, mit ihnen nach Tischet zu reisen. Wenn man annimmt, daß er das wirklich beabsichtigte, so muß man wohl glauben, daß die Mauren ihn entweder über den einzuschlagenden Weg oder über den Zustand des Landes zwischen Jarra und Tombuktu von vornherein zu täuschen suchten.«

Als dies Houghton nach zwei Tagen selbst bemerkte, wollte er nach Jarra zurückkehren; da raubten ihm die Mauren Alles, was er besaß, und entflohen. Nun mußte er zu Fuß nach Jarra zurück. Man erfuhr niemals genau, ob er daselbst Hungers gestorben oder von Mauren ermordet worden ist, doch zeigte man Mungo Park später die Stätte, wo er den Tod gefunden hatte.

Das Abhandenkommen der Houghton'schen Tagebücher und Beobachtungen hat seine Mühe und Aufopferung für die Förderung der Wissenschaften doch nahezu fruchtlos gemacht. Wegen der Einzelheiten seiner Forschungsreise ist man als einzige Quelle auf die Proceedings der Afrikanischen Gesellschaft beschränkt. Nun hörte damals Mungo Park, ein junger schottischer Arzt, der auf der »Worcester« einen Feldzug nach Ostindien mitgemacht hatte, daß die Afrikanische Gesellschaft einen Reisenden suche, der es unternähme, auf der Gambia in das Innere des Continents einzudringen. Mungo Park, den schon lange der Wunsch beseelte, die Erzeugnisse jenes Landes und Sitten und Charakter der umwohnenden Volksstämme kennen zu lernen, erbot sich zu einem Versuche, obwohl er voraussetzen konnte, daß sein Vorgänger, Major Houghton, bei einem ähnlichen umgekommen sei.

Von der Gesellschaft sofort willig angenommen, beeilte Mungo Park seine nöthigen Vorbereitungen und reiste mit den wärmsten Empfehlungsbriefen des Doctors Laidley und einem Credit von zweihundert Pfund Sterling am 22. Mai 1795 von Portsmouth ab.

In Gilliffrie, an der Gambia-Mündung im Königreiche Barra gelandet, zog der Reisende auf dem Strome in's Land hinein bis Pisania, eine englische Factorei des Doctor Laidley. Hier ließ er es seine erste Sorge sein, die meistverbreitete Sprache, die der Mandingos, zu erlernen; dann sammelte er die nöthigen Unterlagen zur Ausführung seines Vorhabens.

Während seines ersten Aufenthaltes glückte es ihm auch, über die Felups, die Yolofs, Fulahs und Mandingos eingehendere und verläßlichere Nachrichten als die seiner Vorgänger zu erhalten. Darnach sind die Ersten verschlossen, streit- und rachsüchtig, aber muthig und treu; die Zweiten bilden einen mächtigen, kriegerischen Stamm mit auffallend schwarzer Haut und haben, bis auf die Hautfarbe und Sprache, große Aehnlichkeit mit den Mandingos. Letztere sind von sanfter und geselliger Natur, groß und wohl gebaut und haben recht hübsche Frauen. Die mehr hellfarbigen Fulahs endlich führen ein Hirten- und Landbauleben. Die meisten dieser Stämme sind Mohammedaner und huldigen der Vielweiberei.

Am 2. December brach Mungo Park in Begleitung zweier sprachkundiger Neger und mit wenigem Gepäck nach dem Innern auf. Er durchzog zuerst das kleine Königreich Woolli, dessen Hauptstadt Medina wohl an tausend Häuser zählt. Dann besuchte er Kolor, eine bedeutende Stadt, und gelangte, nach zweitägigem Marsche durch eine trostlose Einöde, in das Königreich Bondu. Die Einwohner desselben sind Fulahs, bekennen sich zum Islam und gewinnen ziemliche Reichthümer durch den Elfenbeinhandel, wenn sie nicht Landbau und Viehzucht treiben.

Bald erreichte der Reisende die Falémé, einen aus den Bergen von Dalaba herkommenden Fluß, der nahe seiner Quelle reichhaltige Goldlager durchströmt. In Fatteconda, der Hauptstadt Bondus, ward er vom König empfangen, der auf keinen Fall glauben wollte, daß er aus bloßer Wißbegierde reise. Das Zusammentreffen des Forschers mit den Frauen des Fürsten ist ziemlich lustig, so daß wir es hier nach dem Urtexte schildern.

»Kaum hatte man mich in ihren Hof eingeführt,« sagt Mungo Park, »als ich mich auch schon von dem ganzen Serail umringt sah. Die einen von den Frauen verlangten Arzneien, Andere Ambra, Alle aber wünschten einen Aderlaß, das anerkannteste Universalheilmittel der Afrikaner, an sich vornehmen zu lassen. Es waren etwa zehn bis zwölf Frauen, meist jung und hübsch, mit Zieraten aus Gold und Ambrastückchen auf dem Kopfe.

»Sie scherzten mit mir sehr heiter über das und jenes. Vorzüglich lachten sie über die weiße Farbe meiner Haut und die Länge meiner Nase und hielten die eine und die andere für künstlich hergestellt. So sagten sie z. B., man habe in meiner Kindheit die Haut durch Eintauchen in Milch gebleicht und durch wiederholtes Zupfen und Ziehen meine Nase verlängert, bis sie diese häßliche und naturwidrige Gestalt annahm.«

Von Bondu aus nach Norden ziehend, betrat Mungo Park nun Kajaaga, das die Franzosen Galam nennen. Das Klima dieses pittoresken, vom Senegal bewässerten Landes ist weit gesünder als das in den Nachbarländern der Meeresküste. Die Bewohner nennen sich selbst Serawullis, während die Franzosen sie als Seracolets bezeichnen. Ihre Hautfarbe ist pechschwarz, und man vermag sie in dieser Beziehung kaum von den Yolofs zu unterscheiden.

»Gewöhnlich«, berichtet Mungo Park, »treiben die Serawullis Handelsgeschäfte; früher z. B. in umfänglichen Maßstabe mit den Franzosen, denen sie Goldstaub und Sklaven verkauften. Jetzt liefern sie nur noch den an der Gambia errichteten englischen Factoreien einige wenige Sklaven. Sie haben sich durch die Ungezwungenheit und Rechtlichkeit ihres Geschäftsbetriebes weithin einen guten Namen erworben.«

In Joag wurde Mungo Park durch Sendlinge des Königs der Hälfte seines Gepäckes unter dem Vorgeben beraubt, daß man dasselbe als von ihm zu entrichtendes Geleitsgeld nehme. Glücklicher Weise nahm ihn da der Neffe Demba Jello Jalla's, des Königs von Kasson, der eben nach der Heimat zurückkehren wollte, unter seinen Schutz. Sie gelangten zusammen nach Gongadi, wo sich herrliche Anpflanzungen von Dattelbäumen finden, und nach Samie, am Ufer des Senegal und an der Grenze von Kasson.

Die erste Stadt, der man in diesem Lande begegnet, ist Tiesie, welche Mungo Park am 13. December glücklich erreichte. Sehr freundlich aufgenommen von den Einwohnern, die ihm alles Nothwendige zu sehr billigem Preise verkauften, mußte der Reisende nun gerade von jenem Neffen und dem Bruder des Königs allerlei Belästigungen erdulden.

Am 10. Januar 1796 verließ Mungo Park diese Stadt, um sich nach Kuniakari, der Hauptstadt von Kasson, zu begeben, eines fruchtbaren, reichen, dichtbevölkerten Landes, das 40.000 Mann unter Waffen zu stellen vermag. Der gegen den Reisenden sehr wohlgestimmte König wollte, daß jener während des eben zwischen den Königreichen Kasson und Kajaaga ausgebrochenen Krieges in seinem Gebiete zurückbleibe. Aller Voraussicht nach mußten nämlich auch Kaarta und Bambara, die Mungo Park besuchen wollte, in jenen Krieg verwickelt werden. Dieser Rath war klug, und jener bereute mehr als einmal, ihm nicht gefolgt zu sein.

Bei seiner Ungeduld, weiter in das Innere vorzudringen, wollte der Reisende aber nichts hören und zog auf sandiger Ebene hin nach Kaarta. Unterwegs begegnete er vielen Eingebornen, die nach Kasson entflohen, um den Greueln des Krieges zu entgehen. Auch dieser Anblick konnte ihn nicht aufhalten, und er setzte ruhig seinen Weg fort bis nach der in fruchtbarer, offener Ebene gelegenen Hauptstadt von Kaarta.

Der König Daisy Kurabari empfing den Reisenden recht wohlwollend, bemühte sich, ihn von dem Besuche Bambaras abzubringen, und rieth ihm, als er das Vergebliche seiner Bemühung einsah, um die Krieger-Haufen zu vermeiden, erst nach dem von Mauren bewohnten Königreiche Ludamar zu gehen, von wo aus er dann nach Bambara gelangen könnte.

Auf der Reise dahin sah Mungo Park seine Neger ein gewürzhaftes, mit Lotosbeeren gebackenes Brot verzehren. Die betreffende Pflanze, Rhamnus lotus, wächst in Senegambien, Nigritien und Tunis wild.

»Man kann also«, sagt Mungo Park, »gar nicht daran zweifeln, daß diese Frucht von der nämlichen Lotuspflanze herrührt, die Plinius als Nahrungsmittel der Lotophagen Lybiens erwähnt. Ich habe selbst von diesem Lotusbrote gegessen und bin der Meinung, daß sich eine Armee recht gut von demselben erhalten kann, wie Plinius bezüglich der Lybier berichtet. Der Geschmack dieses Brotes ist so mild und angenehm, daß sich die Soldaten des Alterthums gewiß nicht darüber beklagt haben werden.«

Am 22. Februar traf Mungo Park in Jarra, einer umfangreichen Stadt mit steinernen Gebäuden ein, welche meist von aus Süden eingewanderten Negern bewohnt ist, die sich unter den Schutz der Mauren stellten und diesen dafür einen beträchtlichen Tribut entrichteten. Der Reisende erhielt von Ali, dem Könige von Ludamar, die Erlaubniß, seine Staaten unbehelligt zu durchstreifen. Trotzdem wurde Mungo Park von den fanatischen Mauren in Deena fast vollkommen ausgeplündert. In den bedeutenden Städten Sampaka und Dalli, wie in dem reizend gelegenen Dorfe Samee erfreute sich unser Forscher einer so guten Aufnahme, daß er sein Vordringen bis in das Herz Afrikas schon für gesichert ansah, als ein Haufen von Kriegern Ali's kam und ihn nach Benown, dem Lager des Herrschers, fortschleppte.

»Auf einem Kissen von schwarzem Leder sitzend,« erzählt Mungo Park, »traf ich Ali damit beschäftigt, seinen Schnurrbart etwas zu verschneiden, wobei eine Sklavin vor ihm einen Spiegel hielt. Es war ein Greis von arabischer Abstammung. Er trug einen langen weißen Bart und hatte ein düsteres, verstimmtes Aussehen. Voll Aufmerksamkeit ruhte sein Auge auf meiner Person. Dann fragte er meine Führer, ob ich arabisch spräche. Diese verneinten. Er schien darüber erstaunt und schwieg; nicht so die Personen seiner Umgebung und vorzüglich die Frauen. Diese überschütteten mich trotz meiner Unkenntniß mit allerlei Fragen, musterten alle Theile meiner Kleidung, durchsuchten mir die Taschen und drängten mich dazu, den Brustlatz aufzuknöpfen, um sich von der weißen Farbe meiner Haut zu überzeugen. Zuletzt zählten sie gar meine Finger und Zehen, als bezweifelten sie, ob ich wirklich zum Geschlechte der Menschen gehöre.«

Fremd, ohne Schutz, ein Christ und als Spion betrachtet, gab Mungo Park den Mauren erwünschte Gelegenheit, ihrer natürlichen Wildheit, Grausamkeit und fanatischen Wuth die Zügel schießen zu lassen. Beschimpfungen und Schläge blieben ihm nicht erspart. Man wollte ihn unter Anderem auch mit Gewalt zum Barbier machen; nur daß er sich gar so ungeschickt anstellte und Ali's Sohn dabei die Kopfhaut verwundete, befreite ihn von dieser erniedrigenden Beschäftigung. Während seiner Gefangenschaft sammelte Mungo Park doch einige Auskunft über Tombuktu, die Stadt, deren Erreichung den Europäern so viele Mühe kostete, das Desideratum aller Afrika-Reisenden.

