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Erster Akt

Don Carlos
Oh, wie ich traurig bin und müde heute Nacht!
Und wie so traurig auch über die leeren
Gefilde fahl der Himmel Spaniens wacht!
Der kalte Escorial wirft seinen schweren
Schatten viel schärfer noch und schwärzer hin
Als all die andern, die ich mit dem Blick durchspüre
Und die mich ansehn und mich sterben sehn.
O mein verschloßner Traum, wann brech ich deine Türe,
Wann werdet, Wünsche ihr, mir in Erfüllung gehn!

Er geht gegen den Rand der Terrasse zu und wartet.

Gestern war ich noch klar und fest. All meine Kraft
Erbebte wie ein Schwert, das auf den Sieg sich stemmt;
Ich war begnadet, war emporgerafft
Zu Zukunftsträumen, oh, mit solcher Leidenschaft,
Sie hätte meinen Ahnherrn stolz gemacht!
Und nun wie immer, müde, leidend, schwach,
Den eignen großen Träumen fremd.

Er wendet sich zu der Seite, von der die Komtesse kommen soll.

Mein Gott, was kommt sie heute nicht!

Plötzlich heftig.

Was kommt sie nicht, da ich sie doch begehre!

Die Komtesse erscheint an der linken Stiege.
Carlos! Mein König Carlos!

Carlos sich in ihre Arme stürzend.
Geliebte! O das schöne Licht
In deinem Blick! Wenn ich nur deine Stimme höre.

Die Komtesse hastig.
Die Marquise von Amboise ist gerettet! Zu dieser Stunde ist sie schon auf offener See. Die Reformierten in England erwarten sie. All deine Befehle sind ausgeführt. Oh, was für ein edles Werk du tatest, mein König!

Carlos zerstreut.
Ah!

Die Komtesse
Bedauerst du's?

Carlos
Oh, wie ich mich krank und müde fühle!
Alle Schmerzen und Fieber spülen
Ihr Feuer in meine fahle Brust,
In mir wühlt heimtückisch das Leid,
Die alte Wunde hämmert und klopft.
O Liebste, wie da deine Liebe befreit,
Wie stark und schön die lebendige Lust
Von deinen versiegelnden Küssen tropft!

Die Komtesse
Carlos!

Carlos
Was bist du, Teure, nicht immer bei mir
Mit deiner Seele, die Sanftmut besternt,
Mit deinem Vertrauen in meine Kraft,
Das manchmal erschlafft
Und neu sich stet zu erflammen gelernt?
Don Carlos bin ich und trage die Glut
Und Trauer und Schmerz und den Glanz eines Traums.
Seit vielen Jahren nährt ihn mein Blut,
Doch ewig bleibt er im schwellenden Raum
Meines Herzens gefangen und rauscht nicht empor
Zur wirklichen Tat und zum Heldentum.
Aber ich habe nicht Zeit,
Denn bevor
Die Glocken trauernd mein Sterben verkünden,
Müssen sie erst meinen Sieg, meinen Ruhm
Jauchzend hinschreien zu allen Winden.
O Karl der Fünfte, ich bin ein Stein,
Von deinem Schwung in die Welt entsendet,
Ich will die funkelnde Waffe sein,
Die deine glorreiche Tat vollendet.

Die Komtesse
Endlich, Carlos, besinnst du dich!

Carlos
Eben noch fürchtete ich dein Wort. Ich war ohne Leben. Ich wagte nicht mehr an die Kühnheit meiner Pläne zu denken. Doch morgen schon werden sie sich erfüllen. Alles ist beschlossen, versprochen. Nur die Hilfe Don Juans fehlt mir noch.

Ein Schweigen.

Er hatte dir doch versprochen, mit uns die Marquise von Amboise zu retten. Hat er Wort gehalten?

