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Dritter Akt

Gleiche Szenerie wie im ersten Akte: der Klostergarten.

Der Prior
Die ganze Nacht habe ich darüber sinnen müssen. Zu denken, daß in meiner Gegenwart ein so erbitterter Zwist in der Versammlung ausbrechen konnte, daß Dom Balthasars Beichte erfolglos war, daß die Mönche ...

Dom Militien
Oh, Ihr habt sie wundervoll gebändigt!

Der Prior
Lieber wäre ich sofort dort auf meinem Stuhle gestorben, als daß ich Balthasar ihnen preisgegeben hätte! Alle stürzten sie sich gegen ihn, gegen mich ... Und Balthasar rührte sich nicht, verteidigte sich nicht ... Seine ganze Kraft schien erstorben, sein Stolz zerschmettert.

Dom Militien
Gewissensbisse zerreißen auch die Kraftvollsten!

Der Prior
Und wie dieser Isebald sich uns widersetzte! Wie sein böser Einfluß alle Mönche gewann! Wie sie alle ihre Kühnheit, ihre Ungeduld schamlos offenbarten! Mir war, als ob mir die Herrschaft dieses Klosters plötzlich entschwände, als ob meine Autorität geknickt sei und vom Sturme weggefegt ...

Dom Militien
Niemals habt Ihr auch zu ihnen in solchem Ton gesprochen!

Der Prior
Und sie, in welchem Ton denn forderten sie mich heraus! Habt Ihr denn nicht ihre Antworten gehört, ihre Verdächtigungen, ihre Anspielungen? All das, was sie sagten und wie sie es sagten, deutete auf ein geheimes Einverständnis hin, ein plötzliches Bewußtsein ihrer Kraft. Was mich aber beunruhigt, ist, daß sie solcherlei nicht nur zu denken, sondern zu reden wagten in Eurer Gegenwart und in meiner. In diesem Kloster muß irgend etwas Bedeutsames sich gewandelt haben, ohne daß ich davon wußte, ohne daß ich es jetzt weiß.

Dom Militien
Wenn man alt ist, wie wir, hat man nicht Augen mehr, um alles zu sehen, was sich verwandelt.

Der Prior faßt Dom Militien beim Arme und sieht ihm, in die Augen.
Dreißig Jahre war hier alles in Ordnung und Unterwerfung! Als ich zum Prior gewählt wurde, waret Ihr der einzige, der mir den Platz streitig machte. Und als ich dann ernannt wurde, seid Ihr der erste gewesen, Euch mir unterzuordnen. Vielleicht hätte ich nicht Eure Gerechtigkeit und Weisheit gehabt, wäre das Schicksal mir ungünstig gewesen. Und wie treu Ihr mir immer mit gutem Rate beigestanden seid! Was ist Eure Meinung: glaubt Ihr, daß wirklich Balthasar mein Nachfolger sein wird?

Dom Militien
Isebald und Thomas, beide begehren Eure Würde. Am Tage, wo Balthasar verloren sein wird, werden sie sich trennen und sich bekämpfen. Bis jetzt sind sie noch einig: das ist immerhin ein gutes Zeichen.

Der Prior
Mein Gott, ich wag dir kaum Glauben zu schenken,
Seitdem ich schon an mir selber verzage.
Das Erz meines Ansehns zeigt jähe Sprünge,
Ich hör es nicht mehr mit ehernem Schlage
Furcht und Schweigen den andern aufzwingen.
Ich bin siebenzig Jahr. Meine Arme sind schwach,
Kaum können sie mehr hoch über der Menge
Die Hostie halten. Der Tod stellt mir nach.
Ich bin eine Mauer, die schwankt und die fällt,
Nur ihr Turm will immer noch ragen und ragen. –
Ich war in diesen schwachen und weichlichen Tagen
Als letzter Prior von Kraft und von Strenge
Der Kirche und ihrem Kloster bestellt,
Doch da ich nun sinke,
Wird dieses Kloster Gott weiß in wie tiefem
Moraste von Schwäche und Schlamm ertrinken.

Ein Schweigen.

Ich sehe keinen außer dir, Dom Militien, der mein Nachfolger werden könnte!