»Hussah«, sagte ihm ein Sherif, »ist die größte Stadt, die ich jemals gesehen habe. Walet ist größer als Tombuktu; da es aber fern vom Niger liegt und sein Haupthandel nur in Salz besteht, so sieht man dort weit weniger Fremde. Von Benown bis Walet hat man zehn Tagemärsche. Auf dem Wege zwischen diesen beiden Orten trifft man keine bemerkenswerthere Stadt und muß sich ausschließlich von Milch nähren, die man von den Arabern kauft, deren Heerden in der Nähe von Brunnen und Sümpfen weiden. Zwei Tage lang kommt man dabei durch eine sandige Gegend ohne alles Wasser.

»Ferner braucht man dann elf Tage von Walet bis Tombuktu. Auf diesem Wege findet sich Wasser indeß häufiger, und man reist daselbst gewöhnlich mit Ochsen. In Tombuktu leben sehr viele Juden, die alle arabisch sprechen und sich der nämlichen Gebete bedienen wie die Mauren.«

Die Kriegsereignisse bestimmten inzwischen Ali, sich nach Jarra zu begeben. Mungo Park erhielt auf die Fürsprache der ihm geneigten Favorit-Sultanin Fatime Erlaubniß, den König begleiten zu dürfen. Bei dieser Annäherung an den Schauplatz der Ereignisse hoffte der Reisende eine Gelegenheit zum Entfliehen zu finden. Wirklich begann der König von Kaarta, Daisy Kurabari, einen unaufgehaltenen Siegeszug auf Jarra zu. Die meisten Einwohner ergriffen die Flucht, und Mungo Park zögerte nicht, es ihnen gleich zu thun.

Die Gelegenheit zu entwischen bot sich zwar bald, doch weigerte sich sein Dolmetscher, ihm zu folgen. Er mußte also allein und ohne alle Hilfsmittel nach Bambara aufbrechen.

Die erste Stadt auf seinem Wege war Wawra; diese gehörte zu Kaarta, das damals an Mansong, den König von Bambara, Tribut zahlte.

»Als ich am 7. Juli des Morgens schon reisefertig stand,« berichtet Mungo Park, »bat mich mein Wirth inständigst, ihm einige meiner Haare zu schenken. Man hatte ihm versichert, fügte er hinzu, daß die Haare eines Weißen ein »Saphis« (Talisman) seien, die dem, der sie bei sich trüge, alle Kenntnisse und Fertigkeiten der Weißen mittheilten. Mir war zwar diese höchst einfache Bildungsmethode bisher ganz unbekannt, doch erklärte ich mich zur Erfüllung seines Wunsches bereit. Der arme Teufel hatte einen solchen Trieb, zu lernen, daß er mir schneidend und raufend fast die eine Kopfhälfte kahl schor, und es mit der anderen nicht besser gemacht hätte, wenn ich mich nicht etwas ungehalten zeigte und ihm gesagt hätte, daß ich einen Theil dieses kostbaren Materials für eine andere ähnliche Gelegenheit aufsparen wolle.«

Unter maßlosen Anstrengungen und herben Entbehrungen wurden Gallu und später Murja, letzteres eine große, wegen ihres Salzhandels weitbekannte Stadt, erreicht. Als er sich darauf Sego näherte, bemerkte Mungo Park endlich den Djoliba.

»Vor mir«, sagt er, »sah ich mit großer Befriedigung nun das Hauptziel meiner Sendung, den so lange gesuchten majestätischen Niger. Breit wie die Themse bei Westminster, funkelte er jetzt in den Strahlen der Sonne und floß hier langsam nach Osten. Ich eilte an das Ufer, trank von dem Wasser des Stromes und erhob meine Hände gen Himmel zum innigen Danke gegen den Schöpfer und Regierer aller Dinge, der meine Bemühungen mit so vollständigem Erfolge gekrönt hatte.

»Der Fall des Nigers nach Osten und die Umgegend nach dieser Himmelsgegend zu erregten jedoch keineswegs mein Erstaunen; denn obwohl ich bei der Abreise von Europa hierüber noch vollständig unklar war, hatte ich mich doch im Verlaufe meiner Fahrt über diesen Strom so vielfach erkundigt und von Negern der verschiedensten Stämme die gleichmäßige Versicherung erhalten, daß sein Lauf gegen Sonnenaufgang gerichtet sei, daß ich darüber nicht mehr im Zweifel sein konnte, zumal ich wußte, daß auch Major Houghton schon dieselbe Auskunft erhalten hatte.

»Sego, die Hauptstadt von Bambara, wohin ich nun gelangte, besteht eigentlich aus vier verschiedenen Städten, von denen zwei, Sego-Korro und Sego-Bu, am nördlichen Ufer des Stromes liegen. Die beiden anderen erheben sich am südlichen Ufer und heißen Sego-Su-Korro und Sego-See-Korro. Alle sind von hohen Lehmwänden umschlossen. Die Häuser bestehen meist aus thoniger Erde, haben eine viereckige Gestalt und plattes Dach, einzelne wohl auch zwei Stockwerke; mehrere sieht man weiß angestrichen.

»Außer solchen Wohnhäusern erblickt man in allen Quartieren viele von den Mauren erbaute Moscheen. Die nach unseren Begriffen schmalen Straßen sind doch breit genug für den gewöhnlichen Verkehr in einem Lande, wo man Räderfuhrwerke absolut nicht kennt. Allem Anscheine nach zählt Sego in seinem ganzen Umfange gegen 30.000 Bewohner.

»Der König von Bambara residirt beständig in Sego-See-Korro; er stellt viele Sklaven auf, um die Einwohner von einer Stromseite nach der anderen zu tragen. Obgleich die Bezahlung hierfür nur zehn Kauris für die Person beträgt, so liefert das dem Könige doch im Laufe des Jahres recht beträchtliche Einkünfte.«

Beeinflußt von den Mauren, wollte der König den Reisenden nicht empfangen und verbot ihm den Aufenthalt in seiner Hauptstadt, da er im anderen Falle nicht für etwaige Mißhandlungen des Fremdlings einstehen könne. Um diesem Verbote aber jeden Anschein böser Absicht zu benehmen, sandte er Mungo Park einen Sack mit 5000 Kauris (etwa 20 Mark unserer Münze) zum Ankaufe von Lebensmitteln. Der königliche Bote sollte ihm gleichzeitig bis Sansanding als Führer dienen. Hier war kein Einspruch möglich; es galt dem Befehle nachzukommen und Mungo Park fügte sich der Nothwendigkeit.

Vor der Ankunft in Sansanding wohnte er der Einerntung vegetabilischer Butter bei, die ein Baum erzeugt, den man dort »Shea« nennt.

»Dieser Baum«, heißt es in dem Berichte, »gedeiht in jener Gegend von Bambara in Ueberfluß. Er wird von den Eingebornen nicht gepflanzt, sondern wächst schon wild in den Wäldern. Dabei ähnelt er sehr der amerikanischen Eiche, und die Frucht, aus deren in der Sonne getrocknetem und in Wasser gesottenem Kerne die vegetabilische Butter bereitet wird, gleicht der spanischen Olive. Den Kern umhüllt ein mildes Fleisch, das eine dünne grüne Schale bedeckt. Die daraus bereitete Butter ist, abgesehen davon, daß sie sich das ganze Jahr über ohne Salz hält, weißer, fester und, meinem Geschmacke nach, angenehmer als irgend eine Butter aus Kuhmilch, die ich jemals gegessen habe. Sie bildet einen Hauptartikel des Binnenhandels jener Gegenden.«

Sansanding, eine Stadt von acht- bis zehntausend Einwohnern, ist ein besuchter Markt der Mauren, welche dahin vom Mittelmeere Glaswaaren zuführen, die sie gegen Goldpulver und Baumwollenstoffe eintauschen. Mungo Park wurde es nicht vergönnt, sich an diesem Orte aufzuhalten, er mußte vielmehr, vertrieben von der Zudringlichkeit der Einwohner und durch die elenden Verdächtigungen der fanatischen Mauren, die Reise weiter fortsetzen. Da sein Pferd durch Strapazen und Hunger erschöpft war, schiffte er sich auf dem Niger oder dem Djoliba, wie die Landeseinwohner sagen, ein.

In Murza, einem Fischerdorfe des nördlichen Stromufers, sah sich Mungo Park genöthigt, auf jede Weiterfortsetzung seiner Entdeckungen zu verzichten. Je weiter nach Osten er den Strom hinabfuhr, desto sicherer lieferte er sich den Mauren in die Hände. Es begann jetzt die Regenzeit, während der man kaum anders als mittelst Bootes reisen konnte. Seine vollständige Entblößung von allen Mitteln hinderte ihn aber, ein Fahrzeug zu miethen, ja er sah sich sogar gezwungen, von der öffentlichen Wohlthätigkeit das Leben zu fristen. Drang er in der bisherigen Richtung noch weiter vor, so ging er nicht nur selbst einem gewissen Tode entgegen, sondern setzte auch alle Früchte seiner Arbeiten und Mühen auf's Spiel. Die Rückkehr nach Gambia bot gewiß viele Schwierigkeiten; er hatte durch unwirthliche Länder mehrere hundert Meilen zu Fuß zurückzulegen, doch er sagte sich, daß ihm die Hoffnung auf glückliche Rückkehr die nöthigen Kräfte verleihen werde.

»Bevor ich Silla verließ,« schreibt der Reisende, »hielt ich es für zweckmäßig, mir von maurischen Händlern und Negern alle mögliche Auskunft zu verschaffen, sowohl über den weiteren Lauf des Nigers nach Osten, wie über die Lage und Ausdehnung der demselben benachbarten Reiche . . .

»Zwei Tagereisen von Silla liegt die Stadt Djenne auf einer kleinen Strominsel, enthält aber mehr Einwohner als Sego und jede andere Stadt Bambaras. Zwei Tagemärsche weiterhin erweitert sich der Strom und bildet einen beträchtlichen See, der »Dibby«, der dunkle See, genannt wird. Was ich über diesen See in Erfahrung bringen konnte, beschränkt sich darauf, daß die denselben von Westen nach Osten befahrenden Boote einen ganzen Tag lang das Land aus dem Gesichte verlieren. Der See fließt durch mehrere Betten ab, welche endlich zwei große Stromarme bilden, deren einer sich nach Nordosten, der andere nach Osten wendet. Die beiden Arme vereinigen sich wieder in Kabra, eine Tagereise von Tombuktu, dem Hafen- oder Einschiffungsplatze für letztere Stadt. Das Gebiet zwischen den beiden Stromadern heißt Jinbala und wird von Negern bewohnt. Die Gesammtentfernung zu Lande zwischen Djenne und Tombuktu beträgt zwölf Tagemärsche.

»Nordöstlich von Masina liegt das Königreich Tombuktu, das große Ziel der europäischen Forschungen. Die Hauptstadt desselben ist der wichtigste Platz für den Handel der Mauren mit den Negern. Die Aussicht, durch diesen Handel Schätze zu erwerben, und der Religionseifer jener Völker haben diese große Stadt mit Mauren und bekehrten Mohammedanern bevölkert. Der König selbst und seine obersten Beamten sind strenger und unduldsamer als irgend ein anderer Maurenstamm dieses Theiles von Afrika.«

Mungo Park mußte also umkehren und auf von Regen und Ueberschwemmungen erweichten Wegen dahinwandern über Murzan, Kea, Mandibu, wo er sein Pferd wiederfand, ferner über Nyara, Sansanding, Samee, das von tiefen Gräben und hohen, thurmbewehrten Mauern umgebene Sai, über Jabbee, eine nicht unbedeutende Stadt, von der aus man eine Bergkette erblickt, und endlich nach Taffara, wo er wenig gastfreundlich aufgenommen wurde.

Im Dorfe Suha versuchte Mungo Park von dem »Duty« aus Mitleid etwas Getreide zu erhalten; dieser schlug es mit der Ausflucht ab, daß er keines entbehren könne.

»Während ich das Gesicht dieses unbarmherzigen Mannes betrachtete«, sagt Mungo Park, »und den Grund seines mürrischen Ausdruckes zu erforschen suchte, rief er einen in der Nähe arbeitenden Sklaven an und befahl ihm, seine Schaufel mitzubringen, indem er nach einer wenig entfernten Stelle zeigte, wo jener ein Loch in die Erde graben sollte. Der Sklave begann mit seinem Werkzeuge den Boden auszuhöhlen, und der Duty, anscheinend eine ziemlich ungeduldige Natur, murmelte und sprach immer für sich hin, bis das Loch beinahe fertig war. Dann ließ er zweimal hintereinander die Worte »Dankatu« (zu nichts gut) und »Jankra lemen« (eine wahre Pest) hören, die ich natürlich zunächst auf mich bezog.

