Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

2. Kapitel. Jimmy.

Ribeirao Preto, der Sommersitz der Familie Tavares, lag acht bis neun Bahnstunden von der Stadt entfernt. Das bedeutete für amerikanische Zeit- und Raumverhältnisse nicht viel. Pflegten die Herren aus der Stadt, soweit sie sich nicht Ferien nahmen, doch mindestens einmal in der Woche diese Strecke im Auto zu ihren Familien zurückzulegen.

Nicht nur Milton Tavares besaß dort seine mit allem Komfort eingerichtete Sommerbesitzung. Auch die übrigen Familienmitglieder, Don Fernando und seine Frau Margarida, die Mutter, Donna Tavares, verschiedene Vettern und Freunde hatten sich dort angesiedelt. Eine elegante Kolonie war entstanden mit äußerst lebhafter Geselligkeit, mit Vergnügungen und Sportveranstaltungen aller Art. Nirgends lebte man angenehmer und sorgloser als draußen auf der Fazenda.

Meilenweit erstreckten sich die Kaffeeplantagen, aus denen das Haus Tavares seinen Reichtum schöpfte. Viele hundert Arbeiter, Männer, Frauen und Kinder waren hier vom frühen Morgen bis zum späten Abend bei glühender Tropensonne mit schwerer Arbeit beschäftigt. Weiße und Farbige. Meist waren es italienische und deutsche Auswanderer, die das Glück in die Ferne gelockt hatte, die es vergeblich gesucht, niemals gefunden hatten. Sie waren froh gewesen, bei dem reichen Kaffeekönig in Brasilien einen Unterschlupf zu finden. In elenden, fensterlosen Lehmhütten hausten sie – das war das Glück, das sie im fremden Lande erwartete. Seit der junge Herr, Don Milton, das Zepter im Kaffeereiche führte, hatten sich die Lebensverhältnisse der Arbeiter gebessert. Daran war vor allem seine schöne, blonde Frau schuld, die der Arbeiterschaft, ganz besonders ihren deutschen Landsleuten, mit warmem Herzen entgegenkam. Niemals hatte Frau Ursel das auf Äußerlichkeiten gestellte Drohnendasein der verwöhnten brasilianischen Frauen mehr empfunden, als draußen auf der Fazenda, wo sich tausend schwielige Hände regten, um all den Luxus für die Besitzer herbeizuschaffen. Sie schämte sich dessen, wenn sie unmittelbar neben der Eleganz des eigenen Hauses das Elend der Plantagenarbeiter beobachtete. Die anderen Frauen hatten dafür kein Auge. Die Schwiegermutter hatte sie liebevoll ein sentimentales Närrchen genannt, als Ursel damals, als junge Frau, mit der ihr eigenen freimütigen Offenheit für die Arbeiter eingetreten war und das Leben derselben mit dem ihrigen verglichen hatte. »Was willst du, Kind, sie verdienen sich ihr Brot und sind zufrieden. Sie sind anspruchslos und kennen es nicht besser. Da gehört mancher zur Gesellschaft in Sao Paulo, dessen Eltern früher auf den Plantagen gearbeitet haben. Heute fahren sie im eigenen Auto. Es geht schnell mit dem Auf- und Abstieg in Amerika. Ein jeder muß hier an sich denken. Du wirst die hiesigen Verhältnisse nicht ändern, Kind.«

Frau Ursel aber hatte sich vorgenommen, diesen Mißständen abzuhelfen. Und was Ursel sich in den Kopf gesetzt hatte, das führte sie auch durch. Schon daheim im Elternhause war ihr Wille schwer zu beeinflussen gewesen.

Milton Tavares hatte ein offenes Ohr für das Anliegen seiner jungen Frau. Las er ihr doch jeden Wunsch von den Augen ab. Er selbst hatte in Deutschland geordnete soziale Fürsorge für die Arbeiterschaft kennengelernt und brachte Frau Ursels Vorschlägen für gesunde Arbeiterwohnstätten Verständnis und tatkräftige Hilfe entgegen. So waren in den letzten zwölf Jahren auf den Tavaresschen Kaffeeplantagen helle, freundliche Siedlungshäuser für die Arbeiter entstanden, während auf den benachbarten Plantagen noch dieselben Mißstände anhielten. Sooft Frau Ursel jetzt ihren Sommersitz bezog, hatte sie eine stolzfreudige Genugtuung, Gutes gewirkt zu haben.