Die Komtesse
Von Guipuzcoa begab sich die Marquise nach Renteria und Pasajes. Don Juan, der Admiral der Flotte, konnte, dank eines vom Könige zufällig gegebenen Befehls, seine Flotte entfernen. Die Küsten waren unbewacht. Eine Barke wurde gebracht, mit ihr konnte sie Spanien verlassen. So half uns Don Juan, ohne daß es den Anschein hatte, er unterstütze unsere Absichten.

Carlos
Gut so!

Die Komtesse
Du weißt, wie sehr ich die Marquise liebe, wie ich zitterte, sie in Madrid zu wissen. Der König Philipp suchte sie mit allen Fallstricken zu fangen, weil er sie der Häresie verdächtigte.

Carlos
Nicht mein Vater war zu fürchten, sondern die Mönche. Sie sind gefährlich.

Die Komtesse
Leider!

Carlos brüsk.
Nein, nein! Nicht so. Sie sind die unerschütterliche Stütze meiner Macht, sie sind das Blut, das Herz und die Kraft Spaniens. Wenn ich jemals bereuen sollte, die Marquise so gerettet zu haben, so werden sie es sein, die mich daran erinnern werden. ... Wirklich, ich muß dich mehr lieben als mich selbst, muß dich blind und verzweifelt lieben, lieben wie eine Sünde ...

Die Komtesse zärtlich.
Verzeih es mir!

Carlos
Komm näher, komm, bis unsre Brust vereinigt
Und unsrer Lippen Brand, daß ich vergessen kann ...
Bedenk, die Kirche ist das Heil! Sie reinigt
Die trübe Welt in ihren lautern Feuern,
Sie zehrt sie auf, doch nur, sie zu erneuern,
Und trägt sie rein zu Gottes Blick hinan.
Du darfst der Kirche Tücke nicht so furchtbar finden,
Weil sie als Löwin drohend – und doch liebend – jagt
Und der Verdammten Leib voll Schmach und Sünden
Mit heißen Zähnen sich als Opfer packt.
Ist blutig auch die Tat, das Recht ist doch mit ihnen:
Nützlich ist sie und kann selbst einem König dienen.
Sie alle fürchten Rom – nur ich allein
Habe das Herz so kraftvoll geschwellt,
Daß ich es wage, mir Kirche und König zu sein,
Der Herrscher der Welt!

Die Komtesse
Carlos, du träumst!

Carlos fiebernd.
Nein, nein, nein, nein! In meinem Haupte stürmt
So toll der Stolz, daß alle Zweifel schwinden.
Mit meinem Reiche wird sich erst die Königsmacht begründen,
Und dieses Haus, gigantisch wie ein Fels getürmt,
Zu groß für meinen Vater, wird für mich erst passen.
Auf seine Mauern wird man meine Taten malen lassen,
Wie ich zu fernem Land den Ozean durchdrungen,
Die Schlachten, Taten und Eroberungen.
Ich weiß, ich weiß, ich gewinne die Welt,
Das Meer und Sonne, auch sie werden mein,
Und selbst der Tod wird dann machtlos sein,
Weil mein Wille ihn eisern zu Boden hält.

Die Komtesse fast mit Mitleid.
Carlos! Carlos!

Carlos sich beruhigend.
Frage Don Juan, wie wir zusammen träumten, wie unsere Herzen selig der Zukunft vertrauten. Wir haben uns einer dem andern ewigen Ruhm verheißen, und beide werden wir ihn gewinnen.

Die Komtesse
Kommt Don Juan hierher?

Carlos macht ein bejahendes Zeichen und fährt fort.
Mit welchem Jubel wird er meinem Aufstieg folgen! Seit langem ahnt er mein Verlangen, aber er weiß nicht, was ich wagen will, was ich schon morgen ohne Zögern wagen will.

Plötzlich wieder kraftlos.

Ich kann nicht mehr ... Ich kann nicht mehr ... Ich muß sofort flüchten, muß nach Flandern.

Die Komtesse zieht ihn sanft gegen den Rand der Terrasse hin. Das Licht am Fenster des Königs ist erloschen.
Sieh doch die schöne Nacht und sieh ihr Schweigen
Sich groß und göttlich über alle Fernen neigen!