»Als das Loch so die Größe eines Grabes erreichte, hielt ich es für gerathen, mein Pferd zu besteigen, und wollte mich schon aus dem Staube machen, als der Sklave, der inzwischen nach dem Dorfe gegangen war, mit dem nackten Leichnam eines neun- bis zehnjährigen Knaben zurückkam. Der Neger schleppte den Körper an einem Arme und einem Beine und warf ihn mit einer mir noch nie vorgekommenen Gleichgiltigkeit in die Grube. Während er ihn dann mit Erde bedeckte, wiederholte der Duty die Worte: »Naphula attiniata« (weggeworfenes Geld), woraus ich schloß, daß jenes Kind wohl einem seiner Sklaven angehört haben mochte.«

Am 21. August verließ Mungo Park Kulikorro, wo er sich durch Abschreiben von Talismans für mehrere Einwohner Nahrungsmittel erworben hatte, und gelangte von hier aus nach Bammaku, einem bedeutenden Markte für Salz. In der Nähe konnte er von einer erhöhten Stelle aus eine gewaltige Bergkette erblicken, gelegen in Kong, dessen Herrscher eine noch zahlreichere Armee in's Feld stellen konnte, als selbst der König von Bambara.

Von Räubern all' seiner Habe beraubt, fühlte sich der unglückliche Mungo Park inmitten einer fast endlosen Wüstenei, in der Regenzeit und nahezu fünfhundert Meilen von der nächsten europäischen Niederlassung entfernt, doch fast am Ende seiner Kräfte und seiner Hoffnung. Doch diese Krisis währte nur kurze Zeit. Allen Muth zusammenraffend, erreichte er die Stadt Sibidulu, wo der »Mansa« oder Häuptling ihm das von räuberischen Fulahs gestohlene Pferd und die Kleidungsstücke wieder verschaffte, und später Kamalia, wo Karfa Taura ihm vorschlug, nach Ablauf der Regenzeit mit einer Sklaven-Karawane nach Gambia zu ziehen. Erschöpft, ohne Mittel und geschüttelt vom Fieber, das ihn fünf Wochen an's Lager fesselte, mußte Mungo Park wohl oder übel auf diesen Vorschlag eingehen.

Am 19. April sollte die Karawane nach der Küste aufbrechen. Man kann sich leicht vorstellen, mit welcher Freude Mungo Park diesen Tag begrüßte. Nach einem Zuge durch die Wüste von Jallonka und Ueberschreitung des Hauptarmes des Senegal und später der Falémé, erreichte die Karawane endlich die Ufer des Gambia und Pisania, wo Mungo Park am 12. Juni 1797 dem Doctor Laidley, der schon nicht mehr an seine Wiederkunft glaubte, in die Arme sank.

Am 22. September kehrte Mungo Park nach England zurück. Der Enthusiasmus bei dem Bekanntwerden seiner Entdeckungen, und die Ungeduld, mit der man einem Berichte über seine Reise – jedenfalls der bisher bedeutungsvollsten in dem betreffenden Theile Afrikas – entgegensah, waren so groß, daß die Afrikanische Gesellschaft ihm gestatten mußte, vorläufig eine gedrängte Erzählung seiner Abenteuer zum eigenen Vortheil herauszugeben.

Ihm verdankt man, über die Geographie, die Sitten und Gebräuche jener Gebiete, mehr und wichtigere Aufschlüsse als allen seinen Vorgängern zusammen. Er hatte die Quellen des Senegal und des Gambia festgestellt und den Lauf des Nigers oder Djoliba beobachtet, der also nach Osten strömte, während der Gambia nach Westen floß.

Hiermit war einem langwierigen Streite unter den Geographen ein Ziel gesteckt. Gleichzeitig konnte man nun nicht mehr jene drei Ströme verwechseln, wie 1707 der französische Geograph Delisle, der den Lauf des Nigers von Bornu aus als östlich bestimmte und doch als Senegal im Westen ausmünden ließ. Freilich hat er diesen Fehler seiner Karten zwischen 1722 und 1727 selbst berichtigt, wahrscheinlich nach den Angaben Andreas Brue's, des Gouverneurs der Handelsgesellschaft am Senegal.

Wohl hatte auch Houghton von den Eingebornen ziemlich bestimmte Angaben über die Quelle des Nigers in dem Reiche Manding erhalten, ebenso wie über die annähernde Lage von Sego, Djenne und Tombuktu; es blieb aber doch Mungo Park vorbehalten, die Lage jener beiden ersteren Städte genauer und aus eigener Anschauung zu bestimmen und uns über die Natur des Landes wie über die dasselbe bewohnenden Volksstämme weit verläßlichere Auskunft zu geben, als man vorher besaß.

Die öffentliche Meinung ging auch, wie oben gemeldet, von Anfang an in ihrer Beurtheilung der Bedeutung dieser Reise und der Geschicklichkeit, Entschlossenheit und Ausdauer Desjenigen, der sie ausführte, keinen Augenblick irre.

Bald darauf wollte die englische Regierung Mungo Park die Leitung einer Expedition nach dem Innern Australiens übergeben. Dieser schlug jedoch den ehrenvollen Antrag aus.

Einige Jahre später, 1804, beschloß die Afrikanische Gesellschaft die Erforschung des Nigers zu vervollständigen und schlug Mungo Park vor, die Führung einer zweiten Expedition dahin zu übernehmen. Jetzt glaubte er sich dem Antrage nicht entziehen zu dürfen und reiste am 30. Januar 1805 von England ab. Zwei Monate später landete er in Gorée.

In Mungo Park's Begleitung befanden sich diesmal sein Schwager, der Chirurg Anderson, der Zeichner Georges Scott und fünf Artilleristen. Er war übrigens ermächtigt, so viele Soldaten, wie er für wünschenswerth halten könnte, mitzunehmen; auch eröffnete man ihm einen Credit von hunderttausend Francs.

»Diese, im Vergleiche zu den durch die Privat-Subscriptionen der Afrikanischen Gesellschaft gebotenen, so großartigen Hilfsmittel«, sagt Walckenaer in seiner ›Geschichte der Reisen‹, »waren unserer Ansicht nach die Ursache des Mißlingens. Die habsüchtige Begierde der afrikanischen Fürsten wuchs mit den Reichthümern, die sie im Besitze unseres Reisenden wähnten, in gleichem Maße, und die Nothwendigkeit, sich den unmäßigen, auch beim besten Willen nur theilweise erfüllbaren Anforderungen zu entziehen, wurde zum Theile die Ursache der Katastrophe, welche der ganzen Expedition ein Ziel setzte.«

Vier Zimmerleute, ein Officier nebst fünfunddreißig Artilleristen und ein Mandnugo-Kaufmann, Namens Isaak, bildeten mit den schon genannten Führern der Expedition eine recht ansehnliche Karawane. Am 27. April 1805 verließ Mungo Park Cayee, gelangte am nächsten Tage nach Pisania, von wo aus er vor zehn Jahren bei seiner ersten Reise ausging, und wandte sich nach Osten, der früher bis Bambaku eingehaltenen Straße nach den Ufern des Nigers zu. Als die Karawane daselbst eintraf, waren von den ganzen Europäern nur noch sechs Soldaten und ein Zimmermann am Leben. Die Uebrigen erlagen schon früher den Strapazen, dem Fieber und den durch Ueberschwemmungen erzeugten Krankheiten. Die Plackereien der kleinen Machthaber, durch deren Gebiete die Expedition zog, hatten die Vorräthe an Tauschwaaren ganz beträchtlich vermindert.

Da sollte Mungo Park auch noch eine große Unklugheit begehen. In Sansanding, einer Stadt von elftausend Seelen, bemerkte er, daß ein recht lebhafter Handel getrieben wurde, wobei man Körner zu Halsbändern, Indigo, Antimon, Ringe, Armbänder und tausend andere Gegenstände umsetzte, welche sehr schnell Käufer fanden.

»Er eröffnete da«, sagt Walckenaer, »eine Art Laden in größerem Maßstabe und legte eine gewählte Sammlung europäischer Waare zum Verkauf im Ganzen und Einzelnen aus. Mungo Park glaubt, daß der große Absatz, den er damit erzielte, ihm den Neid der anderen Händler zugezogen habe. Die Leute aus Djenne, die Mauren und die Kaufleute von Sansanding vereinigten sich mit denen von Sego und erboten sich, in Gegenwart Mondibinne's, der Mungo Park selbst davon benachrichtigte, Mansong Waaren von höherem Werthe, als die von dem Reisenden erhaltenen Geschenke zuzustellen, wenn er sich dessen Gepäckes bemächtigen, ihn tödten oder doch sofort von Bambara ausweisen lassen wolle. Nichtsdestoweniger öffnete Mungo Park doch tagtäglich seinen Laden und nahm an einem einzigen Markttage nicht weniger als 25.756 Münzen oder Kauris ein.«

Am 28. October verschied auch Anderson nach viermonatlicher Krankheit, und Mungo Park sah sich nun zum zweiten Male in der Mitte Afrikas allein. Er hatte vom Könige Mansong die Erlaubniß erhalten, in Sansanding ein Boot zu erbauen, mit dem er den Niger hinabfahren könne; diesem Fahrzeuge gab er den Namen »Djoliba« und bestimmte den 16. November als Tag der Abreise.

Hier endigt sein Tagebuch mit einigen Angaben über anwohnende Stämme des Flusses und über die Geographie der von ihm zuerst gesehenen Gebiete. In Europa wurde dieses Tagebuch ganz in der ursprünglichen Gestalt veröffentlicht, nachdem man die Ueberzeugung erlangt hatte, daß dessen Verfasser in den Fluthen des Djoliba umgekommen sei. Im Grunde genommen, enthielt es keine neue Entdeckung, man schätzte es aber doch als nutzbringend für die Erdkunde. Der jetzt weiter ausgebildete Mungo Park hatte die Lage der bedeutendsten Städte diesmal astronomisch bestimmt, wodurch genauere Unterlagen für eine Karte von Senegambien gewonnen wurden. Die Entwerfung derselben übertrug man Arrow Smith, der in einem kurzen Vorworte sich dahin erklärte, daß es ihm bei der großen Verschiedenheit der einzelnen, nach den Tagemärschen angenommenen und durch die astronomische Beobachtung bestimmten Punkte unmöglich gewesen sei, dieselben in Uebereinstimmung zu bringen, er aber, gestützt auf die letzteren, sich veranlaßt gesehen habe, den von Mungo Park bei seiner ersten Reise gefolgten Weg weiter nach Norden zu verlegen.

Auf eine eigenthümliche Thatsache sollte erst der Franzose Walckenaer, ein Mann von vielseitig gebildetem Geiste, aufmerksam machen. Er entdeckte in Mungo Park's Tagebuche einen sonderbaren Fehler, den weder der englische Herausgeber, noch der überhaupt sehr leichtsinnig zu Werke gehende französische Uebersetzer beachtet hatten. Das Tagebuch enthielt nämlich einen Bericht darüber, was Mungo Park »am 31. April« vorgenommen habe. Nun weiß ja jedes Kind, daß dieser Monat nur dreißig Tage zählt. Es ergiebt sich daraus für die ganze Reisedauer Mungo Park's ein durchlaufender Irrthum um einen ganzen Tag, so daß er bei seinen Berechnungen immer die (Magnetnadel-)Abweichungen des Vortages, statt deren des richtigen Datums zu Grunde legte. Arrow Smith's Karte bedarf also nicht unwesentlicher Berichtigungen. Dennoch verdient sie, nachdem man die Ungenauigkeiten Mungo Park's berücksichtigt, die Anerkennung, als erste wirkliche Karte von Senegambien betrachtet zu werden.

Obgleich die an die englische Regierung eingelaufenen Berichte einem Zweifel kaum noch Raum gaben, sendete der Gouverneur von Senegal doch auf einzelne Gerüchte hin, daß im Inneren Afrikas noch Weiße gesehen worden seien, eine Expedition dahin ab und überließ deren Leitung dem Negerkaufmanne Isaak, dem früheren Führer Mungo Park's, der dessen Tagebuch getreulich den englischen Behörden ausgeliefert hatte. Wir übergehen diesen Reisebericht, da er etwas eigentlich Neues nicht enthält, und verweilen nur bei dem Abschnitte, der von den letzten Tagen Mungo Park's erzählt.

In Sansanding hatte Isaak nämlich Amadi Fatuma, einen Neger, wiedergetroffen, der in Mungo Park's Gesellschaft war, als dieser in dem Djoliba umkam, und darüber erzählt, wie folgt:

»Wir gingen in Sansanding auf das Boot und erreichten binnen zwei Tagen Silla, den letzten Punkt der ersten Reise Mungo Park's.