Es war am frühen Morgen. Ein Tropenmorgen, so heiß, so sonnenhell und strahlend, als sei er eigens für die Sommerfrischler auf der Fazenda heraufgezogen. Durch den weitausgedehnten Palmengarten sprühte silbern der erfrischende Wasserstrahl, den die Neger aus langen Schläuchen über die üppige Baum- und Pflanzenwelt leiteten. Leuchtende, seltsame Blüten öffneten ihre Kelche in jubelnder Farbenfreude dem neuen Sonnenlichte. Schmetterlinge, wie geflügelte Riesenblumen anzuschauen, durchschaukelten die Luft. Papageien und Kolibris in lachender Buntheit wiegten sich hoch oben in Palmenwedeln.

Auf der Terrasse, über deren gläsernes Dach rieselndes Wasser zur Kühlung herabsickerte, war die Familie beim Morgenfrühstück versammelt. Der Hausherr war selbst in den Ferien ein Frühaussteher. Er hatte seinen Morgenritt bereits hinter sich, während seine Damen Langschläferinnen waren, wie er sie scherzend nannte.

»Milton, sieben Uhr ist es erst. Bei uns daheim in Deutschland würden die Eltern mir einen Preis zuerkannt haben, wenn ich so zeitig aus den Federn gefunden hätte«, setzte Frau Ursel den Neckereien des Gatten entgegen.

»Bei uns daheim – ja, Ursel, wo bist du denn daheim?« Milton Tavares zog die Augenbrauen hoch.

»Im Tropenlande, mein Herr Tyrann, wenn meine Gedanken auch manchmal, all deiner Eifersucht ungeachtet, in ein kleines deutsches Haus, das jetzt in Schneebetten vergraben liegt, entwischen. Gedanken sind zollfrei, wie du weißt.«

»Nein, solche Gedanken kosten Zoll.« Dabei schlang Milton Tavares den Arm um die Schulter der Nebenihmsitzenden und nahm sich den Zoll von ihren frischen Lippen.

Miß Smith, die englische Governeß, die gerade in ihre dick mit Honig bestrichene Weißbrotschnitte biß, machte dazu ein Gesicht, als hätte sie Wermut auf der Zunge.

»Oh, Miß Smith, Sie werden sich verschlucken«, meinte Anita mit teilnehmendem Gesicht.

»Wieso, Anny?« fragte die Miß kauend.

»Sie haben bestimmt eben ein shocking hinuntergeschluckt. Ist es Ihnen nicht in der Kehle stecken geblieben?«

Die Engländerin machte ein unnahbares Gesicht. Es sah so steif und zugeknöpft aus wie der weiße Leinenkragen, den sie ungeachtet der Tropentemperatur trug. Sie blickte von den scheinheilig ernsten Mienen ihres Zöglings zu dessen Eltern, hoffend, daß von dort der notwendige Tadel ausgesprochen würde.

Frau Ursel sagte denn auch pflichtschuldigst: »Anita, du vergißt stets, mit wem du deinen Scherz treiben darfst.« Obgleich es ihr schwer wurde, ihre Heiterkeit zu verbergen. Ihr Gatte aber wandte sich lachend an die Erzieherin: »Nur ein Kuß, Miß Smith, – a little kiss. Der gehört zu solchem herrlichen Morgen auf dem Lande. Meinen Sie nicht auch?«

Die Miß verbeugte sich höflich zustimmend.

Da aber platzte Anita los. Sie lachte – lachte – und steckte mit ihrem silberhellen Lachen auch ihre Zwillingsschwester an. Es war aber auch zu komisch – die Miß und a kiss, das waren zwei Dinge, die wirklich nichts miteinander zu tun hatten. Wirkte sie doch mit ihren strengen Zügen, dem straff zurückgestrichenen Haar und den eckigen Bewegungen mehr wie ein Mann, als wie ein weibliches Wesen. Auch aus ihrem Alter konnte man nicht klug werden. Sicher war Miß Smith mit zwanzig Jahren schon genau so alt gewesen, wie mit fünfzig. Jetzt wandte sie sich mißbilligend an Marietta, die ihr sonst ihr Amt nicht allzu schwer machte. »Mary, auch du! Du darfst dich nicht von deiner Schwester Anny zu ungehörigem Benehmen verleiten lassen, sondern mußt versuchen, günstig auf dieselbe einzuwirken.« Miß Smith sprach stets englisch.