Carlos ihr nachgebend.
O reine ernste Nacht, voll Glanz und Frieden,
Fern leuchtend mit den Bergen, den verklärten! ...
Der Escorial schläft ein. Und auch in seinen Gärten
Die Blüten schlummern, die zu üppig glühten.
Dort glänzt Madrid. Sein hoher Glockendom
Blickt blinkend über das verworrene Gesträuch,
Und leise raunt der linde Manzanaresstrom
Legenden hin von unserm Königreich.

Die Komtesse
Mild haucht die Luft, das Feld mit Silber überblitzend,
O wie, mein Liebster, doch das Leben göttlich ist,
Und wie mein armer Arm dich immer schützend
So hüten wollte, daß du all dein Leid vergißt.
Ich kam zu dir mit mütterlich bewegter Seele
Aus Frankreich, wo man liebt, ohne zu bangen,
Wo sanftrer Himmel alles gütig macht
Und man aus Stunden liebenden Verlangens
Nicht grell erschreckt von bösem Traum erwacht.

Carlos
O deine schönen Augen, deine stolze Seele!

Die Komtesse
Nur deinem Ruhm und Sieg gilt all ihr Feuer,
Ich träum dich als König, heiter und lind,
Wie unsre weißen Valois sind,
In hellen Gemächern, in grünen Bezirken
Frei zu herrschen und frei als König zu wirken.

Carlos
Ich aber lieb die Ferne und das Abenteuer!

Die Komtesse
Im Escoriale haucht nur Moderluft,
Vergiftet von Tücke und finstrer Gewalt.
Hier lebt man nicht, man taumelt in die Gruft.
Und abends ballt
Der Winde Schrei wie ein schwarzes Tuch
Sich auf und wirft sich über das Land.
Die Berge sind finster, rotglühend der Sand,
Und drohend stehen in gleichem Kleid
Verdorrte Höhen rings aufgereiht;
Der Boden ist Frost und Feuer zugleich,
Nur die bösen Begierden entkeimen ihm reich.

Carlos
Oh, wie oft hat auch mich der Ekel gepackt,
Der fiebernde Zorn, und wie ungeheuer,
Mit Wahnsinnsfeuer
Aufleuchtend, in meine Nächte geflackt.

In diesem Augenblick erscheint Philipp auf der linken Stiege zur Terrasse und schreitet von rückwärts sehr langsam gegen die Komtesse und Don Carlos zu, die ihn nicht bemerken.

Doch heute hab ich dich und deiner Seele Kraft,
Der Liebe lichten See, darin mein Leid ertrinkt.
In Strahlenfluten braust der Worte Strom
Zu mir, und Blicke, drin die Leidenschaft
Wie Widerstrahl der großen Güte blinkt.
Horch! Unser Glück ist süß umhegt von Schweigen,
Und dein Zimmer ist still, und dein Leib ist mein eigen,
O höre Geliebte ... o komm ... o komm ...

Don Carlos zieht die Komtesse gegen das Zimmer hin.

Die Komtesse sich zurückwendend.
Der König!

Philipp sieht sie einen Augenblick an, macht eine vage, beruhigende Handbewegung und setzt seine nächtliche Wanderung fort; er verschwindet auf der rechten Stiege.

O Gott! Bis in die letzte Tiefe
Hab ich die Starre meines Bluts gefühlt!

Carlos von der Rampe hinausblickend.
Das Licht verlöscht, die Fenster ganz verhüllt,
Er wollte glauben machen, daß er schliefe.

Plötzlich losbrechend.

Du nächtiger König, der uns schleichend belauert,
Du tückischer Träger geheimer Gewalt,
Ich fühle es furchtbar, bei jedem Schritt,
Der aus der Dämmerung von dir hallt,
Bröckelt ein Stück meines Herzens mit.
König, du Vater, vor dem mir schauert,
Herrscher, den drohendes Dunkel hält,
Die Winde in ihrem Zorne sprechen
Die Botschaft von deinen roten Verbrechen
Mit wilden Schreien hinaus in die Welt. –
Gott sei mein Zeuge, daß ich, dein Sohn,
Mit Recht mich aus deiner Umklammrung wühle,
Deren stickende Arme ich schon
Würgend an meiner Kehle fühle!