»Die beiden nächsten Tage brachten uns nach Djene. Als wir Dibby passirten, kamen uns schon einmal drei Canots mit Negern nach, alle mit Lanzen und Spießen, aber ohne Feuerwaffen. Weiter kamen wir bei Racbara und Tombuktu vorüber, wo wir wiederum von drei Canots verfolgt wurden, welche mit Gewalt zurückgetrieben werden mußten, wobei mehrere Eingeborne um's Leben kamen. In Gurumo versuchten gar sieben Canots einen Angriff auf uns, der ebenfalls abgeschlagen wurde. Noch mehrmals kam es zu Scharmützeln, die den Negern stets viele Todte kosteten, bis nach Kaffo hin, wo wir einen Tag über rasteten. Dann gingen wir weiter flußabwärts bis Carmusse und ankerten da vor Gurmon. Am darauffolgenden Tage erschien dort eine Mauren-Armee, welche das Boot jedoch unbehelligt ließ.

»Nun kam man in das Gebiet der Hussa und einen Tag später nach Yaur. Amadi Fatuma wurde in diese Stadt geschickt, um dem Häuptling Geschenke für den König zu überbringen und Proviant einzukaufen. Jener Neger fragte vor Empfangnahme der Geschenke, ob der weiße Reisende das Land auch später wieder besuchen werde. Mungo Park, dem diese Vorfrage mitgetheilt wurde, glaubte dieselbe verneinend beantworten zu müssen. Man nimmt an, daß das die Ursache seines Todes geworden sei. In der Gewißheit, Mungo Park nie wieder zu erblicken, beschloß der Negerhäuptling, die für den König bestimmten Geschenke selbst einzuziehen.

»Inzwischen begab sich Amadi Fatuma nach der nur wenige hundert Schritte vom Ufer entlegenen Residenz des Königs. Am folgenden Tage sendete dieser Fürst, auf die Nachricht von dem Vorüberkommen daselbst, einen Heerhaufen nach dem kleinen Dorfe Bussa am Ufer des Stromes. Beim Erscheinen des Bootes ward dasselbe von einem Regen von Steinen und Pfeilen überfallen. Park ließ alles Gepäck in's Wasser werfen und sprang mit seinen Begleitern selbst hinein, wobei diese Alle umkamen.«

So ging der erste Europäer, der den Djoliba befahren und Tombuktu besucht hatte, elend zu Grunde. Es wurden zu demselben Zwecke auch noch mancherlei Anstrengungen gemacht, von denen die meisten ebenfalls erfolglos blieben.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts durchstreiften zwei der hervorragendsten Schüler Linné's Südafrika aus naturgeschichtlichem Interesse, nämlich Sparrman als Zoolog und Thunberg als Botaniker. Zuerst erschien der Bericht über die Forschungsreise Sparrman's, die, wie früher erzählt, durch eine Reise nach Oceanien im Gefolge Cook's unterbrochen und übrigens von Le Tourneur bald in's Französische übersetzt wurde. In seiner Vorrede – welche alle späteren Weiterübersetzer ruhig beibehalten haben – beklagt Le Tourneur den Verlust des gelehrten, bei Gelegenheit einer Reise an der Goldküste umgekommenen Reisenden. Als eben diese Ausgabe erschien, konnte Sparrman den guten Le Tourneur, der sich über diesen Schnitzer dennoch kein graues Haar wachsen ließ, über sein Schicksal schon vollkommen beruhigen.

Am 30. April 1772 betrat Sparrman am Cap der Guten Hoffnung zuerst den Boden Afrikas. Zu jener Zeit war die Capstadt noch klein und maß kaum zweitausend Schritte in der Länge und Breite, wobei auch noch die sie auf einer Seite begrenzenden Gärten und Weinberge mitgerechnet sind. Die Straßen waren breit, mit Eichen bepflanzt und mit weiß oder grün angestrichenen sauberen Häusern besetzt, worüber sich Sparrman nicht wenig verwunderte. Nach dem Cap berufen als Lehrer für die Kinder eines gewissen Kerste, fand er diesen erst in seiner Winterwohnung in False-Bai. Mit Eintritt des Frühjahres begleitete Sparrman Kerste nach Alphen, einer Besitzung des Letzteren in der Nähe von Constantia. Der Naturforscher benützte diese Gelegenheit zu einigen Ausflügen in die Umgegend und zu einer übrigens nicht gefahrlosen Besteigung des Tafelberges. Hierbei lernte er gleichzeitig die Lebensweise der Böers und deren Verhältnisse zu ihren Sklaven kennen. Es waren das so wenig befriedigende, daß jeder Bewohner die Nacht über seine Zimmerthür verschließen und die Waffen neben sich liegen haben mußte. Die Kolonisten selbst zeichnen sich meist durch derbe Gutmüthigkeit und Gastfreundschaft aus, wofür Sparrman sehr bezeichnende Proben beibringt.

»Ich kam«, schreibt er, »in die Wohnung eines Farmers, Van der Spoei, eines Witwers, geboren in Afrika und Vater Desjenigen, den Sie als Eigenthümer von Roth- oder Alt-Constantia kennen.

»Scheinbar ohne mich zu bemerken, blieb derselbe auf dem nach dem Hause führenden Wege ruhig stehen. Als ich mich ihm weiter näherte, kam er mir mit keinem Schritte entgegen, faßte dann aber meine Hand und begrüßte mich mit den Worten: ›Guten Tag und willkommen hier! – Wie geht's Euch? – Wer seid Ihr? – Ein Glas Wein? – Eine Pfeife Tabak? Wollt Ihr etwas essen?‹ Ich beantwortete seine Fragen ebenso lakonisch und nahm seine Einladungen an, wie er sie anbot. Seine junge, hübsche, schlank gewachsene und recht muntere Tochter von zwölf bis vierzehn Jahren setzte eine prächtige Hammelbrust mit Mohrrüben auf den Tisch; nach dem Essen bot sie mir den Thee so liebenswürdig an, daß mir die Wahl schwer gefallen wäre, ob ich der Tafel oder meiner jungen Wirthin den Preis zuschreiben sollte. Klugheit und Herzensgüte spiegelten sich gleichmäßig in den Zügen des Vaters und der Tochter wieder. Wiederholt wendete ich mich an den ersteren, um dessen gewöhnliches Stillschweigen zu brechen; seine Antworten waren kurz und gemessen; ich bemerkte aber, daß er nie selbst ein Gespräch anfing, außer als er mir zuredete, bis zum nächsten Tage bei ihm zu verweilen. Ich verabschiedete mich jedoch später, sehr erfreut über ein so seltenes Wohlwollen.«

Sparrman unternahm in der Folge mehrere Ausflüge, vorzüglich nach Hout-Bai und Paarl, wobei er sich überzeugte, wie sehr Kolbe, sein Vorläufer in dieser Gegend, in seinen Berichten so Manches übertrieben hat.

Er beabsichtigte schon, solche kleine Züge öfters zu wiederholen und hatte für die schöne Jahreszeit eine Reise in das Innere in Aussicht genommen, als die von Kapitän Cook befehligten Fregatten »Resolution« und »Aventure« am Cap eintrafen. Forster veranlaßte den jungen schwedischen Gelehrten, ihm zu folgen, wodurch Sparrman Gelegenheit fand, Neu-Holland, Van-Diemens-Land, Neu-Seeland, Tahiti, Feuerland, die Eisfelder der antarktischen Polarzone und Neu-Georgien zu besuchen, bis er am 22. März 1775 nach dem Cap zurückkehrte.

Jetzt ließ es Sparrman seine erste Sorge sein, alles Nothwendige zu einer Reise nach dem Landesinneren vorzubereiten, und betrieb, um sich mehr Geldmittel zu beschaffen, während des Winters Medicin und Chirurgie. Er sammelte dabei eine ganze Ladung Samenkörner, Arzneien, Messer, Stahl und Feuerschwamm nebst Alkohol zum Conserviren von Thieren, die auf einem von fünf Paar Ochsen gezogenen Wagen untergebracht wurden.

»Der Führer eines solchen Gefährtes«, sagt er, »bedarf nicht allein einer gewissen Geschicklichkeit und Erfahrung im Umgange mit jenen Thieren, sondern muß auch die eigenthümliche afrikanische Peitsche zu handhaben verstehen. Diese Peitschen haben nämlich einen gegen fünfzehn Fuß langen Stiel, daran einen noch etwas längeren Riemen mit gegen drei Fuß langer Spitze aus weißgarem Leder. Von dem Wagensitze aus vermag der Kutscher dann mit diesem gewaltigen, in beiden Händen gehaltenen Instrumente auch noch das vorderste fünfte Ochsenpaar zu erreichen. Ohne Unterlaß muß er damit Schläge austheilen, diese dahin zu richten wissen, wo sie ihm nöthig erscheinen, aber so kräftig, ›daß den Thieren das Fell raucht‹.«

Sparrman ritt dabei neben seinem Wagen her und ihn sollte ein junger Ansiedler, Namens Immelman, begleiten, der schon eine Reise in's Innere blos zum Vergnügen ausgeführt hatte. Am 25. Juli 1775 brach er auf. Er setzte zuerst über den Rente-River, erklomm die Hottentot-Holland-Kloof, überschritt den Palmit und gelangte nun in ein unbebautes, von Ebenen, Bergen und Thälern erfülltes Land, in dem zahlreiche Heerden von Antilopen verschiedener Arten, und von Zebras und Straußen weideten.

Bald erreichte er die warmen Stahlquellen am Fuße des Zwarteberg, die zu jener Zeit stark besucht wurden und woselbst die Gesellschaft ein an den Berg gelehntes Badehaus errichtet hatte.

Hier schloß sich ihm der junge Immelman an und Beide reisten nach Zwellendam ab, wo sie am 2. September eintrafen und sehr schätzbare Nachrichten über die Eingebornen erhielten, die wir gern wiedergeben.

Die Hottentotten sind ebenso groß wie die Europäer; nur ihre Gliedmaßen sind kurz und die Haut bräunlich-gelb. Die wulstigen Lippen der Kaffern und Mozambique-Neger haben sie nicht. Ihr Haar ist wollig und schwarz, gekräuselt, aber nicht eben dicht. Gewöhnlich sind sie vom Kopf bis zu den Füßen mit Fett und Ruß eingesalbt. Ein Hottentot, der die Gewohnheit hat, sich anzumalen, sieht weniger nackt und sozusagen vollkommener aus, als Einer, der sich zu reinigen pflegt; so ist es auch sprichwörtlich geworden, daß ›die Haut eines Hottentotten ohne Fett ein Schuh ohne Wichse sei‹.

Die Eingeborenen tragen meist einen Mantel, »Kroß« genannt, aus mit der Wollseite nach außen gewendetem Schaffell. Die Frauen befestigen daran einen langen, sackförmigen Theil, eine Art Capuchon, in dem sie ihre kleinen Kinder tragen, denen sie die Brust über die Schulter hinweg reichen. Männer und Frauen pflegen sich mit ledernen Ringen an Armen und Beinen zu schmücken, was zu der Fabel Veranlassung gegeben hat, die Hottentotten wickelten sich zum gelegentlichen Verspeisen Würste um die Beine. Sie bedienen sich statt jener wohl auch eiserner oder kupferner Spangen, doch stehen letztere in höherem Preise.

Ein »Kraal« oder Hottentottendorf ist ein Kreis von Hütten, welche alle die gleichmäßige Gestalt von Bienenstöcken haben. Die in der Mitte derselben angebrachten Thüren sind so niedrig, daß man nur auf den Knieen hindurchkriechen kann. Im Innern nimmt der Feuerherd die Mitte des Raumes ein; das Dach hat aber keine Oeffnung für den Abzug des Rauches.

Man darf die Hottentotten nicht mit den Buschmännern verwechseln. Diese leben nur von der Jagd und vom Raube. Ihre Gewandtheit im Schießen vergifteter Pfeile, ihre Kühnheit und die Gewohnheit des wilden Lebens machen sie jedem Feinde furchtbar.

In Zwellendam sah Sparrman zuerst das »Quagga«, eine Art Pferd, das der Gestalt nach zwar dem Zebra ähnelt, aber doch weit kürzere Ohren hat.

Der Reisende besuchte hierauf Mossel-Bai, einen wegen der hier gefahrdrohenden Weststürme wenig belebten Hafen, und das Land der Hutniquas oder, nach Burchell's Karte, der Antiniquas. Es erscheint waldreich und fruchtbar, und die hier angesiedelten Landbauer gedeihen sichtlich. In dieser Gegend fand Sparrman übrigens Gelegenheit, ziemlich alle vierfüßigen Thiere Afrikas zu beobachten, nämlich Elephanten, Löwen, Leoparden, Tigerkatzen, Hyänen, Affen, Hasen, Antilopen und Gazellen.