Dom Militien
Ich? Bin ich denn nicht auch besiegt und schwank, wenn Ihr es seid? Bin ich denn nicht müde, krank, unnütz, zwei Finger weit von meinem Grabe? Wer weiß, wer von uns beiden den anderen einsargt! Wir haben unser Werk in Eintracht mit Gottes Willen getan und können beruhigt scheiden.

Ein Schweigen.

Übrigens, wenn Dom Balthasar seinen eigenen Zwiespalt überwunden hat, so wird er auch die andern bezwingen.

Der Prior
Oh, dafür laß nur mich Sorge tragen! Ich fühle mich noch stark genug für diese letzte Aufgabe. Aber wenn er selbst mit eigener Hand sich vernichten würde, wenn er die ererbte Kraft, die ihm wundervollen Rückhalt bietet, selbst zerbräche! Es gibt eine Stunde, wo die besten und verläßlichsten Kräfte eines Menschen gerade an seinem Untergang wirken. Und dann gibt es nichts mehr zu helfen, das ist das Ende, das endgültige Ende

Dom Militien
Es bliebe noch Dom Marc.

Der Prior
Ach der! Niemals! Seine Hände können nichts als beten.

Ferne Glockentöne klingen.

Dom Militien
Die Frühmesse ist beendet. Unsere Mönche nahen.

Der Prior
Laßt uns gehn! Ihr werdet die Messe zelebrieren. Ich selbst werde die Predigt halten.

Sie gehen ab. Die Mönche kommen heran. Die einen wandeln unter den Lauben, die andern stehen beisammen und plaudern.

Isebald zu Thomas.
Warum habt Ihr dem Prior so öffentlich recht gegeben?
Man darf nie den Feinden seine Zustimmung zeigen.

Thomas
Das versteht Ihr nicht!

Isebald
Seit gestern scheint Ihr mir ganz verwandelt. Ich erkenne Euch kaum wieder!

Thomas
Nochmals: das versteht Ihr nicht!

Isebald
Was denn? ... Was denn? ... So sprecht doch!

Thomas mit den Achseln zuckend und Isebald erst nach einer Weile antwortend.
Der Prior hat recht! Die Autorität muß unverletzlich und unantastbar bleiben ... Übrigens, der Lauf der Dinge überstürzt sich dermaßen, daß es unwichtig wäre, über mein Benehmen zu streiten. Alle finden es richtig, selbst Theodul. Er hat es mir selbst gesagt!

Isebald
Theodul?

Thomas
Der Hohn des Priors hat ihm die Augen geöffnet.

Isebald
Sagt einmal, wie wäre es, wenn ich Dom Balthasar den Behörden angeben würde? Die öffentliche Justiz würde ihn am besten unschädlich machen, und unsere Mönche wüßten mir Dank ...

Thomas
Ein Mönch untersteht keinem anderen Gericht als dem seiner Brüder. Da Dom Balthasar zu uns flüchtete, um sein Verbrechen zu verbergen, ist es Pflicht dieses Klosters, es zu verscharren.

Isebald
Es wäre aber so leicht ...

Thomas
Ich verbiete Euch, mich zu versuchen ... Dom Balthasar vernichtet sich selbst. Gestern noch erwog ich alle Möglichkeiten, ihn niederzuschlagen, heute weiß ich, daß es unnötig ist. Die Reue ist die mörderischste Leidenschaft! Es genügt, ihn willfahren zu lassen.

Isebald
Ihr habt unrecht. Laßt mich nur handeln!

Thomas
Euch handeln lassen? ... Euch ... Euch?

Mit einem plötzlichen Entschluß.

Ihr sollt sehen!

Alle Brüder heranrufend.

Meine Brüder ... meine Brüder ... hört, hört alle! Einer rät mir hier, Dom Balthasar jenen außerhalb unseres Klosters anzugeben, die sein Verbrechen blutig bestrafen würden. Ich rufe euch zu Zeugen des Ekels an, den ich bei diesem Vorschlag empfinde.

Isebald
Aber ...

Thomas
Ich sage es euch vor allen, die zu mir halten, und vor allen, die mich befeinden, sofern es noch solche gibt!

Theodul
Wir haben nie an Eurer Ehre gezweifelt!