Marietta machte ein bestürztes Gesicht. Ihrem guten Herzen tat es sofort leid, daß sie die Miß ausgelacht hatte. Anita aber, die unverbesserliche, rief: »Wirke auf mich ein, Jetta, es tut dringend not.«

»Es tut not, daß ihr jetzt Schluß macht und eure ausgelassene Ferienstimmung, der Miß Smith gewiß manches zugute halten wird, nicht auf die Spitze treibt. Habt ihr fertig gefrühstückt? Schön, dann könnt ihr zur Großmutter hinüberreiten und ihr guten Morgen wünschen«, machte die Mutter der unbotmäßigen Lustigkeit ein Ende.

»Erst unsere Überraschung, Papi. Du hast uns auf heute vertröstet. Wo bleibt die Überraschung?« bestürmte Anita den Vater.

»Kleine Ungeduld! Pedro wird sie sogleich bringen.« Der Mulatte eilte auf einen Wink seines Herrn davon und kam mit einem Bambuskörbchen, das rosenrot abgefüttert war und eine Seidendecke in derselben Farbe besaß, zurück.

»Ein Kind?« fragte Anita zweifelnd und zog fürwitzig die Decke herab. »Ach, ein Äffchen, ein süßes Äffchen – gehört es mir, ja, Papi? Mir ganz allein?«

»Euch beiden – ihr seid doch Zwillinge. Nun, Jetta, freust du dich auch über den neuen kleinen Hausgenossen?«

»Nein, gar nicht!« Marietta war unwillkürlich einen Schritt zurückgewichen. »Ich mag Affen nicht.« Sie mochte nicht gestehen, daß sie sogar eine Scheu vor ihnen hatte.

»Aber der hier ist doch süß! Ein ganz junges Äffchen, nicht wahr, Papi? Und so zahm ist er! Ich werde ihn Jimmy nennen.« Anita reichte ihm ihre schlanke Hand hin, in die der Affe seine braune, langfingerige legte.

» Marovilhosa – er ist wundervoll! Ein entzückendes Tierchen! Alle vornehmen Damen besitzen ein zahmes Äffchen. Vielen, vielen Dank, Papi.« Begeistert küßte Anita dem Vater beide Wangen.

»Nun, und wo bleibt dein Dank, Marietta? Willst du den kleinen braunen Burschen nicht auch bewillkommnen?«

Marietta legte die Hände auf den Rücken und trat in deutlicher Abneigung noch einen weiteren Schritt zurück.

»Sie hat Angst! Unsere große Jetta hat Angst vor dem kleinen Äffchen«, lachte Anita sie aus.

»Eine Tavares hat keine Angst«, sagte der Vater in bestimmtem Tone. »Geh, schau dir das Tierchen mal näher an, Marietta. Es tut nichts.«

Anita hatte den braunhaarigen Gesellen aus seinem rosigen Bettchen genommen und hielt ihn der Schwester entgegen. »Sei lieb, Jimmy, komm, streichle die Jetta.«

Mit der braunen Affenhand wollte sie Mariettas zarte Wange berühren. Aber schreiend wich diese zurück. Der Affe, erschreckt über ihren Schrei, machte einen Satz auf das junge Mädchen zu und versetzte ihm ein paar Ohrfeigen. Marietta schrie wie am Spieß. Der Affe sprang die Terrassenstufen auf allen vieren hinab, hast du nicht gesehen den schlanken Schaft einer Palme hinauf und sah nun von dort oben der Weiterentwicklung der Dinge zu.

Anita hielt sich die Seiten vor Lachen. Auch der Vater stimmte in ihr Lachen ein. Der Anblick war unglaublich komisch. Bei Frau Ursel überwog das mütterliche Mitleid. Sie zog das erschreckte Mädchen zu sich heran und beruhigte es zärtlich.