Wir können Sparrman unmöglich nach jedem kleinen, von ihm aufgesuchten Orte folgen. Die Aufzählung der Wasserläufe, Kraals oder Dorfschaften, die er auf seinem Zuge traf, wäre für den Leser doch nutzlos. Dagegen entlehnen wir ihm einige merkwürdige und bis dahin unbekannte Beobachtungen betreffs zweier Thiere, des Cap-Schafes und des sogenannten Bienen-Kuckucks.

»Will man ein Schaf schlachten,« schreibt der Reisende, »so wählt man stets das magerste aus der Heerde, da es fast unmöglich wäre, eines der anderen zu verspeisen. Die Schwänze derselben sind dreieckig, ein bis anderthalb Fuß lang und oben oft sechs Zoll dick. Ein solcher Schwanz wiegt allein gegen acht bis zwölf Pfund; er besteht fast ausschließlich aus sehr wohlschmeckendem Fette, das einige Personen statt der Butter mit Brot essen: man bedient sich desselben sonst zur Zubereitung des Fleisches oder macht wohl auch Kerzen daraus.«

Nach einer Beschreibung des bisher unbekannten zweihörnigen Rhinoceros', des Gnus, das seiner Gestalt nach zwischen Pferd und Ochsen die Mitte hält, des »Gerbo« (indisches Kaninchen), Pavians, Flußpferdes, von dessen Lebensweise man nur erst sehr wenig wußte, erwähnt Sparrman einen merkwürdigen Vogel, der den Einwohnern recht beachtenswerthe Dienste leistet; er nennt denselben den »Bienen-Kuckuck«.

»Dieser Vogel«, sagt er, »zeichnet sich weder durch Größe noch Farbe besonders aus; auf den ersten Blick könnte man ihn wohl für einen gewöhnlichen Sperling halten, doch ist er etwas größer, von hellerer Färbung, hat einen kleinen gelblichen Fleck auf der Schultergegend und weiß gezeichnete Schwanzfedern.

»Dieser Vogel verräth den Menschen aus eigenem Interesse die Nester der Bienen; er ist nämlich selbst sehr lüstern nach dem Honig und vorzüglich nach den Eiern derselben und weiß, daß bei dem Ausnehmen eines solchen Nestes immer etwas Honig verloren wird, den er sich zueignet, oder daß die Leute ihm zur Belohnung für seine Dienste gar absichtlich eine Kleinigkeit liegen lassen.

»Des Morgens und des Abends scheint sein Appetit am stärksten zu sein; wenigstens fliegt er gewöhnlich um diese Zeit aus und sucht durch seinen gellenden Schrei die Aufmerksamkeit der Hottentotten oder Kolonisten zu erregen. Es ist selten, daß nicht Einer auf seinen Ruf herankommen sollte; dann wiederholt der Vogel unaufhörlich seine Meldung und fliegt langsam von einer Stelle zur anderen bis nach dem Orte, wo sich der Bienenbau befindet . . . Ist er dahin gelangt, so schwebt er, ob jener nun in einer Felsenspalte, im Innern eines Baumes oder irgendwo unter der Erde zu suchen sei, einige Secunden im Kreise über demselben umher (ich selbst bin wiederholt Augenzeuge davon gewesen), setzt sich dann ruhig hin und erwartet verborgen und schweigend, was nun geschehen werde, in der Hoffnung einen Theil der Beute zu erlangen.«

Am 12. April 1776 nach dem Cap zurückgekehrt, vernahm Sparrman, daß man neuerdings im Norden des Cantons Sneeuwberg einen größeren See, den einzigen in der Kolonie, aufgefunden habe. Bald darauf schiffte sich der Reisende mit zahlreichen, von ihm zusammengebrachten naturwissenschaftlichen Sammlungen nach Europa ein.

Während desselben Zeitraumes, von 1772 bis 1775, unternahm der Schwede Thunberg, dem Sparrman am Cap begegnete, im Innern Afrikas drei, bald aufeinander folgende Reisen. So wenig wie die Sparrman's verdienen dieselben freilich die Bezeichnung als Entdeckungsfahrten, denn man verdankt Thunberg nach keiner Seite eine Erweiterung der geographischen Kenntnisse. Er sammelte nur eine ansehnliche Menge Beobachtungen über die Vogelarten des Caplandes, und man schuldet ihm interessante Aufschlüsse über die einzelnen Völkerschaften, welche sich in dieses große, an Fruchtbarkeit die allgemeine Annahme weit übertreffende Gebiet theilen.

Thunberg's Fußspuren folgte unmittelbar ein englischer Officier, der Lieutenant William Paterson, der als Hauptzweck die Einsammlung von Pflanzen und naturhistorischen Gegenständen im Auge hatte. Er drang nördlich bis etwas über den Orange-Fluß vor, östlich bis in's Land der Kaffern, ein gutes Stück jenseits des Fisch-Stromes. Von ihm rührt auch die erste Beschreibung der Giraffen her, ebenso wie man in seinem Berichte werthvolle Bemerkungen über die Naturgeschichte, die Bodenbildung des Landes und über dessen Bewohner findet.

Merkwürdiger Weise bleibt die Zahl derjenigen Europäer, welche zum Zwecke geographischer Entdeckungen nach Afrika gingen, weit hinter der der Reisenden zurück, deren Hauptzweck die Bereicherung der Naturwissenschaften im engeren Sinne bildete. An die erwähnten drei Männer, Sparrman, Thunberg und Paterson, schließt sich nun zunächst der Ornitholog Le Vaillant an.

Geboren zu Paramaribo in Holländisch-Guyana von französischen Eltern, welche einen Vogelhandel betrieben, kam Le Vaillant mit diesen nach Europa zurück und lernte in zarter Jugend schon Holland, Deutschland, Lothringen, sowie die Vogesen kennen, bevor er Paris sah. Leicht begreiflicher Weise entwickelte diese kosmopolitische Existenz in ihm zeitig den Trieb zum Wandern. Seine Leidenschaft für die Vögel bestimmte ihn, durch die Betrachtung öffentlicher und privater Sammlungen noch mehr bekräftigt, zu dem Verlangen, die Wissenschaft durch Beschreibung und Vorführung bisher unbekannter Arten weiter zu bereichern.

Welches Land versprach ihm nach dieser Seite aber die reichste Ernte? Die Nachbargebiete des Caps waren zwar durch zwei Botaniker und durch einen Gelehrten, der sich mit dem Studium der vierfüßigen Thiere beschäftigte, besucht worden, Niemand hatte sie dagegen hinsichtlich ihres Vogelreichthums durchforscht.

Am 29. März 1781 kam La Vaillant, der schauerlichen Katastrophe, bei welcher sein Schiff in die Luft sprang, glücklich entgangen, am Cap ohne weitere Hilfsmittel an als die Kleider auf dem Leibe, zehn Ducaten in der Tasche und seine Flinte in der Hand.

Manche Andere wären hierdurch wohl außer Fassung gebracht worden. Le Vaillant gab die Hoffnung nicht auf, sich aus dieser verzweifelten Lage zu ziehen. Im Vertrauen auf seine Geschicklichkeit in der Handhabung des Gewehres wie des Bogens, auf seine Kraft und Gewandtheit, wie auf die Uebung, Thierhäute zu präpariren und Vogelbälge höchst naturgetreu auszustopfen, ging er eifrig an die Arbeit und stand auch bald mit den reichsten Liebhabern und Sammlern am Cap im Verkehr.

Einer derselben, der Fiscal Boers, lieferte ihm alles Nothwendige, um erfolgreich reisen zu können, wie z. B. Wagen, Ochsen, Mundvorräthe, Tauschartikel, Pferde, ja selbst die Diener und Führer, welche ihn begleiten sollten. Die Art der Nachforschungen, welche Le Vaillant auszuführen beabsichtigte, beeinflußte seine Reisedispositionen. Statt besuchte Orte und größere Ansiedelungen aufzusuchen, bestrebte er sich, gebahnte Wege und von Europäern schon besuchte Bezirke möglichst zu meiden, da er nur außerhalb derselben neue, den Gelehrten noch unbekannte Vogelarten zu finden hoffen durfte. Hieraus folgt schon, daß Le Vaillant der Natur fast stets ihre innersten Geheimnisse ablauschte und mit Eingebornen in Berührung kam, deren Sitten und Lebensweise durch Contact mit den Weißen noch nicht verändert waren. Die Nachrichten, welche wir ihm verdanken, spiegeln auch das Leben in der Wildniß weit treuer wieder als die seiner Vorgänger und Nachfolger. Nur darin allein handelte Le Vaillant nicht recht, daß er die Zusammenstellung seiner Reisebeobachtungen einem jungen Manne anvertraute, der sie ziemlich willkürlich entstellte. Weit entfernt von der gewissenhaften Rücksicht neuerer Bearbeiter fremder Werke, übertrieb der junge Mann alle Vorkommnisse und verlieh, sich auf die Geschicklichkeit des Reisenden verlassend, die auch das fast Unglaubliche möglich erscheinen ließ, dem Berichte über diesen Forschungszug einen ihm sehr schädlichen Beigeschmack von eitler Prahlerei.

Nach dreimonatlichem Aufenthalt am Cap und in dessen Umgebungen brach Le Vaillant am 18. December 1781 zu seiner ersten Reise nach Osten in das Kaffernland auf. Sein Zug und Gefolge bestand aus dreißig Ochsen, zwanzig als gewöhnliche Bespannung von zwei Wagen, zehn zum Wechseln und zum etwaigen Ersatz für Verluste, aus drei Pferden, neun Hunden und fünf Hottentotten.

Zuerst durchstreifte Le Vaillant die holländischen Hottentottengebiete, von denen man durch Sparrman's Reisen hinlängliche Kenntniß hat; daselbst traf er unzählige Heerden von Zebras, Antilopen und Straußen und gelangte endlich nach Zwellendam, wo er noch mehr Ochsen zu einem dritten Wagen und einen Hahn kaufte, der während der ganzen Fahrt den Dienst als Morgenrufer versah. Auch ein anderes Thier gewährte ihm wesentlichen Nutzen. Es war das ein Affe, den er gezähmt und zu dem ebenso nützlichen wie ehrenhaften Posten eines Vorschmeckers erhoben hatte. Fand man dann eine, auch den Hottentotten noch nicht gekannte Frucht oder Wurzel, so durfte sie Niemand essen, bevor »Meister Kees« nicht sein Urtheil darüber abgegeben hatte.

Kees diente gleichzeitig als Wache, und seine durch die Gewohnheit und den fortwährenden Kampf um's Dasein geübten Sinne übertrafen beiweitem die der gewiegtesten Rothhäute. Er meldete schon vor den Hunden die Annäherung einer Gefahr. Schlich eine Schlange in der Nachbarschaft umher oder verbarg sich eine Affenbande in den nächsten Dickichten, so verriethen das Entsetzen Kees' und sein jämmerliches Geschrei bald die Natur der Friedensstörer.

Von Zwellendam, das er am 12. Januar 1782 verließ, zog Le Vaillant in mäßiger Entfernung vom Meere nach Osten weiter. Am Ufer des Colombier-Stromes (des Duywen-Hoek) schlug er dann zuerst ein Lager auf und unternahm mehrere ergiebige Jagdzüge in den wildreichen Umgebungen. Dann gelangte er nach Mossel-Bai, wo das heisere Bellen der Hyänen seine Ochsen nicht wenig erschreckte.

Weiterhin erreichte er das Land der Houtniquas, ein Name, der in der Hottentottensprache »mit Honig beladene Männer« bezeichnet. In diesem Gebiete kann man keinen Schritt thun, ohne auf Bienenschwärme zu treffen. Die Blumen sprießen unter dem Fuße des Reisenden; die Luft ist von ihrem Dufte erfüllt; ihre wechselnden Farben machen diese Gegend zu einem reizenden Ruheplatze. Einige Diener des Reisenden schienen nicht übel Lust zu haben, hier zurückzubleiben. Le Vaillant beeilte, um diese Versuchung zu besiegen, die Weiterreise. Das ganze Land ist bis zur Küste hin bevölkert von Kolonisten, welche Viehzucht treiben, Butter erzeugen, Zimmerholz fällen und Honig sammeln, wofür die Capstadt den gemeinsamen Markt bildet.

Ein wenig jenseits des letzten Postens der Compagnie fand Le Vaillant einen Bezirk, in dem Tausende von »Turacos« (Haubenkuckuck) umherflatterten; hier wollte er der Jagd obliegen; der heftig und ohne Unterlaß herabstürzende Regen machte jedoch seine Pläne zunichte und setzte die Reisenden beinahe dem Hungertode aus.