Die Komtesse
Carlos! Carlos!

Carlos
Leben will ich, und wenn ich sinke,
Daß sich mein Sterben dem Siege gattet!
Und bin ich müde, so ist es nur,
Weil ich die stickige Hofluft trinke,
Und weil seine fahle Gespensterspur
Schreckhaft auf meine Wege schattet.
Wo wäre die Seele, die da nicht ermattet?
Das eigne Haus wars, das mich so schwächte,
Pagen und Pfaffen, Schranzen und Knechte.
Doch nun werd ich frei –
Mein Stolz, mein Schicksal erklimmen die Höhn,
Wo meine winkenden Ziele stehn.
Vom Haß befeuert,
Von der Hoffnung erneuert,
Sprengt meine Seele die Bande entzwei,
Und deine Liebe, die all dies vollbracht,
ist es, die mich so trunken macht!

Carlos hat sich allmählich der Rampe genähert. Plötzlich schauert er zusammen, faßt die Komtesse und deutet in den Hof des Escorials hinaus.

Da, komm, und schau herab! Siehst du da unten den schwarzen Mönch, der wie zufällig auf die Ecke zusteuert, wo der König verschwunden ist? Dieser Mönch ist der Spion der Inquisition. Philipp überwacht, aber er ist selbst bewacht. Jeden Schritt, den er gegen uns zu macht, macht ein andrer gegen ihn. Siehst du, er tritt ins Haus, und der Mönch verschwindet.

Zu sich selbst.

Ein solches Leben könnt ich nie ertragen!

Die Komtesse
Der König, er lauert aus tausend Verstecken
Feindlich und falsch. Mit hämischer Tücke
Schleicht er auf Gängen und wirft durch die Hecken
Seine gierig spähenden Blicke,
Die durch den Leib in die Seele trachten
Und das Leben wie eine Sünde verachten.
O Carlos, wenn nicht in so wunderbaren
Gluten unsre Seelen auflohten,
Er würde das Herz uns zu Eis erstarren
Und dann es formen nach seinen Geboten.

Carlos
Fürchte dich nicht! Ich fühle den Schein
Verwegener Taten mein Herz überglänzen,
Hoffnung und Zorn prägen mich rein,
Und morgen werde ich König sein!
In Flandern beginn ich, und über den Grenzen
Werde ich Hilfe bei Frankreich suchen,
Und den Tag, an dem er zuerst mich gekränkt,
Wird mein Vater niemals genug verfluchen!

Die Komtesse
Da kommt Don Juan! Leb wohl! Mein Herz bleibt hier an deinen Lippen hangen.

Sie zieht sich zurück.

Carlos zu sich selbst.
Der König schenkt ihm rückhaltlos Vertrauen,
Er weiß ja nicht, wie Don Juan mich liebt.

Er wendet sich um, sieht Don Juan, der ihm grüßend entgegentritt.

Carlos gebieterisch.
Ich will aus Spanien flüchten und will, daß du mir hilfst, und zwar morgen! Zögere nicht!

Sich beruhigend.