»Jetta, Mädelchen, wer wird denn so ängstlich sein. Das Äffchen tut nichts, wenn du es nicht reizt. Obgleich ich gestehen muß, daß mir der vierhändige Familienzuwachs auch nicht gerade sympathisch ist.«

»Gräßlich unsympathisch ist er – horrible indeed!« Die Miß, die ganz versteinert dagesessen, zeigte wieder Leben.

»Wenn du den Affen nicht magst, verschenken wir ihn, Ursel«, stimmte ihr Mann sofort bereitwillig bei.

»Nein – nein, das tust du mir nicht an, Mammi. Ich bin ganz selig über ihn. In Europa halten sich die Damen ein Schoßhündchen oder einen Papagei oder einen Vogel im Käfig. Laß mir doch auch meinen Affen. Tante Margarida hat auch einen«, bat Anita lebhaft.

»Nun, hier draußen auf der Fazenda mag er meinetwegen bleiben. Aber in das Haus darf er nicht.« Die Mutter wollte jedem ihrer Kinder gerecht werden. Man konnte Anitas tiefblauen Strahlenaugen nur schwer etwas abschlagen.

»Ich mag keine nervöse junge Damen, Marietta«, äußerte sich der Vater. »Für dich ist es mir besonders lieb, daß die Mutter dem neuen Hausgenossen ein Plätzchen auf der Fazenda gestattet. Du mußt dir die kindische Furcht abgewöhnen. Amerikanische Mädchen dürfen keine zartbesaiteten Nerven haben.«

Anita schlang den Arm um die Schwester. »Du wirst dich schon an Jimmy gewöhnen, Jetta. Er ist ja so niedlich. Er soll dich auch ganz gewiß nicht mehr streicheln, wenn es dir unangenehm ist.«

Marietta machte sich aus dem sie umfangenden Arm frei. »Der abscheuliche Affe verdirbt mir den ganzen Ferienaufenthalt hier in Ribeirao Preto. Wenn du mich lieb hast, Nita, verzichtest du auf ihn. Wähle zwischen ihm und mir!« Anita lachte hellauf. Auch die Eltern mußten lachen. Selbst die Miene von Miß Smith wurde süßsäuerlich.

»Ach, bist du komisch, Jetta! Bist du komisch! Jimmy ist doch nicht mein Zwilling, daß ich zwischen euch wählen soll. Oder findest du, daß er mit einem von uns Ähnlichkeit hat?« Ihr Lachen wirkte so ansteckend, daß sogar Marietta einstimmen mußte. Anita hatte wieder mal gewonnenes Spiel.

Jimmy wurde mittels einer Banane von seinem hohen Auslug herabgelockt. Und als er so possierlich die Banane mit Händen und Zähnen abzuschälen begann und die Schalen dann der unglücklicherweise zunächst sitzenden Miß an den Kopf warf, die erschreckt aufkreischte, hatte Marietta die eigene Furcht schon ein wenig überwunden. Obwohl Jimmy sich so unehrerbietig gegen Miß Smith benahm, ward er gnädig in den Tavaresschen Familienkreis aufgenommen.

Aus dem Garten klang die Stimme der alten Rosita: »Juan – Juan – wo steckst du?« Und gleich darauf ihr empörter Ausruf: »Nein, dieser Junge! Nun hat Rosita ihn von Kopf bis Fuß frisch angezogen, und jetzt ist er pitschenaß. Juan, willst du wohl aus dem Springbrunnen heraus!«

Die Familie eilte zum Garten hinab. Nur die Miß und Jimmy blieben zurück. Erstere, weil sie so leicht nichts aus der Ruhe zu bringen vermochte, letzterer, weil ihn die Reste des reichen Frühstückstisches lockten. Beide betrachteten sich mit gegenseitigem Mißtrauen.