Nach mannigfachen Kreuz- und Querzügen und zahlreichen Jagdabenteuern, deren Erzählung recht unterhaltend wäre, aber nicht in unseren Rahmen paßt, gelangte Le Vaillant nach Mossel-Bai zurück. Hier fand er zu seiner größten Freude Briefe aus Frankreich vor. Ausflüge und Jagden wurden nach allen Richtungen hin fortgesetzt, bis die Expedition das Land der Kaffern betrat. Mit den letzteren konnte man nur schwierig in Beziehungen treten, da diese jeder Begegnung mit Weißen sorgsam aus dem Wege gingen. Hatten die Kolonisten ihnen schon beträchtliche Verluste an Menschen und Thieren zugefügt, so machten sich die Tamboukis nachher deren kritische Lage zunutze, überfielen das Land und verwüsteten es nach allen Seiten; endlich setzten ihnen auch die Buschmänner sehr ernstlich zu, so daß die Kaffern, bei ihrem Mangel an Feuerwaffen von verschiedenen Seiten bedrängt, den Widerstand aufgaben und nach Norden hin auswichen.

Der erhaltenen Auskunft nach schien es unnütz, in dieser Gegend weiter vorzudringen, die je weiter je mehr bergig wurde, und Le Vaillant kehrte also um. Er besuchte noch die Schneeberge, die unfruchtbaren Ebenen von Karru nebst den Ufern des Büffel-Flusses und kehrte am 2. April 1783 nach dem Cap zurück.

Die Ergebnisse dieser langen Fahrt waren recht ansehnlich. Le Vaillant brachte genaue Kunde mit von den Gonaquas, einem ziemlich großen Volke, das nicht mit den eigentlichen Hottentotten zu verwechseln ist, und daß allen äußeren Zeichen nach einer Mischung der Kaffern mit jenen seinen Ursprung verdankt. Die von Le Vaillant über die Hottentotten gesammelten Nachrichten stimmen allenthalben mit denen Sparrman's überein.

»Die Kaffern, welche Le Vaillant zu sehen Gelegenheit fand,« sagt Walckenaer, »sind gewöhnlich größer als die Hottentotten und selbst als die Gonaquas. Ihr Gesicht ist im unteren Theile weder so eingezogen, noch hat es die so unangenehmen, stark hervortretenden Backenknochen, welche schon bei den Gonaquas schwächer erscheinen. Die ganze Gesichtsbildung ist nicht so breit und flach und die Lippen sind minder wulstig als die ihrer Nachbarn, der Neger von Mozambique; sie haben im Gegentheil ein mehr rundes Antlitz, hervorspringende, weniger breite Nase und einen mit den schönsten Zähnen besetzten Mund . . . Ihre Hautfarbe ist schön schwarzbraun, und wenn man von diesem Unterschied absieht, sagt Le Vaillant, würde manches Kaffernweib selbst an der Seite einer Europäerin noch für hübsch gelten.«

Sechzehn Monate Aufenthalt im Innern hatten dazu hingereicht, daß Le Vaillant die Bewohner der Capstadt kaum wieder erkannte. Bei seiner Abreise bewunderte er noch die züchtige Zurückhaltung der holländischen Frauen, jetzt dachten diese scheinbar an nichts Anderes mehr als an Vergnügungen und Putz. Straußfedern waren so in Mode, daß man solche aus Europa und Asien hieher mußte kommen lassen, der ganze Vorrath unseres Reisenden an diesen Schmuckfedern war im Handumdrehen vergriffen. Die Anzahl der von ihm mit jeder sich darbietenden Gelegenheit vorausgesandten Vögel betrug 1080 Exemplare, und Boer's Haus, in dem sie einstweilen aufbewahrt wurden, verwandelte sich dadurch in ein wirkliches naturhistorisches Museum.

Le Vaillant's Reise erzielte zu schöne Erfolge, als daß er nicht hätte wünschen sollen, dieselbe zu wiederholen. Trotz der Rückkehr seines Gesellschafters Boer's nach Europa gelang es ihm mit Hilfe zahlreicher Freunde doch, das Material zu einer neuen Expedition zusammen zu bringen. Am 15. Juni 1783 brach er an der Spitze einer aus neunzehn Personen bestehenden Karawane von Neuem auf. Er nahm dabei dreizehn Hunde, einen Bock nebst zehn Ziegen, drei Pferde, drei Milchkühe, sechsunddreißig Zugochsen, vierzehn solche zum Auswechseln und zwei zum Tragen der Bagage seiner Hottentottischen Diener mit.

Wir können dem Reisenden natürlich nicht auf seinen Jagdzügen folgen, sondern beschränken uns auf die Mittheilung, daß es Le Vaillant glückte, eine Sammlung prächtiger Vögel zu erwerben, daß er nach Europa die erste Giraffe mitbrachte und bei seiner Fahrt das ganze ungeheuere Gebiet unter dem Wendekreise des Steinbocks bis zum vierzehnten Grade östlicher Länge durchstreifte. Im Jahre 1784 nach dem Cap zurückgekehrt, schiffte er sich nun nach Europa ein und kam in den ersten Tagen des folgenden Jahres in Paris an.

Das erste wilde Volk, dem Le Vaillant bei seiner zweiten Reise begegnete, waren die Kleinen Namaquas, ein wenig zahlreicher Stamm, der schon deshalb dem Untergange preisgegeben scheint, zumal da er nur ein sehr unfruchtbares Gebiet bewohnte und den fortwährenden Angriffen der Buschmänner ausgesetzt war.

Obwohl die Kleinen Namaquas noch von ziemlich ansehnlicher Erscheinung sind, stehen sie doch niedriger als die Kaffern und Gonaquas, von deren Lebensweise die ihrige sich sonst wenig unterscheidet.

Die Caminuquas oder Comeinaquas, von denen Le Vaillant dann Einiges erzählt, zeichnen sich durch ihre Körperlänge aus.

»Sie erscheinen, sagt er, fast noch größer als die Gonaquas, obgleich das in der Wirklichkeit vielleicht nicht der Fall ist; ihre feineren Knochen aber, das hagere Gesicht, die schlankere Taille, die schwächlichen, dünnen Beine, kurz Alles, bis auf den feinen, von den Schultern bis zur Erde herabhängenden Mantel, trägt zu dieser Täuschung bei. Wenn man diese, wie Baumzweige schlanken Erscheinungen sieht, kommt man auf den Gedanken, sie seien durch Locheisen gezogen worden. Von hellerer Hautfarbe als die Kaffern, haben sie auch ein hübscheres Gesicht als die Hottentotten, weil ihre Nasen minder platt und die Backenknochen weniger hervorstehend sind.«

Von allen Völkerschaften jedoch, die Le Vaillant bei seiner langen Reise besuchte, ist die merkwürdigste und älteste die der Huzuanas. Kein neuerer Reisender hat diesen Stamm wieder aufgefunden, doch glaubt man ihn in dem der Betjuanas wieder zu erkennen, obgleich der Sitz, den unser Reisender ihm zuschreibt, keineswegs mit dem jetzt von letzteren schon lange Jahre eingenommenen übereinstimmt.

»Der Huzuana«, heißt es in dem Berichte, »ist von sehr kleiner Gestalt; die größten erreichen kaum fünf Fuß Höhe. Die kleinen, aber vollkommen proportionirten Leute vereinigen mit überraschender Kraft und Gewandtheit einen Ausdruck von Sicherheit und kühnem Muthe, der ebenso Respect einflößt, wie er für sie einnimmt. Von allen Le Vaillant bekannt gewordenen wilden Stämmen schien ihm dieser mit dem gewecktesten Geiste und der festesten Constitution bedacht zu sein. Ihr, den Hauptmerkmalen nach dem der Hottentotten ähnelnder Kopf erhielt durch das Kinn doch eine bessere Abrundung; dabei sind sie weit schwärzer . . . Das wollige Haar endlich ist so kurz, daß Le Vaillant glaubte, es sei abgeschoren . . . Den Huzuanas eigenthümlich erscheint bei deren Weibern die auffallend starke Entwicklung der Hintertheile, die als enorme Fleischmasse, bei jeder Bewegung ganz merkwürdig hin- und herschwanken. Le Vaillant sah eine Huzuana-Frau schnell mit ihrem dreijährigen Kinde laufen, das dabei auf jenem Körperteile stand, wie ein Jockey hinter einem Wagen.«

Der Reisende verbreitet sich im Weiteren über verschiedene, hier mit Stillschweigen zu übergehende Einzelheiten betreffs der Körperbildung und Lebensgewohnheit mehrerer, heute völlig verschwundener oder unter lebenskräftigeren Stämmen aufgegangener Völkerschaften. Dieser Theil seines Werkes ist zwar gewiß nicht der mindest interessante, leider aber gleichzeitig der mindest glaubwürdige, und gerade die offenbare Uebertreibung in seinen Schilderungen ist es, die uns von der Weiterverbreitung derselben abhält.

Auf der Ostküste Afrikas trat ein portugiesischer Reisender, Francisco José de Lacerda e Almeida, im Jahre 1797 von Mozambique aus eine Reise in das Innere an. Ein Bericht über diesen Zug durch Gegenden, welche erst in unseren Tagen wieder besucht worden sind, böte des Interessanten gewiß nicht wenig. Leider ist aber unseres Wissens kein Tagebuch Lacerda's veröffentlicht worden. Lacerda's Name wird zwar von den Geographen häufig genug erwähnt und man kennt den Weg, den er eingehalten hat; dennoch ist es, mindestens in Frankreich, unmöglich, ein Werk zu finden, das sich eingehender mit diesem Forscher beschäftigte und uns Specielleres über seine Reise mittheilte. Alles, was man von Lacerda weiß, können wir in einige Zeilen zusammenfassen, lebhaft bedauernd, daß es uns versagt bleibt, mehr von den Erlebnissen eines Mannes zu erzählen, der sehr wichtige Entdeckungen gemacht hat und gegen den die Nachwelt damit sehr ungerecht handelt, daß sie seinen Namen der Vergessenheit anheimfallen läßt.

Lacerda, von dem man Ort und Zeit seiner Geburt nicht kennt, war Ingenieur. Als solcher hatte er den Auftrag erhalten, die Grenzen zwischen den spanischen und portugiesischen Besitzungen in Südamerika festzustellen. In Folge dessen verdankt man ihm eine Menge interessanter Beobachtungen aus der Provinz Mato-Grosso, welche in seinem »Revista trimensal de Brazil« niedergelegt sind. Man kennt die Gründe zwar nicht, weshalb er sich nach einer hier so erfolgreich durchgeführten Expedition den portugiesischen Ansiedelungen in Afrika zuwandte, oder welchen Zweck er mit der beabsichtigten Reise quer durch Südafrika von dessen Ostküste bis zum Königreiche Laonda eigentlich verfolgte, weiß aber, daß er 1797 von Tete, einer wohlbekannten Stadt, aus, an der Spitze einer sehr beträchtlichen Karawane nach den Staaten von Cazembe zu aufbrach.

Den Herrscher dieses Landes schmückte gleichzeitig der Ruhm des Wohlwollens und der Menschenfreundlichkeit, wie der seiner Großthaten. Seine Residenz soll er in Lunda, einer Stadt von zwei Meilen Ausdehnung, gehabt haben, die am östlichen Ufer eines Sees, Namens Moso, lag. Es wäre sehr verlockend gewesen, diese Oertlichkeiten mit den uns heute bekannten zu vergleichen und deren Uebereinstimmung nachzuweisen; der Mangel aller charakteristischen Merkmale zwingt uns jedoch einige Zurückhaltung auf, obgleich man den Namen Lunda von portugiesischen Reisenden her genug kannte; über die Lage Cazembes war man schon lange einig.

Vom Könige sehr freundlich empfangen, soll Lacerda zwölf Tage bei diesem verweilt, dann aber den Wunsch nach Fortsetzung seiner Reise zu erkennen gegeben haben. Leider wäre er, kaum zwei bis drei Tagereisen von Lunda entfernt, den Strapazen der Reise und dem ungesunden Klima erlegen.

Der Negerkönig nahm die Niederschriften und Anmerkungen des portugiesischen Reisenden einstweilen in Verwahrung und gab dann Befehl, dieselben nebst dessen sterblichen Ueberresten nach der Küste von Mozambique zu befördern. Unterwegs wurde die mit jenen kostbaren Schätzen beladene Karawane jedoch überfallen und Lacerda's Leichnam in afrikanischem Lande zurückgelassen. Die Beobachtungen desselben brachte einer seiner Neffen, der an der Expedition theilgenommen hatte, nach Europa zurück.