Don Juan, besinne dich
An unsre Jugend, die brüderlich
Einst ihre glühendsten Träume teilte,
Damals, als wir noch unzertrennlich
Auf der Schule zu Alcala weilten.
O unser Herz, wie war es beständig,
Karl der Fünfte hielt es in seiner Hand!
Du ahntest schon da die entsetzliche Last
Meines späteren Lebens: ich war der Infant!
Du liebtest nicht Philipp – ich hab ihn gehaßt,
O wie wir ihn haßten, wie brünstig und bös!
Und wie du mich später verlassen hast
– Ich riet es dir selber – da warst du erlöst
Von Feinden und Neidern. Auf wilder See
In Sturm und Gefahren, in allen Meeren
Durftest du herrschen auf meinen Galeeren.
Aber ich, mit meinem verzweifelten Weh,
Mit dem heißen Herzen, das aufquillt und gärt,
Blieb Sklave des Königs, blieb ewig ein Kind,
All meine Wege und Wünsche sind
Von ihm gesperrt und mit Ketten beschwert.
Mein Vater umringt mich mit Spähern und Ehren.
Ich würd es nicht merken, wagt er zu hoffen,
Daß Verachtung sich hinter der Gunst verbirgt,
Und ewig erdulden so bitteren Hohn.
Er handelt verschlagen, ich kämpfe offen!
Ahnst du nun schon,
Warum ich mein Herz so in Wut zerreiße,
Wild um mich zu schlagen, zu brechen und beißen?

Don Juan
Carlos!

Carlos
Ich vertraue dir so
Wie damals, als Wahnsinn jäh in mir auflohte
Und mein ganzes Sein zu verschlingen drohte.
Damals hast du mich Bruder genannt,
Und ich fand
Von all den Namen der Zärtlichkeiten
Keinen, der mich ähnlich beglückte.
Du warst mir mehr als ein Prinz und Begleiter,
Du warst der sanfte Freund meiner Leiden,
Vor dir allein nur hatt ich nicht Scham
Zu weinen, wenn Schmerz mich jäh überkam.
Längst schon entrückte
Die Zeit mir all diese kindischen Schmerzen,
Aber sie könnten wieder erwachen,
Wenn mein Vater sie wieder aufflammen läßt,
Bosheit und Haß wohnt in seinem Herzen.
Nachts fühl ich ihn meine Träume durchschleichen
Auf Wegen, die strömendes Blut benäßt,
Ich fühl ihn mir Stirn und die Wangen streichen
Und Hals und Nacken
Mit langen Fingern, die plötzlich zupacken,
Mit seinen falschen, kalten und kühlen
Mördrischen Fingern ...
O Don Juan, kannst du es fühlen,
Daß man, wenn man Don Carlos heißt,
Aufschreit und tollwütig um sich beißt?

Don Juan unwillkürlich.
O sicherlich!

Don Carlos
Philipp war noch Infant wie ich, als er schon Herrscher war über Flandern. Er zwang seinen Vater, ihm Platz zu machen. Ich befolge sein Beispiel. Lange habe ich geschwiegen, aber heute bin ich im Alter, wo man gebietet. Im Alter, wo man herrscht, wenn man Infant von Spanien ist.

Mir ist es gleichgültig, ob der König den Herzog von Alba ernennt oder nicht. Ich ernenne mich selbst.

Don Juan
Das wäre Empörung, Carlos!

Carlos
Berghes und Montigny haben es mir beide vorausgesagt, sie rieten mir, mit Gewalt mein Recht zu nehmen, das man mir verweigert.

Don Juan
Berghes und Montigny sind beide tot.

Carlos
Berghes starb noch zur rechten Zeit. Montigny wurde getötet. Ich wahre ihr Angedenken. Aber mir bleiben noch die Edelleute Flanderns. Brederode, Horn und Egmont unterstützen meine Ansprüche. Ich brauche nur zu erscheinen und finde ein Heer bereit. Sie haben es mir zugesagt, es ist bereit. Sie warten auf niemanden als auf ihren Führer: auf mich!

Wenn ich zögere, entgehen Spanien für immer die flandrischen Städte: Antwerpen, Brüssel und Gent. Der Herzog von Alba ist dort verabscheut. Seine bloße Gegenwart nur würde die Revolte entflammen. Schon beginnt der Name Wilhelms von Oranien groß zu werden, das Volk berauscht sich an ihm und vergißt Karl den Fünften. Weder die Regentin noch Granvella können Widerstand leisten. Sie sind am Ende ihrer Kräfte.

Don Juan
Wie gut du unterrichtet bist!