Thomas
Ich liebe dies Kloster wie mein eigen Haus. Sein Geist möge alt und verjährt sein, seine Gebote aber sind heilig. Ich will sie besser hüten als jeder andere. Man muß Mönch sein vor allen andern Dingen.

Isebald
Dies Kloster steht nicht außerhalb der irdischen Gesetze.

Thomas
Ihr allein denkt hier so. Und Ihr errichtet damit zwischen mir und Euch eine Scheidewand, die undurchdringlicher ist als die zwischen mir und Balthasar. Wenn ich jemals Euren Ratschlägen folgte, heute verwerfe ich sie und scheide mich von Euch!

Ein Mönch
Endlich!

Ein Anderer
Das war vonnöten!

Theodul
Isebald war eine Gefahr, er entfremdete Euch uns!

Thomas zu Isebald.
Euer Ehrgeiz war niedrig, ohne Größe, ohne Berechtigung. Euer Geist irrte über die Bücher hilflos hin, die der meine zu durchdringen, zu erleuchten suchte. Meine Brüder fürchteten mit Recht Euern Einfluß auf meine Gesinnung. Da sie uns immer Seite an Seite sahen, schien es ihnen, als sei ich abtrünnig.

Theodul zu Thomas.
Nun sind wir erst ganz einig!

Isebald auf Thomas deutend zu den Mönchen.
Wie? ... Ich glaube zu träumen ... Wie, ich ... ich ... der ich ihn unermüdlich voranstellte, ich ...

Thomas zu Isebald.
Vergessen wir einander und gehen wir jeder unsern gesonderten Weg!

Isebald
Was Ihr sagt, ist unsinnig. Es ist unmöglich, daß in einer Stunde, in einem Augenblick ...

Thomas
Es muß möglich sein, da es notwendig ist!

Isebald
Oh, ich verabscheue Euch noch mehr als Balthasar!

Thomas
Und ich, ich entschuldige Euch und vergebe Euch!

Isebald
Ich verachte Eure Vergebung, ich bleibe aufrecht Stirn gegen Stirn Euch gegenüber in diesem Kloster! Und ich werde dieses Werk der Ränke, das Ihr geschaffen habt und das Ihr jetzt siegreich in Euren Händen haltet, wieder zerschmettern ...

Ein Mönch zu Isebald, auf Thomas weisend.
Wir alle stimmen hier unserm Bruder Thomas bei!

Isebald
Aber ihr wißt ja gar nicht, wie verschlagen, wie unzugänglich er ist, was für eine ränkevolle Seele ...

Thomas zu den Mönchen.
Laßt ihn nur reden, ich hör ihm nicht mehr zu ...

Die Mönche folgen alle Thomas, der sich entfernt, und lassen Isebald allein, der ganz gebrochen auf eine Bank hinsinkt. Von der andern Seite des Gartens her erscheint Dom Balthasar. Er kniet zu Füßen des Kruzifixes nieder. Kaum hat er sich in sein Gebet versenkt, als Isebald auf ihn zutritt.

Isebald
Dom Balthasar!

Dom Balthasar
Wie? Ihr?

Isebald
Mein Bruder Balthasar!

Dom Balthasar
Weg! Weg!

Isebald
Ich will Euch sagen ...

Dom Balthasar
Ich will nichts hören ... Kommt nur nicht heran!

Isebald
Es handelt sich um Euch, um Eure Stellung in diesem Kloster.

Dom Balthasar
Nein! Fort! Weg! Geht weg! Fort, fort mit Euch!

Er steht auf und weist Isebald weg, der sich schließlich entfernt. Dom Balthasar kniet wieder hin. Kaum hat er sein Gebet wieder aufgenommen, als von rechts Dom Marc sich ihm nähert.

Dom Marc sehr bewegt, fast weinend.
Mein Bruder, hör: du mußt dich selber dem Gerichte stellen!

Jähes Erstaunen Dom Balthasars. Langes Schweigen. Es ist, als ob plötzlich in ihm sich etwas entschieden hätte.

Dom Marc
Fast habe ich Bangen, es dir zu sagen –
Meine Seele schluchzt und zermartert sich,
Denk ich der Sühne, die dich bedroht.
Doch über der Liebe steht Gottes Gebot!