Wir schließen nun den Ring um den afrikanischen Continent und erwähnen noch die im Laufe des 18. Jahrhunderts von dessen oberem östlichen Theile ausgegangenen Unternehmungen. Eine der, ihren erzielten Erfolgen nach wichtigsten ist die des Chevalier Bruce.

Geboren in Irland, dem überhaupt viele Afrika-Forscher entstammen, war James Bruce von seiner Familie zum Studium der Rechte und zum Berufe des Advocaten bestimmt worden. Eine solche vorwiegend sitzende Lebensweise sagte aber seinem Geschmacke gar nicht zu, so daß er die sich bietende Gelegenheit, zum Handel überzugehen, mit Freuden ergriff. Da seine Frau schon nach einer Ehe von wenigen Jahren verstarb, begab sich Bruce nach Spanien, wo er sich mit dem Studium der arabischen Denkmäler beschäftigte. Er wollte damals eine Beschreibung aller dieser Schätze aus dem Escurial veröffentlichen, doch versagte ihm die spanische Regierung dazu die Genehmigung.

Nach England zurückgekehrt, befleißigte Bruce sich des Studiums der orientalischen Sprachen und vorzüglich der äthiopischen Mundart, die man bisher nur aus den mangelhaften Arbeiten Ludolph's kannte.

Bei einer Unterredung mit Lord Halifax schlug dieser ihm, ohne seinen Worten ein besonderes Gewicht beizulegen, vor, einen Versuch zur Entdeckung der Nilquellen zu machen. Sofort erfaßt Bruce diesen Gedanken, widmet sich mit allem Eifer dem Projecte und thut alles Nothwendige zu dessen Ausführung. Alle Einwürfe widerlegt, alle Hindernisse besiegt der zähe Wille des Reisenden, und im Juni 1768 vertauscht Bruce die nebligen Gefilde Englands gegen die sonnenbeglänzten Küsten des Mittelmeeres.

In aller Eile und gleichsam zur Uebung durchstreift Bruce schnell hintereinander einige Inseln des Archipels, Syrien und Aegypten. Von Djedda ausgehend, besucht der englische Reisende Moka, Loheia und landet bei Massaua am 17. September 1769. Er hatte nicht unterlassen, sich einen Firman des Sultans und Briefe vom Bey von Kairo und dem Sherif von Mekka zu verschaffen. Das war von ihm sehr wohl gethan, denn der »Nayb« oder Statthalter jenes Inselstädtchens versuchte Alles, um sein Eindringen nach Abyssinien zu hindern und große Geschenke von ihm zu erpressen.

Durch Abyssinien waren schon früher portugiesische Missionäre gezogen. Ihrem Eifer verdankte man so manche Kenntniß des Landes, die freilich hinter den Nachforschungen, wie sie Bruce anzustellen gedachte, weit zurückblieb. Obwohl man des Letzteren Wahrheitsliebe öfter in Zweifel stellte, haben doch alle Reisenden, welche dieses Land nach ihm besuchten, einstimmig die Verläßlichkeit seiner Schilderungen und Angaben bestätigt.

Von Massaua nach Adowa steigt der Weg allmälich an und erklimmt die Bergkette zwischen Tigre und dem Rothen Meere.

Adowa war früher nicht die Hauptstadt von Tigre. Man hatte daselbst eine Manufactur jener groben Baumwollenstoffe errichtet, welche in ganz Abyssinien in Umlauf sind und zum Theile die Stelle der Münzen vertreten. In den Umgebungen der Stadt ist der Boden zum Anbau von Getreide geeignet.

»Man gewinnt in diesen Gegenden«, schreibt Bruce, »jährlich drei Ernten. Die erste Einsaat erfolgt im Juli und August. Zu dieser Zeit regnet es zwar oft sehr heftig, doch säet man trotzdem Weizen, »Tocusso«, »Teff« und Gerste. Gegen den 20. November erntet man zuerst die Gerste, dann den Weizen, zuletzt den Tocusso. Gleich darauf wird an Stelle aller dieser Körnerfrüchte wieder Gerste auf dasselbe Feld gesäet, die im Februar zur Reife kommt: dann säen sie ein drittes Mal Teff, noch häufiger jedoch eine Art Erbsen, dort »Shimbra« genannt, und ernten noch vor den ersten Regengüssen des Aprils. Trotz der Vortheile dieser dreifachen Ernten, welche weder Düngung noch Bodenbearbeitung voraussetzen und jede Brache unnöthig machen, bleiben die abyssinischen Bauern doch immer blutarme Leute.«

In Fremona, unfern Adowa, finden sich die Ueberbleibsel eines Jesuitenklosters, die freilich mehr einer Veste, als einer Stätte der Männer des Friedens ähneln. Zwei Tagereisen weiter trifft man auf die Ruinen von Axoum, der ehemaligen Hauptstadt Abyssiniens.

»Auf einem großen Platze, den ich für den früheren Mittelpunkt der Stadt halte,« schreibt Bruce, »erblickt man vierzig Obelisken, aber alle ohne Hieroglyphen. Die beiden schönsten derselben sind umgestürzt; ein dritter, weniger groß als jene zwei, die anderen aber an Länge überragend, steht noch aufrecht. Sie bestehen alle aus einem einzigen Granitblock und sieht man oben auf dem erwähnten größten eine in griechischem Geschmack kunstvoll gemeißelte Opferschale . . .

»Nachdem wir bei dem Kloster Abba Pantaleon's, das in Abyssinien Mantillas heißt, und an dem kleinen Obelisk auf einem Felsen oberhalb desselben vorübergekommen, folgten wir einem nach Süden zu führenden und durch einen Berg aus ganz rothem Marmor gebrochenen Wege, wobei wir zur Linken eine Marmorwand von fünf Fuß Höhe hatten. Von Strecke zu Strecke sieht man an dieser Mauer solide Fußgestelle, auf denen verschiedene Anzeichen darauf hindeuten, daß sie einst die Kolossalstatuen des Sirius, den Anubis oder die Canicula (d. i. der Hundsstern) anbellt, getragen haben. Solcher Fußgestelle mit den erwähnten Merkmalen finden sich noch hundertdreißig. Doch sind nur noch drei, leider sehr verstümmelte Figuren der Hundegestalt übrig, an denen man übrigens die ägyptische Arbeit leicht wieder erkennt . . .

»Es giebt daneben auch Piedestale, auf denen eine Sphinx gestanden hat. Zwei prächtige Reihen Granitstufen von mehreren hundert Fuß Länge von ausgezeichneter Arbeit und noch gut erhalten, bilden die einzigen Reste eines herrlichen Tempels. An einer Ecke der großen Plattform desselben erhebt sich heute die kleine Kirche von Axoum. Niedrig, armselig und schlecht in Stand gehalten, ist diese Kirche über und über mit Taubenmist beschmutzt.«

In der Nähe von Axoum sah Bruce drei Soldaten, sich das Beefsteak, welches sie verzehren wollten, einer lebenden Kuh entnehmen.

»Sie ließen dabei«, sagt er ganz ernsthaft, »die Haut der Stelle, an der sie das Fleisch ausgeschnitten, möglichst ganz und befestigten diese wieder mittelst kleiner Holzstückchen, die ihnen als Nadeln dienten. Ich weiß nicht, ob sie zwischen Haut und Fleisch etwas einlegten, doch bedeckten sie die Schnittwunde ganz mit Koth; nachher zwangen sie das Thier, sich zu erheben, und trieben es vor sich hin, jedenfalls um ihnen auch eine Abendmahlzeit zu liefern, wenn sie mit ihren Kameraden zusammengetroffen waren.«

Von Tigre wandte sich Bruce nach der Provinz Sire, die ihren Namen von der Hauptstadt hat, welche größer als Axoum, aber fortwährend von putriden Fiebern heimgesucht ist. In deren Nähe fließt der Takazze, der Siris des Alterthums, mit seinen von prächtigen Bäumen bewaldeten Ufern und fischreichen Gewässern. In der Provinz Samen, wo Bruce von Löwen und Hyänen belästigt und ein Theil seines Gepäckes von großen schwarzen Ameisen aufgezehrt wurde, hielt er sich, wenigstens in den Bergen Waldubbas, einer ungesunden, brennend heißen Gegend, in der viele Mönche zu Buß- und Betübungen zurückgezogen wohnen, nur so lange auf, bis seine Saumthiere sich ordentlich erholt hatten. Es drängte ihn nämlich, Gondar zu erreichen, denn in dem von Bürgerkriegen zerrissenen Lande war die Lage von Fremdlingen eine keineswegs gesicherte.

Als Bruce in der Hauptstadt anlangte, richtete ein typhoides Fieber daselbst eben große Verheerungen an. Seine erfolgreiche Thätigkeit als Arzt gereichte ihm zu großem Vortheile. Er erlangte dadurch eine nach allen Seiten angenehme Stellung und erhielt auch ein Commando, das ihm Gelegenheit gab, an der Spitze einer Truppenabtheilung das Land in allen Richtungen zu durchstreifen. Dabei sammelte er eine Menge Beobachtungen über dasselbe und seine Verwaltung, über die Sitten der Einwohner und die merkwürdigsten geschichtlichen Ereignisse, die sein Werk über Abyssinien zu der wichtigsten der bisher darüber erschienenen Arbeiten machten.

Während eines dieser Züge entdeckte Bruce die Quellen des Blauen Nils, den er für den richtigen Nil ansah. Bei der Kirche Saint-Michel Geesch angelangt, wo der Fluß nur vier Fuß Breite und vier Zoll Tiefe hatte, vermuthete Bruce mit Recht, daß dessen Quellen in der Nähe liegen müßten; zwar versicherte ihm sein Führer, daß bis dahin noch ein Berg zu ersteigen sei, doch ließ der Reisende sich dadurch nicht beirren.

»Vorwärts! Vorwärts! rief ich, kein Wort mehr! Es ist schon spät; führt mich nach Geesch zu den Quellen und zeigt mir den Berg, der uns noch davon trennt! – Er geleitete mich nach der Südseite der Kirche und sagte, als wir aus dem dieselbe umgebenden Cedernhain heraustraten, boshaft pfiffig: Da ist der Berg, der, als Ihr noch jenseits der Kirche wart, zwischen uns und den Quellen des Nils lag. Einen anderen giebt es nicht. Seht jene rasenbedeckte Erhöhung inmitten der feuchten Au. Dort sind die beiden Quellarme zu finden. Geesch liegt auf der Höhe des Felsens, wo man jene grünen Gebüsche erblickt. Wenn Ihr bis zu den Quellen geht, so legt die Schuhe ab, wie Ihr es kürzlich gethan, denn die Bewohner dieser Gegend sind Heiden und glauben an nichts von Dem, woran Ihr glaubt, außer an den Nil, den sie tagtäglich gleich einer Gottheit anrufen, wie Ihr vielleicht die Eurige.

»Ich entledigte mich der Schuhe, stieg eilends den Hügel hinab und lief auf die kleine grüne Insel zu, die kaum zweihundert Schritte vor mir lag. Der ganze Hügelabhang ist von Blumen bedeckt, deren kräftige Wurzeln oft aus dem Boden herausragen. Da ich unterwegs die Rinde dieser Wurzeln oder die Schalen der Zwiebeln betrachtete, fiel ich mehrmals heftig hin, bevor ich den Rand des Sumpfes erreichte, doch näherte ich mich zuletzt der grasbedeckten Insel. Ich fand sie ähnlich einem Altar, welche Form ihr künstlich gegeben sein mag, und stand mit andächtiger Bewunderung vor der Hauptquelle, die aus der Mitte dieses Altars hervorrieselte.

»Gewiß kann man leichter meine Empfindungen sich vorstellen, als diese beschreiben. Da befand ich mich nun gegenüber jenen Quellen, welche der strebsame Geist und der Muth der Menschen schon seit dreitausend Jahren vergeblich zu finden trachtete!«

Bruce's Reise bietet auch noch weitere interessante Aufschlüsse; doch müssen wir uns einige Beschränkung auferlegen. Wir geben deshalb nur noch wieder, was er über den Tzana-See mittheilt.

»Der Tzana-See ist, übereinstimmend mit allen Berichten, ohne Zweifel die größte Wasseransammlung dieser Gegenden, doch beliebte man dessen Ausdehnung etwas zu übertreiben. Seine größte Breite liegt in der Richtung von Osten nach Westen zwischen Dingleber und Lamgue und erreicht in gerader Linie wohl fünfunddreißig Meilen, doch verengert er sich nach den Enden zu beträchtlich, so daß er manchmal nur zehn Meilen in der Breite mißt. Die größte Länge von Norden nach Süden beträgt neunundvierzig Meilen und verläuft vom Bab-Baha aus eine kurze Strecke nach Südwest ein Viertel-West von der Stelle, wo der Nil, nachdem er den See in stets sichtbarer Strömung durchlaufen, sich gegen Dara nach dem Gebiete von Allata wendet. Während der trockenen Jahreszeit, d. h. vom October bis zum März, nimmt der See merkbar ab; wenn die Regengüsse aber alle Wasseradern anschwellen, welche strahlenförmig, wie die Speichen eines Rades in der Nabe, in ihm zusammenlaufen, so steigt er so sehr, daß ein Theil der umgebenden Ebene überschwemmt wird.