Carlos
Ich habe mehr, als du glaubst, an meinen Sieg gedacht. So wie du ausgezogen bist, die Türken zu bekämpfen, berausche auch ich mich am Gedanken der Schlachten und Kriege. Du bist mir ergeben wie keiner: gestern hast du erst mit mir gemeinsam die Marquise von Amboise gerettet. So sage, wann ziehen wir gemeinsam aus?

Don Juan
Aber ich kann ja nicht ... ich will nicht ... ich ...

Carlos
Ich brauche deine Schiffe und deine Soldaten. Zuerst gewinne ich Frankreich für mich, dann Flandern. Die Valois werden mich unterstützen, sie verabscheuen Philipp den Zweiten. Gent, Brüssel und Antwerpen werden meine Städte sein, wie sie einst die König Karls waren.

O Don Juan, hörst du die Glocken klingen,
Wie jauchzend sie mir schon entgegenschwingen?
Mit Jubel empfängt mich ganz Niederland,
Ich werd ihren Trotz zu Liebe beschwichten
Und nicht ihn wie Philipp mit Haß vernichten.
Nicht schwächer, allein mit gerechter Hand
Werde ich dort unsre Herrschaft wahren;
Ich werde nicht lügen! Mit wahren und klaren
Taten will ich sie überreden,
Und daß ich gerecht bin, wird einem jeden
Mein Abfall vom Könige offenbaren.

Don Juan
Carlos, du bist Infant von Spanien, du kannst nicht angesichts der ganzen Welt, und deines Vaters ...

Carlos
Ludwig der Elfte, der Dauphin von Frankreich, tat dasselbe.

Don Juan
Aber dein Traum ist Verbrechen! Wenn es dir nicht gelingt, bist du auf immer verloren.

Carlos
Karl dem Fünften gelang alles!

Don Juan
Niemals hat er sein Recht an den Zufall gewagt!

Carlos
Er hätt mich begriffen.
Doch ich will nichts mehr hören!
Der Herzog von Alba darf nicht nach Flandern,
Keiner soll mich mehr hindern und stören,
Nichts, nein, nichts mehr hält mich zurück!
Willst du meinen Tod oder willst du mein Glück?
Wähle das eine, wähle das andre!
O folge mir, Don Juan! Laß dich beschwören!

Don Juan unsicher und eine Ausflucht suchend.
Carlos, Carlos, wenn ich nur könnte ...

Carlos
Du haßt den Herzog nicht minder als ich!

Don Juan
Ja ja! Allein ... es ist so abenteuerlich,
So wild ... so ...

Carlos
Was denn? Was denn?

Don Juan zu sich selber.
Vielleicht ... das Beste wär, es vor den König bringen ...

Carlos
Was willst du tun? Sag mir es, sag! Was planst du denn ...

Don Juan zu sich selbst.
Der König ... ja, man muß ihn wissen lassen ...
Er wirds verstehn ... o sicherlich ...

Carlos
Also es gilt! Ich kann mich drauf verlassen,
Ich geh nach Flandern, du begleitest mich.

Don Juan mit Festigkeit, laut.
Nein, mehr noch! Selbst will ich dich dorthin bringen!
Mir war nie bang vor stolzen Unternehmen,
Waren sie schwer, so dünkten sie mir doppelt schön!
Ich weiß, ich muß mich meiner Tat nicht schämen,
Sie fordert Mut! Rasch will ich sie vollbringen.
Du warte hier! Laß mich allein zu Werke gehn!

Er eilt rasch ab.

Carlos eilt zum andern Zimmer, der Komtesse entgegen.
Sieg, Sieg, Geliebte, wir werden frei!
Don Juan hilft mir, er bleibt mir treu,
Und morgen schon sprüht
Das offene Meer seine schäumenden Wogen
An unser Schiff, das den höhnischen Blicken
Nordwärts entflieht.
Du wirst meine goldne Galeere schmücken,
Und das Entzücken
Unsrer seligen Fahrt
Wird so sehr das Feuer der Jugend ausstrahlen,
Daß es selbst ferne, in seinen kahlen
Und kalten Gemächern der König gewahrt!