Inzwischen hatte Frau Ursel, deren Schritte Muttersorge beflügelte, als erste den Springbrunnen erreicht. Dort bot sich ein merkwürdiges Bild. In dem großen Steinrund, das von dem niederstäubenden Wasserbogen des Springbrunnens gefüllt wurde, jagte der kleine Juan wie ein Zirkuspferd herum, jedesmal laut aufjuchzend, wenn ihn der nasse Strahl durchweichte. Hinter ihm her – allerdings außerhalb des Steinbassins – die alte Mulattenkinderfrau, rufend und bittend. Vergeblich bemühte sie sich, ihn herauszuangeln. Immer wieder entwischte ihr der kleine Bursche. Hinter den Bäumen und aus dem Buschwerk lugte, vor Vergnügen grinsend, die farbige Dienerschaft hervor.

Frau Ursel wußte nicht, ob sie über das eigenartige Bild lachen oder schelten sollte. »Juan – gleich kommst du heraus. Du wirst dich erkälten. Ganz naß sind deine Locken. Und den schönen, neuen Anzug verdirbst du obendrein.«

»Ach, Mammi, herrlich ist es unter der Brause. Komm doch auch herein.« Der kleine Wassergott begann die großen Schwestern, die nun auch auf ihn Jagd machten, übermütig zu bespritzen. Das gab ein Lachen, Jauchzen und Kreischen, daß die Papageien droben in den Baumzweigen ihre runden Äuglein erstaunt aufrissen. Wo war ihre vielmonatige Ruhe hin?

»Juan, jetzt ist es genug des Übermuts. Jetzt kommst du heraus«, befahl der Vater. Heimlich hatte er seine Freude an dem Streich seines Jungen, der ihm oft nicht forsch genug war.

»Bekomme ich auch das kleine Pony, Papi? Und darf ich mit dir ausreiten?« leitete der Kleine die Verhandlungen ein.

»Das wird sich später finden.«

»Nein, das soll sich gleich finden, das kleine Pony«, verlangte der Kleine, der ziemlich verzogen war.

»Ich habe etwas viel Schöneres für dich, Juan, als das Pony – ein süßes, kleines Äffchen, Jimmy heißt es«, versuchte ihn Anita zu überreden.

»Juan, sieh nur, wie traurig die Mammi ist, weil du ungehorsam bist«, stellte Marietta zu gleicher Zeit dem kleinen Bruder vor.

Was nun mehr Eindruck auf Juan machte, das Äffchen Jimmy oder die traurige Mammi, das ließ sich schwer ergründen. Er war sich wohl selber darüber nicht ganz klar, was ihn veranlaßte, dem kühlen Bade zu entsteigen und sich von der atemlosen Kinderfrau greifen zu lassen.

»Wenn du dich brav abreiben und umkleiden läßt, Hansi, hat dich die Mammi wieder lieb.« Frau Ursel strich dem Kleinen die triefenden Haare aus dem Gesicht.

»Erst den Affen sehen«, verlangte Juan.

»Der Vater zeigt dir das Äffchen. Dann aber gehst du gleich artig mit Rosita in die Kinderstube.«

Als man die Terrasse betrat, bot sich dort ein ähnliches Schauspiel, wie vorhin am Springbrunnen. Nur daß die Schauspieler andere waren. Jimmy, das Äffchen, jagte die Miß. Rings um den Tisch jagte er die steife Engländerin, die sich atemlos mit Bambusstühlen vor ihrem Verfolger zu verbarrikadieren suchte. Vergebens. Mit einem Satz hatte Jimmy das Hindernis genommen.

» Dreadful indeed!« – Die atemlose Miß konnte nicht weiter.

»Werfen Sie doch die Orange fort, Jimmy will ja nur die Orange, die Sie in der Hand halten, Miß Smith«, rief Anita, als sie vor Lachen wieder sprechen konnte.

Marietta überwand sich so weit, trotz der eigenen Scheu der armen Miß zu Hilfe zu kommen. Aber Jimmy hatte sich bereits in den Besitz der Orange gesetzt und ließ nun von seinem Opfer ab.

Die Miß war halb ohnmächtig. Man mußte ihr Brausepulver bringen und die Stirn mit erfrischenden Essenzen einreiben. Eine starke Migräne war die Folge der Aufregung. Leider hatte sie auf die böse Anita nur den Erfolg, daß diese Jimmy, das Äffchen, noch mehr in ihr Herz schloß. War man doch für diesen Tag die Miß mit ihren Anstandsregeln glücklich los.


 << zurück weiter >>