»Dürfte man den freilich sehr lügenhaften Abyssiniern glauben, so enthielte der Tzana-See fünfundvierzig bewohnte Inseln; ich meine aber, daß deren Anzahl auf elf zurückzuführen ist. Die bedeutendste derselben ist Dek, Daka oder Daga; ihr schließen sich zunächst der Größe nach an Halimoon, an der Küste von Gondar, Briguida an der von Gorgora und Galita, noch jenseit Briguida. Alle diese Inseln dienten ehemals als Gefängnisse, nach denen man die Großen Abyssiniens schickte, oder welche sie selbst, wenn sie beim Hofe mißliebig geworden waren, oder endlich in Zeiten der Gefahr als Zufluchtsorte aufsuchten, um ihre kostbarste Habe in Sicherheit zu bringen.«

Nach diesem Besuche Abyssiniens mit Bruce wenden wir uns wieder nach Norden.

Allmälich ward es Tag über der alten Civilisation Aegyptens. Nach und nach wurden die archäologischen Reisen Pococke's, Norden's, Niebuhr's, Volney's und Savary's veröffentlicht und die ägyptische Commission in Frankreich arbeitete an der Abfassung ihres großen prachtvollen Werkes. Die Anzahl der Reisenden nahm mit jedem Tage zu, und so wollte auch W. G. Browne, dem Beispiele vieler Anderer folgend, das Land der Pharaonen kennen lernen.

Sein Werk bietet gleichzeitig ein Bild der so interessanten Ruinen und Denkmäler dieses Landes, wie eine Schilderung der Sitten seiner Bewohner. Ein ganz neuer Abschnitt desselben ist der, welcher von Darfur handelt, einem Lande, nach dem noch kein Europäer vorgedrungen war. Browne sichert aber auch noch einen besonders hervorragenden Platz unter den vielen Reisenden der Umstand, daß er zuerst im Bahr-el-Abiad den wahren Nil erkannte und sich bemühte, wenn auch nicht seine Quelle zu entdecken – daran war vorläufig noch nicht zu denken – derselben doch näher zu kommen und die Richtung und geographische Breite anzugeben, in der dieselbe voraussichtlich zu suchen sei.

In Aegypten am 10. Januar 1792 angekommen, unternahm Browne seinen ersten Ausflug nach Siouah, wobei er, gleich Hornemann, zunächst die Oase des Jupiter Ammon erreichte. Es war ihm nicht viel mehr als seinem Vorgänger vergönnt, die Ruinen und Katakomben daselbst zu besuchen, wo er viele Schädel und menschliche Gebeine fand.

»Die Ruinen Siouahs«, sagt er, »gleichen denen Ober-Aegyptens gar zu sehr, als daß man an der Errichtung der früheren Bauwerke durch ein und dieselbe Menschenrace zweifeln könnte. Unter den Skulpturen unterscheidet man ohne Schwierigkeit die Bilder der Isis und des Anubis, und die Verhältnisse ihrer zwar kleineren Baudenkmäler sind doch dieselben wie die der ägyptischen Tempel.

»Die Felsengebilde in der Nachbarschaft Siouahs bestehen meist aus einer Art Sandstein, der mit den Werksteinen jener Ruinen nicht zu vergleichen ist, so daß man zur Bauzeit das nöthige Material gewiß nicht von jenen Stellen entnommen hat. Die Bewohner Siouahs kennen in dieser Beziehung keine einzige annehmbare Ueberlieferung; sie beharren nur bei dem Glauben, daß jene Ruinen Schätze enthalten und von bösen Geistern bewohnt werden.«

In der nächsten Zeit unternahm Browne noch mehrere Streifzüge durch Aegypten, und begab sich dann zur weiteren Erlernung des Arabischen nach Kairo. Diese Stadt verließ er am 10. September 1792 und besuchte nach und nach Kaw, Achmin, Girgeh, Denderah, Kous, Thebä, Assaua, Kosseïr, Memphis, Suez und den Berg Sinaï; dann reiste er, begierig, in Abyssinien einzudringen, aber überzeugt, daß das von Massaua aus unthunlich sein werde, im Mai 1793 mit der Karawane aus Sudan von Assiout nach Darfur ab. Aine, Dize, Charje, Bulak, Scheb, Seline, Leghea und Bir-el-Malha waren die Punkte, welche die Karawane vor der Ankunft in Darfur berührte.

Eine Krankheit hielt Browne lange Zeit in Sueini zurück, bevor er nach El-Fascher gelangen konnte. In dieser Stadt belästigte und peinigte man ihn über alle Maßen, und auch eine nachgesuchte Audienz beim Sultan war nicht zu erlangen. Er mußte den Winter in Cobbe zubringen, in Erwartung seiner, doch erst im Sommer 1794 erfolgenden Wiedergenesung. Diese gezwungene Muße sollte für den Reisenden indeß nicht verloren sein, denn er lernte dabei die Lebensgewohnheiten und den Dialect von Darfur kennen.

Mit dem Sommer kehrte Browne nach El-Fascher zurück und begann auf's Neue seine Anliegen zur Geltung zu bringen. Sie hatten leider immer dasselbe negative Resultat, bis eine letzte, die früheren alle überbietende Ungerechtigkeit ihm endlich zu der längst nachgesuchten Unterredung mit dem Sultan verhalf.

»Ich fand den Monarchen (Abd-el-Raschman) auf seinem Throne unter einem hohen hölzernen Ueberbau, an dem verschiedene, planlos untermischte Stoffe aus Syrien und Indien herabhingen. Der Thron selbst war mit kleinen türkischen Teppichen bedeckt. Die Meleks (Hausofficiere) saßen zur Rechten und Linken, doch in einiger Entfernung von dem Throne. Hinter ihnen stand eine Reihe Leibgarden, deren Mützen an der Vorderseite mit einer kleinen Kupferplatte und einer schwarzen Straußenfeder geschmückt war. Die Bewaffnung dieser Krieger bestand in einer Lanze, die sie in der rechten Hand hielten, und in einem mit Flußpferdhaut überzogenen Schilde, der ihren linken Arm bedeckte. Als Kleidung trugen sie nur ein Hemd aus einheimischem Baumwollenstoffe. Hinter dem Throne sah man vierzehn oder fünfzehn reich und verschiedenartig gekleidete Eunuchen. Die Zahl der auf dem Platze vor dem Throne versammelten Bittsteller und Zuschauer belief sich wohl auf fünfzehnhundert Menschen.

»Ein bezahlter Lobredner stand zur Linken des Fürsten und schrie unablässig aus Leibeskräften: »Seht da den Stier! Den Sohn eines Stieres! Den Stier aller Stiere! Den Elephanten von außergewöhnlicher Kraft! Den mächtigen Sultan Abd-el-Raschman-el-Raschid! Mög' Allah Dein Leben behüten, o Herr! Allah stehe Dir bei und mache Dich siegreich allezeit!«

Der Sultan sicherte Browne Gerechtigkeit zu und übergab seine Angelegenheit einem der Meleks. Doch stellte man ihm nur den sechsten Theil seiner früher entwendeten Habseligkeiten wieder zu. Der Reisende war eigentlich nach Darfur nur gekommen, um hindurchzuziehen; jetzt sah er ein, daß es ihm schwierig werden würde, daraus wieder wegzukommen und er auf jede weitere Fortsetzung seiner Forschungsreise verzichten müsse.

»Am 11. December 1795, das heißt nach dreimonatlichem Aufenthalte,« sagt Browne, »begleitete ich den Chatib (eine der ersten Personen des Reiches) zur Audienz beim Sultan. Ich wiederholte ihm eindringlich, was ich verlangte; der Chatib unterstützte zwar mein Gesuch, doch nicht mit dem wünschenswerthen Eifer. Der Sultan ertheilte mir auf den Wunsch, mich unbehelligt weiter ziehen zu lassen, gar keine Antwort; ja, dieser so ungerechte Despot, der von mir für siebenhundertfünfzig Piaster Waaren erhalten hatte, ließ sich nur herbei, mir zwanzig magere Ochsen zu überlassen, die er selbst auf kaum hundertzwanzig Piaster schätzte. Der traurige Zustand meiner Finanzen erlaubte mir nicht, diese ungerechte Bezahlung zurückzuweisen. Ich nahm sie in Empfang und sagte in der Hoffnung auf Nimmerwiederkehr El-Fascher Lebewohl.«

Browne konnte Darfur übrigens erst im Frühjahr 1796 verlassen, wo er sich einer nach Aegypten zurückkehrenden Karawane anschloß.

Die Stadt Cobbe, obgleich nicht der Sitz der Kaufleute, muß doch als die Hauptstadt von Darfur angesehen werden. Sie ist über zwei Meilen lang und dazu den Straßen nach sehr eng angelegt; jedes Haus steht inmitten eines von Palissaden umschlossenen Feldes, von dem immer ein Stück brach liegen bleibt.

Die Ebene, in der die Stadt sich erhebt, erstreckt sich nach Westen und Südwesten gegen zwanzig Meilen weit. Fast alle Einwohner sind Kaufleute, welche mit Aegypten Handel treiben. Die Zahl derselben wird nahezu 6000, darunter mehr Sklaven als Freie, betragen. Die Gesammtbevölkerung Darfurs dürfte 200.000 Seelen kaum übersteigen; zu dieser Schätzung kommt Browne jedoch nur durch die Anzahl der zu einem Kriege gegen Kordofan ausgehobenen Rekruten.

»Die Einwohner Darfurs«, heißt es in dem Berichte, »sind verschiedenen Ursprungs; die Einen kamen von den Ufern des Nils her, die Anderen aus dem Westen; sie sind entweder Fukkaras (Priester) oder Handelsleute. Es befinden sich darunter viele, im Lande nicht seßhafte Araber von verschiedenen Stämmen. Diese führen zum größten Theil ein unstätes Leben an den Grenzen von Darfur, wo sie ihre Kameele, Pferde und Rinder weiden lassen; auch sind sie dem Sultan nicht so unbedingt unterthan, um ihm in Kriegszeiten sicher Heeresfolge zu leisten oder im Frieden Tribut zu erlegen . . . Nach den Arabern kommen die Leute von Zeghawa, ein früher unabhängiges Land, dessen Häuptling, der Sage nach, tausend, aus seinen eigenen Leuten entnommene Reiter in's Feld stellen konnte. Die Zeghawas sprachen einen von dem Darfurs verschiedenen Dialect.

»Endlich wären hierzu noch die Bewohner von Begu oder Dageou zu rechnen, die von einem Stamme herrühren, der Darfur einstmals beherrschte.

»Die Einwohner können lange Zeit Hunger und Durst ertragen, ergaben sich aber doch mit Leidenschaft dem Genusse eines gegohrenen Liqueurs, der ›Brouza‹ oder ›Merisse‹. Diebstahl, Lüge, Betrug im Handel und alle meist damit einhergehenden Fehler bilden die Zierde der Darfurianer.

»Beim Kauf und Verkauf rühmen sich Vater und Sohn, wenn sie einander übervortheilen können. Unter Anrufung des Namens Gottes und des Propheten begeht man die frechsten Betrügereien und wirft man sich die ärgsten Lügen an den Hals.

»Die mohamedanische Religion gestattet bekanntlich die Vielweiberei, von der die Bewohner Darfurs den ausgedehntesten Gebrauch machen. Als der Sultan Teraub zum Kriege gegen Kordofan aufbrach, folgten ihm fünfhundert Frauen, und doch blieben noch ebenso viele im Palaste zurück. Das könnte einfach lächerlich erscheinen; man muß aber bedenken, daß diese Frauen für einen sehr großen Hofhalt das Getreide zu mahlen, Wasser zu holen, Speise zu bereiten und überhaupt Alles zu besorgen haben.«

Browne's Bericht enthält endlich noch recht interessante medicinische Beobachtungen, Rathschläge über das Verhalten auf Reisen in Afrika und Einzelheiten über die Säugethiere, Fische, Metalle und Pflanzen Darfurs. Wir übergehen das jedoch, da nichts darin enthalten ist, was heute noch der besonderen Aufmerksamkeit werth erscheint.


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