Die Komtesse
Meine Freude ist toll, meine Seele klingt
Von Jubel, daß unsrer Liebe so Großes gelingt.
Don Juan hat dir also den Tag bestimmt,
Den Ort und die Zeit ...

Carlos
Don Juan hat mir sein Wort verpfändet,
Wir gehn nach Antwerpen. Er selber nimmt
Teil an allen Gefahren und Sorgen.
Sein Herz ist stark, sein Geist ist behende,
Und was er plant, sagt er mir morgen.

Die Komtesse
Und inzwischen? Was tut er? Will er alles rasch vollbringen, daß du schon dorten bist, ehe dein Vater etwas ahnt?

Carlos
Don Juan hat mir nichts gesagt. Es wird für dich die Überraschung sein, alles vollendet zu sehn, ohne es vorher begriffen zu haben.

Die Komtesse
Carlos, ich habe Angst vor Dingen, die ich nicht verstehen kann!

Carlos erschrocken.
Wie? Du zweifelst? Mein Gott, wie soll ich meine Kraft bewahren können, wenn du zweifelst!

Die Komtesse sich rasch wieder besinnend.
Nein, nein, das ist nicht mein Herz, das jetzt gesprochen hat. Meine Hoffnung ist jetzt wie immer stolz und aufrecht.

Carlos niedergeschlagen.
Mein Gott! Und ich sah schon alles vollbracht, vollendet.
Die ganze Welt lag golden uns zu Füßen.

Die Komtesse
Und das allein nur, was du siehst, ist wahr.

Carlos
Nein, nein, zu matt sind meine Glieder,
Ich fühl mich gepackt von Unheil und Grauen!
Alles, wohin meine Augen nur schauen,
Flüchtet vor mir oder schattet hernieder.
Eine einz'ge Sekunde kann mich entfachen
Und die nächste schon wieder urelend machen!
Selbst deine Liebe läßt mich im Stich!
Ich zaudre und schaudre und fürchte mich
Und sehe wie in einen schwarzen Schacht
Meinen Traum hinstürzen, die Königsmacht!

Die Komtesse glühend.
Nein, was du siehst, ist nichts als dein Mut
Und dein blendender Ruhm! Du bist der Welt
Als der junge, feurige Retter bestellt,
Sie zu behüten von den Stürmen der Wut,
Mit denen dein Vater sie niederhält. –
Raffe dich auf zu deiner Krone,
Der Krone Spaniens, der Krone der Welt,
Entreiße sie endlich dem grausamen Sohne
Karls des Fünften, der mit seinen nun kalten
Händen sie einst über die Welt hin gehalten!

Carlos sich wieder aufraffend.
O Dank für diese heiligen Erinnerungen,
Die meine Stirn berühren wie zum Segen!
Heiß wie von Flammen fühl ich mich durchdrungen,
Wenn du so sprichst. Aus meinem Herz bricht Singen
Und rauscht dem deinen wundersam entgegen.
Ich trinke Lebensglut von deinem roten Munde
Und fühl mich stark. Die dunkle Angst zerstiebt
Wie Rauch vor deiner lichten Gegenwart.
O wie beseelt von Schweigen ist doch diese Stunde,
Wie schön dein Auge, da es seinen König liebt.

Die Komtesse
Komm, Carlos! Komm! ... Die Nacht ist eine Krone,
Aus Glut und Dunkel auf der Liebe Haupt geschmiegt.
Horch hin, horch hin! Der dunkle Manzanaresstrom
Raunt die Legenden von dem Königssohne,
Von dir, dem Kaiser, der die Welt besiegt,
Durch alle Zeiten hin. O hör sein klingend Rauschen,
Wie es von Wirklichkeiten hin zu Träumen wiegt!
Komm! Laß uns lieben, laß uns lauschen ... komm! ...
O komm!

Sie treten umschlungen langsam in die Gärten hinab und verschwinden.


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