Dom Balthasar gierig an seinen Lippen hängend, mit Tränen Dom Marc ansehend.
Sprich weiter ... sprich nur ... sprich!

Dom Marc
Oh, daß ich dich damals noch nicht gekannt,
Da ein andrer, umheult vom Zorne der Meute,
Statt deiner die Strafe erlitt und den Tod!
Dieser Hungerleider, dieser arme Vagant,
Der dorten verblich, von allen verhöhnt,
Und den nur das Kreuz, das der Priester ihm bot,
Ewig erlöste in bitterster Not, –
O wie hätte ich mich gesehnt,
Damals an seiner Stelle zu sein
Und dir mein Leben, mein Blut zu weihn!
Als Märtyrer war ich dorten verschieden,
Mein Schweigen hätte mir Kraft geschenkt
Und Verdacht und die Sühne von dir gelenkt,
Und ich wäre so sicher in ewigen Frieden
Mit meiner Seele dann himmelwärts
Zu Gott und den Engeln emporgestiegen.
Dort hätt ich dein Herz
Eingeschlossen in meine Gebete,
Und hätt es, von Reue und Qualen bewegt,
In Gottes gütige Hände gelegt.

Dom Balthasar
O du argloses Kind! Du Bester von allen,
Du seliges Herz, du Reinster der Reinen,
Die mit Strahlen in unser Dunkel scheinen.

Dom Marc
Doch der Mann, dem des Henkers grausame Hand
Das Leben mit seiner Ehre entriß,
Das schuldlose Opfer, das damals gewiß
In seiner Torturen und Qualen Brand
Jenen verfluchte und vermaledeite,
Der es wagte, in Gottes Allgegenwart
Ein fremdes Leben grundlos zu vernichten, –
O denke, wie unbarmherzig und hart
Seine Stimme vor Gottes Richterstuhl schreit,
Daß er dich strafe, daß er dich richte!

Dom Balthasar
Schweige ... o schweig ... Nun erst dämmert mir Blindem,
Daß zwiefach die Hand hier gemordet hat:
Meinen Vater und jenen ... Oh, in welche Abgründe
Von Unglück und Grauen stürz ich hinab!
Jetzt wird mir erst klar,
Daß mein Hirn verworren und grabdunkel war,
Da es nicht merkte, daß der Menschen Gericht
Nicht minder wie Gott seine Sühne verlangt.
War ich denn rasend? Und hat mich der Prior nicht,
Der nur für sein eigenes Ansehn bangt,
Nur noch tiefer in diesen Irrgang gedrängt?
Doch das allein tut not, daß man zum tiefsten Schacht
Der Reue des Gewissens suchend Lot versenkt.
O du Kind, ich dank dir, daß du beizeiten
Meinen Irrtum mir noch bewußt gemacht,
Daß du mich mahntest, daß du mich stähltest
Und meiner dunklen Reue als guten Begleiter
Den Flammenengel deiner Unschuld beigeselltest.

Dom Marc
Ich hab so viel geweint, ich rief so sehr
Die heilige Mutter Gottes an,
Daß meine Seele nicht irren kann.
O mein Bruder, ich lieb dich nur um so mehr,
Als ich dir Leides heut antuen muß,
Oh, ich weine und kann doch nichts ändern daran!
Und weh, mich faßt ein unendliches Grausen,
Seh ich die Kreuze, die dir da draußen
Der Kirchhof wie Arme entgegenstreckt!

Dom Balthasar
O nein, sei froh! Du hast mich zum Leben erweckt!
Hungernd umschlich, wie ein reißendes Tier,
Der Zorn meine Seele und suchte vergebens
Die zerfleischenden Zähne in mich zu verbeißen.
Nun aber erst eröffnet sich mir
Der Weg der Buße, des wahrhaften Lebens.
Zum erstenmal seh ich die Nebel zerreißen,
Zum erstenmal fühl ich mich aufgerafft.
Ich ward ein andrer, seit deine schönen und reinen
Worte wie Morgenrot über mich scheinen,
Ich bade mein Herz in deiner läuternden Kraft. –
Das Gold in meiner Brust hat heut zu glühen angefangen,
Verwandelt ist, was ich bisher mit Gram empfunden.
Nun hab ich vor keiner Marter mehr Bangen,
Vor den Schöffen, den Qualen, den Henkerswunden,
Und selbst den Tod, ihn will ich froh begrüßen!
Ich will bedenken, daß mit heißen Küssen
Der Heiland einst des Kreuzes Schaft besäet,
Daß auf all meine künftigen Martern und Wunden
Die erlösende Kraft deiner Liebe blickt,
Daß dein Gebet mir hilfreich zur Seite steht,
Wenn der Henker mir meinen gefolterten Leib
Auf offenem Markte zermalmt und zerstückt.

