Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebenundzwanzigstes Capitel. Unterredung mit Hauptmann Corsican. – Fabian's Verzweiflung

Am andern Morgen eilte ich, Hauptmann Corsican aufzusuchen, und fand ihn im großen Saale; er hatte die Nacht bei Fabian zugebracht, der noch immer unter dem Druck der ungeheuren Aufregung von gestern Abend stand. Ahnte er bereits, daß Drake nicht allein an Bord war? Wurde ihm durch die Anwesenheit dieses Mannes auch Ellen's Hiersein enthüllt, und errieth er, daß die arme Irrsinnige und seine heißgeliebte Ellen ein und dieselbe Person waren?

Corsican konnte mir keine dieser Fragen beantworten, denn Fabian hatte die ganze Nacht bis jetzt im tiefsten Schweigen verharrt.

Corsican hegte eine warme, brüderliche Zuneigung für Fabian, er hatte ihn, so lange sie sich kannten, unwiderstehlich angezogen, und der jetzige Gemüthszustand meines armen Freundes brachte ihn fast zur Verzweiflung.

»Ich bin zu spät dazwischengetreten, rief er. Noch ehe Fabian die Hand gegen Drake erhob, hätte ich den Schurken ohrfeigen müssen.

– Das hätte meiner Meinung nach nichts an der Sache geändert, erwiderte ich; Harry Drake wäre nicht auf Ihre Intentionen eingegangen; er hatte es auf Fabian abgesehen, und so war die Katastrophe unvermeidlich.

– Sie haben Recht, bestätigte der Hauptmann, der Schuft hat seine Absicht erreicht; er hat Fabian, seine Vergangenheit und seine Liebe längst gekannt, und wer weiß, ob nicht die arme Ellen ihm in ihrem Schwachsinn selbst Aufschluß über ihren Kummer gegeben hat. Es ist sogar möglich, daß er schon vor der Verheiratung aus der unschuldigen Seele das Geheimniß ihres Mädchenlebens herausgepreßt hat. Von seinen Trieben gereizt, hat er schon lange diesen Streit mit Fabian geplant und sich dabei die Rolle des Beleidigten vorbehalten. Was für ein fürchterlicher Duellant muß dieser Lump sein!

– Er soll allerdings schon drei oder vier solcher Affairen durchgemacht haben, die höchst unglücklich endeten«, bemerkte ich.

Corsican machte eine abwehrende Handbewegung.

»Ich fürchte für Fabian nicht das Duell an sich, sagte er; Hauptmann Mac Elwin läßt sich durch keine Gefahr aus seiner gleichmäßigen Ruhe bringen. Aber die Folgen dieser Begegnung können im höchsten Grade unheilvoll für ihn werden. Gesetzt, Fabian tödtet diesen gemeinen Menschen, so thut sich zwischen ihm und Ellen eine Kluft auf, die durch Nichts in dieser Welt überbrückt werden kann. Das versetzt mich schon jetzt in die größte Sorge, obgleich das arme Wesen sich aller Wahrscheinlichkeit nach in einem Zustande befindet, der jede Vereinigung mit Fabian vorläufig als ein Unding erscheinen läßt.

– Trotz alles Unheils, das daraus entstehen kann, müssen wir für Ellen und Fabian doch wünschen, daß Harry Drake unterliegt. Die Gerechtigkeit ist auf unserer Seite, entgegnete ich.

– Gewiß, da es einmal so weit gekommen ist, gab Corsican zu; mir aber blutet das Herz, und ich bin außer mir, daß ich diese Begegnung, wenn auch um den Preis meines Lebens, nicht habe verhindern können.

– Hauptmann, sagte ich und erfaßte die Hand dieses edlen, opferfähigen Freundes, wir haben bis jetzt noch nicht die Zeugen Drake's empfangen; ich kann deshalb, wenn Ihnen auch alle Umstände Recht geben, noch nicht verzweifeln.

– Wissen Sie ein Mittel, durch das wir der Angelegenheit vorbeugen können?

– Bis jetzt nicht; aber jedenfalls kann das Duell doch erst in Amerika stattfinden, und wer weiß, ob bis dahin nicht der Zufall, durch den diese Situation herbeigeführt ist, den Knoten löst.«

Hauptmann Corsican schüttelte ungläubig den Kopf, wie ein Mann, der das Spiel des Zufalls in menschlichen Angelegenheiten ableugnet. In diesem Augenblick erschien Fabian oben auf der Treppe, die auf das Verdeck führt. Ich sah ihn nur einen Augenblick an, aber ich fühlte sofort, daß die Wunde in ihm von Neuem blutete; er sah so bleich und gramerfüllt aus, daß mich sein Anblick auf's Tiefste ergriff. Wir folgten ihm, aber er suchte uns auszuweichen und starrte ziellos umher, als wolle er die schon halb ihrer sterblichen Hülle entwichene Seele heraufbeschwören.

Corsican und ich dachten, daß wir ihm jetzt wohl unsere Freundschaft am Besten beweisen könnten, wenn wir seinen Schmerz achteten und ihm nicht mit unserer Gegenwart lästig fielen.

Aber plötzlich näherte sich uns Fabian und sagte:

»Sie ist es gewesen! Die Wahnsinnige! Es war Ellen, nicht wahr? die arme Ellen! –«

Er schien noch zu zweifeln, ging aber fort, ohne eine Antwort von uns abzuwarten, und wir waren froh, einer solchen enthoben zu sein.


 << zurück weiter >>