Dom Marc
O mein Bruder, mein Bruder!

Dom Balthasar
Meine Qual wird blutig und christlich sein,
Und wenn Gott mir in meiner Todespein
Die Kraft und den Willen aufrechterhält,
Dann soll diese schwanke und schwächliche Welt
Mit Beschämung schauen,
Wie stolz ein Priester selbst in dem Jahrhundert stirbt!
Endlich, nach so viel Stürmen, seh ich Vertrauen
Den Himmel des Herzens klar überblauen.
Ich habe Eile zu sterben! Ich höre die Worte
Des Beichtigers schon, ich höre die Weihe
Der seligen Lieder, ich sehe die Reihe
Der heiligen Märtyrer dort an der Pforte,
Und ich schreie
Ihnen jauchzend entgegen:
Tut auf, ihr Frommen, tut auf, ich bin der,
Der aus dem Lande des Dunkels her,
Wo auf nächtigen Wegen
Mit feurigen Augen die Sünde fährt,
Selig beglückt zu euch heimgekehrt!
Ich bin der,
Der aus den dunkelnden Landen
Der Sünde und Schuld
Gerettet ward
Durch eines Kindes sanfte Geduld,
Das mit Rat und Erleuchtung mir beigestanden!
Und nun nahe ich rein und klar,
Wie am Tage, da mich die Taufe beseelte,
Trete zu euch, ihr Himmelserwählte,
Ihr Helden und Väter, ihr Gebenedeite!
Ich bin der,
Der all sein Grollen und Hassen besiegte,
Den man so lange mit irdischem Klügeln einwiegte,
Bis er sich scheute,
Sein schweres Verbrechen gänzlich zu sühnen!
Doch heute,
Ihr Himmel mit euern tiefen Abgründen,
Die alle Sünden
Läuternd verzehren in ihrer Tiefe,
Werf ich mich wie ein brennendes Scheit
Jauchzend in eure Abgründigkeit!
An euere Schwelle trete ich hin,
Weiß nicht, ob ich rein oder schuldig bin,
Keiner verkündet mich, tritt für mich ein,
Als mein Schmerz und der dieses Kindes allein!

Er weist auf Dom Marc.

Genug, genug! Der Erde Luft erstickt,
Der Wind ist schlaff, von Qualm und Blutdunst weich.
Fort, fort! Ich will in einem Augenblick
Mein Leben und meinen Tod zugleich!

Dom Marc
Und ich, mein Bruder?

Dom Balthasar
Du sanfter Freund!

Dom Marc
Du mußt zuvor noch Buße tun, du solltest jetzt ...

Dom Balthasar
Nein, Christus wartet nicht! Ich fühl seine drängende Liebe
Und will nicht, daß mir ein taubes Gesetz
Die selige Stunde der Rettung verschiebe.
Leb wohl, mein Bruder, du einziger von allen,
Dessen Herz die Wahrheit wahrhaft erfand!
Leb wohl! Ich will in dem feurigen Schwalle
Meines Blutes mich abtun von Sünde und Fehle.
Leb wohl! Dort droben wart ich mit sehnender Seele!

Er eilt weg.

Dom Marc sinkt vor einer Bank in die Knie und birgt das Gesicht in den Händen.
Mein Bruder, ich vertraue dich in Gottes Hand!

Die Glocken klingen, die Mönche treten in die Kirche ein. Dom Balthasar folgt ihnen, zuerst unschlüssig. Dann scheint er plötzlich eine Entscheidung zufassen. Die Gläubigen kommen durch den Garten, um die Sonntagsmesse zu hören. Er drängt sich mit ihnen durch das Tor hinein.


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